Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Christophorus
S. Christophorus, M. (25. Juli, al. 9. Mai). So berühmt der Name des hl.
Martyrers Christophorus in der morgen- und abendländischen Kirche ist, so wenig
Gewisses und Sicheres weiß man über seine näheren Lebensumstände. Dieß aber ist
über allen Zweifel erhaben, daß er nicht etwa nur eine fingirte Person ist,
ausgedacht, um daran irgend eine Allegorie zu knüpfen, sondern daß er wirklich
existirt und um Christi willen sein Blut
vergossen hat; Zeuge dessen ist die
allgemeine constante kirchliche Ueberlieferung, und die Verehrung, welche er von
jeher in der Kirche genossen hat. Andere haben zwischen dem wirklichen Martyrer
Christophorus und dem Riesen gleiches Namens, der nicht existirt habe,
unterschieden; allein dem steht entgegen, daß das Fest des vermeintlich
fabelhaften Christophorus stets am nämlichen Tage begangen worden ist, auf den
die Martyrologien den Namen des hl. Martyrers Christophorus gesetzt haben.
Freilich lauten die Angaben über ihn, über sein Vaterland, seine Bekehrung und
sein Wirken sehr verschieden und großentheils sehr fabelhaft; allein dieß bietet
keinen Grund, an seiner wirklichen Existenz irgendwie zu zweifeln. Die
allgemeinste und auch im Mart. Rom. vertretene Meinung ist, der hl.
Christophorus sei in Lycien, wo er den christl. Glaubenpredigte, unter dem
Kaiser Decius nach grausamer Marter und nachdem man ihn mit Pfeilen durchbohrt
hatte, enthauptet worden. - Alles Andere, was über unsern Heiligen im Umlaufe
ist, entbehrt mehr oder minder alles historischen Grundes, und gehört in das
Gebiet der Sagen. Die vorzüglichsten Legenden über ihn und seine Bekehrung sind
folgende: Nach der auf uns gekommenen, von den Bollandisten jedoch nicht als
ächt anerkannten Passio (Leidensgeschichte) des Heiligen, die auch den Lectionen
des Breslauer Proprium zu Grunde zu liegen scheint, war er ein Chananäer
1 von Geburt (nach Andern ein Caninäer), und kam unter der
Regierung des Königs Dagnus von den Inseln, die nicht näher bezeichnet werden,
in die Stadt Samo (Samos) in Lycien (Syrien), wo ihm der Herr anzeigte, er werde
getauft werden und Viele zum christlichen Glauben bekehren. Seine Taufe wird
aber darin also erzählt: Als er einst im Gebete lag, ließ sich auf ihn vom
Himmel ein Nebel hernieder und umgab ihn mit hellem Glanze, wobei die Worte sich
hören ließen: »Auserwählter Diener Gottes! siehe, du hast jetzt die Taufe
empfangen im Namen des Herrn und der hl. Dreieinigkeit.« Hierauf ging
Christophorus nach Syrien, und als er nahe zu der Stadt (worunter wahrscheinlich
obiges Samo gemeint wird) kam und dabei um die Bekehrung ihrer Einwohner flehte,
begegnete ihm eine Frau, die eben zum Opfer der Götter gehen wollte; als sie
seiner ansichtig geworden, sei sie, von Schrecken über seine Gestalt ergriffen,
sogleich in die Stadt zurückgeeilt und habe ihren Mitbürgern erzählt, daß sie
draußen ein Wesen gesehen, das einen menschlichen Leib mit einem Hundskopf habe,
sie möchten mit ihr hinausgehen und das wunderbare Wesen betrachten. Als nun
Christophorus das Volk daher kommen sah, blickte er zum Himmel und bat, der Herr
möge durch ihn dasselbe bekehren, und zum Zeichen seiner Hilfe seinen eisernen
Stab erblühen und Blätter treiben lassen. Wie das Volk dieses Wunder sah,
bekehrten sich 18000 zum christlichen Glauben und ließen sich taufen. - In
