Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Severin von Norikum
S. Severinus, Abb. Presb. (8. al. 5., 11. Jan.). Dieser Heilige heißt öfter in Martyroldgien und Brevieren der »Apostel« des Noricum. So kann er eigentlich nicht genannt werden, da er den Samen des Evangeliums in diese Provinz nicht getragen hat. Er war nicht der Begründer des Evangeliums im Noricum, wohl aber, wie das Mart. Rom. sagt, sein Verbreiter und seine letzte Stütze. Nach seinem Hinscheiden war es um dasselbe für lange Zeit geschehen. Alle christlichen Culturstätten wurden derart verwüstet, daß es bei den meisten derselben unmöglich gewesen ist, festzustellen, wo sich dieselben befanden. Die christlichen Bewohner folgten dem Rufe Odoakers und zogen nach Italien, und die für sie eingezogenen heidnischen oder arianischen Völkerschaften hatten gleichfalls keine bleibende Stätte. So kam es, daß auch eine Ueberlieferung von Mund zu Mund, wie sie gewöhnlich so hervorragenden Männern nachzufolgen pflegt, hier nicht eintrat. Die einzige zuverlässige Quelle für die Geschichtschreibung seiner Zeit in Noricum ist die von seinem Schüler Eugippius verfaßte Lebensbeschreibung des Heiligen. (Man sehe: »Eugippius, das Leben des heil. Mönches Severin, aus dem Lat., mit Anm. von Ritter«. Linz, 1853.) Auf die Fragen: woher kam er? wer waren seine Eltern? wo ist sein Vaterland zu suchen? erhalten wir aber keine Antwort. Er selbst beobachtete hierüber das tiefste Stillschweigen. Als einmal der Priester Primenius ihn darüber ausforschen wollte, wich er aus und sagte: ob er ihn etwa für einen Flüchtling halte; in diesem Falle solle er sich um Lösegeld umsehen; dann aber setzte er hinzu: »Was soll ein Diener Gottes von seiner Heimat und Abkunft reden? Was kann ihm und seinen Mitbrüdern hieraus für ein Nutzen entstehen? Unser Vaterland ist der Himmel - nach dem Himmel wollen wir trachten!« Niemand wagte fernerhin, ihn wieder zu fragen. Die ersten Jugendjahre hat er in den Einöden des Morgenlandes, etwa in der thebäischen Wüste oder in Palästina, zugebracht. Seine ursprüngliche Heimat war sicherlich das Abendland. Daß er aus Rom selbst gewesen sei, weil er der lateinischen Sprache besonders mächtig war, ist ein zu gewagter Schluß, als daß wir ihm beipflichten möchten. Sein Dialect soll den Africaner verrathen haben. Der Ort, wo er den Grund zu seiner nachmaligen Größe gelegt hat, mag das Kloster Lerin gewesen sein. Als er nach dem Tode Attila's im J. 453 (454) seinen Fuß nach Noricum setzte, kam er aus dem Morgenlande, in der ausgesprochenen Absicht, den Bewohnern dieses Landes geistlichen Trost und, so viel er vermochte, auch leibliche Hilfe zu bringen. Diesen Beruf erfüllte er als Missionär Jesu Christi. Daher schreibt Canisius in seinem Martyrologium: »Er hat viel Nutzen geschafft, das christliche Wesen zu pflanzen und zu befördern.« Dazu wählte er das Gewand, die Lebensweise und die Armuth eines Einsiedlers. Seine Zeit war furchtbar traurig. Es gab durchaus keine Sicherheit mehr. Alle staatliche und gesellschaftliche Ordnung war aufgelöst, nur die Kirche hatte theilweise ihren Einfluß noch erhalten. Feste Wohnsitze gab es nur mehr in den Städten, und auch diese waren keinen Tag sicher vor feindlichen Ueberfällen und Plünderungen. Da gründete der hl. Severinus bei der Stadt Fabianä eine Zelle nach Art der morgenländischen Einsiedler, arm und niedrig, so daß ein hochgewachsener Mann in ihr nicht aufrecht zu stehen vermochte. Andere Zellen in der Nähe dienten seinen Schülern zum Aufenthalte. Von hier zog er hinaus, um in Stadt und Land, in