Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Margareta (Marina) von Antiochien
S. Margarita, V. M. (20. al. 13. und 17. Juli). Diese hl. Jungfrau und Martyrin, die gewöhnlich Margaretha heißt, könnte nicht mit Unrecht der weibliche Georgius genannt werden. Wie sein Name, so ist auch ihr Name im Morgen- und Abendland überall verbreitet, geehrt und hochgerühmt. Wie von ihm, haben wir auch von ihr eine sehr umfangreiche und wundervolle, aber leider auch eben so wenig beglaubigte Martergeschichte. (Alle von ihr vorhandenen Acten sind unächt.) Der Lindwurm, der bei St. Georgius an die Stelle des durch ihn überwundenen höllischen Drachen getreten ist, erscheint bei unserer Heiligen als der böse Geist selbst, dem sie nach Belieben gebietet und Fußtritte und Schläge ertheilt. In der morgenländischen Kirche, deren Martyrologien alle ohne Ausnahme ihres Lobes voll sind, heißt sie Marina, in den abendländischen Margaretha. In noch nähere Beziehung zum hl. Georgius tritt sie durch die bei Menzel (II. 79) eingeschaltete Sage, sie sei die Prinzessin gewesen, welche der hl. Georg vom Drachen befreite, ja sie theilt mit ihm merkwürdiger Weise wenigstens in einigen Martyrologien, welche von den Boll. angeführt werden, sogar den Titel Megalomartyr (große Martyrin). Die griechischen Menäen haben sie mit dem Spruche:
Henkershand dich tödtet mit dem Schwerte,
Gotteshand dich krönet mit der Gnade.
Ihre Geschichte ist kurz folgende: Die hl. Jungfrau Margaretha war die Tochter eines Heiden (Saracenen), Namens Adesius (Theodosius) und zu Antiochia in Pisidien geboren. Sie verlor früh ihre Eltern; ihre Amme, eine Christin, erzog sie im Christenthum. Als Jungfrau hütete sie bei derselben die Schafe, als der Stadtpräfect Olibarius (Olylcus) sie sah und in Liebe zu ihr entbrannte. Sie erklärte aber, keinen andern Bräutigam, als Christum zu lieben. Da wollte er sie zum Abfalle vom Glauben überreden. Als er dieß nicht vermochte, ließ er sie auf die Folter spannen und mit scharfen Klauen ihr das Fleisch zerreissen. Hernach ließ er sie in ein finsteres Gefängniß werfen, wo sie den Teufel, der ihr einmal in der Gestalt eines Mohren, dann in der eines Drachen erschien, muthvoll durch das heil. Kreuz besiegte. Sie wurde zuletzt enthauptet. Ganz dasselbe erzählt Rabanus am 18. Juni auch von der hl. Marina, so daß den Boll. ihre Identität feststeht. Da die hl. Margaretha eine Lieblingsheilige des deutschen Volkes, die Schutz- und Namens-Patronin vieler Tausende ist, so müssen wir aus dem reichen, von ihr vorhandenen Legendenschatze einige besonders schöne Züge herausgreifen. Wir bedienen uns dabei des Schriftchens von Holland: »Die Legende der hl. Margarete etc., Hannover 1863«, und zwar der darin enthaltenen aus einer Handschrift vom J. 1463 entnommenen Lebensgeschichte. Im Wesentlichen ist es dieselbe, welche auch im Proprium der Mainzer Diöcese Aufnahme gefunden hat. Als Margaretha die Botschaft vernahm, daß Olibrius sie zur Ehe haben wolle, erschrack die damals fünfzehnjährige Jungfrau gar sehr und rief Gott an und sprach: »Herr, hilf mir, und behüte mir meine Seele und meinen Leib und gib mir deinen heiligen Geist, daß er mein Gemüth kräftige und hilf mir, daß ich von dem Herrn erlöst werde«. Darauf sah sie auf zum Himmel und sprach zu den Boten: »Ich begehr' eures Herrn nicht, weil ich will unsern Herrn Jesum zu einem Gemahl haben; Ihm hab' ich mich versprochen und ergeben und will sein Gebot allzeit halten.« Da sagten die Boten dem Herrn, daß die Jungfrau eine Christin wäre und Gott angerufen hätte. Darüber ward der Herr zornig und hieß ihm die Jungfrau mit Gewalt bringen und sprach zu ihr: »Wie heißt du und wer bist du von Geschlecht geboren?« Sie antwortete: »Ich bete Jesum Christum an, den allmächtigen Gott, und bin seine Dienerin und bin getauft.« Darnach sah Olibrius die Jungfrau gütig an und sprach zu ihr: »Daß du edel bist und Margaretha heißt, das ziemt deiner Schöne gar wohl, aber daß du glaubst an den gekreuzigten Gott, ist eine große Thorheit und dir gar Schad.« Da sprach die hl. Jungfrau: »Es ist doch wundersam, daß mein Gott Jesus Christus gelitten hat und todt ist und du nicht glaubst, daß Er von dem Tod erstanden ist und zu Himmel gefahren ist, und da ist ewigliche Freude.