Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Gunthildis von Suffersheim
S. Gunthildis, V. (22. Sept.) Nach einer bei den Bollandisten (VI. 530) enthaltenen, auf Tradition und alte Bilder etc. sich gründenden Mittheilung des Benedictiner-Abtes Maurus Xav. Herbst von Plankstetten (Diöcese Eichstätt, Decanat Berching, Landgericht Beilngries) diente die hl. Jungfrau Gunthildis als Viehmagd bei einem Gutsherrn in Suffersheim, unweit Weissenburg in Mittelfranken, ganz in der Nähe von Solenhofen, und führte während ihrer ländlichen Beschäftigung ein heiliges Leben, den Mägden auf dem Lande ein stetes und bleibendes Vorbild. Wenn sie nun allen Werken christlicher Frömmigkeit in hohem Grade ergeben war, so war doch Almosenspenden ihre Lieblingstugend. Dadurch war sie Gott so angenehm, daß Er auf ihr Gebet zu zwei verschiedenen Malen eine Quelle entspringen ließ, die eine aus einem alten Weidenbaume, die andere aus der Erde, in welch letzterer Quelle nachmals ein Aussätziger, deren es damals viele gab, völlig rein wurde. Einmal soll sie, wie die hl. Nadegundis in Wöllenburg bei Augsburg und die hl. Nothburga auf dem Ebenberg in Tirol, mit denen sie auch sonst große Aehnlichkeit hat, armen Leprosen oder sonstigen armen Leuten in einem Geschirre Milch, die sie sich selbst vom Munde abgespart, als barmherzige Gabe zugetragen und, als ihr geiziger Gebieter ihr begegnete, ihm auf seine Frage, was sie da trage, erwidert haben, daß sie Lauge trage, worauf auch wirklich Lauge statt Milch sich zeigte, die aber dann bei den Armen wieder in Milch sich verwandelte. Als sie endlich eines heiligen Todes gestorben, zogen junge Ochsen, die noch kein Joch getragen, ihren Leichnam auf einem Wagen nach Suffersheim, wo sie bestattet wurde, und wo dann nach einer Menge auf ihre Fürbitte gewirkter Wunder ihr zu Ehren eine Kapelle gebaut ward. Im 15. Jahrhunderte war ihre Verehrung weit verbreitet; im J. 1480 trifft man sie z. B. in Monheim. Heutzutage ist ihr Cultus fast auf den einzigen zur Pfarrei Plankstetten gehörigen Filial-Ort Biberbach (nordöstlich von Eichstätt), beschränkt, nachdem Suffersheim protestantisch, ihre Kapelle daselbst zerstört, und ihre Legende blos mehr im Munde der umliegenden Ortschaften erhalten ist. Uebrigens sah Abt Dominicus von Mankstetten im J. 1651 zu Suffersheim noch die vollständigen Gebeine (integra ossa) der hl. Gunthildis in der damals noch erhaltenen »Gunthildis-Kapelle«. 1 In Biberbach wurde sie schon frühzeitig als Secundär-Patronin gewählt, wahrscheinlich in Folge einer mächtigen Hilfe, die auf die Fürbitte dieser Patrona pecoraria bei Gelegenheit einer Viehseuche in den Jahren 1512-14 den Bewohnern zu Theil ward. In der dortigen Filialkirche steht auf der einen Seite des Hochaltars eine Statue derselben, und im Kirchenschiffe ist auf einem aus neun Abtheilungen bestehenden Gemälde, von welchem bei den Bollandisten eine Abbildung sich findet, und welches nach Suttner im Jahr 1517 gefertigt wurde, ihre Lebensgeschichte dargestellt. Ihr Fest wurde in Biberbach am Kirchweihfeste der Filialkirche, nämlich am Sonntage vor dem Feste des hl. Erzengels Michael, gefeiert, und da dieser Sonntag auf den 22. bis 28. Sept. fallen kann, so nahmen die Bollandisten den 22. Sept. als ihren Festtag an. Der Bollandist Suysken hält sie für identisch mit jener hl. Gunthildis, von welcher in dem oben (S. 581) bezeichneten Pontificale des sel. Bischofs Gundekar II. von Eichstätt eine Abbildung mit einem Verse, in dem sie um ihre Fürbitte angerufen wird, enthalten, der 28. Sept. als Festtag bezeichnet, und zugleich bestätigt ist, daß im J. 1060 in der Domkirche ein Altar des hl. Ulrich und der hl. Jungfrau Gunthildis errichtet, und in derselben von ihr ein ganzer Arm und ein Schenkelbein eingelegt worden sei. Aber schon der Jesuit Jakob Gretzer (Gretserus) hat sich für die Verschiedenheit Beider und namentlich dahin ausgesprochen, daß die in Gundekar's Pontificale vorkommende hl. Gunthildis jene vom hl. Bonifatius aus England berufene Abtissin von Thüringen sei, welche wir im ersten Bande (S. 698) unter dem Namen Cunthildis haben, und von welcher gleich weiter die Rede seyn wird. (S. S. Gunthildis2). Dieser Meinung wird auch von Suttner (l. c.) beigestimmt und zugleich bemerkt, wie der Umstand, daß diese hl. Gunthildis vor ihrem Eintritte ins Kloster vermählt und die Mutter der hl. Beratgita (Bergita, Brathgit) war, dieser Meinung nicht entgegen sei, indem das Prädicat »Virgo« in den mittelalterlichen Martyrologien manchmal nur so viel als »Nonne« bedeute. Daß übrigens diese im 11. Jahrhunderte in Eichstätt verehrte hl. Gunthildis von der seit dem 10. Jahrhundert in Biberbach verehrten verschieden sei, ist in dem bezeichneten Referate des Hrn. Prof. Suttner klar nachgewiesen gegenüber den Bollandisten, welche die Identität Beider annehmen. (VI. 530-533.)
1 ▲ Vgl. die Abhandlung des Herrn Professors Suttner von Eichstätt in dem »Pastoralblatt des Bisthums Eichstätt« vom J. 1855 (Nr. 32. S. 137), welche gediegene Abhandlung wir hier öfter benützen. Dort findet sich auch die Notiz, daß Suffersheim im J. 867 von König Ludwig dem Deutschen dem Kloster Metten geschenkt, und der hl. Uto, der erste Abt von Metten, noch im 11. Jahrh. im Bisthum Eichstätt verehrt worden sei.