Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Stephan I. von Ungarn
S. Stephanus, Rex. Conf. (2. Sept. al. 30. Mai. 20. Aug.). Dieser heil. Stephan, der erste König von Ungarn, wird zugleich auch der Apostel dieses Königreiches genannt. Sein Leben glich einer reichen, sprudelnden Heilquelle, die in kurzer Zeit, ohne etwas von ihrer Kraft zu verlieren, zum mächtigen Strome anwächst. Ein Held im Kriege, ein größerer im Frieden, hat er den Ursprung der wahren Größe so klar erkannt, und den christlichen Glauben mit so inniger Liebe umfaßt, daß er in der Einführung christlicher Gesetze und Sitten das Glück seines Volkes begründete, und in den Feinden Christi und des Glaubens seine und des Reiches Feinde sah und beharrlich bekämpfte. Man hat versucht, seine Lebensgeschichte zu verdunkeln und als zweifelhaft darzustellen. Doch ist das Volk der Ungarn, wie es durch ihn geworden, vor und nach ihm gewesen ist, der kräftigste Beweis ihrer Wahrheit. Bedürfen auch einzelne Daten, besonders seiner Jugend, noch der Aufklärung, so steht doch sein Lebensbild als Ganzes klar und deutlich vor unsern Augen. Darüber nämlich, wann er geboren wurde und wann er die heilige Taufe empfing, sind die Schriftsteller uneinig. Sein späteres Leben und Wirken steht jedoch außer allem Zweifel. Wir folgen in unserer Darstellung den aus den sichersten Quellen geschöpften Bearbeitungen. 1 Der Vater dieses hl. Königs war Geisa (Geysa, Victor), Herzog von Ungarn, ein friedliebender, aber heidnischer Fürst. Dessen Gemahlin Sevotta war Christin und machte auch den König zur Annahme des Evangeliums geneigt. Als deßhalb der hl. Adalbert1 nach Ungarn kam, ließ er sich mit seinem erstgebornen Sohne Waik und den andern Kindern taufen. Der Erbprinz erhielt den Namen Stephan. Er legte in Gegenwart des Kaisers Otto III. und des Herzogs Heinrich II. von Bayern zu Gran (Strigonium) das Glaubensbekenntniß ab. Zugleich warb der Prinz um die Hand der frommen Herzogstochter Gisela1 von Bayern. (S. d.) Bei der Verlobung mußte er eidlich versprechen, dem christlichen Glauben treu zu bleiben und die noch heidnischen Unterthanen zu bekehren. Im folgenden Jahre zog er mit zahlreichem Gefolge nach Gandersheim, wo die Vermählung stattfand. Als im J. 997 der Vater starb, war er eben 18 Jahre alt geworden. Alsbald ergriff er mit starker Hand die Zügel der Regierung und fing ernstlich an, der Abgötterei im ganzen Lande den Krieg zu erklären. Gleich am Anfange hatte er in Folge der hieraus entstandenen Unzufriedenheit einen gefährlichen Aufruhr zu bekämpfen, an dem selbst ihm verwandte Fürsten Theil nahmen, indem sie alle Schuld auf die deutsche Umgebung des Fürsten wälzten. Er stand einer überlegenen Macht entgegen; doch siegte er in seinem Gottvertrauen, mit Hilfe der herbeigeeilten Deutschen. Da er unter der Anrufung des heil. Martinus gekämpft und gesiegt hatte, brachte er zum Danke dafür das Kloster auf dem St. Martinsberge (später Heiligenberg genannt), das sein Vater gegründet hatte, zur Vollendung und dotirte es reichlich. Außerdem sorgte er für Errichtung von Kirchen und Schulen und für Herbeiziehung frommer, sittenreiner und gelehrter Männer. Woher sie kamen, war ihm gleichgiltig; wenn sie ihr Amt gut versahen, konnte er nicht versichert sein, auch von Ausländern gute und treue Unterthanen zu erhalten? In der That kamen die Glaubensprediger, wie es in seiner Legende heißt, »von allen Theilen der Welt«, und so viele kamen, nahm der heil. König mit größter Bereitwilligkeit auf. Er stiftete zehn Bisthümer und bestimmte Gran als Metropolitansitz. Die Verfassung, welche er dem Lande gab, hat sich in ihren wesentlichsten Bestimmungen zum Besten des Landes achthundert Jahre lang erhalten. Siebenbürgen (Transsilvania) wurde durch ihn mit Ungarn vereinigt. Dem hl. Fürsten fehlte aber noch der Königstitel. Zur Erlangung dieser Würde und behufs Bestätigung seiner kirchlichen Stiftungen sendete er den Abt von St. Martin, Anastasius (Astricus), später Bischof von Colocza, als Gesandten nach Rom. Er hoffte bei dem Stellvertreter Jesu Christi, des Königs aller Könige, die Weihe und den Segen des Himmels für sich und sein Land zu erhalten. Der darüber hoch erfreute