Roswitha von Gandersheim
lateinisch: Hrotsvitha
Gedenktag katholisch: 5. September
Name bedeutet: die sehr Ruhmreiche (althochdt.)
Hrotsvitha stammte wohl aus niedersächsischem Adel und trat als junges Mädchen ins Kloster der Benediktinerinnen in Gandersheim - dem heutigen Bad Gandersheim - ein. Sie wurde als Mystikerin und Dichterin bekannt. Nach 962 verfasste sie acht poetisch geformte Heiligenlegenden, darunter die über Gondolf, Theophilos, Dionysius und eine über Pelagius, den Begründer des Pelagianismus, in der erstmals der Bund des Teufels mit einem Menschen behandelt wird. Sechs Dramen über Gestalten des Glaubens, darunter eines über Abraham, waren die ersten Dramen des Mittelalters in Deutschland; sie thematisieren den Sieg christlicher Frauentugenden über heidnische Lasterhaftigkeit und erzählen von starken Frauenpersönlichkeiten.
Das Schauspiel über Dulcitius, den Kerkermeister von Agape,
Chionia, und
Irene von Thessaloniki, trägt stark komödiantische Züge, das Stück
über die Bekehrung der Buhlerin Thais
durch
Paphnutius zeigt den Sieg der Reinheit über die Verführung. Im Drama
Sapentia
wird das Leiden von Fides, Spes
und Caritas dargestellt. Das Drama Gallicanus
thematisiert dessen
Martyrium mit Johannes von Rom und
Paulus von Rom, Callimachus
die Wiedererweckung der Drusiana durch
Johannes. Diesen eigenwillig gestalteten Stücken verleiht die ausdrucksstarke
Sprache und die überraschend differenzierte Psychologie bis heute Aktualität. Historische Gedichte glorifizierten Kaiser
Otto I., den Onkel der Äbtissin des Klosters.
Hrotsvitha gilt als erste weibliche Dichterin in Deutschland und in der gesamten christlichen Welt seit der Antike. Ihr Werk geriet für lange Zeit in Vergessenheit, erst 1501 wurde es in Buchform zugänglich gemacht, versehen mit Illustrationen aus der Werkstatt von Albrecht Dürer.
Das Kloster in Gandersheim wurde nach der Reformation 1568 evangelisches Frauenkloster, 1810 erfolgte in der Säkularisation seine Auflösung, die Kirche wurde evangelische Gemeindekirche.
Worte der Roswitha
Roswitha war nicht bewusst, dass sie mit ihrem Werk zur ersten deutschen Dichterin wird, wohl aber,
dass eine dichtende Frau ungewöhnlich ist. Sie schreibt an Gönner und Korrektoren ihres Werkes:
Den überaus Gelehrten und Wohlgesitteten, die anderen den Erfolg nicht neiden, sondern, wie es sich für wahrhaft
Weise ziemt, ihre Glückwünsche ausdrücken, wünscht Roswitha, unwissend und untüchtig, wie ich bin, für jetzt Wohlergehen
und für immer Freude.
Ich kann nicht genug die Größe eurer lobenswerten Demut bewundern und vermag nicht die Fülle eurer großzügigen Güte und
Wertschätzung zu meinen Gunsten mit entsprechendem Dank zu vergelten. Denn obwohl ihr besonders in den philosophischen
Wissenschaften großgezogen und in den wissenschaftlich herausragenden Studien vollendet seid, habt ihr das kleine Werk
einer unbedeutenden, schwachen Frau eurer Bewunderung für wert erachtet und den Spender der in mir wirkenden Gnade mit
brüderlicher Zuneigung beglückwünscht und gelobt. Ihr meint, ich besäße eine gewisse Kenntnis der Künste, deren
Feinsinnigkeit meinen weiblichen Geist weit übertrifft.
