Franziskus: Kindheit und Jugend in Assisi
Anfang des 16. Jahrhunderts ließ König Philipp II. von Spanien über dem Geburtshaus von Franziskus die barocke Kirche Chiesa Nouva, neue Kirche, erbauen.
Über Franziskus' Auseinandersetzung mit dem Vater berichtet die Vita prima
des
Thomas von Celano
1:
Vom Heiligen Geiste bestärkt, folgte der selige Diener des
Allerhöchsten, da die festgesetzte Zeit gekommen war, jenem glücklichen Antrieb
seines Herzens, der ihn das Irdische mit Füßen treten und nach den höchsten Gütern
streben ließ. Übrigens durfte er nicht mehr zögern, weil die tödliche Krankheit (die
Pest) überall schon so weit fortgeschritten war und bei vielen so sehr alle Glieder
befallen hatte, dass sie, wenn der Arzt noch eine Weile zögerte, den Lebensodem
unterbunden und das Leben dahingerafft hätte. So machte er sich denn auf, stärkte
sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, ließ ein Pferd satteln, bestieg es,
nahm Scharlachtuch mit zum Verkauf und begab sich eilends in eine Stadt, die
Foligno
heißt. Dort verkaufte er wie gewöhnlich alles, was er mit sich führte, und ließ
auch sein Pferd, das er bis jetzt geritten, als glücklicher Kaufmann um eine
Summe Geldes zurück. … Als er nach der Stadt Assisi zurückkehrte, fand er am
Weg eine Kirche, die in alter Zeit zu
Ehren des heiligen Damian erbaut worden war, jetzt aber ihres hohen Alters
wegen in Bälde einzustürzen drohte.
Dahin ging der neue Ritter Christi
und trat, von Mitleid über solche Armseligkeit bewegt, mit ehrfürchtiger Scheu ein.
Und als er dort einen armen Priester fand, küsste er ihm mit großem Glauben die
geweihten Hände, bot ihm das Geld an, das er bei sich trug, und erzählte ihm der
Reihe nach sein Vorhaben. Der Priester war betroffen, wunderte sich über die
unglaublich schnelle Umwandlung und konnte gar nicht glauben, was er gehört.
Und weil er meinte, man halte ihn zum besten, weigerte er sich, das angebotene
Geld bei sich zurückzubehalten. Hatte er ihn doch sozusagen beinahe gestern noch
gesehen, wie er unter Verwandten und Bekannten mit großem Aufwand lebte und mehr
als die anderen auf seine Torheit stolz war. Doch jener bestand hartnäckig auf seiner
Bitte und bemühte sich, seine Worte glaubhaft zu machen. Inständiger bat er den
Priester und flehte ihn an, er möge ihn um des Herrn willen bei sich wohnen lassen.
Schließlich gestattete ihm der Priester zu bleiben, aber das Geld nahm er nicht an
aus Furcht vor den Eltern. Der wahre Verächter des Geldes aber warf es in eine
Fensternische und kümmerte sich darum nicht mehr als um den Staub. …
Während nun der Knecht Gottes, des Allerhöchsten, an dem
erwähnten
Orte weilte, ging sein Vater überall herum wie ein eifriger Kundschafter, um zu
erfahren, was mit seinem Sohn geschehen sei. Und als er von seinem Aufenthalt
an dem genannten Ort erfuhr, wurde er im Innersten seines Herzens von Schmerz
getroffen, ganz verwirrt über die plötzliche Wendung der Dinge. Er rief alle
Freunde und Nachbarn zusammen und eilte schleunigst an den Ort, an dem der
Diener Gottes sich aufhielt. Als Franziskus - noch ein Neuling als Kämpfer
Christi - die Drohungen der
Verfolger hörte und ihre Ankunft bemerkte, wollte er dem Zorn aus dem Wege gehen
und verbarg sich in einem geheimen Winkel, den er sich selbst zu diesem Zweck
zurechtgemacht hatte. Jenes Versteck befand sich im Hause und war nur einem
einzigen durch Zufall bekannt geworden. Hier hielt er sich einen Monat lang
ununterbrochen versteckt, und zwar derart, dass er kaum herauszugehen wagte,
um seine menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn ihm Speise gereicht wurde,
aß er sie im Dunkel des Verstecks, und im geheimen erwies man ihm jeden Liebesdienst.
Inbrünstig betete er ohne Unterlass, mit einem Strom von Tränen übergossen, auf
dass der Herr seine Seele aus den Händen der Verfolger befreie und seine frommen
Wünsche in gütiger Huld erfülle. Unter Fasten und Weinen erbat er die Schonung
des Erlösers und richtete, seinem eigenen Tun misstrauend, all sein Denken auf
den Herrn. Und obgleich er sich in einem finsteren Versteck befand, überströmte
ihn dennoch unaussprechliche, bisher noch nicht verkostete Freude. Von ihr ganz
glühend, verließ er schließlich das Versteck und setzte sich öffentlich den
Schmähungen der Verfolger aus.
So machte er sich denn sofort auf, unverdrossen, eilig und freudig und schlug,
zum Kampf für den Herrn den Schild des Glaubens vor sich haltend und mit Waffen
starker Zuversicht gerüstet, den Weg zur Stadt ein. … Bei seinem Anblick fingen
alle, die ihn kannten, an, indem sie das Einst und das Jetzt verglichen, ihm harte
Vorwürfe zu machen. Sie hießen ihn einen Verrückten und Wahnsinnigen und bewarfen
ihn mit Straßenkot und Steinen. Sie sahen, wie sein früheres Benehmen sich
verändert hatte, wie er durch Kasteiung des Fleisches ganz abgezehrt war, und
schrieben deshalb sein ganzes Treiben der Erschöpfung und dem Wahnsinn zu.