den Hütten der Armen, auf öffentlichen Plätzen, in den zerstörten und ausgebrannten Kirchen das Wort des Heils zu verkünden. Es gab nämlich damals noch einzelne geistliche Niederlassungen im Lande. In der Geschichte des hl. Severinus werden solche zu Patavia (Passau), Juvavia, Laureacum (Lorch), wo sich ein Bischof Namens Constantius befand, der ein ausgezeichneter Mann war, Tiburnia (Tebern) und Petavio (Pettau) erwähnt. Von der frühern Hauptstadt der Provinz, Noreja, ist keine Rede mehr. Ungeachtet der fortwährenden Kriegsunruhen und Unglücksfälle war die Fruchtbarkeit des Landes so groß, daß der angerichtete Schaden bald wieder gut gemacht war, zumal der Handelsverkehr auf der Ens und der Donau die Beischaffung von Lebensmitteln wesentlich förderte. Lange Zeit glaubte man, daß Fabianä, wo der Heilige seinen ersten Aufenthalt nahm, das heutige Wien gewesen sei. Neuere Forschungen haben diese Meinung gründlich zerstört. Letzteres heißt überall Vindobona oder besser Vindomana. Nach Niedermayer ist es Heiligenstadt, d. h. die Stadt, wo »der Heilige« gelebt und gewirkt hat. Mit viel größerm Rechte darf auf Grund der Aehnlichkeit des Namens angenommen werden, daß die zweite Zelle des Heiligen, ad vineas 1 d. i. »zu den Weinbergen« genannt, an der Stelle des jetzigen Wien gestanden sei. Doch suchen Niedermayer, Stabell u. A. diesen Ort im heutigen Sievering. Als Prediger des Evangeliums der Armen war er selbst ein Liebhaber der Armuth. Aermer als er lebte keiner von denen, die ihn hörten. Ein langer, rauher Rock war sein einziges Kleid, das er Tag und Nacht trug. Bloßfüssig war er immer, selbst in der strengsten Winterkälte. Nur einmal an jedem Tage, nach Sonnenuntergang, nahm er einige Nahrung zu sich. Während der Fastenzeit aß er wöchentlich nur ein Mal. Der bloße Boden war seine Ruhestätte. Mit großer Geistessammlung las er fleißig die hl. Schrift, und verrichtete genau die kirchlichen Tagzeiten. Wenn man hinzunimmt, daß die Rede von ihm ging, er sei von vornehmer Abstammung, aus einem wohlhabenden Hause, habe aber um Jesu willen freiwillig dieses arme, abgetödtete Leben gewählt, um als Prediger des Evangeliums desto williger Aufnahme zu finden, so erklärt es sich leicht, warum Hohe und Niedere aufwärts und abwärts der Donau ihn gerne hörten und aufnahmen. Seine Worte drangen den Leuten wie Pfeile in die Herzen. Auch hatte die Erfahrung gezeigt, daß man sie nicht ungestraft mißachten konnte. Die Hilfe der Armen und die Loskaufung der Gefangenen hatte er so streng organisirt, daß er von den Grundbesitzern den Zehnten zu diesem Zwecke forderte und erhielt. Auch als helfender Arzt der Kranken war er überall gesucht. Doch heilte er nicht seine eigenen Jünger, denn für sie hielt er Kreuz und Leiden für das beste Heilmittel. Obwohl anzunehmen ist, daß er die meiste Zeit in seiner Zelle zubrachte, so reiste er so oft es nothwendig war im Lande, in den Städten Ufer-Noricums und den angrenzenden Länderschaften umher. Wo er kein Gehör fand, schüttelte er den Staub von den Füßen, und zog, die Strafe Gottes voraussagend, weiter. So geschah es um d. J. 405 in Astura, das unfern der pannonischen Grenze, (von Stabell z. B. im heutigen Stockerau, von Butler in der Nähe von Klosterneuburg) gesucht wird. Er wohnte bei dem Pfarrer des Ortes und predigte öfter in der dortigen Kirche. Ehe er fortzog, sagte er der unbußfertigen Stadt den Untergang voraus. Bald darauf kamen die Hunnen und machten den Ort dem Erdboden gleich, die Einwohner aber tödteten oder schleppten sie als Gefangene mit sich. Von hier ging er der