Schließlich wagte ich es bisher kaum, meine plumpe, bescheidene Dichtung einigen wenigen, und zwar nur meinen
Angehörigen, zu zeigen; daher stockte mein Bemühen, weiter etwas Derartiges zu verfassen. Denn wie es nur wenige waren,
die durchlasen, was ich hervorbrachte, so waren es auch nicht viele, die entweder zum Ausdruck brachten, was
korrekturbedürftig sei, oder mich ermunterten, etwas Ähnliches erneut zu wagen. Nun aber, da feststeht, dass ein Zeugnis
von dreien wahr ist, wage ich es, durch eure Ansichten gestärkt, mit mehr Zuversicht mich sowohl der schriftstellerischen
Tätigkeit zu widmen, wenn Gott es zulässt, als auch mich der Prüfung weiser Leute, wer immer es auch sei, zu unterziehen.
Dabei werde ich mit widerstrebenden Gefühlen, nämlich Freude und Furcht, in verschiedene Richtung gezogen. Denn dass Gott,
durch dessen Gnade allein ich bin, was ich bin, in mir gelobt wird, freut mich von Herzen. Aber ich fürchte zugleich, dass
ich größer erscheine als ich bin; denn ich zweifle nicht, dass beides ein Unrecht ist: einerseits die von Gott geschenkte
Gabe zu leugnen, andererseits vorzugeben, etwas, was ich nicht empfangen habe, empfangen zu haben.
Daher bestreite ich nicht, dass ich mich durch die Gnade des Schöpfers vom Vermögen her auf die Künste verstehe – ich
bin ja ein gelehrsames Lebewesen. Aber von der tatsächlichen Ausführung her bekenne ich, dass ich mich darauf überhaupt
nicht verstehe. Auch erkenne ich an, dass mir von Gott ein scharfsinniger Geist geschenkt wurde. Aber dieser bleibt, da
die Sorgfalt der Lehrer nachließ, unausgebildet und aufgrund der eigenen Trägheit und Untätigkeit vernachlässigt. Deshalb,
damit nicht in mir die Gabe Gottes aufgrund meiner Nachlässigkeit zunichte würde, ließ ich, falls ich etwa Fäden oder auch
Fasern von Tuchfetzen aus dem Gewand der Philosophie herausreißen konnte, diese in mein kleines Werk einfügen, damit meine
Unwissenheit in ihrer Bescheidenheit durch Beimischung eines edleren Stoff es erhellt und der Spender der Begabung in mir
umso mehr mit Recht gelobt werde, je eingeschränkter – wie man glaubt – der Verstand bei den Frauen ist.
Quelle: Brief Roswithas an ihre Gönner und Korrektoren vor der Herausgabe ihrer Bücher. In: Migne Patrologia Latina, t. 137, Sp. 973f; eigene Übersetzung
Zitat von Roswitha:
Roswitha schickte ihren Legenden folgende Gedanken voraus:
Eifrig begann ich ganz geheim und im Verborgenen bald zu dichten,
bald Misslungenes wieder zu vernichten,
und mühte mich, wenn auch vielleicht mit vergeblichem Ringen,
um eines Textes Gelingen und versuchte ihn zustande zu bringen
aus Handschriften, die ich studiert mit Müh;
im Kloster zu Gandersheim fand ich sie.
Denn mein Talent, ist es auch klein,
sollte nicht ungenützt sein. …
Daher, Leser, wer du auch seist, …
erkenne in dem, was dir gefällt, Gottes Kraft,
dagegen meine eigene Nachlässigkeit in allem, was fehlerhaft,
doch sprich nicht von Schuld,
sondern übe Geduld,
da jedem Vorwurf schon die Spitze abgebrochen,
sobald demütiges Bekenntnis ausgesprochen.
Quelle: Hroswitha von Gandersheim: Vorwort der Dichterin zu den Legenden. In: Opera, vol. 1: Legenden, hrsg. von Anton Sommer, S. 1
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung
Literatur von und über Roswitha
Original-Werke von Hrotsvitha in lateinischer Sprache bietet die Biblotheca Augustana der Universität Augsburg.
weitere Schriften von Hrotsvitha und ihree Lebensgeschichte gibt es online zu lesen in den Documenta Catholica Omnia.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 15.10.2024
Quellen:
• P. Ezechiel Britschgi: Name verpflichtet. Christiana, Stein am Rhein, 1985
• dtv-Lexikon, Bd. 15, München 1980
• https://www.roswitha-gymnasium.de/index.php/schulleben/roswitha-von-gandersheim - abgerufen am 15.10.2024
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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