Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Augustinus
S. Augustinus (Aurelius), Ep. Conf. et Eccl. Doct. (28. Aug. al. 5. Mai, 28.
Febr.) Vom Lat. Augustinus = auf Augustus sich beziehend, Augustisch. (S. oben
bei Augusta). - Der hl. Augustinus - nach bewährten Schriftstellern mit dem
Vornamen Aurelius, den er jedoch (aus Demuth vielleicht) in seinen Schriften nie
beisetzte - Bischof von Hippo und Kirchenlehrer, stammte aus einer nicht sehr
reichen, aber sehr rechtschaffenen Familie und wurde am 13. Nov. 354 zu Tagaste
(Tagaste, Thagaste), einer kleinen Stadt Numidiens in Afrika, unweit Hippo,
geboren. Sein Vater hieß Patrizius und war ein Heide von sehr heftiger
Gemüthsart, bekehrte sich aber später zum Christenthume und empfing vor seinem
Tode die hl. Taufe; seine Mutter war die hl. Monika,
welche am 4. Mai verehrt wird. Der hl. Augustin hatte noch einen Bruder,
Navigius mit Namen, welcher verheirathet war und Kinder hinterließ, darunter
eine Tochter, die sich in der Abgeschiedenheit von der Welt Gott weihte. In
seiner Jugend folgte unser Heiliger, wie er sich selbst in seinen Bekenntnissen
anklagt, allen Begierden und Neigungen eines verderbten Herzens, und hörte nicht
auf die Ermahnungen seiner für ihn höchst besorgten Mutter. Besonders empfand er
eine große Abneigung gegen das Lernen, zu dem er nur durch Strenge gebracht
werden konnte. In der lateinischen Sprache, welches eigentlich seine
Muttersprache war, erwarb er sich vollkommene Kenntnisse, und las nichts lieber,
als die Dichter derselben; allein gegen das Griechische hatte er eine fast
unüberwindliche Abneigung, die sich erst später hob und ihm erlaubte, das
Versäumte nachzuholen. Was ihn an dem ernsten Geschäfte der Erlernung der ersten
Kenntnisse hinderte, war ein gewaltiger Hang zum Spiele, der in der Folge sich
zur Liebe zum Schauspiele ausbildete und ihn in die größten Laster stürzte. Nach
Vollendung der ersten Ausbildung ward er nach der nahe gelegenen Stadt Madaura
gebracht, um in der Grammatik, Poesie und Rhetorik unterrichtet zu werden; er
kam jedoch in seinem 16. Jahre wieder in seine Vaterstadt zurück, wo er ein
ganzes Jahr im elterlichen Hause zubrachte, und auf nichts anderes als auf
Ergötzlichkeiten sann. Seinen Vater bekümmerte dies wenig, wenn er nur in der
Beredsamkeit sich ausbildete, desto mehr aber seine heilige Mutter, die ihn
öfter unter Thränen bat, einen andern Sinn anzunehmen. Um das Jahr 370, im
Anfange seines 17. Jahres, ging er zur Vollendung seiner Studien nach Karthago,
wo er die glänzendsten Fortschritte in den Wissenschaften machte, aber immer
weiter von Gott abkam und sich der Sünde überließ. Von der Macht der bösen
Gesellschaften fortgerissen, fand er Behagen an gefährlichen Ergötzungen und
erglühte von Lust für die Schauspiele, die das unreine Feuer, das schon in ihm
brannte, unterhielten. Er selbst bekennt unter heißen Thränen, daß er zu
Karthago einen ausschweifenden Lebenswandel geführt, und die Frucht desselben
war, daß er in seinem 18. Lebensjahre einen Sohn erhielt, Adeodatus mit Namen,
der ein außerordentlich begabter Jüngling war, aber schon mit 18 Jahren starb.
Während seines Aufenthaltes zu Karthago beschäftigte er sich viel mit den
heidnischen Philosophen, besonders mit Aristoteles und Cicero, legte sie aber
mit der Zeit wieder weg, weil er darin den Namen Jesus
nicht fand, dessen Kenntniß er sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hatte.