Donau entlang nach Commagena, über dessen Lage nichts Bestimmtes zu sagen ist, (es soll sich unweit von Tuln befunden haben, Einige nennen ganz bestimmt Kaunberg oder dem Wienerwald) und predigte in der dortigen Kirche, daß Fasten, Beten und Almosen die besten Waffen der Christen seien. Dann reiste er wieder hinab bis Fabianä, wobei er auch Laureacum besuchte. Manchmal drang er auch weiter ins Land hinein. So kam er nach Cucullä, welches Kuchl bei Salzburg sein soll, nach Juvavio, und von hier der Salzach und dem Inn entlang in die Gegenden um Castra Patava (Passau) nach Boitro (Innstadt), Castra Quintana (Künzing bei Osterhofen), wo er einen Verein frommer Jungfrauen stiftete und selbst in das weit südlich gelegene Tiburnia, was unzweifelhaft das heutige Tebern ist. Aber selbst zu den Fürsten und Häuptlingen der Barbaren, die meist jenseits der Donau ihre Wohnsitze hatten, lenkte er seine Schritte, theils um Gefangene auszulösen, theils um sie zur Menschlichkeit und Friedfertigkeit zu ermahnen. Wir lesen nicht, daß nur einer dieser Barbaren, so lange er lebte, barbarisch genug gewesen wäre, seinem edeln Wirken Hindernisse in den Weg zu legen oder die von ihm gegründeten klösterlichen Niederlassungen zu zerstören. Auch diese beugten sich, halb aus Wohlwollen, halb aus Furcht, seinem Ansehen, selbst jene böse Königin Gisa, Feva's (s. u.) Gemahlin, welche als Arianerin rechtgläubige Katholiken nochmal taufen lassen wollte. Den König Gibold erschütterte er dergestalt, daß er am ganzen Leibe zitterte und 77 gefangene Römer freigab. Der Rugierfürst Flacitheus dankte seinen Rathschlägen seine friedliche Regierung. Allerdings bemächtigte sich dieser der Stadt und Umgebung von Fabianä, aber seine Herrschaft gewährte Schutz gegen die wildern Feinde, welche alle weiter aufwärts gelegenen Burgen und Städte zerstörten. Die Einwohner hatten sich nach Laureacum geflüchtet und von da führte sie König Feva, wahrscheinlich auf Veranlassung des Heiligen, in die ihm unterthänigen, weiter abwärts liegenden Städte. An dieser Stelle wollen wir (nach Stolz) einige Wunder einfügen, welche der Heilige durch die Kraft Gottes, welche in ihm war, gewirkt hat. Ein Mensch, Namens Rufus, war schon zwölf Jahre krank, so daß er kein Glied rühren konnte und grimmige Schmerzen hatte. Da nahm ihn die Mutter, legte ihn auf einen Wagen und führte ihn vor die Zelle des hl. Severinus. Sie bat ihn inständig, ihren Sohn gesund zu machen. Der fromme Mann gab zur Antwort: »Das kann ich nicht, nur Gott kann es; doch will ich dir den Rath geben: gib Almosen so viel du kannst!« Die Frau entledigte sich ihrer Kleider, um sie den Armen zu geben. Der hl. Severin gab ihr diese wieder zurück und verlangte nur, daß sie nach geschehener Heilung dem lieben Gott durch gute Werke sich dankbar zeige. Nun betete der Heilige; da wurde der kranke Mensch so gesund und kräftig, daß er auf dem Heimwege keines Wagens mehr bedurfte, und zu Fuß in sein väterliches Haus zurückkehrte. Ein anderes Mal richteten die Heuschrecken große Verwüstungen an den Feldfrüchten an. Der Heilige rieth den Leuten, zu Hause zu bleiben, und dem Almosen und Gebete sich hinzugeben. In derselben Nacht zogen die Heuschrecken, ohne Schaden zu machen fort, aber der Acker eines Mannes, der dem Heiligen nicht gefolgt hatte, war vollständig abgefressen. Der hl. Severinus gab hierauf den Leuten die Lehre, wie sie Gott allezeit gehorsam sein müßten; für den armen Mann aber ließ er eine Sammlung veranstalten, die ihn schadlos hielt. Eine halbtodte Frau, welche zu Juvavio vor seine Thüre gebracht