« Hierauf folgte Einkerkerung, dann nochmaliges Verhör und Folter. Auf die Ansprache des Richters: »Margreta, erbarme dich über deine Schöne« gibt sie zur Antwort: »Ich erbarme mich über die Schöne meiner Seele, darum daß ich nicht verletze das Bild der Gottheit.« Wieder in den Kerker gelegt, sah sie den bösen Feind, den sie heftig schlug und mit Füßen trat, bis er ihr bekannte: »Wir haben einen großen Neid zu den Christen, weil sie die Stätte sollen besitzen, wovon wir verstoßen sind, und könnten wir das verhindern, so thäten wir's gern.« Da sprach die hl. Margaretha: »Du magst mir nicht schaden, wann mein Herr Jesus Christus ist mein Schirmer«, und sah mit Andacht zum Himmel und sprach: »Herr, allmächtiger Gott, ich bitte dich durch deine Güte, daß du mich beglückest, weil ich glaube festiglich an dich und folge deiner Lehre.« Da erschien bei ihr ein Licht in dem Kerker und in dem Lichte sah sie ein Kreuz, das ging auf in den Himmel und saß eine Taube oben auf dem Kreuze. Da dankte sie Gott und ließ den Feind ledig. Am andern Tage bekennt sie nochmal ihren Glauben. Man setzte sie in heißes Wasser; da kam ein großes Erdbeben, und die Bande, womit die hl. Margarita gebunden war, löseten sich auf, und sie ging gesund heraus und lobte Gott. Und da die Menschen das Zeichen sahen, ließen sich 5000 Mann taufen ohne Weib und Kind, die hieß der Richter alle tödten. Darauf wurde die hl. Jungfrau gleichfalls enthauptet. Ihr letztes Gebet war: »Herr Jesu Christe, ich empfehle dir meinen Geist und bitte dich auch, daß du Allen jenen zu Hilfe kommst, die mich und meine Marter ehren mit Kirchgang und mit Lichtern, mit Beten und Almosen. In welcher Noth sie sind, so sollst du sie durch meinen Willen gewähren und sollst ihnen ihre Sünden vergeben. Und wer eine Kirche zu meiner Ehre baut, dem gib das Himmelreich darum.« Die Legende selbst schließt mit den Worten: »Nu süllen wir die heiligen junckfrowen pitten, das sie uns umm gott erwerb, das wir behüt werden vor tötlichen sünden und vor weltlichen schanden, und uns geb ain gutz end und nach dissem leben daz öwig leben. Daz helff uns got und sin muter Maria und die lieb jungfrow sant Margretha.« Außer dieser Legende gibt es noch mehrere ältere und neuere Bearbeitungen derselben. Den historischen Kern abzulösen, dürfte nahezu unmöglich seyn. Nachweisbar reicht ihre Verehrung im Abendlande bis in das siebente Jahrh. zurück. Um diese Zeit erscheint ihr Name bereits in englischen Litaneien. Dennoch findet sich ihr Name im »allgemeinen angelsächsischen Festkalender,« bis Ende des neunten Jahrh., herausgegeben von Piper (Die Kalendarien etc. S. 73), noch nicht. Ebenso steht derselbe erst zwei Jahrh. nachher in dem Martyrologium des Rabanus, nach ihm bei Wandelbert. Zu Rom war sie noch im achten Jahrhundert unbekannt. Aber im eilften Jahrh. verkündet der Bischof Alphanus von Salerno ihr Lob in Versen. Um dieselbe Zeit begann ihre Verehrung in Deutschland, etwas früher noch in Belgien. Zu Oxford wurde im J. 1222 auf einer SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. die Feier ihres Festes mit Enthaltung von knechtlicher Arbeit verordnet, mit Ausnahme der Aerntearbeiten. Der Orden von Cisterz hatte dasselbe Fest schon im J. 1216 als allgemeines Ordensfest angenommen. Daß der Prediger-Orden nicht zurückblieb, erklärt sich ganz natürlich aus seiner Stellung als vorzüglicher Kämpfer gegen häretische Bosheit und Teufelsanbetung, gegen welche unsere Heilige als besondere Patronin in der Litanei angerufen wurde. Was die altdeutsche Legende darüber sagt, haben wir angeführt. Anders ist es mit den offenbaren Fabeln, welche in der zuletzt angedeuteten Beziehung über sie verbreitet wurden; sie sind so abgeschmackt und albern, daß sie mehr zum Aergerniß, als zur Erbauung dienen, und Papebroche ihnen selbst den »Schatten der Wahrheit« absprechen mußte. Jede Mühe der Reinigung ist da vergebens: »denn wer könnte reines Getreid erwarten aus einer Scheuer, die mit Gestrüpp und Dornengeheg angefüllt ist.