Ökumenisches Heiligenlexikon

Adolf Stoecker

Name bedeutet: edler Wolf (althochdt.)

Pfarrer, Hofprediger, Politiker
* 11. Januar 1832 in Halberstadt in Sachsen-Anhalt
7. Februar 1909 in Gries, heute der Stadtteil Gries / San Quirino in Bozen in Südtirol in Italien


Berliner Dom, 1894 bis 1905 an der Stelle des Vorgängerbaus errichtet, nach Bombenschäden von 1944 in den Jahren 1975 bis 1993 reduziert restauriert
heutiger Berliner Dom, 1894 bis 1905 an der Stelle des Vorgängerbaus errichtet, nach Bombenschäden von 1944 in den Jahren 1975 bis 1993 reduziert restauriert

Adolf Stoecker, Sohn eines Wachtmeisters, studierte in Halle an der seit 1817 in den Francke'schen Anstalten beheimateten Theologischen Fakultät und an der Humboldt-Universität in Berlin. Er arbeitete dann ab 1859 fast vier Jahre als Hauslehrer in Kurland - dem heutigen Kurzeme - und ab 1863 als Pfarrer in drei Gemeinden. 1874 berief ihn Kaiser Wilhelm I. als vierten Hofprediger an den Dom nach Berlin. 1877 wurde er Leiter der drei Jahre zuvor gegründeten Berliner Stadtmission, die den Verfall der Religion aufhalten wollte und das damalige Hospiz eröffnete. Außerdem engagierteStoecker sich im Zentralverein für Sozialreform auf religiöser und konstitutionell-monarchischer Grundlage. In diesen Tätigkeiten kam er in engeren Kontakt zur Arbeiterklasse und warnte die Kirche, den Kontakt zu dieser Bevölkerungsschicht zu verlieren. Er setzte sich für einen christlich geprägten Sozialismus ein und gründete 1878 die christlich-soziale Arbeiterpartei - 1881 in Christlich-Soziale Partei umbenannt -, die mit christlich-monarchischer Sozialpolitik und antisemitischer Agitation die Bindung der Arbeiterschaft zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) lösen wollte. 1881 bis 1893 war er als einziger Vertreter seiner Partei, die von der Kirchenleitung bekämpft wurde und sonst bei den Reichstagswahlen keine Erfolge erzielen konnte, Mitglied des Reichstages.

Adolf Stoecker
Adolf Stoecker

Nachdem Stoeckers Versuch, die Arbeiterschaft für seine Partei zu gewinnen, gescheitert war, wandte er sich - nun erfolgreicher - mit antisemitischer Propaganda an den kleinbürgerlichen Mittelstand. Er kämpfte gegen die jüdische Weltherrschaft; die Juden, die als ein fremdes Volk unter uns leben sollten kein Wahlrecht haben und nicht Beamte werden können. 1880 gründete er die Berliner Bewegung als Zusammenschluss antisemitischer Gruppierungen. Reichskanzler Otto von Bismarck erwog, Stoeckers Gedanken unter das Sozialistengesetz fallen zu lassen und so zu unterdrücken, Stoecker aber wurde von Kaiser Wilhelm I. begünstigt, da er tatsächlich ja nicht auf der Seite der Arbeiter stand, sondern die Monarchie retten wollte. 1883 zwang Bismarck Stoecker zur öffentlichen Verzichtserklärung auf weitere politische Betätigung.

1890, nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes, begann Stoecker erneut politisch zu wirken; nicht nur durch die gewaltigen Versammlungen, die er abhielt, fiel er schließlich beim Kaiser in Misskredit und wurde als Hofprediger entlassen. Er kümmerte sich nun intensiv um die Berliner Stadtmission und entwickelte eine weitgefächerte Arbeit, die sich der Kranken, Behinderten und sozial benachteiligten Gruppen annahm. Im gleichen Jahr gründete er zusammen mit Liberalen wie Adolf von Harnack den Evangelisch-sozialen Kongress zur Erforschung der sozialen Frage. Nach der Entlassung Bismarcks gewann Stoecker in der Deutschkonservativen Partei erneut an Einfluss, 1892 gelang es ihm im Tivoli-Programm der Partei, seinen sozialen und antisemitischen Standpunkt durchzusetzen, 1898 bis 1908 war er dann erneut Mitglied des Reichstages. Er starb an seinem Alterssitz in Südtirol.

Stoeckers Eintreten für einen christlichen Sozialismus blieb letztlich erfolglos, seine antisemitische und antimodernistische Weltanschauung trug entscheidend zu der verhängnisvollen Polarisierung der deutschen Gesellschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg bei, so das Urteil des evangelischen Sozialethikers Günter Brakelmann. Und Stoeckers Antisemitismus legte eine Spur, die dann auch zu den Schrecken des Nationalsozialismus führte.

Stoecker war im Evangelischen Namenkalender enthalten. 2011 beschloss die Synode der Mitteldeutschen Kirche, den Vorstand der liturgischen Konferenz um Streichung des Gedenkens an den Antisemiten zu bitten, die dann für das Kirchenjahr 2013/2014 erfolgte. Die Stadt Bielefeld änderte schon 1987 den Namen der Adolf-Stöcker-Straße um in Bernhard-Mosberg-Straße, 2007 benannte die Stadt Bochum die Adolf-Stöcker-Straße um in Anne-Frank-Straße und 2012 Mülheim an der Ruhr die Stöcker-Straße und den Stöcker-Platz in Anne-Frank-Straße/-Platz.

Der Berliner Dom ist montags bis freitags von 10 Uhr bis 18 Uhr, samstags von 10 Uhr bis 17 Uhr und sonntags von 12 Uhr bis 17 Uhr für Besucher geöffnet, der Eintritt beträgt 10 € und ist nur mit Kreditkarte zu bezahlen. (2023)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 13.09.2024

Quellen:
• Uwe Puschner. In: Friedrich-Wilhelm Bautz †, Traugott Bautz † (Hg.): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. X, Herzberg 1995
• http://www.hagalil.org/s1/schule-judentum/projekt/stoecker.htm nicht mehr erreichbar
• http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/nstopo/strnam/Begriff_21.html - abgerufen am 30.04.2023
• https://www.derwesten.de/staedte/muelheim/umbenennungen-id6414994.html nicht mehr erreichbar

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.