wurde, brachte er wieder zum Leben, sagte aber den Leuten: Ihr müsset dieß nicht Verdiensten zuschreiben, sondern dem Glauben, denn solches geschieht an vielen Orten und bei vielen Völkern, damit der einzig wahre Gott erkannt werde, welcher Wunder thut im Himmel und auf Erden. Ein anderes Mal, zu Laureacum, wurde bei Austheilung des Oeles an die Armen dasselbe wunderbar vermehrt. Bis nach Italien leuchteten seine Thaten; ein Aussätziger, welchen er heilte, war von Mailand her zu ihm gebracht worden. Ebenso verhinderte er durch sein Gebet eine drohende Ueberschwemmung und beförderte den Eisgang, der die Schiffe auf der Donau, welche Lebensmittel zuführen sollten, unfahrbar machte. Eine reiche Frau, Namens Procula, welche viel Getreide aufgespeichert hatte, um aus der zunehmenden Theurung sich noch mehr zu bereichern, brachte er durch seine Zureden dahin, daß sie ihren Vorrath an die Armen vertheilte. Als der Heilige zu Künzen predigte, hielt er eine Ueberschwemmung der Businca durch das Einhauen eines Kreuzes in die hölzerne Kirche glücklich ab. Während seiner Anwesenheit daselbst starb der Priester Silvinus. Der hl. Severinus betete bei seiner Leiche und fragte den Todten in Gegenwart von vier KlerikerEin Kleriker ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien. n, ob er in das Leben zurückkehren wolle. Dieser aber wünschte lieber in der ewigen Ruhe zu bleiben. Dem Presbyter Paulinus von Lorch, welcher den Heiligen in Fabianä besuchte, sagte er voraus, daß er, wenn gleich widerstrebend, mit der bischöflichen Würde geschmückt werden solle. Besonders merkwürdig ist das Wunder mit den Lichtern, das zu Cucullä (Kuchl) geschah. Da sich einige Einwohner des heidnischen Aberglaubens schuldig machten, es aber leugneten, entdeckte sie der Heilige dadurch, daß er den Leuten befahl, sämmtlich mit unangezündeten Wachskerzen in die Kirche zu kommen. Auf das Gebet des Heiligen entzündeten sich die Kerzen der Schuldlosen von selbst, während die der Schuldigen ohne Licht blieben. So einsam er lebte, schien er doch von Allem unterrichtet zu sein. Wo die Barbaren einen Streifzug, einen Ueberfall im Schilde führten, gab er den Bedrohten Kunde. Zweimal sendete er Warnungsboten an den Priester Maximus zu Juvavio; nach einiger Zeit wurde die Stadt von den Herulern gänzlich zerstört. Den Bürgern von Laureacum (Lorch) ließ er durch einen Mönch, Namens Valens, sagen, daß sie Getreide und Vieh in Sicherheit bringen und Tag und Nacht strenge Wache halten sollten; sie thaten es und vereitelten so einen räuberischen Ueberfall, über welchen die am vierten Morgen gefundenen Sturmleitern keinen Zweifel ließen. Zu Comagena, wo die Bürger der Stadt wie Gefangene mitten unter den Barbaren lebten, erschien er plötzlich, ungehindert durch die Wachen, und verhieß Rettung, wenn die Bürger mit ihm wachen und beten wollten. Es geschah. Da entstand ein Erdbeben; voll Angst eilen die Barbaren aus den Thoren mitten in der Nacht und morden sich gegenseitig in der Finsterniß und Verwirrung. Ein Barbarenhaufen hatte in der Umgegend von Fabianä an der Donau übel gewirthschaftet und Menschen und Vieh mit fortgeschleppt. Der Heilige forderte den Hauptmann Mamertinus auf, sie zu befreien. Er folgte, obwohl er nur wenig Mannschaft hatte, seinem Worte und brachte viele Gefangene mit sich. Diese aber ließ der Heilige speisen und frei in die Heimat ziehen, jedoch mit der Drohung: »Wehe vom Himmel über sie, wenn sie nochmal kämen!