Er fing daher an, die heil. Schriften zu lesen, konnte aber ihre einfache
Sprache nicht ertragen, und sein Stolz hinderte ihn, in ihren Geist einzudringen.
Kurze Zeit nachher fiel er in die Ketzerei der Manichäer, worin er gegen 9 Jahre
beharrte, und auch Andere dahin zog, unter Andern seinen Freund Alypius und
seinen Wohlthäter Romanianus, bei dem er während seiner Studienzeit zu Karthago
wohnte. Nachdem er diese Stadt verlassen hatte, errichtete er in seiner
Vaterstadt eine Schule für Grammatik und Rhetorik, setzte aber dabei seine
Ausschweifungen fort. Seine hl. Mutter Monika war untröstlich über seine
Verirrungen und flehte unaufhörlich zu Gott um seine Bekehrung. Auch ging sie zu
ihrem Bischofe und bat ihn unter Thränen, er möchte doch die Bekehrung ihres
Sohnes versuchen. Als dieser ihr erwiederte, daß noch nicht die rechte Zeit dazu
sei, sie aber doch noch weiter in ihn drang, sagte er endlich: »Geh' hin, so
wahr du lebst, unmöglich kann ein Sohn solcher Thränen zu Grunde gehen.« Diese
Worte betrachtete sie als einen Zuruf vom Himmel, wurde guten Muths und ließ in
der Hoffnung auf seine Bekehrung nicht ab. Zuerst machte der Tod eines zärtlich
geliebten Freundes einen großen Eindruck auf ihn, und da ihn nichts zu trösten
vermochte, so zog er sich wieder nach Karthago zurück, wo er ebenfalls eine
Schule der Redekunst errichtete und sich dadurch vielen Beifall erwarb. Nach und
nach wurde er der manichäischen Ketzerei abgeneigt, und diese Abneigung
steigerte sich noch mehr nach der Unterredung mit einem Bischofe dieser Secte,
Faustus mit Namen, von dem er Aufklärung über alle Zweifel erwartete, aber
nichts als leere Worte und hohle Phrasen erhielt. In seinen Zweifeln und
Ungewißheiten verließ er heimlich vor seiner bekümmerten Mutter Afrika und
ging nach Rom, wo er gleichfalls eine Schule der Beredsamkeit aufschlug und
viele Schüler hatte. Die Niederträchtigkeit der studirenden Jünglinge, die oft
ihre Lehrer wechselten, um sich der am Ende der Lehrzeit schuldigen Zahlung zu
entziehen, verleidete ihm seinen Lehrstuhl, und da eben um diese Zeit Gesandte
von Mailand anlangten, wo der Kaiser Valentinian der Jüngere sein Hoflager hielt,
und Symmachus, der Präfect von Rom, aufgefordert wurde, Mailand mit einem
geschickten Lehrer der Beredsamkeit zu versehen, wurde Augustinus, der dem
Symmachus als ein fähiger Lehrer bekannt war, für diese Stelle ausersehen. Es
wäre unsern Zwecken nicht angemessen, alles das genau anzugeben, was Augustinus
zu Mailand gethan, was er in seinem Innern gelitten und überhaupt, welchen
Proceß er durchzumachen hatte, bis er endlich der Wahrheit seine Augen öffnete;
wir bemerken nur, daß die Reden des hl. Ambrosius,
den er anfänglich nur der Beredsamkeit wegen hörte, nach und nach anfingen,
Eindruck auf ihn zu machen; daß dann der Priester Simplician, an welchen
Augustinus in seinen Zweifeln sich gewendet hatte, ihm manche gute Anweisungen
gab, und daß endlich die Erzählung eines gewissen Pontitianus aus Afrika, der
bei Hof in großem Ansehen stand und der den Augustinus und seinen Freund Alypius
besuchte, von der merkwürdigen Bekehrung einiger Hofleute beim Anblicke eifriger
Diener Gottes und bei der Nachricht von dem heil. Leben des Antonius
in der Wüste unsern Heiligen in's tiefste Nachsinnen versetzte und in ihm den
Gedanken erweckte: »Vermagst du nicht was diese und jene?« Nach diesem Besuche
des Pontitian begab er sich allein in den Garten und sich unter einem Feigenbaum
lagernd, ließ er den Thränen freien Lauf, die wie ein Strom seinen Augen
