Notker Balbulus
deutscher Beiname: der Stammler
auch: Notker von St. Gallen, Notker Poeta (der Dichter
)
Gedenktag katholisch: 6. April
gebotener Gedenktag im Bistum Sankt Gallen: 7. Mai
Erhebung oder Niederlegung der Gebeine in St. Gallen: 8. April
Gedenktag evangelisch: 6. April
Name bedeutet: der Speer in der Not (althochdt.)
Notker, Sohn einer lokalen Adelsfamilie mit Sitz auf der - heute abgegangenen und zum Bauernhof gewordenen - Burg in Jonschwil, war mit einem Zahnfehler geboren, der sein Sprachvermögen beeinträchtigte, was er selbstironisch zu seinem Beinamen machte. Noch als Kind kam er ins Kloster der Benediktiner nach St. Gallen.
Im Kloster St. Gallen wurde er in den
klassischen Sprachen und in klassischer Literatur ausgebildet. Er wurde Leiter der Klosterschule, war literarisch und
musikalisch tätig und führte damit das Kloster zu großer Blüte. Über Gallus
verfasste er eine Lebensgeschichte und eine Abhandlung; De sancto Stephano
stellte den ersten Märtyrer des Christentums in vier Hymnen dar. Sein Hauptwerk war das um 884 verfasste Liber
Hymnorum
, Buch der Hymnen
für die Feste des Kirchenjahres, das einen Höhepunkt mittelalterlicher Dichtung
markiert und Notker zum wichtigsten geistlichen Lyriker seiner Zeit machte. Die Melodie eines
Pfingstliedes habe er nach dem Takt eines knarrenden Mühlrades geschrieben.
Notker löste die Dichtung von den metrischen Formen der Antike und eröffnete ihr so neue, volkstümliche
Ausdrucksmöglichkeiten in bilderreicher Sprache, die subjektivem Fühlen Raum gibt. Seine Gesänge sind melodiös, ihre
Wortwahl schlicht, so dass sie auch ohne Lateinkenntnisse gesungen werden können. Eines der bedeutendsten Lieder des
Abendlandes wurde Media vita in morte sumus
, durch Luther 1524 eingedeutscht als Mitten wir im Leben sind mit
dem Tod umfangen
(EG 518; GL 654)
883 schrieb Notker eine anekdotische Biografie über Karl den Großen, die
Gesta Karoli Magni
, die allerdings mehr das Ideal eines gerechten, menschenfreundlichen und christlich-tugendhaften
Herrschers beschreiben als historisch gesicherte Tatsachen und Notker als humorvollen Erzähler aufweisen .
Notkers Reliquien ruhen in der Klosterkirche in St. Gallen. Seine Lebensgeschichte verfasste um 1230 ein Mönch Ekkehard zur Unterstützung der ab 1215 von Abt Ulrich angestrebten Seligsprechung.
Kanonisation:
Notker wurde 1513 seliggesprochen, diese Verehrung wurde
1624 bestätigt.
Patron
des Bistums St. Gallen
Worte des Seligen
Notkers Osterhymnus endet folgendermaßen:
Dem aus Grabesnacht auferstandnen Heiland huldigt die Natur:
Blum’ und Saatgefild sind erwacht zu neuem Leben:
Der Vögel Chor nach des Winters Rauhreif singt sein Jubellied.
Heller strahlen nun Mond und Sonne, die des Heilands Tod verstört,
und im frischen Grün preist die Erde den Erstandnen,
die, als er starb, dumpf erbebend ihrem Einsturz nahe schien.
Quelle: Nach dem Lateinischen, von Paul v. Winterfeld. In: Lyrik des Abendlandes. Carl Hanser Verlag, München 1978
Zur Melodie zu folgender Pfingstsequenz hat Notker nach
eigener Angabe der Rhythmus eines knarrenden Mühlrads inspiriert:
Des Heiligen Geistes Gnade steh uns bei.
Er mache sich zu seiner Wohnstatt unsere Herzen
nachdem er daraus alle Laster der Seele vertrieben.