anderer Weise gibt das Menologium des Kaisers Basilius seine Bekehrung. Nachdem
es die Behauptung Einiger von seiner schrecklichen Gestalt als fabelhaft
zurückgewiesen, fährt es fort: Der hl. Christophorus lebte zur Zeit des Kaisers
Decius, wurde im Kriege von einem Anführer gefangen genommen und erhielt auf
wunderbare Weise die Gabe, griechisch zu reden, was er vorher nicht gekonnt
hatte. Als er nämlich einst deßhalb Gott um Hilfe anrief, erschien ihm ein
Engel, tröstete ihn und berührte seine Lippen, worauf er sogleich griechisch
reden konnte und dann alsbald in die Stadt eilte, wo er das Evangelium
verkündete. Es wurden aber sofort Soldaten abgeschickt, ihn gefangen zu nehmen;
da jedoch vor ihren Augen sein Stab zu grünen anfing, bekehrten sie sich zum
christlichen Glauben und wurden mit ihm zu Antiochia vom hl. Babylus
(237-251) getauft, wobei er den Namen Christophorus erhielt. - Nach der bei uns bekannten
Legende war Christophorus ein heidnischer Riese, der 12 Schuh in der Länge hatte
und durch die Welt zog, um Einen zu finden der stärker sei als er. Nachdem er
lange vergeblich gesucht, ergab er sich dem Teufel; als er aber einmal sah, wie
dieser einem Kreuze auswich, meinte er, der Mann des Kreuzes müsse doch wohl
stärker seyn als der Teufel, hörte von Christus, suchte ihn auf, erfuhr aber von
einem Einsiedler, das beste Mittel, denselben zu finden, sei: gute Werke zu
thun. Als ein solches gutes Werk bezeichnete er ihm bei seiner Körpergröße und
Leibesstärke, wenn er die Leute, welche über einen nahen Fluß setzen müßten und
oft der Gefahr des Ertrinkens ausgesetzt wären, hinübertragen würde. Auf dieses
entschloß er sich nun wirklich, sich an diesem Strome niederzulassen, um arme
Wanderer hinüber zu tragen, weil er so groß war, daß er über das Wasser weit
hervorragte. Da rief ihn auch einmal ein Kind, er solle es hinübertragen. Aber
das Kind wurde in der Mitte des Flusses so schwer, daß Christophorus sagte: »Mir
ist's, als läge die Welt auf mir.« »Mehr als die Welt,« sprach das Kind, »denn
du trägst den, der Himmel und Erde erschaffen hat.« Es war das Christuskind,
welches dann den von der Schwere niedergedrückten Kopf des Niesen im Wasser
taufte und Christophorus nannte, weil er Christum getragen. - Man sieht, wie
verschieden die Bekehrung des Heiligen ausgemalt wurde. Nach Menzel (Symb. I.
175) ist im »großen Christoph« das Volk personificirt, die rohe, aber gutartige
Masse, die für Bekehrung empfänglich ist und der dann auch eine große Gewalt
inwohnt zum Schutze der einmal von ihr anerkannten Kirche. Deßhalb pflegte man
das Bild des großen Christoph vor die Thüre der Kirche zu stellen. Was nun aber
die Umstände seines Martyriums betrifft, so berichtet die schon erwähnte Passio
des Heiligen Folgendes: Als König Dagnus von der oben berührten massenhaften
Bekehrung zum Christenthum durch den hl. Christophorus hörte, befahl er, ihn
gefangen zu nehmen und vor sich zu führen. Die abgeschickten Soldaten jedoch
fürchteten sich wegen seiner schauderhaften Gestalt, ihm zu nahen, und es mußten
Andere abgeordnet werden, denen es zwar gelang, den Heiligen zu fesseln und vor
den König zu führen; sobald aber dieser seiner ansichtig wurde, fiel er selbst
vor Schrecken von seinem Throne herab und fragte ganz betroffen, wer er wäre.
Der Heilige gab zur Antwort: von seiner Geburt aus heiße er Adokimos (nach d.
