Ökumenisches Heiligenlexikon

Das Bild des Dominikus in Soriano

Gedenktag katholisch: 15. September

Altar der neuen Kirche in Soriano mit Nachbildung des wundersamen Dominikus-Bildes
Altar der neuen Kirche in Soriano mit Nachbildung des wundersamen Dominikus-Bildes

Gemälde und Erzählungen berichten von einem wundersamen Porträt des Gründers des Dominikanerordens, das 1530 in Kalabrien aufgetaucht sein soll.

Erstmals hatten wir von Soriano in dem alten Dominikanerinnenkloster vor der Via Appia gehört, wo das Gnadenbild, das die Römer Advocata nennen, lange war. Eine Schwester Ernestine erzählte uns jedes Detail der Geschichte. Sie zeigte uns das Refektorium, in dem Dominikus sein Brotwunder gewirkt hatte, als wäre es nichts, sie zeigte uns das ganze Haus und auch ein Gemälde im Kirchenraum, auf dem die Madonna zwischen zwei Frauen eine Leinwand hielt, auf dem ein Mönch in schwarz-weißer Kutte abgebildet war.

Was ist das denn? fragte ich Schwester Ernestine. Dominikus in Soriano! antwortete sie schlicht. Können Sie das erklären? Das Bild halte fest, erzählte sie da lächelnd, wie eines Tages die Madonna mit Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien einem Dominikaner erschienen sei, der sich dringend gewünscht habe, den Heiligen noch einmal lebendig zu sehen.

Dieser Wunsch sei ihm gewährt worden. Aber wie denn? In einem Traum? Wie hat er dieses Bild gesehen? Aber nein, schüttelte Schwester Ernestine verständnisvoll den Kopf, das sei wirklich geschehen. Wollen Sie sagen, dass es auch dieses Bild gibt? Aber natürlich: Es befindet sich unten in Soriano in Kalabrien. Nein, nein, selbst habe sie es noch nicht gesehen. Es sei ja viel zu weit dahin und sie habe in Rom mehr als genug zu tun.

Danach haben wir dasselbe Bildmotiv noch mindestens zehnmal in Rom wieder gesehen: das Gemälde eines Gemäldes, das von drei Frauen einem knieenden Dominikaner hingehalten wird: als Bild der Calata, des Einfalls vom Gnadenbild des Heiligen, wie das Ereignis in Soriano genannt wird - wie etwa von einem Einfall der Barbaren geredet wird. Nur von dem Original fand ich keine Abbildung.

Katharina von Alexandria, Maria und Maria Magdalena überreichen Fra Lorenzo das „Bild des Dominikus”, in der Klosterkirche in Dominkus' Geburtsort Caleruega
Katharina von Alexandria, Maria und Maria Magdalena überreichen Fra Lorenzo das Bild des Dominikus, in der Klosterkirche in Dominkus' Geburtsort Caleruega

Wochen später brachte mir mein Bruder Pitter zwei Postkarten aus Soriano mit. Um ein Haar hätte er das Bild überhaupt nicht gesehen, weil es über dem Hauptaltar verschlossen sei. Zufällig habe ihm dann eine Sakristanin die Bronzetüren geöffnet. Dominikus sehe schwanger aus, erzählte er schon am Telefon, im neunten Monat.

Die Perspektive stimmte vorne und hinten nicht. Der Heilige stand in einer Ecke, doch hinter ihm verlief eine Wand glatt gefugt wie eine normale Mauer. Neben ihm hing ein völlig abstraktes Bild an der Wand (oder vielleicht ein Fenster), als habe der späte Matisse es gemalt. Es schien mit dicken groben Strichen gemalt und schaute mich doch sehr fein und sinnend an.

Er hatte etwas vom Frieden eines Embryos mit offenen Augen. Es war eine fötale Verklärtheit, die ich nur von einem Bild kannte. Das war die Madonna von Guadalupe in Mexiko. Am Ende des Sommers machten also auch wir uns in der Früh noch einmal von Rom aus auf, Richtung Reggio di Calabria, gegen Zwölf bogen wir schon hinter Lamezia von der Küstenstraße ab. In Soriano kamen wir an, als die Kirchentüre gerade geschlossen wurde.

Dominikus-Statue, 2005, in Soriano
Dominikus-Statue, 2005, in Soriano

Es gibt in dem Städtchen kein Hotel, kein Restaurant, nicht mal eine Trattoria, kein gar nichts. Nur die Kirche erhob sich wie eine riesige Glucke aus den um sie geschmiegten Häusern. Wir waren zu schnell oder zu langsam gefahren, beim Mittagessen in einem einsamen Landgasthof entlud sich der Stress in einem bewährten kleinen Ehestreit. Kauend schauten wir nach links und rechts zum Fenstern hinaus.

Die Nähe des Gnadenbildes trug nicht unmittelbar zur Heiligung bei, erfuhren wir rasch, jedenfalls nicht zu unserer. Ja, das Bild gelte als acheiropoietos, als nicht von Menschenhand gemalt, entsprechend der Stelle im Korintherbrief, wo Paulus den Gläubigen eine nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel (2.Korintherbrief 5, 1)versprochen habe, belehrte uns in der Sakristei ein gelehrter Dominikaner, den wir baten, das Bild über dem Hauptaltar zu öffnen.

Von dieser Gattung gebe es ja einige. Das Gewebe der Leinwand habe die Struktur einer Art Papyrus, die in Italien ansonsten völlig unbekannt sei. Doch dass es gemalt sei, könne ja jeder selbst sehen. Auch für ihn sei es gemalt, schmunzelte er, vielleicht von einem Genie, es sei ein Rätsel, doch gemalt.