« Dem nachmaligen Herulerfürsten Odoaker, damals noch ein gewöhnlicher Krieger, sagte er seine zukünftige Größe voraus: »Ziehe hin nach Italien! jetzt bist du arm, in Thierfelle gekleidet. Bald wirst du als mächtiger Gebieter große Gaben unter dein Volk vertheilen.« Er war bis dahin Arianer gewesen; da er aber den Segen des Heiligen begehrte, so kann er von ihm bekehrt worden sein, obwohl die Geschichte hievon nichts berichtet. Als König gedachte Odoaker dieser Weissagung und forderte den Heiligen auf, sich eine Gnade auszubitten, worauf dieser einem Verbannten Namens Ambrosius Verzeihung erlangte. Auch gegen die Päpste und Bischöfe trug Odoaker, so lange er lebte, große Ehrfurcht. Der Heilige besaß den Geist der Weissagung. Sein Blick sah in die Zukunft und oft wurden durch seine Gebete drohende schwere Gefahren abgewendet. Einst saß er zu Patavia in seiner Zelle, und las in einem erbaulichen Buche. Plötzlich rollt er die Schrift zusammen, seufzt und weint heftig, und befiehlt den umstehenden Jünglingen, schnell an den Strom zu eilen: derselbe sei mit Blut gefüllt. Sie gehorchten und fanden die Leichname der römischen Soldaten, die auf dem Wege nach Rom, wo sie ihren Sold in Empfang nehmen wollten, von den Herulern getödtet worden waren. Demungeachtet hielt er sich in aller Demuth für einen großen Sünder, welcher der Fürbitte Anderer dringend bedürfe. Mit Thränen in den Augen bat er Alle, die zu ihm kamen, um ihr Gebet. Er selbst betete so zu sagen unaufhörlich; seine Seele war immer mit Gott verbunden. Daher sagt auch seine Lebensbeschreibung, daß er die ihm angetragene bischöfliche Würde beharrlich ausschlug. Ungewiß ist, ob er in Laureacum oder Tiburnia dieses Amt begleiten sollte. Es sei schon genug, sprach er, daß er die von ihm so sehr geliebte Einsamkeit verlassen und auf Gottes Geheiß in diese Gegenden habe kommen müssen. Daß der heilige Severinus eine große Anzahl Mönche unter sich hatte, ergibt sich aus dem Gesammteindrücke seines Lebensbildes. Die Niederlassung zu Fabianä heißt: majus monasterium, woraus doch auf bedeutende Bevölkerung zu schließen ist. Hier hatte der Heilige eine Basilica erbaut, in welcher die Mönche das Lob Gottes sangen. Viele Reliquien schmückten die Altäre. Kirchendiener und Baumeister war der Mönch Maurus, welcher dem Heiligen vielen Kummer bereitete, und durch seinen Ungehorsam einmal sogar in Gefangenschaft kam; der Cantor hieß Moderatus. In den letzten Tagen seines Lebens hatte sich ein Mitbruder, Namens Antonius, vom fernen Lerin her eingefunden. Er sah zumeist auf eingezogenes, enthaltsames und frommes Leben; weltliche Gelehrsamkeit galt ihm als Nebensache. Daß sie gleichwohl auch schriftstellerisch thätig waren, sieht man an seinem Schüler Eugippius, der nach dem Tode des Heiligen sein Leben beschrieben hat. Er stand mit bedeutenden Kirchenschriftstellern jener Zeit im Briefwechsel, und wurde als Abt sein dritter Nachfolger. Niedermayer setzt hinzu, daß kein Zweifel bestehe, daß im Hauptkloster eine weithin Segen verbreitende Schule organisirt war. Der Bildungszustand des Volkes ließ nichts zu wünschen übrig. Es sang die Vesper und das Todtenofficium und nahm überhaupt an dem Gottesdienste den thätigsten Antheil. Daß es im ganzen Lande herum Zellen gab, die ihm unterstanden, steht außer Zweifel, denn er war, sagt die Lebensbeschreibung, gewohnt überall wohin er kam, solche zu erbauen. Im Passauer Proprium heißt es, daß er zu Boitro eine klösterliche Niederlassung gegründet und eine Zeit lang dort gewohnt habe. Es ist wahrscheinlich, daß zu Passau selbst eine solche bestanden habe. Als sein Todesjahr wird mit aller Bestimmtheit 482 angegeben. Zwei Jahre vorher weissagte