Lat. Reprobus), 2 seit seiner Taufe aber Christiser (nach
dem Griech. Christophorus) Als der König ihn nicht vom Bekenntnisse des Glaubens
abzubringen vermochte, als vielmehr 40 Soldaten auf der Stelle sich bekehrten
und ihr Bekenntniß mit dem Blute besiegelten, ließ er ihn in den Kerker werfen,
und gab zwei unzüchtigen Weibern, Niceta und
Aquilina mit Namen, den Auftrag,
ihn zur Sünde zu verführen. Diese aber wandten sich zum Glauben und zur Buße und
gingen freudig in den Martyrtod. Sie werden am 24. Juli verehrt. Hierauf ließ
ihn der König geißeln, ihm einen glühenden Helm aufsetzen, ihn mit Oel
bestreichen und ein furchtbares Feuer unter ihm anzünden, was ihm aber nicht den
geringsten Schaden zufügte. Zuletzt wurde er an eine Säule gebunden und mit
Pfeilen geschossen; weil er aber dadurch nicht beschädicht wurde, indem die
Pfeile neben ihm in der Luft hängen blieben, so wurde er am Ende enthauptet. -
Die Bollandisten meinen, unter diesem König Dagnus sei kein anderer als Decius
zu verstehen, oder wenn er eine andere Person gewesen, so habe er nur das Amt
eines Unterkönigs oder Statthalters bekleidet. Mit der Stadt Samo (Samos, Samon,
Salmon) aber wissen sie nichts anzufangen, sondern bemerken vielmehr geradezu,
daß es eine solche weder in Lycien noch in Syrien gegeben habe. - Die Orientalen
bezeigten dem hl. Christophorus jederzeit eine große Verehrung und begehen sein
Fest am 9. Mai; die Kirche des Abendlandes aber feiert dasselbe am 25. Juli, und
es ist bekannt, daß unsere christlichen Voreltern stets viel auf den hl.
Christophorus hielten, zu dem sie eine besondere Andacht als zu einem der
vierzehn Nothhelfer trugen. Er wird nicht nur zur Pestzeit angerufen, sondern
auch bei erlittenen Wunden, weil mit Pfeilen auf ihn geschossen, er aber nicht
verwundet wurde. Im 14. Jahrhundert entstanden Bruderschaften des hl.
Christophorus, und besonders ist jene berühmt geworden, welche in Vorarlberg und
Tirol bestand (gestiftet 1386 von einem geborenen Kemptener, Namens Heinrich)
und sich zur Aufgabe setzte, die Reisenden über den Arlberg im Winter vor dem
Untergange zu schützen. Es wurde zu diesem Zwecke ein eigenes Hospiz auf diesem
Berge gegründet, und wenn wir uns nicht irren, heißt noch das Haus auf der Höhe
desselben St. Christoph, wenn gleich dieses Hospiz nicht mehr besteht. Von
diesen Bruderschaften schreibt sich wohl her, daß ehemals an den Kirchen und
Thürmen riesengroße Bilder des hl. Christophorus angebracht wurden und hie und
da noch gesehen werden, besonders im Allgäu und in Tirol. Außer dem Zwecke, an
den Patron der Bruderschaft erinnert zu werden, hatten diese Darstellungen
sicher noch eine andere löbliche Absicht. Da nämlich die ganze Darstellung des
»großen St. Christoph« im Grunde nur eine Allegorie dessen ist, was der Christ
überhaupt seyn soll, so sollte sie, an der Kirche oder an dem Thurme derselben
angebracht, die Christen erinnern, freudig und treu das Joch Jesu Christi durch
das Meer der Welt zu tragen, und insbesondere die Kirchengänger aufmerksam
machen, Christum auf sich zu nehmen durch heil. Gebete, durch den würdigen
Empfang der heil. Sacramente und durch aufmerksame Anhörung des göttlichen
Wortes. Die Gläubigen erkannten diese schöne Bedeutung, und es bildete sich nach
dieser frommen Auffassung der Vers:
Christophore sancte, virtutes sunt tibi tantæ,
Qui te mane videt, nocturno tempore ridet;
denn glücklich ist Jeder am
Abend, wenn er mit Christo am frühen Morgen begonnen und sein Joch den Tag über
redlich getragen. Später aber bildete sich ein anderer Vers, als Zeuge der
veränderten Gesinnung, nämlich:
Christophori sancti speciem quicumque tuetur,
Ista nempe die non morte mala morietur,
und es ist wohl möglich, daß mit solchen
Bildern des hl. Christophorus, welche vor einem »bösen Tode« schützen sollten,
mancher Mißbrauch getrieben wurde. - Was übrigens die gigantische Gestalt des hl.
Christophorus betrifft, so mag sie als Allegorie unangefochten bleiben; aber in
Wirklichkeit war seine Größe - nach Allem, was wir über ihn gelesen - gewiß
nicht so gar außerordentlich, wie man gewöhnlich meint und wie die Legende sagt,
daß er 12 Fuß gemessen habe. Das Menologium des Kaisers Basilius nennt sein
Aussehen zwar ferox et terribilis, was in Bezug auf die Größe ein bedeutendes
Maß anzeigen mag; aber das alte Proprium von Schleswig dürfte wohl das
Richtigste angeben, wenn es sagt, er sei procerissima statura d. h. sehr groß
gewesen, wobei höchstens an eine so hohe Gestalt gedacht werden kann, wie sie
etwa König Saul gehabt hat. Uebrigens berichten die vorhandenen Martyrologien
nichts von des Heiligen Riesenhaftigkeit und was damit zusammenhängt. Die ersten
deutlichen Spuren der Riesengröße des Heiligen finden sich im mozarabischenDer mozarabische Ritus, auch „westgotisch” oder „altspanisch” genannt, ist eine Liturgie in der römisch-katholischen Kirche, die sich im 4./5. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel entwickelt hat und heute noch an einigen Orten in Spanien praktiziert wird.
