Theophil Wurm
Gedenktag evangelisch: 29. Januar
Name bedeutet: der Freund Gottes (griech.)
Theophil war der Sohn von Paul Ernst Wurm, der damals als Pfarrer im
Missionshaus in Basel tätig war und der Luise
Regula, geb. Kind. Er wurde 1899 Pfarrer bei der
Evangelischen Gesellschaft
, der
Stadtmission in Stuttgart, und 1901 deren geschäftsführender Sekretär. 1913 kam er als Pfarrer an die
Stadtkirche nach Ravensburg, 1920 wurde er Dekan
in Reutlingen. Wurm ließ sich zu Beginn der
Weimarer Republik für die Bürgerpartei
,
dem württembergischen Flügel der rechten Deutsch-Nationalen
Volks-Partei, in den Stuttgarter Landtag wählen.
1927 wurde er Prälat in Heilbronn und 1929
Kirchenpräsident - 1933 wurde das Amt umbenannt in Landesbischof
- der evangelischen Kirche in Württemberg. Als
dann die Rechtsparteien mit Hitler kooperierten, unterstützte auch er dies uneingeschränkt.
Proteste hörte man, als die Gleichschaltung auch vor der Landeskirche nicht halt machte. Am 22. April 1934 hielt Wurm im
Münster in Ulm den Gottesdienst, nach dem der
Widerstand der Bekennenden Kirche seinen Anfang nahm. Die NSDAP versuchte 1934 vergeblich, die von ihm geleitete
Landeskirche in die nationalsozialistisch gleichgeschaltete Reichskirche
einzugliedern. Im Oktober wurde gegen
Wurm für drei Wochen die Schutzhaft in mildester Form
des Hausarrestes verhängt, ein Kommissar wurde als
Kirchenführer eingesetzt, Oberkirchenräte, Prälate, Dekane und Pfarrer wurden suspendiert. Der allergrößte Teil der
Kirchenglieder und der Pfarrer hielt jedoch zu Bischof Wurm und zeigte dies demonstrativ: vor
Wurms Wohnung in Stuttgart versammelten sich
mehrere tausend Menschen und blockierten den Verkehr; die Polizei nahm einige Verantwortliche fest und wollte sie per
Straßenbahn abtransportieren, doch die Demonstrierenden blockierten die Straßenbahnschienen, bis die Festgenommenen wieder
auf freiem Fuß waren. Schließlich entschied das Landgericht, dass die Kirchenleitung wieder in alle Rechte einzusetzen sei,
Wurm blieb Bischof seiner Kirche. Nachdem Fritz von
Bodelschwingh das Amt des Reichsbischofs niedergelegt hatte und der Hitler hörige Ludwig Müller als Reichsbischof
eingesetzt wurde, widersetzte Wurm sich 1934 der Eingliederung der württembergischen Landeskirche in die Reichskirche; der
deshalb gegen ihn verhängte Hausarrest wurde nach massiven Protesten der Bevölkerung aufgehoben. Seine Kirche schloss
sich mit anderen lutherischen Landeskirchen und Bruderräten dem 1936 gebildeten Lutherrat
an und Wurm arbeitete
mit anderen Bischöfen an einer Kirchenverfassung, die die Eigenständigkeit der Kirche auf der Grundlage des Evangeliums
erhalten sollte und später zur Bildung des Rates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands
führte.
1937 verkündete Wurm öffentlich, dass seine
Württembergische Kirche
judenreiner sei als irgendeine andere
. Da Wurm nicht gegen die Außenpolitik des Reiches mit dem Anschluss
Österreichs und der Sudetenkrise protestierte und sich bei Vorkommnissen wie der Kristallnacht
im November 1938
zurückhielt, kam es innerhalb der Landeskirche zu schweren Auseinandersetzungen. Im Gefolge
Adolf Stoeckers vertrat er einen protestantischen Konservatismus und
Nationalismus mit gemäßigter antisemitischer Haltung vertrat: Ich bestreite mit keinem Wort dem Staat das Recht, das
Judentum als ein gefährliches Element zu bekämpfen. Ich habe von Jugend auf das Urteil von Männern wie Heinrich von
Treitschke und Adolf Stoecker über die zersetzende Wirkung des Judentums auf religiösem, sittlichem, literarischem,
wirtschaftlichem und politischem Gebiet für zutreffend gehalten
, so Wurm 1938. Einem Teil der Pfarrer schien die
Haltung Wurms als Verrat an der Kirche; sie forderten eine klare, dem Barmer Bekenntnis entsprechende Ablehnung des
Dritten Reiches und seiner Politik.
