Gustav Werner
Gedenktag evangelisch: 1. August
Name bedeutet: der Bote mit Stab (altschwedisch)
Gustav Albert Werner, Sohn des damaligen Forstkassiers in
Zwiefalten und nachmaligen Finanzdirektors in
Reutlingen und Abgeordneten im
Württembergischen Landtag, studierte
im Stift in Tübingen Theologie. Dabei lernt er die
Schriften des Theosophen Emanuel von Swedenborg kennen. Nach dem Studium wirkte er als Privatlehrer in
Straßburg und kam dort mit dem Freundeskreis, der
unter Johann Friedrich Oberlin entstanden war, zusammen. Von
einem Freund Oberlins erhielt er dessen Ring mit dem Auftrag, das Werk der Liebe fortzuführen; Gustav Werner hatte schon
früh erkannt, dass in der beginnenden Industrialisierung die armen Leute wie die Kinder Israels (in Ägypten) um so
geringen Lohn arbeiten müssen, dass sie oft nicht die tägliche Nahrung herausschlagen
.
Von 1832 bis 1840 war Werner Vikar in Walddorf bei Tübingen, dabei setzte er sich gegen den Widerstand der Gemeinde für die Kinder einer armen Witwe ein. Nur eine Frau unterstützte ihn und richtete auf seinen Rat eine Kinderschule nach Oberlins Vorbild ein. Freunde aus Reutlingen gaben finanzielle Unterstützung, auch für eine Kinderrettungsanstalt für Waisenkinder, die Werner 1837 einrichtete. Als publik wurde, dass Werner auch Erbauungsstunden hielt, wurde ihm dies von der Kirchenleitung - wie damals üblich - untersagt. Er legte daraufhin sein Vikariat nieder und ging mit zwei Mitarbeiterinnen und zehn Kindern zu Fuß nach Reutlingen.
Hier lebte Werner zusammen mit einer zunehmenden Zahl von Mitarbeiterinnen, die Zahl der angenommenen Kinder wuchs im
ersten Jahr auf 29, Handarbeiten wurden zu einer wichtigen Einnahmequelle. 1842 kaufte er mit Hilfe von Spenden ein
größeres Haus am Stadtrand, das Werner Gottes-Hülfe
nannte; 1848 lebten dort schon 30 Kinder und weitere 50
hilfsbedürftige Menschen. Die Hausgenossen lebten in freiwilliger Gütergemeinschaft, andere gaben den Zehnten zur
Unterstützung des Werkes. Aus dem Kreis der Unterstützerinnen heiratete er die Kaufmannstochter Albertine Zwißler. Die
aufkommende Industrie sah er als den Ort, an dem der Glaube sich bewähren müsse; nur die Liebe könne eine gerechte Ordnung
auch im Arbeitsleben erreichen. Um seine Ideen in die Tat umzusetzen, kaufte er 1851 die
Reutlinger Papierfabrik, die zuvor bankrott
gegangen war und die er nun wiederbelebte und als christliche Fabrik
führte, um den Nöten der Arbeiter
entgegenzutreten sowie um seine Sozialeinrichtungen zu finanzieren,. Diese wurde 1862 ins nahe
Dettingen verlegt, in der Reutlinger Fabrik wurden
nun Ackergeräten, Eisenbahnwagen, Maschinen aller Art und ab den 1870er Jahren besonders Papiermaschinen produziert 1863
arbeiteten dort auch die späteren Auto-Pioniere Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach. 1875 wurde zudem eine Möbelfabrik
eröffnet.
1854 gründete Werner die ersten Zweiganstalt in
Fluorn - heute Ortsteil von Fluorn-Winzeln - im
Schwarzwald, weil nach etlichen Missernten die Not sehr groß geworden war. Andere Gemeinden im Schwarzwald wie
Rodt - heute ein Ortsteil von Loßburg -,
Schernbach und
Göttelfingen - beide heute Ortsteile von Seewald -
kamen bald hinzu. Im Laufe der Jahre entstanden 30 Betriebe, die auch für schwer vermittelbare Menschen Arbeitsplätze
anboten; die Beschäftigten erhielten eine Gewinnbeteiligung, Krankenvorsorge und Alterssicherung. Dazu kamen Waisen- und
Rettungshäuser: 1862 gab es neben der Mutteranstalt über ganz
Württemberg verstreut 31
Zweiganstalten, in denen 437 Kinder und 216 erwachsene Menschen lebten. In den Werkstätten und Fabriken waren 866 Arbeiter
beschäftigt. Die Mutteranstalt in Reutlingen
erhielt den Namen Bruderhaus
zum Zeichen für den brüderlichen Umgang, der in Werners Werk gepflegt werden sollte.
Auf die Dauer konnten die Wirtschaftsbetriebe aber die soziale Arbeit nicht allein finanzieren, auch viele Helfer waren
wieder abgesprungen. 1863 musste der
württembergische Staat helfend
eingreifen, der forderte die Trennung der Wirtschaftsbetriebe von den Rettungshäusern. Ein Teil des erzielten Überschusses
in den Wirtschaftsbetrieben floss aber weiter in die Rettungshäuser, so dass das Werk Werners fortgeführt werden konnte.
1882 wurden erstmals gezielt für körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen - Werner nannte sie Halbe
Kräfte
- Arbeitsplätze eingerichtet. 1884 wurde Gustav Werner zum Ehrenbürger der Stadt
Reutlingen ernannt. Das
Krankenhäusle
ist heute das einzige
Gebäude, das von den Reutlinger Fabriken bestehen blieb. Hier verbrachte Gustav Werner seine letzten Lebensjahre und starb
dort.
Als Gustav Werner Stiftung zum Bruderhaus
besteht das Werk auch heute noch in
Reutlingen und 13 weiteren Landkreisen in
Baden-Württemberg. Das Angebot für über 9000 Menschen umfasst Ausbildung, Arbeit, Begleitung, Beratung, Förderung, Pflege,
Seelsorge, Therapie und Wohnen; 3500 Mitarbeitende in über 120 Diensten und Angeboten arbeiten am gemeinsamen diakonischen
Auftrag.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 24.07.2019
Quellen:
•
• Christina Hölzl: Gott im Maschinensaal. Konsequenzen 6/2007
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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