Ökumenisches Heiligenlexikon

Mit leeren Händen

Die Botschaft der Thérèse von Lisieux

Vorwort

Die hl Thérèse von Lisieux vorzustellen, ist keine leichte Aufgabe. Denn einerseits ist sie zwar sehr bekannt, andererseits aber ist das Bild, das viele von ihr haben, nicht ganz treffend. Was am Anfang nur ein Unterscheidungsmerkmal sein sollte, wurde mit der Zeit zu einer Verkürzung ihrer Persönlichkeit.

Man wollte sie von der hl Teresa von Avila unterscheiden und so kam man auf das Wort klein:

  • kleine Thérèse,
  • kleiner Weg …

Nicht jeder hat jedoch das Predikat klein richtig verstanden. Es ist nun unser Wunsch, Thérèses Bild von den Akzenten zu befreien, die mit Kitsch, Lebensuntüchtigkeit oder der Vorstellung eines verwöhnten Kindes zu tun haben.

Hinter dem süßen Namen Thérèse steckt ja ein stark geprüfter und gereifter junger Mensch.

Es gibt viele Wege

Manche Menschen sind der Meinung, wichtige, berühmte und gewaltige Schritte machen zu müssen, wenn sie zu Gott kommen wollen. Sehr oft wird aber dabei übersehen, dass nicht die Größe der Schritte entscheidend ist, sondern die Größe der Liebe mit der sie gemacht werden.

Auch kleine, unbedeutsame und monotone Handgriffe des Alltagslebens können von viel Liebe durchdrungen sein… und dadurch bekommen diese Schritte einen großen Wert.

Der Weg zu Gott besteht sowohl aus Schritten, die wir machen, als auch aus Schritten, die Gott auf uns geht und durch diedie Entfernung zwischen Ihm und uns verkürzt wird. Bald entdecken wir in den Schriften der Thérèse noch eine dritte Art von Schritten, nämlich jene, die wir auf den Armen Gottes machen, da Er uns ja trägt.

Thérèse bezeugt diese Haltung Gottes. Gott neigt sich uns zu und hebt uns in Seine Arme:

  • wenn unsere Schritte trotz Bemühung die nächste Stufe der Stiege nicht erreichen;
  • wenn unsere Kräfte total verbraucht sind;
  • wenn unsere Versuche keinen sichtbaren Erfolg haben;
  • wenn unsere Unzulänglichkeit uns auf der Stelle treten läßt.

Die Begegnung mit Thérèse läßt uns zu Zeugen ihrer inneren Wende werden:

  • ihr Bild und ihre Vorstellung von Heiligkeit ändern sich. Eines Tages wird ihr klar, dass wir uns den Himmel nicht verdienen müssen… auch wenn dies die geläufige Meinung der Leute ist;
  • vieles stirbt in ihrer kindlichen Einstellung, um neu werden zu können. Wir sehen das Sterben mancher Vorstellungen und das Entstehen einer neuen geistigen Kindschaft;
  • wie ein roter Faden durchzieht ihr Leben das Wachsen und Reifen des Vertrauens. Zuerst ist es das Vertrauen zu ihrem Vater, nach dem Zusammenbruch des makellosen Bildes ihres Vaters aufgrund seiner Krankheit dann das Vertrauen zum himmlischen Vater;
  • ein grenzenloses Vertrauen zu Gott prägt die geistige Botschaft der Heiligen:
    • Vertrauen zum Vater,
    • wenn Er auf uns schaut und uns verwöhnt,
    • wenn Er sich mit uns beschäftigt und uns erzieht,
    • wenn Er uns strampeln läßt,
    • wenn Er uns anscheinend vergißt und Momente der Läuterung erleben läßt,
    • wenn Er auf uns wartet …

Mit leeren Händen

Der Titel will uns auf etwas Wesentliches aufmerksam machen.

Vor Gott ist es nicht entscheidend, was wir bringen,
es ist zweitrangig, ob wir viel oder wenig bringen,
denn Gott will uns selbst haben.

Es ist sicher nicht leicht, diesen Gedanken der leeren Hände vor Gott am Sterbebett mit Gelassenheit zu formulieren.

Wenige verstehen die Botschaft dieses kurzen Satzes:

Manche Menschen sehen darin die Tatsache, trotz Bemühung und Anstrengung keine Superleistungen aufweisen zu können. Thérèse erlebt darin eine Befreiung: Der Druck einer religiösen und verkrampften Leistung schwindet, dafür wächst proportional dazu das Vertrauen zu Gott. Auch mit leeren Händen sind wir bei Ihm willkommen.

Mit leeren Händen vor Gott stehen ist für andere Menschen wieder der Ausdruck einer inneren Bereitschaft, sich von Ihm beschenken zu lassen. Es ist ein Zeichen der Offenheit für Gott und Seine Gaben.

Die deutsche Ausgabe

Dieses Buch Mit leeren Händen hat in anderen Sprachen ein großes Echo gefunden. Vielen Menschen hat es geholfen, die Persönlichkeit der hl. Thérèse von einer anderen Perspektive zu betrachten.

Die Tatsache der zahlreichen positiven Reaktionen hat uns ermutigt, die deutsche Übersetzung vorzubereiten. Wir hoffen, dass diese Ausgabe ein Beitrag sein wird, den Weg der französischen Karmelitin mit neuen Augen zu sehen.

Manche Zitate aus den Werken Thérèses haben wir in der Formulierung vereinfacht oder bisweilen auch ein wenig aktualisiert, so daß der Inhalt verständlicher wird.

Im Jahr 1996 beginnt das Jubiläumsjahr zu Ehren der hl. Thérèse von Lisieux. Die Feierlichkeiten und Veranstaltungen anläßlich ihres hundertjährigen Todestages wollen die Aktualität der Heiligen in Erinnerung rufen.

Möge die Herausgabe dieser Übersetzung ein Beitrag dazu sein, aus der kleinen hl. Thérèse eine hl. Thérèse zu machen:

  • eine, die das Gewöhnliche außergewöhnlich gut macht, ist ja bestimmt keine kleine Heilige.

P. Antonio Sagardoy OCD

Ich habe die Wüste immer geliebt.
Man setzt sich auf eine Sanddüne.
Man sieht nichts. Man hört nichts.
Und währenddessen strahlt etwas in der Stille…
- Es macht die Wüste schön, sagte der kleine Prinz,
daß sie irgendwo einen Brunnen birgt.
Ich war überrascht, dieses geheimnisvolle Leuchten des Sandes plötzlich zu verstehen …
Und während ich so weiterging, entdeckte ich bei Tagesanbruch den Brunnen …
- Ich habe Durst nach diesem Wasser, sagte der kleine Prinz,
gib mir zu trinken…
Und ich verstand, was er gesucht hatte!
Ich hob den Kübel an seine Lippen.
Er trank mit geschlossenen Augen.
Das war süß wie ein Fest.
Dieses Wasser war etwas ganz anderes als ein Trunk.
Es war entsprungen aus dem Marsch unter den Sternen …
Es war gut fürs Herz, wie ein Geschenk.
ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY

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zuletzt aktualisiert am 12.09.2016
korrekt zitieren:
Mit leeren Händen - Die Botschaft der Thérèse von Lisieux:
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