entstürzten. Wie er so im Nachdenken vertieft war und eben mit dem Gedanken sich
beschäftigte: »Wie lange noch? Morgen, morgen? Warum nicht jetzt?« hörte er vom
benachbarten Hause her eine singende Stimme, wie die eines Knaben oder Mädchens,
die zu wiederholten Malen sprach: »Nimm und lies! nimm und lies!« Da er sich
nicht erinnern konnte, daß Knaben in irgend einem Spiele Aehnliches zu singen
pflegten, so erkannte er in diesen Worten eine Mahnung des Himmels. Zugleich
erinnerte er sich, daß der hl. Antonius bei Anhörung einer Stelle des
Evangeliums sich bekehrt habe. Er eilte daher schnell an den Ort zurück, wo
Alypius war, und wo er die Briefe des hl. Paulus
gelassen hatte. Sofort öffnete er das Buch und las stillschweigend jene Worte,
auf welche seine Augen zuerst fielen: »Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen,
nicht in Schlafkammern und Unzucht, nicht in Zank und Neid, sondern ziehet den
Herrn Jesum an und pfleget der Sinnlichkeit nicht zur Erregung der Gelüste« (Röm.
13,13). Weiter wollte er nicht lesen, auch war es nicht nöthig; denn sobald er
diesen Vers geendet hatte, goß ein Lichtstrahl Ruhe und Sicherheit in sein Herz
und zerstreute alle Finsternisse seiner Zweifel. Darauf schloß er das Buch, sich
die Stelle merkend, und sagte mit ruhigem Angesichte dem Alypius, was geschehen
war. Dieser wollte die Stelle lesen, und wie er sie las mit den darauffolgenden
Worten: »Den Schwachen aber im Glauben nehmet auf,« deutete er sie auf sich, und
da er ein zur Tugend geneigtes Gemüth hatte, trat er ohne Zögern dem von seinem
Freunde gefaßten Entschlusse bei. Beide gingen nun sogleich zur hl. Monika,
welche ihrem Sohne nach Mailand gefolgt war, und erzählten ihr das Geschehene.
Diese frohlockte nun in ihrer Freude und pries Gott für seine überaus große
Gnade. Monika hatte ihrem Sohne eine vortheilhafte Verbindung ausersehen, und
ihre Wahl war auf ein Mädchen gefallen, welches ihrem Sohne nicht minder gefiel;
allein als der Heilige vollkommen bekehrt war, faßte er den Entschluß, in
unbedingter Enthaltsamkeit zu leben. Augustin bekehrte sich im August oder
September des Jahres 386, im 32sten Lebensjahre, legte hierauf sein Lehramt
nieder und zog sich auf ein Landhaus bei Mailand zurück, wo er seine Zeit mit
Gebet und Studium zubrachte, im Umgange mit der hl. Mutter Monika, seinem Bruder
Navigius, seinem Sohne Adeodatus, seinem Freunde Alypius, seinen Schülern
Trigetius und Licentius, und seinen Vettern Lastidianus und Rusticus. Aus dieser
Zeit stammen auch einige seiner Schriften. - Am Anfange der Fasten des Jahres
387 ging er nach Mailand zurück, um sich unter die Zahl der Ansuchenden
(Competentes) aufnehmen zu lassen, und wurde am 24. April, am Vorabende vor
Ostern, getauft; 1In der Nähe der
Kirche des hl. Ambrosius ist eine Kapelle, in deren Sacristei ein Taufbrunnen sich
befindet. Hier war es, wo der hl. Augustinus getauft wurde, nur wenige Schritte von dem oben erwähnten Feigenbaume. Einer der
Herausgeber dieses Werkes hat im J. 1838 während seines vierwöchentlichen Aufenthaltes in Mailand fast täglich in dieser
(seiner Wohnung ganz nahen) Kapelle die hl. Messe gelesen und aus dem bezeichneten Brunnen getrunken. mit ihm auch Alypius und sein Sohn
Adeodatus, der damals ungefähr 15 Jahre alt war. Einige Schriftsteller bringen
das Entstehen des Hymnus Te Deum laudamus … mit der Taufe des Heiligen in
Verbindung. Denn als nach der Taufe der hl. Ambrosius, von Freude erfüllt über
dieses Wunder der Bekehrung, ausgerufen habe: Te Deum laudamus, habe ihm der hl.