In anderen evangelischen Kirchen wurde jegliches Zusammengehen mit dem Staat abgelehnt, daran zerbrach die evangelische
Kirche in Deutschland. Im Juli 1940 protestierte er dann doch und als erster deutscher Bischof in einem Brief an
Reichsinnenminister Frick massiv gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten und 1943 protestierte er öffentlich
gegen die Verfolgung der Juden. Ab 1940 aber kam Wurm immer deutlicher von seiner bisherigen Kompromisslinie gegenüber den
nationalsozialistischen Machthabern ab und näherte sich dem radikaleren Flügel der Bekennenden Kirche an, auch zur
Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises
hielt er Kontakt. 1944 wurde er wegen seiner Proteste mit einem Rede- und
Schreibverbot belegt.
1945 war Wurm Mitunterzeichner des Stuttgarter
Schuldbekenntnisses
, in dem die evangelische Kirche ihr Versagen im 3. Reich
eingestand und damit eine
Brücke baute zu den Kirchen der Kriegsgegner; dieses Bekenntnis ermöglichte dann die weltweite ökumenische Zusammenarbeit.
Wurm stritt nun auf dem Hintergrund der Erfahrungen im 3. Reich
für den Zusammenschluss der verschiedenen
evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Schon im August 1945 gelang unter seiner Leitung die Gründung der
Evangelischen Kirche in Deutschland
, EKD
, bei der Kirchenführerkonferenz
in der
Diakonieanstalt Hephata in Treysa - heute ein
Ortsteil von Schwalmstadt -; bis 1949 war er Vorsitzender des Rates der EKD und maßgebend an der Verfassungsgebung der EKD
beteiligt.
Gegenüber den Besatzungsmächten protestierte Wurm gegen die Härte der Entnazifizierung; so wandte er sich in einem
Brief an den stellvertretenden Hauptankläger der
Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse gegen die
angeblich belegte Tatsache, dass verbrecherische Methoden und abscheuliche Quälereien
zur Erpressung von Aussagen
und Geständnissen angewandt worden seien; außerdem rufe die Heranziehung ungeeigneter, ja amoralistischer und
krimineller Elemente zur Übernahme größerer oder kleiner Verantwortung
- gemeint waren vor allem Gewerkschafter,
SPD-Mitglieder und Kommunisten - im deutschen Volk Verstimmung, Depression und Verärgerung
hervor.
1949, im Alter von 80 Jahren, trat Wurm von seinen Ämtern zurück, blieb aber bis zu seinem Tod in der Kirche aktiv.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
Web 3.0 - Leserkommentare:
Ich habe in alten Unterlagen eine Abschrift einer Abschrift von Landesbischof
Wurm gefunden. In seinem Schreiben vom 9. Juni 1939 schrieb er mit Absender, Stuttgart,
Stadt der Auslandsdeutschen an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
mit der Überschrift: Betr.: Werbung für den Weltanschauungsunterricht in
Württemberg.
In diesem Schreiben beklagt er sich, dass mit diesem sogenannten Weltanschuungsunterricht
weiterhin in vielen Orten Druck auf die Eltern und Kinder ausgeübt werde etc. Er zitiert die
Drohungen gegen Kinder und Eltern in Bopfingen–Oberdorf, Böckingen, Münklingen-Leonberg,
Reutlingen, Esslingen und anderen Orten.
Auf Seite 2 unterstreicht er den Satz: Der Landesbischof protestiert hiermit feierlich
gegen die schamlose Art, mit der in Württemberg Elternrecht und Gewissensfreiheit unterdrückt wird.
Dann folgt ein Aufruf des Landesbischof vom 11.Juni 1939 an die evang. Eltern! Der Aufruf endet:
In der Verbundenheit des Glaubens an den Herrn und der Liebe zu unserem Volk verbleibe ich
Euer Landesbischof, gez. Wurm
Sehr mutig gewesen dieser Mann!
Da ich auswandere, schaue ich alles durch und was sich verkaufen lässt, wird verkauft, da
ich selbst jeden Cent benötige. Sollten Sie evtl. Interesse an diesem Dokument haben (ich werde
es später einscannen), können Sie mir gerne ein Angebot machen. Da weder bei Wikipedia noch bei
Ihnen diese doch sehr interessante und für sein Leben riskante Provokation der Nazis erwähnt wird,
gehe ich davon aus, dass dieses Dokument einen gewissen Seltenheitswert hat.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Pott über E-Mail, 8. Juni 2010
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- zuletzt aktualisiert am 31.03.2024
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