Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Thekla von Ikonium
S. Thecla, V. M. (23. al. 24. Sept.). Ueber das Leben und Leiden dieser heil. Jungfrau und Martyrin haben wir keine gleichzeitigen historischen Nachrichten. Die bei Tertulian und dem heil. Hieronymus erwähnten »Acten« sind durch die Autorität der Kirche selbst für unächt erklärt. Ebenso wird der Legende, welche der Bischof Basilius von Seleucia in der Mitte des 5. Jahrh. geschrieben hat, wenig Vertrauen zu schenken sein, weil er aus jenen falschen Acten geschöpft haben soll. Das Nämliche gilt (nach den Boll.) von einer, wie es scheint, ältern von Grabe (im Spicilegium Patrum et Haereticorum Saeculi I., II. et III.) herausgegebenen Beschreibung ihres Martyriums. Demungeachtet haben wir über sie noch so viele vollgewichtige Zeugnisse aus dem christlichen Alterthume, daß ihre Zusammenstellung eine ziemlich genaue geschichtliche Darstellung ihres Lebens und Leidens zuläßt. Wir lassen daher die Legende mit ihren mehr als zweifelhaften Namen und sonstigen Angaben im Folgenden ganz unberücksichtiget. Es ist allgemein angenommen, daß sie die Tochter eines angesehenen Bürgers von Iconium (jetzt Cogni, Conijah) in Lycaonien war, und durch die Predigten des hl. Paulus (und Barnabas) bekehrt wurde. Dafür sind selbst die falschen, und als solche verworfenen Acten vollgiltige Zeugen, da sie nur unter dieser Voraussetzung entstehen und Glauben finden konnten. Sie hat sich aber weder selbst getauft, noch hat sie öffentlich in den Versammlungen der Christen geprediget, oder die heilige Taufe an Andern vollzogen, wie die erdichtete Reisebeschreibung erzählt. Es ist Thatsache, daß der hl. Paulus lange Zeit zu Iconium verweilte, und Vieles ausgestanden, also auch gewirkt hat. (Vgl. H.-L. IV. 729.) Der hl. Gregorius von Nyssa (hom. 14. in Cant.) setzt hinzu, der heil. Apostel habe mit dem Glauben auch die Liebe und den Vorsatz beständiger Jungfräulichkeit in das Herz der Neubekehrten eingesenkt. Daß der Glaube an Jesus besonders in ihrer Zeit und Umgebung schwere Opfer forderte, kann so wenig einem Zweifel unterliegen, als daß sie dieselben willig brachte. Sie entsagte allem weltlichen Leben und schlug um der Liebe Christi willen ihr Fleisch und dessen Begierlichkeiten ans Kreuz. Das hatte sie von ihrem Lehrmeister, dem hl. Paulus, gelernt. Aus derselben Ursache schlug sie die eheliche Verbindung aus, welche sie mit einem wohlgestalteten, reichen und angesehenen Jünglinge eingehen sollte. (Vita S. Syncleticae Cotel. Ecl. gr. mon. I. 204.) Was sie an Schmuck und Edelsteinen besaß, gehörte guten Werken; insbesondere beschenkte sie die Gefängnißwärter, um dem hl. Paulus, ihrem Lehrmeister und Vater in Christus, die nothwendigen Besuche machen zu können. Der hl. Chrysostomus, auf welchen wir uns hiefür berufen können, benutzt (hom. 25. in actus App.) diesen edelmüthigen Zug, um die Kargheit der Christen seiner Zeit im Almosengeben zu beschämen, und ihren Eifer in der Anhörung des Wortes Gottes zu beleben. Wo und wann ihr Martyrthum für Christus begonnen habe, verschweigt die Legende, schreibt es aber dem Zorn ihres Bräutigams zu. Sie wurde den wilden Thieren vorgeworfen, blieb aber von denselben unberührt. »Sie floh,« schreibt der hl. Ambrosius, »die eheliche Gemeinschaft, zähmte, durch des Verlobten Wuth zu den wilden Thieren verurtheilt, in Verehrung ihrer Jungfräulichkeit sogar die Wildheit dieser. Als sie zu diesem Zwecke entkleidet wurde, schlug sie die Augen wie immer schamhaft zu Boden, um dem Blicke keines Mannes zu begegnen, und bewirkte, daß die Zuschauer, welche mit schamlosen Augen herbeigekommen waren mit schamhaften zurückkehrten. Man sah die Bestien auf dem Boden liegen und ihre Füße lecken, und durch ihr Stillschweigen laut bezeugen, daß sie den jungfräulichen Leib nicht verletzen konnten. Sie beteten ihre Beute an, und legten die ihnen eigene Natur ab, um die Natur anzunehmen, welche die Menschen verloren hatten« (de Virg. II. 3). Von demselben Wunder handelt der heil. Ambrosius, wenn er an Simplicianus schreibt: »Die Jungfrau frohlockte unter den Löwen, ohne Schrecken erwartete sie die herankommenden Bestien.