Augustin geantwortet: Te Dominum confitemur, und so hätten sie abwechselnd
weiter gesungen, bis der Hymnus entstanden sei; allein geschichtlich läßt sich
dies nicht nachweisen, wie denn überhaupt heut zu Tage noch nicht mit
historischer Gewißheit eruirt werden kann, wer der Autor dieses Hymnus sei.
Bevor der hl. Augustin Italien verließ, um nach Afrika zurückzukehren und
daselbst sich in der Einsamkeit dem Dienste Gottes zu weihen, wollte er noch
eine Reise nach Rom machen. Er verweilte daselbst mit seiner Mutter vom April
bis September des Jahres 387, und begab sich dann von da nach Ostia, in der
Absicht, nach Afrika sich einzuschiffen; allein seine Abreise ward durch den Tod
seiner Mutter verhindert, der am 13. Nov. 387 erfolgte. Wieder nach Rom
zurückgekehrt, blieb er daselbst bis zum folgenden Jahre. Gegen den Monat
September 388 zu Karthago angelangt, wohnte er bei dem Rechtsanwalte Innocentius,
der durch ein Wunder geheilt wurde, wie Augustin es selbst gesehen. Nach einem
kurzen Aufenthalt zu Karthago zog er sich auf ein Landgütchen zurück, welches er
bei Tagaste hatte, und lebte da mit einigen Freunden drei Jahre in der vollsten
Lostrennung vom Irdischen. Sein väterliches Erbe schenkte er der Kirche von
Tagaste mit der einzigen Bedingung, daß ihm der Bischof jährlich so viel
verabreiche, als er zu seinem und seines Sohnes Unterhalt in dem angetretenen
Stande nöthig hatte. Aus dieser Genossenschaft, deren Glieder kein persönliches
Eigenthum hatten, leitet der Orden der Augustiner-Einsiedler seinen Ursprung her.
Dieser Orden glaubt nämlich, Augustinus habe während dieser 3 Jahre ein
monastisches Leben geführt, und sei der Genossenschaft als Oberer vorgestanden;
allein Andere (und an ihrer Spitze stehen die Canonici Regulares) behaupten
entgegen, dieser dreijährige Aufenthalt sei nur als ein Zusammenleben von Laien
zu betrachten, die sich zum Zwecke des Studiums und des Gebetes zusammengethan
hätten. Ueberhaupt entstand im 15. Jahrhundert ein so heftiger Streit zwischen
diesen zwei Orden, daß sich die Päpste bemüßigt fanden, beiden Theilen unter der
Strafandrohung der Excommunication Stillschweigen aufzulegen. Die Bollandisten
geben einen weitläufigen Bericht über diese Streitigkeiten, hüten sich aber wohl,
ihre Meinung auszusprechen und sich in dieselben einzumischen. - Als der Heilige
nach Verfluß von 3 Jahren nach Hippo (Hipporegius) Geschäfte halber kam und
daselbst der Predigt und der Unterredung des Bischofs Valerius beiwohnte, worin
dieser das Volk hinsichtlich der Wahl eines Priesters, der statt seiner predigte,
berieth, ward Augustinus ergriffen und dem Bischofe mit der einmüthigen Bitte
vorgestellt, daß er ihm die Hände auflegen möchte. Der Heilige vergoß häufige
Thränen; allein er mußte dem Begehren des Volkes zuletzt nachgeben und empfing
um das Jahr 390 die Priesterweihe. In den Gärten, welche ihm der Bischof von
Hippo geschenkt hatte und welche an die Kirche stießen, baute er für seine
Genossenschaft ein Haus und führte die seit seiner Bekehrung geführte
Lebensweise darin fort. Es ist aber diese Gemeinde nicht mit den regulirten
Chorherren zu verwechseln, deren Genossenschaft er erst als Bischof errichtete.