Papst Silvester II. gewährte Alles, und sandte ihm die goldene, mit Edelsteinen besetzte Königskrone. Sie wurde dem heil. Könige am 15. Aug. d. J. 1000 zu Gran feierlich auf das Haupt gesetzt. Zum Andenken an diese dem neuen Reiche durch den apostolischen Stuhl erwiesene hohe Ehre führten die spätern Könige von Ungarn den Titel: »apostolische Majestät«. Der hl. Stephan verdiente denselben auch dadurch, daß er nicht selten selbst als Prediger auftrat. Auch durch die Uebersendung eines doppelten Kreuzes, das ihm bei feierlichen Anlässen vorangetragen werden sollte, ehrte der Stellvertreter Christi den glaubenseifrigen König. Derselbe fuhr fort in seinem heiligen Streben. Er erbaute zu Ehren der heil. Mutter Gottes die Domkirche zu Gran und weihte das ganze Reich dem Schutze der Himmelskönigin. Auch zu Stuhlweißenburg (Alba regia) ließ er eine prachtvolle Kirche unter dem Namen der seligsten Jungfrau erbauen, welche Ungarns Könige in der Folge zu dem Orte ihrer Salbung und ihres Begräbnisses wählten. 2 Das alte Buda (Ofen) hatte ihm das Kloster zum hl. Petrus und Paulus zu verdanken. Zu Rom ließ er auf dem Berge Cölio die Kirche zum hl. Stephanus bauen, für welche er zwölf Kanoniker bestimmte; auch errichtete er in eben dieser Stadt ein Spital für Pilger aus Ungarn. Selbst zu Jerusalem ließ er eine Kirche mit Kloster aufführen, und dotirte sie mit Gütern und Weinbergen. Andere Kirchen erbaute er in Constantinopel und Ravenna. Wie sein Privatleben, so ruhte auch seine Regierung und Gesetzgebung auf den Geboten Gottes, in deren Beobachtung er das Glück seines Reiches erkannte und förderte. Daher erließ er strenge Gesetze gegen Gotteslästerung, Diebstahl, Todtschlag, Sonntagsentheiligung, Ehebruch und andere Laster. Unablässig bereiste er das Land, um zu sehen, wie Vorgesetzte und Untergebene ihre Schuldigkeit thaten, und untersuchte genau, ob die Priester und Vorsteher den Gläubigen mit gutem Beispiele vorangingen und für deren Unterweisung sorgten. Jedermann hatte freien Zutritt zu ihm; er hörte ohne Unterschied die Klagen Aller, die zu ihm kamen, doch die der Armen mit besonderer Vorliebe, und sorgte liebevoll für ihren Unterhalt. Die Wittwen und Waisen nahm er in seinen besondern Schutz, und erklärte sich öffentlich als ihren Vater. Ungeheure Summen verwendete der König zu Zwecken der Wohlthätigkeit um Christi willen. Er hatte den Grundsatz, überhaupt keinem Bittenden das Gehör zu versagen, und Allen, so viel möglich, zu helfen. Es machte ihm große Freude, den Nothleidenden beizuspringen, ihnen zu dienen, und selbst die Füße zu waschen. Da er einmal verkleidet die Armen aufsuchte, um ihnen Almosen zu spenden, geriethen diese in Streit, mißhandelten selbst ihren Wohlthäter und zerrauften ihm den Bart. Das machte ihm die größte Freude; zu Boden fallend dankte er der hl. Jungfrau für die erlittene Schmach. Wußte er Kranke, so sandte er ihnen Obst und Speise, durch deren Genuß sie nicht selten wieder gesund wurden. Um so höher stand er als König, um so geliebter war er seinem Volke. Niemals gönnte er sich eine nur dem Vergnügen gewidmete freie Zeit. Bei Tage ordnete und verwaltete er die Regierungsgeschäfte, in den Stunden der Nacht aber wachte und betete er, und genoß nur kurze Zeit die nöthige Ruhe. So wurde die königliche Macht immer fester begründet. Kriege führte er nur für die Religion, für den Schutz der Unterdrückten, zur Bezwingung der Empörer, zur Vertheidigung gegen ungerechten feindlichen Angriff. Einem drohenden blutigen Zwiespalt zwischen Ungarn und dem deutschen Reiche unter Kaiser Conrad II. begegnete er durch kluge Nachgiebigkeit, so daß die bereits eingedrungenen Heere Ungarn wieder verließen. In seinem Streben nach immer größerer Vollkommenheit wurde der königliche Diener Gottes durch schwere Leiden mächtig unterstützt. Einmal drangen vier Verschworene zur Nachtzeit in seinen Pallast, von denen Einer den schlafenden König ermordet hätte, wenn nicht der Dolch durch göttliche Fügung seinen Händen entfallen wäre. Drei Jahre lang litt er an einer schweren und schmerzlichen Krankheit, und als er die Gesundheit wieder erlangt hatte, nahm ihm der Herr im J. 1031 seinen einzigen Sohn Emerich, den