Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Victor von Solothurn
S. Victor, M. (30. Sept.). Wie der hl. Ursus2 bis auf den heutigen Tag in Solothurn, so wurde dieser hl. Victor bis in die unglücklichen Zeiten der Glaubensspaltung zu Genf als Schutzheiliger verehrt und angerufen. Schon im 5. Jahrh., nämlich zwischen den J. 473-500, übertrug Bischof Domitian seine Gebeine mit großer Feierlichkeit unter allgemeinem Jubel des gläubigen Volkes in diese Stadt. Es wurde eine schöne Kirche seines Namens erbaut, welche im J. 1534 niedergerissen wurde. Sie hat der St. Victorsvorstadt den Namen gegeben, und war, wie die im 18. Jahrh. aufgegrabenen Grundmauern ersehen ließen, ein Rundbau, wie oft die Grabkirchen jener Zeit. Er gehört zu der Martyrerschaar der Thebäer. Ursprüngliche Acten sind nicht vorhanden, aber sein Tod für Christus ist nichts desto weniger sicher beglaubiget. Der älteste Zeuge desselben ist Eucherius, der nach dem J. 400 lebte, und die damals noch frische Tradition schriftlich niederlegte: »Die Volksstimme,« sagt er, »bekräftiget, daß Ursus und Victor, aus der Legion der Thebäer, zu Solothurn gelitten haben.« Er konnte das, wie Lütolf (Gl.-B. S. 145 in der Anm.) schreibt, noch von Augenzeugen ihres Martyriums erfahren haben. Seit unvordenklichen Zeiten wurde zu Ehren des hl. Victor alljährlich eine Festfeier (festivitas) gehalten. Was nun dem heil. Eucherius durch den Volksmund mitgetheilt wurde, ist folgendes: Die hhl. Bekenner Christi flüchteten sich vor der Wuth des Maximianus nach Solothurn, wurden aber dort auf seinen Befehl durch den Statthalter Hirtacus festgenommen und unter Bedrohung mit dem Tode zur Verrichtung der heidnischen Opfer aufgefordert. Sie antworteten, daß sie lieber sterben als opfern wollten; niemals würden sie gegen die unschuldigen Bekenner Christi von ihren Waffen, die sie nur gegen die Gottlosen führen dürften, Gebrauch machen. Darauf befahl der Statthalter, sie auf die Folter zu spannen und grausam zu schlagen. Die heil. Martyrer litten die Peinigung mit größter Geduld und dankten Gott, daß sie für den Namen Jesu Verfolgung zu leiden gewürdiget wurden. Es erschien ein Licht vom Himmel, bei dessen Anblick die Henker zu Boden fielen, während die heil. Martyrer, ihrer Fesseln entlediget, frei dastanden. Der Richter, welcher dieß magischen Künsten zuschrieb, befahl jetzt, einen Holzstoß anzuzünden und die hhl. Martyrer auf demselben zu verbrennen. Die Flammen hatten sie aber noch kaum beleckt, als sie schon durch einen Platzregen gelöscht wurden, so daß die Bekenner Jesu unbeschädigt aus denselben hervorgingen. Das umstehende zahlreiche Volk erkannte hierin die Macht des wahren Gottes, und Viele singen an, den heil. Martyrern fußfällig ihre Ehrfurcht zu erzeigen. Hirtacus fand es deßhalb an der Zeit, der Sache ein Ende zu machen, und sprach das Urtheil der Enthauptung. Sie empfahlen also ihre Seelen dem Herrn und neigten willig ihre Häupter, um den Todesstreich zu empfangen. Sie wurden daher seit der ältesten Zeit mit den abgeschlagenen Häuptern in den Händen abgebildet. Ein Lichtglanz umfloß die heil. Leiber, welche von den Christen ehrfurchtsvoll, aber in aller Stille weggetragen, und nicht weit von der Stadt beerdiget wurden. Die Sage, daß die Heiligen selbst ihre Häupter genommen hätten und mit denselben von der Brücke beim Treibiskreuze die Aar abwärts bis zur jetzigen Peterscapelle geschwommen seien, um hier ans Land zu steigen und, nachdem sie eine Zeit lang gebetet, sich zur Todesruhe niederzulegen, findet in der ältesten Legende keine Bestätigung. Sie wird also wohl, wie viele ähnliche andere, aus den oben erwähnten bildlichen Darstellungen entstanden sein. Die Reliquien des hl. Victor, welche lange Zeit in einem silbernen Sarge auf dem Hochaltare der St. Victorkirche beigesetzt waren, und in gebührender Verehrung standen, sind jetzt nicht mehr vorhanden. Man glaubt, daß schon Bonivard, der letzte Propst von St. Victor, bei seinem Abfalle zum Calvinismus sie beseitiget habe. 1
1 ▲ Größtentheils nach Lütolf, die Glaubensboten der Schweiz vor St. Gallus, Lucern 1871.