Von dieser Zeit an hörte er nicht mehr auf, das Wort Gottes zu verkündigen, und
predigte mit so sichtbarem Erfolge, daß auffallende Aenderungen beim Volke
eintraten; besonders aber ließ er sich angelegen seyn, der Ketzerei
entgegenzutreten und sie unschädlich zu machen. Da nun der Ruf unseres Heiligen
von Tag zu Tag wuchs, und der Bischof fürchtete, der hl. Augustinus möchte von
einer andern Stadt zu ihrem Bischofe erwählt werden, entschloß er sich, ihn zu
seinem Gehülfen im bischöflichen Amte zu ernennen, nachdem er heimlich die
Gutheißung des Erzbischofs Aurelian von Karthago und die Beistimmung seines
Volkes und der numidischen Bischöfe eingeholt hatte. Augustin widersetzte sich
diesem Vorhaben nicht mehr länger, als er den Ruf des Himmels erkennen konnte,
der sich so sichtbarlich in den vereinten Willen Aller aussprach, und er empfing
im Dec. 395 im Beginne seines 42. Lebensalters die bischöfliche Weihe. Als im
folgenden Jahre Valerius mit Tod abging, sah sich Augustin genöthigt, in dem
bischöflichen Hause seine Wohnung zu nehmen. Aber diese gestaltete er zu einem
Kloster; denn er bewog die Priester, Diakone und Subdiakone seiner Kirche, allem
Eigenthum zu entsagen und die von ihm eingeführte Regel anzunehmen. Zu den heil.
Weihen ließ er Niemanden, der nicht versprach, derselben Lebensweise sich zu
unterwerfen. Mehrere Bischöfe ahmten hierin seinem Beispiele nach, und dieß war,
wie oben schon angedeutet wurde, der Ursprung der »regulirten Chorherren«
(Canonici Regulares). Es ist hier nicht der Ort, uns näher auf die vom hl.
Augustin eingeführte Hausordnung einzulassen, 2Ueber den Tisch
hatte er folg. Distichon geschrieben:
Quisquis amat dictis absentûm rodere
Hanc mensam indignam noverit esse sibi. und wir
gehen darum über auf seine bischöfliche Verwaltung. Sein Eifer für das geistige
Wohl seiner Heerde war ohne Gränzen. »Ich begehre nicht ohne euch selig zu
werden,« das war der Grundsatz, von dem er sich bei allen seinen Handlungen
leiten ließ. So sehr ihm aber auch das Wohl seiner Heerde am Herzen lag, so
besuchte er doch Niemanden als die Waisen, Wittwen, Kranken und Betrübten und
befolgte gewissenhaft drei Grundsätze des hl. Ambrosius: 1) sich nicht in
Ehesachen zu mischen, 2) Niemand zu bereden, in den Waffendienst zu treten und 3)
Gastmählern nie beizuwohnen. Unser Heiliger ward von Gott offenbar dazu bestellt,
den verschiedenen Häresien, die zu derselben Zeit auftraten, die Spitze zu
bieten und ihr Umsichgreifen zu verhindern. Dieser höhern Mission entsprach er
in der vollkommensten Weise, indem er nicht nur gegen die Heiden in Wort und
Schrift auftrat, sondern namentlich auch gegen die Manichäer, Arianer,
Donatisten und Pelagianer. In der Hitze des Streites ging er einige Male zu weit,
und fanden daher seine Ansichten nicht die durchgängige Billigung des hl.