er mit liebender Sorgfalt erzogen hatte, die Freude und die Hoffnung seiner Eltern und des ganzen Landes, nachdem er kaum das 24. Lebensjahr erreicht hatte, durch einen fast plötzlichen Tod. Der hl. König trauerte tief, nicht nur als Vater um den geliebten Sohn, sondern auch als König um das Volk. Noch sieben Jahre regierte der fromme König, knüpfte mit jedem Tage das Band der Liebe und der Treue zwischen ihm und seinem Volke fester, und verschied zuletzt nach andächtigem Empfang der heil. Sacramente, im Beisein des schluchzenden Hofes und zahlreicher Priester, voll Freude und Ergebenheit in den Willen Gottes am 15. August 1038. Das Fest Maria Himmelfahrt, das er sich als Sterbetag erkoren und erbeten hatte, wurde wirklich der Tag seiner Aufnahme in das himmlische Reich. Auch sterbend vergaß er seine Regentenpflichten nicht. Er berief die Magnaten des Reiches an sein Sterbelager, ermahnte sie zur Beständigkeit im Glauben, zum Gehorsam gegen den heil. Stuhl, zu Frieden und Eintracht, empfahl seine Stiftungen ihrem Schutze, und flehte zuletzt für Land und Volk ein letztes Mal um Hilfe und Beistand zur Himmelskönigin. Der heil. Name Maria war sein letztes Wort. Er war 38 Jahre lang der Liebling und Vater seines Volkes gewesen. Unter unbeschreiblicher Trauer setzte man den Leichnam in der Muttergotteskirche zu Stuhlweißenburg bei, wo er alsbald durch Wunder zu glänzen anfing. Als man denselben fünf Jahre später erhob, erfüllte ein süßer Wohlgeruch das Gotteshaus. Aus dem Sarge floß eine heilsame Feuchtigkeit in unerschopflicher Menge. Die Verwesung halte den ganzen Leib verzehrt, nur seine rechte Hand, mit welcher er so unendlich viel Gutes gethan hatte, war vollständig unverwesen. Sie wird in der Burgcapelle zu Ofen aufbewahrt, und am 20. August, dem Haupt-Landesfeste für Ungarn, mit großer Feierlichkeit umhergetragen bis auf den heutigen Tag. Der hl. König ist von dem heil. Papste Gregor VII. canonisirt worden. Sein Fest wird in Ungarn am 20. August, am Tage der Erhebung, mit Octave begangen. Die Auffindung seiner unverwesenen rechten Hand wird am 30. Mai gefeiert. Im Mart. Rom. steht seine Name dermalen zum 2. Sept. Papst Innocenz XI. hat nämlich seine Festfeier zur dankbaren Erinnerung an die Befreiung der Stadt Ofen aus der Gewalt der Türken auf diesen Tag verlegt. Abbildungen zeigen ihn im königlichen Ornate; das Doppelkreuz, öfter auch eine Fahne mit dem Bilde der heil. Jungfrau, ist sein besonderes Kennzeichen. Auf größeren Bildern sind Scenen aus seinem Leben dargestellt. Krone und Scepter sind zuweilen von Engeln getragen. Zur Ergänzung dieser Darstellung gehören nothwendig die Männer, welche der hl. König zu Gehilfen seines glorreichen Werkes theils berufen, theils gebildet hat. Deßhalb wollen auch die Artikel Emericus1, Gisela1, Guntherius1, Maurus40, Astricus und Gerardus6 hieher verglichen werden. Das zu seiner Verehrung bestimmte Kirchengebet lautet: Wir bitten dich, allmächtiger Gott, verleihe deiner Kirche, daß der heil. Stephanus, dein Bekenner, welcher als König in diesem Erdenleben ihr Ausbreiter gewesen ist, im Himmel ihr glorreicher Beschützer sein möge.
1 ▲ Die Quellen sind: Vita S. Stephani. regis primi et apostoli Ungarorum majorum, gedruckt bei Pertz, mon. scr. XI. 229-242. Vita minor, ebend. XI. 226-229. Dann vita alia auctore Hartwico ep., Boll. I. 456-575, durch Stilting commentirt. Bearbeitungen: Stabell, Lebensbilder, II. 317-323. Andlaw, sieben heil. Fürsten, S. 12-18. Butler, XII. 279-295. K.-L. von W. W. VI. 744-747.
2 ▲ Wie viel die Kirche einem Fürsten einräumt, von welchem sie überzeugt sein darf, daß er seine Gewalt niemals mißbraucht, beweisen die eigenthümlichen Privilegien, mit welchen er dieses Gotteshaus ausstattete. Dasselbe sollte nämlich (Fleury, hist. eccl. XIV. 28.) ihm allein unterstehen. Kein Bischof sollte in demselben, ohne vom Könige besonders berufen zu sein, Gottesdienst halten, und das hl. Chrisma weihen. Beides sollte nur in Gegenwart des Königs geschehen. War er abwesend, so konnte der Propst diese Erlaubniß geben. So verordnete der König; er besaß dieses Recht in seiner Eigenschaft als päpstlicher Vicar mit kirchlicher Vollmacht für sein Land.