Natürlich könnten wir das Bild sehen, natürlich könne ich es fotografieren. Nur zu. Er lächelte und skizzierte mit wenigen Worten die Geschichte, zu der er uns zwei Bücher einpackte, gespickt voll mit Untersuchungsergebnissen.

Zwanzig Jahre nach der Gründung des Klosters bewohnten die Patres Domenico Galiano, Stefano Natale, Pater Tommaso und die Fratres Lorenzo und Natale Sorbilli den Konvent, als Bruder Lorenzo in der Nacht des 15. September 1530 morgens um halb Drei in der Kirche eine Begegnung der dritten Art hatte.

Eingang zur Ruine der Kirche des Dominikaner-Klosters in Soriano
Eingang zur Ruine der Kirche des Dominikaner-Klosters in Soriano

Als Sakristan wollte er wie immer die Stundengebete für die Mitbrüder vorbereiten, doch diesmal überraschten ihn drei wunderschöne Frauen, majestätisch gekleidet, als er durch den Chor die Kirche betrat. Hatte er die Tür aufgelassen? Da sprach ihn eine der Damen auch schon an: Habt ihr in dieser Kirche ein Bild des heiligen Dominikus?

Lorenzo murmelte etwas von einem Bild vor der Kirche und einem Fresko an der Wand, als sie ihm schon eine Leinwand überreichte: Nimm das und sag dem Oberen, er solle es über dem Altar ausstellen. Lorenzo machte sich auf, erzählte alles seinen Mitbrüdern, doch als sie in die Kirche zurückkamen, war er leer wie zuvor und die Türen verschlossen.

In der Aufregung vergaßen sie natürlich auch das merkwürdige Bild des heiligen Dominikus über dem Altar aufzuhängen. Da erschien dem Superior in der nächsten Nacht eine Dame, gab sich als die heilige Katharina von Alexandria zu erkennen, und bat ihn noch einmal, das Bild aufzuhängen, das sie in der Nacht zuvor mit der Allerseligsten Jungfrau und Maria Magdalena Fra Lorenzo übergeben hätten. Gesagt, getan.

L. Trasi: Das Wunder des Bildes von Soriano, 1627, in der Dominikanerkirche San Pietro Martire in Ascoli Piceno
L. Trasi: Das Wunder des Bildes von Soriano, 1627, in der Dominikanerkirche San Pietro Martire in Ascoli Piceno

Historisch bezeugt wurde das Ereignis jedoch erst im Jahr 1610, als vier Pfarrer der Umgebung unter Eid vor dem Notar Giovanni Andrea Raffaele bezeugten, dass Pater Domenico Galiano ihnen diese Geschichte viele Male erzählt hatte. Als letzter Augenzeuge wurde dazu auch noch der inzwischen weit über neunzig Jahre alte Don Natale Sorbili aufgerufen, der die Urkunde Wort für Wort bestätigte.

Im Druck erschien erstmals 1621 in Messina ein Bericht der Ereignisse, unter dem Titel Erzählung der Wunder und empfangenen Gnaden des Bildes vom heiligen Pater Dominikus in Soriano. Große Verehrung, eigene Hymnen und Berichte zahlloser Wunder umsummen zu der Zeit das Bild schon wie einen honigschweren Bienenstock, und so soll es auch noch rund dreihundert Jahre weitergehen, als Soriano zu einer Art Lourdes des 17. und 18. Jahrhunderts wurde.

Der Ruf verbreitete sich von Kalabrien über Italien und Europa bis hin zur Neuen Welt. Das Königreich Neapel erklärte Domenico in Soriano zu seinem Schutzpatron, Papst Urban VIII. bestätigte um 1634 die Erhebung. Im Jahr 1649 bewohnten 82 Dominikaner den Konvent.

Mitte des 18. Jahrhunderts hatten schon zwei Päpste das abgelegene Soriano besucht: Alexander VII. und Benedikt XIII. Nur zweimal ging das Öl aus, in dem Tag und Nacht vor dem Bild ein Docht brannte - in zwei furchtbaren Katastrophen.

Am 5. November 1659 zerstörte ein Erdbeben den Konvent und tötete neun Brüder. Gleich danach wurde der Neubau in Angriff genommen und nahm am Modell des El Escorial bei Madrid Maß. Alles wurde noch prächtiger. Die berühmte Bibliothek reichhaltiger, die Basilika gewaltiger, Soriano wurde ein Gravitationszentrum des katholischen Südens - bis ein noch gewaltigeres Erdbeben am 4. Februar 1783 in Kalabrien an die 50.000 Menschen tötete und das Kloster sowie das Städtchen dem Erdboden gleichmachte.

Das Gnadenbild blieb für Monate beschädigt unter Trümmern begraben; danach begann an dem Bild eine Serie der Restaurationen, die heute nur noch schwer zu identifizieren sind. Normannen hatten den Flecken einmal gegründet, doch seit diesem letzten Beben ragen die gigantischen Ruinen der Dominikaner um die neue Kirche aus Soriano hervor wie die Ruinen der Mayas aus Mexiko, als Zeugnisse einer großen untergegangenen Kultur.

Von Paul Badde, VATICAN-Magazin.
Quelle: http://www.kath.net/detail.php?id=15972


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Autor: Paul Badde - zuletzt aktualisiert am 25.02.2020
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