« (Papebr. fol. 30.) Nur zwei Beispiele statt vieler. Einmal sagt der Teufel: »Salomon hat uns in ein Gefäß eingeschlossen. Aber nach seinem Tod haben wir aus demselben Feuer ausgehen lassen. Da glaubten die Leute zu Babylon Gold darin zu finden und öffneten es, und so kamen wir heraus und erfüllten den Erdkreis.« Sinniger, aber eben so fabelhaft ist die folgende Erzählung: Die Heilige wurde vom Hauche des Drachen ergriffen und verschlungen, doch blieb sie am Leben. Sie hatte sich aber ein Kreuz von Holz verfertiget, das der Drache mitverschlang. Dasselbe wuchs nun in seinem Leibe und wurde so groß, daß es den Drachen mitten auseinander spaltete und die hl. Margaretha, ohne irgend einen Schmerz zu empfinden, unverletzt aus seinem Leibe hervorging. Außerdem ist, um den Aberglauben voll zu machen, Allen denen, die von diesem wundervollen Martyrium hören, es lesen und verbreiten, die Nachlassung der Sünden versprochen. Als Zeit ihres Leidens ist bei Migne ungefähr d.J. 275 genannt. Gewöhnlich wird die Zeit der diocletianischen Verfolgung als ihre Todeszeit angegeben (also d.J. 284 ff.). Ihr Cultus ist außerordentlich verbreitet, wie die vielen Kirchenbilder und die nach ihr benannten Kirchen beweisen. Ihre Reliquien werden in Monte Fiascone in Toscana verehrt, wohin sie unter Papst Urban III. im J. 1185 übertragen wurden. Die Geschichte der Uebertragung wird bei Ugh. (Ital. Scr. I. 979 bis 983) in folgender Weise erzählt. Zu Antiochia bestand im J. 908 zwischen dem Patriarchen Eusebius und dem Statthalter Andronikus ein ärgerlicher Streit. Der Patriarch arbeitete mit Leibeskräften an der Abdankung des letztern. Es kam zu Volksaufläufen und Unruhen, die ein gewisser Augustinus aus Pavia, der sich damals in Antiochia aufhielt, dazu benutzte, die Leiber der hhl. Margarita und Euprepia heimlich in seine Gewalt zu bringen. Er kam mit diesen Schätzen glücklich nach Italien, und überließ sie dem Kloster des hl. Petrus in Valle am Vulsinischen See, wo sie am 18. Oct. des genannten Jahres feierlich auf dem Hochaltare beigesetzt wurden. Dabei ereigneten sich große Wunder. Im Laufe der Zeiten kam aber das genannte Kloster in Verfall und im zwölften Jahrh. hatte man bereits alle Kenntniß von dem heiligen Leibe der Jungfrau und Martyrin Margarita verloren. Da erschien sie im J. 1185 einem frommen Eremiten, zeigte ihm an, wo ihr Leib ruhe, und begehrte, daß derselbe nach Monte Fiascone übertragen werde. So geschah es. Seitdem ist die Cathedrale dieser Stadt unserer hl. Margarita geweiht. Dagegen berichtet das »A. H.-L.«, daß die Franzosen schon im J. 1098 die Reliquien der hl. Martyrin nach Frankreich genommen hätten, gibt aber nicht an, wohin. Wie die Boll. hinzusetzen, wird die Heilige in Frankreich und Italien als Schutzheilige der Gebärenden angerufen. Dasselbe war (Gretserus de fest. Christian. l. 2. c. VIII.) auch in der Schweiz der Fall. In Deutschland wird es kaum anders gewesen seyn, denn der Legendenschreiber Petrus de Natalibus erzählt, die hl. Margaretha habe (»was aber mehr anmuthig als wahr ist«, setzt Papebroche hinzu), ehe sie starb, für die Gebärenden gebetet. Insbesondere wurde ihr Gürtel oder ein auf die Anrufung der Heiligen geweihtes Stück Tuch den Gebärenden aufgelegt. Sie gehört in die Zahl der vierzehn heiligen Nothhelfer. Die Tage ihrer Verehrung sind verschieden. Das Mart. Rom. hat sie am 20. Juli mit den Worten: »Zu Antiochia das Leiden der hl. Jungfrau und Martyrin Margarita«. Die Griechen ehren sie am 17. desselben Monats unter dem Namen Marina. Im Proprium von Polen und Schweden findet sie sich zum 13. Juli. Abgebildet sieht man die Heilige bald als Königstochter in reichem Schmucke, bald als Hirtin, den Grund siehe oben; nach Andern soll sie von ihrem Vater, weil sie das Christenthum angenommen hatte, gezwungen worden seyn, die Schweine zu hüten. Oefter steht neben ihr ein Engel, der ihr die Palme und die Siegeskrone reicht. Manchmal hat sie, als Erinnerung an ihre Enthauptung, ein Schwert bei sich. Auch das oben erwähnte Kreuz mit der Taube sieht man nicht selten, was aber nicht, wie Hack, l. c. S. 276. meint, auf ihre Taufe vom hl. Geiste, sondern auf die oben erzählte Erscheinung hinweist. Dazu kommt das Kreuz, das Symbol ihres Sieges über den zu ihren Füßen sich windenden höllischen Drachen, und das gemeinsame Attribut aller Martyrer, die Palme. (V. 24-45).