Friedrich von Bodelschwingh sen.
Gedenktag evangelisch: 2. April
Name bedeutet: der Friedensreiche (althochdt.)
Friedrich von Bodelschwingh, Sohn eines hohen preußischen Beamten und späteren Ministers, wuchs im gutbürgerlichen,
entschieden christlichen Elternhaus auf, als Kind in
Koblenz, ab 1842 in
Berlin, wo der Kronprinz und spätere Kaiser
Friedrich Wilhelm III. zu seinen Spielkameraden gehörte. Sein Hauslehrer eröffnete ihm auch Einblicke in das Leben der
Armen; Bodelschwingh bekam Eindrücke vom Leben, von Hunger, Blöße und Elend der Armen, ganz besonders aber auch von dem
unbillig großen Abstand zwischen arm und reich
, wie er damals notierte. Als 1848 Aufstände in Berlin gewaltsam
niedergeschlagen wurden, verlor sein Vater das Amt des Innenministers, die Familie kehrte nach Westfalen zurück.
Bodelschwingh verabscheute trotz seiner sozialen Einsichten den Zorn des Pöbels
- zeitlebens vertrat er die
Auffassung, die Monarchie sei gottgegebene Ordnung, und er blieb dem Herrscherhaus der Hohenzollern verbunden.
Nach dem Abitur am Archigymnasium - dem späteren
Stadtgynasium an der Stelle des heutigen Jugandamtes
- in Dortmund verbrachte von Bodelschwingh Lehrjahre als Landwirt auf Gut Gramenz in Pommern - dem heutigen
Grzmiąca bei Bytów in Polen; hier sah er das Elend
der Landarbeiter, versuchte gegen ihren Alkoholismus anzugehen und sie mit Hilfe von christlichen Traktaten zu missionieren. Im
Alter von 24 Jahren beeindruckte ihn ein Büchlein über die Arbeit der Basler Mission
in China; er wollte Missionar
werden und entschloss sich zum Theologiestudium. Seine angeschlagene Gesundheit verhinderte einen Einsatz in der Mission. Von
1858 bis 1864 wirkte er deshalb als Pfarrer in einer Gemeinde der armen deutschen Fremdarbeiter in
Paris und kümmerte sich um deren Not; auch er selbst
wohnte in einer einfachen Holzhütte. In jener Zeit heiratete er seine Cousine Ida.
1864 wurde von Bodelschwingh Pfarrer in Dellwig -
heute ein Ortsteil von Fröndenberg - an der Ruhr; auch hier kam ihm die soziale Not ganz nahe. Er machte die
Gottvergessenheit
der Gesellschaft verantwortlich für die soziale Frage
und setzte sich mit seiner von der
Erweckungsbewegung geprägten Frömmigkeit ein gegen ein sattes Christentum
und die damals vorherrschende liberale
Theologie
. 1869 starben der Familie innerhalb von nur zwei Wochen alle vier Kinder an Diphtherie.
1872 übernahm von Bodelschwingh die Leitung der 1867 gegründeten Anstalten für Epilepsiekranke in
Bethel - hebräisch: Haus Gottes
- bei
Bielefeld, die später nach ihm benannt wurden. Er sorgte für ein rasches Wachstum der Einrichtung - jedes Jahr konnte ein
neues Haus gebaut werden, 1883/1884 die Zionskirche.
Die finanziellen Mittel erhielt er einerseits über seine Beziehungen in höchste Kreise, andererseits durch gezielten Aufbau
der Pfennigvereine
zum Spendensammeln in ganz Deutschland.
Von Bodelschwingh setzte sich für Arbeitslose und für Obdachlose ein, die er die Brüder von der Landstraße
nannte.
Unter seiner Führung wurden die Anstalten in Bethel
erheblich erweitert, sie nahmen neben den kranken Epileptikern nun auch Obdachlose
und zahlreiche andere sozial benachteiligte Personen auf und wurden zum größten Hilfswerk der Inneren Mission
, der
diakonischen Einrichtungen der evangelischen Kirche in Deutschland.
Als Außenstellen von Bethel wurde 1882 die
Arbeiterkolonie
Wilhelmsdorf nahe Bielefeld,
1901 die Moorkolonie
Freistatt bei Diepholz
in Niedersachsen als Anstalt zur Urbarmachung des Hochmoores, bewohnt von Menschen aus sozialen Randgruppen und deren Betreuern
und 1905 das Hoffnungtal Lobetal - heute
Hoffnungstaler Stiftung Lobetal
- für Obdachlose nahe Bernau bei Berlin gegründet. Als Mitglied im
Preußischen Landtag in Berlin ab 1903 setzte er
ein Wanderarbeitsstätten-Gesetz durch. 1905 wurde die theologische Hochschule in
Bethel eröffnet, ab 1906 die Bethel-Mission in
Afrika aufgebaut.
Die letzten zehn Lebensjahre von Bodelschwinghs waren von Krankheiten geprägt; nach einem Schlaganfall war er im letzten Jahr vor seinem Tod an den Rollstuhl gefesselt und übertrug die Leitung der Anstalten seinem gleichnamigen Sohn Fritz von Bodelschwingh.
Schon zu Lebzeiten war von Bodelschwingh zur Legende geworden, nach seinem Tod zur Heiligengestalt von
unerschütterlicher Glaubenskraft, überquellender Liebe und nie versiegender Barmherzigkeit, gütig und milde, von heiterer
Gelassenheit, freundlich, humorvoll, verständnisvoll und nachsichtig
- so sein Biograf Hans Walter Schmuhl
1. Auf seinem Grabstein ist zitiert, was Grundlage des Wirkens von Bodelschwinghs war:
Weil uns Barmherzigkeit widerfahren ist, darum werden wir nicht müde
(2. Korintherbrief 4, 2).
Heute sind die nach ihm benannten Bodelschwingh'schen Anstalten die größte diakonische Einrichtung in Europa, führend in der Behandlung und Erforschung der Epilepsie. In den Einrichtungen der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe, in Hospizdiensten, Psychiatrie und Einrichtungen für Menschen mit Hirnschädigungen arbeiten rund 13.000 Beschäftigte.
1 ▲ Hans Walter Schmuhl: Friedrich von Bodelschwingh. Rowohlt, Hamburg 2005
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 28.10.2024
Quellen:
• dtv-Lexikon, Bd. 2, München 1980
• http://www.wissen.swr.de/sf/begleit/bg0033/bg_dk00a.htm nicht mehr erreichbar
• http://www.dhm.de/ausstellungen/diakonie/3.htm nicht mehr erreichbar
• Chronik-Kalender 2010, Harenberg, Dortmund 2009
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.