Der Name entstand nach dem Einfall der Mauren im Jahr 711, als die unter maurischer Herrschaft lebenden Christen – die „Mozaraber” – weiter ihren Glauben ausüben durften und damit auch diese Liturgie feierten.
Missale. Im 10. Jahrhundert waren nebst der riesenmäßigen Gestalt auch schon
andere Ausschmückungen und Zuthaten hinzugekommen, wie dieß beim Subdiakon
Walther in Speier ersichtlich ist, der in Prosa und Versen die Wunderthaten des
Heiligen beschrieb, auf frühere Legenden hinwies und unter Anderm seinem Riesen
einen Stock in die Hand gab, welcher, auf sein Gebet grünend geworden, die
Bekehrung vieler Heiden veranlaßte. Nach Walter, der unter Kaiser Otto II.
schrieb, bildete sich die Christophorussage immer mehr aus und erreichte in der
goldenen Legende des Jakob a Voragine
(† 1298), wornach Kosegarten die
Christophorus-Legende bearbeitete, ihren Culminationspunkt. Es wäre möglich, daß
in den ursprünglichen Acten etwas vorkam, woran die Riesenhaftigkeit seiner
Gestalt sammt dem Uebrigen sich anbauen könnte. Zum Schlusse sei es erlaubt,
hinsichtlich dieser gigantischen Darstellungen des hl. Christophorus und ihrer
Bedeutung die Worte des eben so frommen als gelehrten Bischofs von Alba und
lateinischen Dichters Vida anzuführen, der da sagt: »Weil du, Christophorus,
Christum stets im Herzen trugst, geben dir die Maler Christum auf den Schultern
zu tragen; und weil du viel gelitten hast, malen sie dich, zu Fuß das Meer
durchwatend. Da du dieses nicht ohne einen großen Leib vermochtest, so geben sie
dir Riesenglieder, daß dich auch die größten Tempel nicht fassen und du in
strenger Kälte unter freiem Himmel wohnen mußt; und weil du über alles Harte
gesiegt, geben sie dir die grünende Palme zum Reisestab. Was du vermocht, das
gibt dir die Kunst, da sie das Wahre nicht zu bilden vermag. O nimm' dieß Alles,
du Guter, auf mit gutem Herzen!« Nach einem alten Hymnus auf die 14 Nothhelfer,
den Jos. Hack in seiner verdienstlichen Schrift »der christliche Bilderkreis«
mittheilt, heißt es bezüglich unseres Heiligen:
»Kaiser Decius seine Wuth
Ausüben wollt' an Christenblut;
Mit siedend Blei hat übergossen,
Scharfe Pfeil auf ihn geschossen,
Donner, Pest und Feuersbrunst,
Sanct Christoph, wend ab von uns!«
Um nach dem Vorhergehenden seine bildliche Darstellung kurz anzugeben, so wird er abgebildet als ein Riese, das Christuskind auf der Schulter, mit einem grünenden zum Baume erwachsenen Stabe, durch's Wasser gehend, indem ein Eremit ihm leuchtet. - Im röm. Brevier wird er am 25. Juli nur commemorirt; an mehreren Orten, wie z. B. in den Diöcesen Augsburg, Breslau etc. wird sein Fest am 27. Juli eigens begangen sub ritu semid.
1 ▲ Wahrscheinlich wurde er deßwegen ein Chananäer genannt, weil aus Kanaan die Enakim (Riesen) stammten. Die Reliquien, welche man von ihm zeigt, sollen auch eine ungeheure Größe errathen lassen.
2 ▲ Nach Andern hieß er früher Offerrus oder Offerus (vom Lat. offero = darbringen etc.), that Kriegsdienste, führte zuletzt ein Einsiedlerleben und erhielt bei der Taufe durch das Christkind den Namen Christoffero = der Christo sich Opfernde.