Gütiger Geist, der du die Menschen erleuchtest,
mach hell das grausige Dunkel unserer Seele!
Der du allzeit liebst verständige Gedanken,
gieße mild deine Salbung ein in unsere Sinne!
Du Geist, der du von allen Fehlern reinigen kannst,
reinige unseres Geistes Auge,
damit wir den höchsten Schöpfer schauen können,
den nur die Augen eines reines Herzens erblicken können.
Propheten hast du begeistert,
dass sie im voraus den Ruhm Christi besängen.
Die Apostel hast du bestärkt,
das Siegeszeichen Christi durch die ganze Welt zu tragen,
nachdem Gott durch sein Wort
das Werk des Himmels der Erde und des Meers geschaffen hat,
hast Du über die Wasser, um sie zu beleben, dein Walten ausgebreitet,
gib du, fruchtbares Wasser, um in den Seelen Leben zu wirken,
erfülle du durch deinen Hauch die Menschen mit deinem Geist.
Du hast die Welt, zerspalten durch Sprachen und Riten, geeint.
Du bester Meister, rufst die Götzendiener zurück zum wahren Gottesdienst.
So erhöre uns, die wir zu Dir flehen, voll Huld, Du heiliger Geist,
ohne den alle Bitten als wertlos gelten und als unwürdig für die Ohren Gottes.
Du, der Du die Heiligen aller Jahrhunderte durch Deine göttliche Eingebung belehrt hast,
ihre Seelen unfangend, Du selbst, hast, der Du heute die Apostel Christi
mit einem ungewöhnlichen und zu allen Zeiten unerhörten Geschenk bedachtest,
diesen Tag verherrlicht.
Zitat von Notker:
Auf einem Spaziergang habe Notker mehrere Bauarbeiter gesehen, die daran waren, eine Brücke über
einen tiefen Abgrund zu schlagen. Durch deren Anblick sei er so ergriffen worden, dass er über die Nähe des menschlichen
Lebens zum Tod zu meditieren begann. Ergebnis dieser Betrachtung war die Antiphon: media in vita in morte sumus
…
, die Martin Luther später zu dem bekannten Kirchenlied
(EG 518) ausgestaltete. Die Antiphon wurde gesungen bei Wallfahrten, bei Stürmen
auf der See und bei Schlachten gegen den Feind. Was das
Kölner Provinzialkonzil zu folgendem Verbot
veranlasste: Wir verbieten es, dass in einer der uns untergebenen Kirchen Verfluchungen ausgesprochen werden und
dabei
media in vita
gegen irgendwelche Personen gesungen werde.Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen.
Wer ist, der uns Hilfe bringt. dass wir Gnad erlangen?
Das bist du, Herr, alleine.
Uns reuet unsere Missetat,
die dich, Herr, erzürnet hat.
Heiliger Herre Gott, heiliger starker Gott,
heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott,
lass uns nicht versinken in des bittern Todes Not.
Kyrie eleison.
Quelle: Nach dem Lateinischen, von Paul v. Winterfeld. In: Lyrik des Abendlandes. Carl Hanser Verlag,
München 1978
vgl. Notkerus Balbulus: Liber ymnorum, hrsg. von Wolfram von den Steinen. Francke Verlag, Bern - München 1960
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung
Schriften von Notker und seine Lebensgeschichte gibt es online zu lesen in den Documenta Catholica Omnia.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 01.04.2021
Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/Milkau/p122.html
• Gerhard Raff: Zwei bedeutende schwäbische Geschichtsschreiber. Stuttgarter Zeitung, 5. April 2012
• Chronik-Kalender 2012, Harenberg, Dortmund 2011
• Lexikon für Theologie und Kirche, begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper, 3., völlig neu bearb.
Aufl., Bd. 7., Herder, Freiburg im Breisgau 1998
• Arthur Locher von der Jonschwiler Chronikstube, E-Mail vom 7. Dezember 2017
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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