Hugo von Lincoln
englischer Name: Hugh
auch: kleiner
Hugo
Gedenktag katholisch: abgeschafft
bis 1955: 27. Juli
Name bedeutet: der Denker (althochdt.)
Die Leiche des neunjährigen Knaben Hugo, dessen Mutter Beatrice hieß, wurde am 29. August 1255 in einem Brunnnenschacht am Haus des Juden Copin (Jopin) in Lincoln gefunden. Beatrice erzählte, dass ihr Sohn mit gleichaltrigen jüdischen Kindern gespielt hatte, dann seit mehreren Tagen verschwunden war. Schnell verbreitete sich das Gerücht, er sei einem Ritualmord durch Juden zum Opfer gefallen. Copin wurde festgenommen, der Richter John of Lexinton brachte ihn dazu, den Mord zu gestehen und Details des Rituals zu beschreiben. Entgegen den Zusagen des Richters wurde Copin auf Befehl von König Heinrich III. in London am Galgen hingerichtet. 18 weitere Juden wurden in London erhängt, 91 weitere im Tower eingekerkert; nachdem Franziskaner (oder Dominikaner) sich für sie eingesetzt hatten, wurden diese nach Zahlung einer hohen Geldstrafe freigelassen.
Bischof Henry of Lexinton, ein Bruder des Richters, ließ Hugo in der Kathedrale von Lincoln bestatten, nachdem diesem Wunder zugesprochen wurden: Copin selbst habe ausgesagt, dass das Grab, das die Juden für ihn geschaufelt hätten, den Leichnam wieder ausgeworfen hätte, daraufhin hätten sie die Leiche in seinen Brunnen geworfen. Dann soll eine blinde Frau ihr Augenlicht wieder erhalten haben, nachdem sie ihre Augen mit Wasser aus diesem Brunnen gewaschen habe. Auch an Hugos Grab in der Kathedrale ereigneten sich der Überlieferung zufolge Wunder, es wurde Ziel vieler Pilger.
Matthäus Paris, einer der damals bekanntesten Chronisten, verfaste eine blutrünstige Darstellung, wonach sich hochrangige
Juden aus ganz England in Lincoln versammelt
hatten, um das zuvor entführte Kind einer christlichen Familie erst zu mästen, dann zu foltern, mit einer Dornenkrone zu
krönen und schließlich zu kreuzigen; anschließend sei der Leichnam ausgeweidet und für magische Zwecke benutzt worden.
Nachdem es ähnliche Legenden auch in anderen englischen Städten gegeben hatte, folgten heftige Pogrome gegen Juden, bei
denen ganze Gemeinden umgebracht wurden, und schließlich 1290 die Vertreibung aller Juden aus England. Im 14. Jahrhundert
nahm Geoffrey Chaucer, der Begründer der englischen Literatur, eine sich an der Legende des Hugo orientierende
Ritualmordlegende, die Erzählung der Priorin
, in seine Canterbury Tales
auf.
1955 (!) distanzierte sich die Leitung der Kathedrale in
Lincoln von der Legende und brachte an Hugos
Grab eine Tafel an mit der Inschrift: Erdichtete Geschichten von
Ritualmorden
an christlichen Jungen durch
jüdische Gemeinden waren in Europa während des Mittelalters und auch später noch gang und gäbe. Diese Fiktionen kosteten
viele unschuldige Juden das Leben. Lincoln hatte seine Legende und das angebliche Opfer wurde im Jahr 1255 in der Kathedrale
beigesetzt. Solche Geschichten reichen der Christenheit nicht zur Ehre.
Hugo wird auch als kleiner
Hugo bezeichnet, um ihn von Bischof Hugo
von Lincoln zu unterscheiden.
Kanonisation: Eine offizielle Heiligsprechung von Hugo gab es nicht, die Überführung in die Kathedrale konnte damals aber für eine solche angesehen werden.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 18.07.2023
Quellen:
•
• Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, 2. Aufl. C. H. Beck, München 2018
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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