er dem Lucillus, seinem ersten Nachfolger, daß er am Todestage des hl. Valentinus die Vigilien seines Todes feiern würde. Als sein Ende nahte (wie es scheint, starb er an einer Lungenentzündung), empfing er voll Andacht die hl. Wegzehrung, nahm von den Brüdern durch Kuß und Händedruck Abschied, ermahnte sie nochmals zum Gebete, zur Buße, Demuth, Keuschheit und werkthätigen Nächstenliebe, bezeichnete seinen Körper mit dem Zeichen der Erlösung, und schied in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar aus diesem zeitlichen Leben, als seine Mönche den Schlußvers des Psalms: »Lobet den Herrn in seinen Heiligen« von welchem er den Anfang selbst noch mitsang, vollendet hatten. Die Mönche fertigten einen hölzernen Sarg, legten die Hülle des geliebten Vaters hinein, und begruben ihn weinend. Gleich darauf plünderte Feva's Bruder, Friedrich, das Kloster. In den Frevler fuhr der Satan. Sechs Jahre nach seinem Tode zog die römische Bevölkerung des Landes nach Italien. Der Leichnam des Heiligen wurde nach gesungener Vesper ausgegraben und zur Verwunderung Aller unversehrt und glänzend gefunden. Aus der Gruft stieg ein süßer Wohlgeruch auf. Bei der Uebertragung geschahen zahlreiche Wunder. Kranke, welche den Sarg oder auch nur den Wagen, auf welchem derselbe lag, berührten, wurden gesund. Man brachte den hl. Leib zuerst nach Monte Feltre im Umbrerlande bei Urbino und von da in das Lucullische Castell zwischen Puteoli und Neapel. Eine vornehme Frau, Namens Barbarina, richtete hier ein Kloster für sie ein. Aus demselben erbat sich der Papst Gregorius der Große, als er zu Rom eine Kirche zu Ehren des Heiligen erbaute, einige Reliquien. Im 9. Jahrh. kamen dieselben bei einem Einfall der Sarazenen nach Neapel selbst. Ein Münster, welches den Namen des Heiligen erhielt, wurde hier erbaut. In seiner Verehrung hat sich die Kirche von Passau besonders hervorgethan; sie erwarb sich zuerst in den deutschen Landen im J. 903 eine Abschrift seines Lebens. In diesem Bisthum ist sein Verehrungstag der 5., in München-Freising der 11. Jan. Die Lectionen sind in beiden Diöcesen die gleichen. Das Kirchengebet lautet in der letztern und in der Regensburger-Diöcese: Gott, der du in deinen Heiligen wohnst und fromme Herzen nicht verlassest: befreie uns durch die Fürbitte des hl. Severinus von irdischen Begierlichkeiten und fleischlicher Lust, daß wir mit freiem Gemüthe dir, dem alleinigen Herrn, dienen mögen. In den österreichischen Bisthümern und Klöstern hat selbstverständlich seine Verehrung nie aufgehört. Die erste Kirche zu seiner Ehre zu Rom (vielleicht überhaupt die erste) erbaute der hl. Papst Gregorius der Große in der Nähe von St. Mathäus in Merulana. Der Ort Sivering soll nach dem Heiligen genannt sein; die Pfarrkirche von Obersivering ist ihm geweiht. Bildnisse zeigen ihn als Abt und Wunderthäter; öster auch wie er auf einem Grabmale betet. Wenn Einige schreiben, daß er mit einem Kirchenmodell dargestellt werde, so verwechseln sie ihn mit dem hl. Severinus, Bischof von Cöln. Man könnte ihn auch mit Spruchband darstellen und sein tägliches Gebet, das er in Freud' und Leid, besonders bei seinen Wunderthaten unzählige Male wiederholte, darauf schreiben: Sit nomen Domini benedictum, der Name des Herrn sei gepriesen! Daß er von Einigen Patron der Weber genannt wird, ist eine Verwechslung mit S. Severus6 S. d.
1 ▲ Damals ein einsamer Ort; die Lebensbeschreibung sagt: deinde in locum remotiorem recedens, qui ad vineas vocabatur, cellula parva contentus ad praedictum oppidum remeare divina revelatione compellitu.