Stuhles; ja einzelne seiner Schriften wurden von diesem zurückgewiesen und
verurtheilt. Doch war Niemand bereiter, dem Urtheile des hl. Stuhles sich zu
unterwerfen als Augustin, und er schrieb in seinem 72. Jahre (426) selbst ein
Werk, »das Buch der Berichtigungen« (liber retractionum) betitelt, worin er die
in seine Schriften eingeschlichenen Fehler widerrief und verbesserte. Um sich
die nöthige Zeit zur Vollendung seiner Berichtigungen zu verschaffen und die
letzte Hand an sein Werk zu legen, bewog er gegen Ende seines Lebens
Geistlichkeit und Volk, ihm zu gestatten, daß er einen Gehülfen annehme. Seine
Wahl fiel dann auf Eradius oder Eraclius, den jüngsten seiner Priester, und
wurde am 26. Sept. 426 bestätigt. Nicht lange hernach drangen die Vandalen unter
Genserich in's Land ein und belagerten im J. 430 14 Monate lang die Stadt Hippo.
Im dritten Monat der Belagerung befiel den hl. Augustin ein Fieber, in Folge
dessen er starb, am 28. Aug. 430 in seinem 76. Lebensjahre, wovon er 40 im
Dienste der Kirche zugebracht hatte. Menzel sagt von ihm (Symb. I. 491 f.):
»Augustin ist unter den Kirchenvätern der größte (wie Paulus unter den Aposteln),
der feurigste an Geist, der beredteste und gelehrteste.« Sein hl. Leib wurde in
der Kirche »des Friedens« zu Hippo begraben und bei der Eroberung der Stadt
durch die Vandalen aus Achtung gegen den Verstorbenen verschont. In der Folge
kam er auf die Insel Sardinien und von da nach Pavia. Darüber sind die Gelehrten
alle einverstanden; nur über die Veranlassung und die Zeit der Uebertragung nach
Sardinien herrscht Verschiedenheit der Meinungen. Während die Einen sagen, der
hl. Leib sei im Jahre 484 unter Hunnerich von nach Sardinien verbannten
Bischöfen dahin gebracht worden, sagen Andere, dieß sei vom hl. Fulgentius
im J. 508 geschehen, oder doch wenigstens unter dem Vandalenkönig Trasimund, der
vom Jahre 496-522 die Katholiken verfolgte. Auf dieser Insel blieben die heil.
Reliquien bis zur Zeit des frommen und hochherzigen Lombardenkönigs Luitprand,
welcher sie um eine beträchtliche Summe (magno pretio) von den Sarazenen erhielt
(etwa im Jahre 721 oder 722), dann nach Pavia bringen und in der Kirche des hl.
Petrus (sub Coelo aureo) beisetzen ließ, wo er sie
durch eine Mauer von Ziegelsteinen verbarg, nachdem er sie zuerst in drei Särge
hatte einschließen lassen. In diesem Zustande wurden sie 1695 wieder aufgefunden.
Ueber ihre Aechtheit entstand ein langer Streit, bis endlich im Jahre 1728 der
Bischof von Pavia die Sache in die Hand nahm, und nach genauester Untersuchung
erkannte, daß es unbezweifelbar die Ueberreste des hl. Augustinus seien. Dieser
Ausspruch wurde in demselben Jahre vom Papst Benedict XIII. bestätigt. So stand
die Sache bis zum Jahre 1842, wo der erste Bischof von Algier, Dupuch mit Namen,
mit Bewilligung des Papstes und unter Zustimmung der betreffenden Personen einen
Theil der heil. Reliquien mit sich nach Afrika nahm und in einer Kapelle an dem
Orte hinterlegte, wo einst Hippo gestanden seyn soll. - Seine kirchliche
Verehrung ist außer allem Zweifel. Schon im 6. Jahrhundert kommt sein Name in
den kirchlichen Fastis vor. So finden wir denselben nicht nur in dem
Martyrologium, das dem hl. Hieronymus
zugeschrieben wird, sondern wir lesen in dem Leben des hl. Cäsarius
von Arles ( 543), daß man zu seiner Zeit das Fest des hl. Augustin mit
großer Feierlichkeit beging. Eine Bulle Leo X. verordnete, daß das Fest des hl.