Indem nun eine Weile derartiges Gerücht und Gerede Straßen und Gassen der
Stadt durcheilte und da und dort das Gelächter der Spötter widerhallte, kam die
Kunde darüber unter den vielen, die davon gehört hatten, endlich auch dem Vater
zu Ohren. Wie er den Namen seines Sohnes hört und vernimmt, daß ihm solches Ungemach
von den Mitbürgern zugefügt werde, macht er sich sofort auf, nicht um ihn zu befreien,
sondern vielmehr zu verderben. Ohne jede Mäßigung, wie der Wolf auf das Lamm, so
eilt er hin, schaut ihn grimmig und wild an, packt ihn und schleppt ihn unter
Schmach und Schande in sein eigenes Haus. Dort sperrt er ihn erbarmungslos mehrere
Tage in einen finsteren Raum. Und da er glaubt, seines Sohnes Sinn nach seinem
Willen beugen zu können, bearbeitet er ihn zuerst mit Worten, dann auch mit
Schlägen und Fesseln. - Er aber ging daraus nur um so entschlossener und
gefestigter hervor, seinen heiligen Vorsatz auszuführen. …
Als sein Vater in einer dringenden Familienangelegenheit für kurze Zeit
außer Haus war und der Mann Gottes gefesselt im Hause eingesperrt blieb, redete
seine Mutter, die mit ihm allein daheim geblieben war und das Vorgehen ihres
Manns nicht billigte, mit zärtlichen Worten ihrem Sohne zu. Da sie aber sah,
dass sie ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen könne, ließ sich ihr Mutterherz
über ihn erweichen; sie löste die Bande und ließ ihn frei davongehen. Er aber
dankte dem allmächtigen Gott und kehrte eiligst an den Ort zurück, wo er sich
früher aufgehalten hatte. - In Versuchungen erprobt und bewährt, hatte er nämlich
schon eine größere Unerschrockenheit, und infolge der zahlreichen Kämpfe trug er
eine fröhlichere Miene zur Schau. Gefestigter war sein Herz hervorgegangen aus
den ungerechten Verfolgungen, frei konnte er sich überall bewegen, und frohgemuter
schritt er einher. Inzwischen kehrte der Vater zurück, und da er ihn nicht fand,
wandte er sich mit Vorwürfen an seine Frau und häufte so Sünde auf Sünde. Dann
lief er tobend und schreiend an den genannten Ort, um seinen Sohn, falls er ihn
nicht zur Besinnung bringen könne, wenigstens aus der Gegend zu verjagen. Weil
aber die Furcht des Herrn feste Zuversicht ist, so ging der Sohn der Gnade, als
er hörte, daß sein fleischlich gesinnter Vater zu ihm komme, ihm mit festem Mut
und fröhlichem Herzen von selbst entgegen und rief mit Freimut, er achte Kerker
und Schläge für nichts. Obendrein versicherte er ihm noch, daß er um des Namens
Christi willen freudig alle
Übel auf sich nehmen wolle.
Als aber der Vater sah, daß er ihn von dem eingeschlagenen Weg nicht abbringen
könne, bemühte er sich mit allen Kräften, ihm wenigstens das Geld zu entwinden. Der
Mann Gottes hatte zwar gewünscht, es für den Unterhalt der Armen und die Gebäude
jenes Ortes ganz auszugeben und zu verwenden. Aber er hing nicht am Geld und konnte
auch nicht durch den Schein des Guten getäuscht werden. Und da ihn keinerlei
Begierde danach gefangen hielt, ließ er sich bei seinem Verlust nicht im geringsten
in Verwirrung bringen. Als sich das Geld wiederfand, das der größte Verächter des
Irdischen und gar begierige Sucher himmlischer Schätze in den Staub des Fensters
geworfen hatte, wurde die Wut des rasenden Vaters ein wenig gedämpft und der Durst
der Habgier durch die Freude über den Fund ein wenig gestillt. Darauf schleppte
er ihn vor den Bischof der Stadt, damit er in dessen Hände auf sein ganzes Vermögen
verzichte und alles zurückgebe, was er habe. Dem stimmte Franziskus nicht nur
freudig zu, vielmehr beeilte er sich voll Freude, die Forderung mit bereitwilligem
Herzen zu erfüllen.
Vor den Bischof geführt, duldete er weder Aufschub noch irgendeine Verzögerung;
ja, nicht einmal Worte wartete er ab, noch sprach er solche, sondern legte sofort
all seine Kleider ab, warf sie hin und gab sie dem Vater zurück. Nicht einmal die
Hose behielt er zurück, vollständig entblößte er sich angesichts aller. Als aber
der Bischof seine Entschlossenheit bemerkte, erhob er sich allsogleich voll hoher
Bewunderung für seinen glühenden Eifer und seine Standhaftigkeit, schloß ihn in
seine Arme und bedeckte ihn mit dem Mantel, den er trug. Klar sah er ein, dass
der Entschluss von Gott komme, und er erkannte, dass das Tun des Mannes Gottes,
das er mit eigenen Augen gesehen, ein Geheimnis in sich berge.
1 ▲ Vita prima, IV, 8 - 9, V, 10 - 12, VI, 13 - 15
fotografiert am 24. August 2010
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korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.
• http://www.schriften.franziskaner-werd.ch/leben1.htm