Ökumenisches Heiligenlexikon

Die Einsiedelei delle Carceri bei Assisi


Im dichten Eichenwald am Berg Subasio befindet sich die Einsiedelei delle Carceri, der Einsamkeit, in die sich Franziskus erstmals 1205 zum Gebet zurückzog. Später kamen auch seine ersten Gefährten immer wieder zur Einkehr hierher. Die Einsiedelei ist auf dem Fels errichtet, manche Teile sind in Höhlen in den Fels eingeschlagen. Zunächst gab es nur ein kleines Oratorium, das Maria gewidmet war, deshalb Santa Maria delle Carceri, Heilige Maria der Zurückgezogenen. Es gehörte der Gemeinde von Assisi, die es den Benediktinern übergab, diese schenkten das Oratorium 1215 ebenso wie die „Portiuncula”-Kapelle Franziskus.

Franziskus Gebetsnische in einer Höhle in der Eremo delle Carceri
Franziskus Gebetsnische in einer Höhle in der Eremo delle Carceri bei Assisi

Thomas von Celano berichtete über Franziskus' erste Besuche dort: In Assisi lebte ein Mann, den er (Franziskus) mehr als andere schätzte, weil er gleichen Alters mit ihm war und die stete innige Freundschaft und gegenseitige Liebe ihn wagen ließ, ihm seine Geheimnisse mitzuteilen. Ihn führte er öfters an abgelegene, zu Beratungen geeignete Orte und versicherte ihm, einen kostbaren, großen Schatz gefunden zu haben. Da jubelte jener und, durch das Gehörte in unruhige Spannung versetzt, ging er gerne mit ihm, sooft er ihn rief. - In der Nähe der Stadt war eine Grotte; dorthin gingen sie häufig und sprachen miteinander über den Schatz. Der Mann Gottes, der schon durch seinen heiligen Vorsatz ein Heiliger war, trat in jene Grotte ein, während der Gefährte draußen wartete, und betete inständig zu seinem Vater im Verborgenen, von neuem, ungewöhnlichem Geiste durchdrungen. Dringend wünschte er, niemand solle wissen, was er hier innen tue, und indem er unter dem Vorwand des Guten das Bessere weise verbarg, befragte er Gott allein über seinen heiligen Vorsatz um Rat. Voller Hingebung betete er, der ewige, wahre Gott möge ihm seinen Weg weisen und ihn lehren, seinen Willen zu tun. … Eines Tages nun, als er mit höchster Inbrunst Gottes Barmherzigkeit angerufen hatte, ward ihm vom Herrn gezeigt, was er tun solle. Von der Stunde an ergriff ihn solche Freude, daß er sich vor Jubel nicht mehr beherrschen konnte und, ohne es zu wollen, vor den Ohren der Menschen etwas verlauten ließ. 1

Unter der heutigen Kapelle Santa Maria delle carceri befindet sich die Grotte von Franziskus, der Ort des Gebets, des Fastens, des Weinens und der Dialoge zwischen dem Heiligen Franziskus und Gott, daneben die Zelle mit dem Stein, der ihm als Bett diente. Davor ist das Loch des Teufels, in das dieser verschwand, nachdem Franziskus ihn verjagt hatte.

Der Olivenbaum, in dessen Zweigen die Vögel Franziskus' Predigt hörten, an der Eremo delle Carceri
Der Olivenbaum, in dessen Zweigen die Vögel Franziskus' Predigt hörten, an der Eremo delle Carceri Mauro Parin

Hinter der Einsiedelei ist wieder dichter Wald mit mehreren Grotten, die Franziskus und seine Gefährten zum Gebet nutzten; daneben findet sich das Bett eines Baches, der der Überlieferung nach auf Befehl von Franziskus austrocknete, damit sein Plätschern die Mönche nicht beim Gebet stört. Auch der Olivenbaum, in dessen Zweigen die Vögel saßen, denen der Legende nach Franziskus predigte, wird noch gezeigt. Der Wald am Berg Subasio war der einzige, der als heiliger Wald im Mittelalter von Rodung verschont blieb.

Die Benediktiner überließen um 1215 den Franziskanern die Einsiedelei. Um den ursprünglichen Kern herum entwickelte sich durch die im 15. Jahrhundert von Bernhardin von Siena durchgeführten Erweiterungen ein Franziskanerkonvent; im 16. und 17. Jahrhundert wurde das kleine Kloster zur heutigen Form erweitert.

1 Thomas von Celano: Erste Lebensbeschreibung, III/6 - 7

Fiorenzo Bacci: Franziskus auf dem Boden liegend, 2006 (?), Bronzeskulptur an der Eremo delle Carceri
Fiorenzo Bacci: Franziskus auf dem Boden liegend, Bronzeskulptur an der Eremo delle Carceri

fotografiert am 23. August 2010

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 12.01.2019
korrekt zitieren:
Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.

Quellen:
• Kunst und Geschichte Assisi. Casa Editrice Bonechi, Florenz 2009
• http://www.eremocarceri.it/
• http://www.telestreetarcobaleno.tv/index.php?option=com_content&view=article&id=1895