Augustin gerade so gefeiert werden solle wie das eines Apostels, nämlich als
Feiertag, mit der Enthaltung von knechtlichen Arbeiten und der Obligation zur
Anhörung der hl. Messe, woher es kommen mag, daß in allen Ländern, die unter der
Herrschaft des Königs von Spanien stehen, sein Fest als gebotener Feiertag
begangen wird. Im Mart. Rom. kommt der hl. Augustinus drei Mal vor, nämlich am
28. August, wo sein Andenken, am 28. Febr., wo seine Translation nach Pavia, und
am 5. Mai, wo seine Bekehrung gefeiert wird, und dieß nicht blos im allgemeinen
Theile desselben, sondern auch in dem besondern für die Canonici Regulares und
für die Augustiner-Eremiten. - Der hl. Augustin wird auf kirchlichen Gemälden
dargestellt als Bischof mit einem brennenden Herzen in der Hand als Sinnbild
feuriger Gottesliebe; auch findet sich das Herz, welches er in der Hand trägt,
von einem Pfeil (bisweilen von zwei Pfeilen kreuzweise) durchbohrt - nach einer
Stelle im 9ten Buche seiner »Bekenntnisse«, wo er diese Metapher gebraucht. Nach
Radowitz hat er auch zuweilen einen Adler neben sich. Der Heilige ist nämlich
Schutzpatron der Theologen und erhält daher das Symbol des hl. Evangelisten
Johannes, welcher seit dem Concil von Nicäa
»Theologus« genannt wird. 3Menzel (Symb. I. 488.)
sagt, daß die vier abendländischen Kirchenväter St. Hieronymus, St.
Ambrosius, St. Augustiuns und St. Gregorius
sehr häufig als Pendanten zu den vier Evangelisten erscheinen, ja zuweilen sogar die Attribute der Letztern annehmen:
Hieronymus den geflügelten Menschen, Ambrosius den Löwen, Augustinus den Adler, Gregorius den Ochsen. Nach demselben
(II. 439) hat Augustin bisweilen wie St. Gregorius eine Taube auf der Schulter als Symbol des hl. Geistes. Eine andere künstlerische
Darstellung ist die mit einem Christkinde, das mit einem Löffel aus dem Meere
ein in den Sand gemachtes Loch füllt, oder das blos mit einem Löffel vor ihm
steht. Diese Darstellung kommt von der bekannten Erscheinung, welche der Heilige
einst gehabt haben soll, als er über das Geheimniß der hl. Dreifaltigkeit
nachdenkend am Meeresufer spazieren ging. Da erblickte er nämlich einmal ein
Knäblein, welches in den Sand ein Grübchen gemacht hatte und mit einem
Löffelchen Wasser aus dem Meere in dasselbe schöpfte. Auf die Frage des
Augustinus, was er da thue, erwiederte der Knabe: »Ich will das Meer da hinein
schöpfen,« und als dann Augustinus ihn lächelnd auf die Unmöglichkeit hinwies,
antwortete ihm der Knabe: »Es ist doch eher möglich, das Meer in dieses Grübchen
zu schöpfen, als das Geheimniß der unermeßlichen hl. Dreifaltigkeit in das
Grübchen deines Verstandes hinein zu bringen.« Zwar kann diese Erscheinung kaum
als ein wirkliches Factum gelten, indem die ältesten Lebensbeschreiber des
Heiligen nichts davon wissen und die späteren Schriftsteller, welche diese
Erzählung zuerst mittheilen, den Schauplatz derselben nach Cività-Vecchia
versetzen, wo Augustinus vor seiner Abreise nach Afrika (im J. 388) verweilt und
sein Werk über die hl. Dreifaltigkeit abgefaßt habe, während doch aus dem Buche
seiner Retractationen mit Gewißheit hervorgeht, daß er über die hl.