« Was dieser Kirchenvater hievon dem Abendlande bezeugt, sagt der hl. Gregorius dem Morgenlande. Auch dem Verbrennungstode entging sie auf dieselbe wunderbare Weise. Ein altes Gebet, welches (Baron. notae) die heil. Martyrer zu verrichten pflegten, lautete: »Stehe uns bei wie Paulus im Gefängnisse, Thecla im Feuer etc.« Ebenso findet sich unter den Schriften, welche dem hl. Cyprian beigelegt werden, das Gebet: »Befreie mich aus der Mitte dieser Welt, wie du die Thecla aus der Mitte des Amphitheaters befreit hast.« Der hl. Zeno, Bischof von Verona schreibt: »Der Ankläger richtet gegen Thecla das schneidige Schwert seiner Zunge; die öffentlichen Gesetze müssen ihren Dienern hilfreiche Hand leisten; die Wildheit der wilden Thiere wird durch Stacheln zu noch größerer Wildheit gereizt, und ist doch milder als die Menschen; sogar Seeungeheuer werden auf sie losgelassen; des Gewandes wird sie beraubt und mit Feuer umkleidet. Der Zuschauer fürchtet sich unter so vielen tödtlichen Werkzeugen, sie aber tritt mit sicherm Schritte alle Arten von Schrecknissen zu Boden.« Was der heil. Zeno mit dem Namen Seeungeheuer bezeichnet, nennt der hl. Gregor von Nazianz Schlangen. Auch der hl. Maximus von Turin bestätiget, daß sie »den Kugeln der Flammen« entgangen sei. Man muß zugeben, daß diese den berühmtesten Kirchenlehrern entnommenen Zeugnisse der Ursprünglichkeit entbehren, aber sie lassen doch deutlich entnehmen, daß im 4. und 5. Jahrh. die ganz gleiche Meinung über die Heiligkeit und das Martyrthum der hl. Thecla im Morgenlande und im Abendlande verbreitet war. »Die Peinen der seligen Thecla sind Niemanden unbekannt,« heißt es im Leben der heil. Syncletica (l. c. pag. 205.), »daß sie nämlich durch Feuer und wilde Thiere sich durchgekämpft hat.« Da nun außerdem »die drei sehr heftigen Peinen,« welche sie glorreich überwand, auch in den Sterbgebeten der katholischen Kirche erwähnt werden, so erhalten sie hiedurch eine so hohe Beglaubigung, daß es fast Verwegenheit wäre, sie anzuzweifeln. Die Einwendungen, welche hiegegen aus der Geschichte der Christenverfolgungen erhoben werden (vgl. Stolberg, Gesch. der R. J. Chr. VI.) sind uns bekannt. Aber mußte auch der Haß des verlassenen Bräutigams gegen die opferwillige Braut deßhalb aufhören, weil er nicht schon in der ersten Stunde sich austoben konnte? Zeigt die Geschichte nicht zahlreiche Beispiele, daß derlei Personen wie die hl. Thecla, bis in die entferntesten Länder verfolgt worden sind? In der That verlegt das alte Martyrologium des hl. Hieronymus die Leidensstätte der hl. Jungfrau nach Rom. Will man nicht annehmen, daß sie den hl. Paulus dahin begleitet hat, so kann sie aus andern Ursachen, z. B. um ihren nächsten Feinden auszuweichen, dahin gegangen sein. Ueber ihren seligen Tod, welcher nach dem römischen Brevier in ihrem 90. Lebensjahre erfolgt ist, hat die Geschichte nur aufbewahrt, daß derselbe zu Seleucia in Isaurien, jetzt Selefkeh, »im Frieden« erfolgt sei. Ihr Grab wurde, worüber sich sehr zahlreiche Belegstellen finden, ein stark besuchter Wallfahrtsort. Die Kaiser Zeno und Justinian erbauten daselbst ihr zu Ehren große Kirchen. Die Griechen verehren sie seit den ältesten Zeiten als die erste Martyrin, und auch im Abendlande ist ihr Cultus überall verbreitet. Auf Bildnissen findet sie sich, zuweilen mit einem (griechischen) Kreuze in der Hand, von wilden Thieren umgeben; ebenso sieht man neben ihr öfter einen brennenden von herabströmendem Regen gelöschten Scheiterhaufen, oder sie befindet sich im Kerker zwischen Schlangen, welche vom Blitze getödtet werden. Letztere Darstellung in der zu ihrer Ehre geweihten Kathedrale zu Mailand. Auch die Dome von Tarragona in Spanien und Riez in Frankreich tragen ihren Namen. Ihren Verehrern ist sie oft wunderbare Helferin gewesen. (VI. 546-568)