Dreifaltigkeit erst lange nach seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl von
Hippo geschrieben habe, wo er sicherlich nicht mehr so vermessen war, dieses
Geheimniß ergründen zu wollen; allein doch hat sich die christliche Kunst dieser
Legende bedient und den oben erwähnten Gebrauch davon gemacht, und jedenfalls
liegt derselben eine tiefe Bedeutung zu Grunde, indem sie recht treffend die
Mystik des hl. Augustinus bezeichnet, worüber Menzel ganz schön (Symb. I. 491)
in folgender Weise sich ausspricht: »Während vor ihm die griechische Kirche sich
mit nichts beschäftigte als mit dogmatischen Begriffsbestimmungen in Betreff der
Dreieinigkeit, der Natur Christi etc., und das Wesen der Gottheit nach allen
Richtungen mit dem menschlichen Verstande ausmessen wollte, brachte Augustinus
in die abendländische Kirche jenen romantischen Zug mystischer Sehnsucht, die in
tiefster Demuth zum Unendlichen aufblickt, jenen Zug, in dem alle Poesie und
Heiligkeit des Mittelalters beruht. Nur durch ihn erhob sich die römische Kirche
so glänzend über die griechische. Nur durch ihn wurde das deutsche Herz der
Kirche gewonnen und eine Herrschaft des Gemüthes gegründet, vor deren Gewalt die
Verstandesherrschaft in Konstantinopel und die Herrschaft der Phantasie im Islam
nicht bestehen konnten.« Augustins Lehre und Wirksamkeit hatte auch wirklich
einen großen Einfluß auf die ganze Kirche. Wie der göttliche Stifter derselben
aus dem Verfolger Saulus sich den eifrigen Apostel Paulus herangezogen hatte, so
bildete er sich aus dem Manichäer Augustinus den großen Kirchenlehrer Augustinus
und stellte ihn hin, daß er »Frucht bringe« (Joh. 15,16), und man muß ihn auch
anerkennen »als die bedeutendste Persönlichkeit der abendländischen Kirche, als
den Vater und Schöpfer der theologischen und philosophischen Wissenschaft des
christlichen Abendlandes«, als eine hell brennende Leuchte, an welchem Unzählige
ihr Licht anzünden sollten. Er hat sehr viele Werke geschrieben, deren
Verzeichniß bei Butler (XII. 154. 191) sich findet. - Im röm. Brevier wird sein
Fest am 28. August gefeiert; im Chor der Domkirche zu Augsburg feiert man am 28.
Febr. auch noch das Fest seiner Translation; ebenso in Pavia etc. - Schließlich
sei noch bemerkt, daß unser Heiliger in einigen Orten, wie z. B. hier in Augsburg,
als Patron der Bierbrauer verehrt wird. Woher dieses komme, das haben wir nicht
erfahren können.
1 ▲ In der Nähe der Kirche des hl. Ambrosius ist eine Kapelle, in deren Sacristei ein Taufbrunnen sich befindet. Hier war es, wo der hl. Augustinus getauft wurde, nur wenige Schritte von dem oben erwähnten Feigenbaume. Einer der Herausgeber dieses Werkes hat im J. 1838 während seines vierwöchentlichen Aufenthaltes in Mailand fast täglich in dieser (seiner Wohnung ganz nahen) Kapelle die hl. Messe gelesen und aus dem bezeichneten Brunnen getrunken.
2 ▲ Ueber den Tisch
hatte er folg. Distichon geschrieben:
Quisquis amat dictis absentûm rodere
Hanc mensam indignam noverit esse sibi.
3 ▲ Menzel (Symb. I. 488.) sagt, daß die vier abendländischen Kirchenväter St. Hieronymus, St. Ambrosius, St. Augustiuns und St. Gregorius sehr häufig als Pendanten zu den vier Evangelisten erscheinen, ja zuweilen sogar die Attribute der Letztern annehmen: Hieronymus den geflügelten Menschen, Ambrosius den Löwen, Augustinus den Adler, Gregorius den Ochsen. Nach demselben (II. 439) hat Augustin bisweilen wie St. Gregorius eine Taube auf der Schulter als Symbol des hl. Geistes.