Ökumenisches Heiligenlexikon

Paul Schneider

1 Gedenktag evangelisch: 18. Juli

Name bedeutet: der Kleine (griech.)

Pfarrer, Märtyrer
* 29. August 1897 in Pferdsfeld, heute abgegangener Teilort von Bad Sobernheim im Hunsrück
* 18. Juli 1939 in Buchenwald bei Weimar in Thüringen


Dorfbrunnen des ehemaligen Ortes Pferdsfeld mit Gedenkstele für Paul Schneider
Dorfbrunnen des ehemaligen Ortes Pferdsfeld mit Gedenkstele für Paul Schneider

Paul Schneider, Sohn eines Pfarrers, nahm als Soldat am 1. Weltkrieg teil und studierte ab 1919 Theologie an der Universität in Gießen, dann an der Universität in Marburg und schließlich in Tübingen. Nach dem zweiten Theologischen Examen suchte er zunächst den Kontakt zu einfachen Arbeitern und schuftete mit ihnen am Hochofen. 1923 ging er für zehn Monate nach Berlin, um dort bei der Stadtmission im Ostteil der Stadt in der Fürsorge für Alkoholiker zu helfen. Im Missions - und Erweckungstrupp kam er mit der Erweckungsbewegung in Kontakt, was ihm half, Glaubenszweifel und Depressionen zu überwinden.

Wilhelmsstift, Studienhaus der katholischen Theologiestudenten in Tübingen
Wilhelmsstift, Studienhaus der katholischen Theologiestudenten in Tübingen

1926 wurde Paul Schneider Pfarrer an der Kirche in Hochelheim, an der bislang sein soeben verstorbener Vater Pfarrer war. Nach der Machtergreifung dachte Schneider zunächst, die Deutschen Christen böten Möglichkeiten der Volksmission; schon vier Wochen später distanzierte Schneider sich von der Menschen verachtenden Ideologie der Nationalsozialisten. Schon 1932 hatte sich die NSDAP bei der Kirchenleitung über Schneider beschwert, jetzt wurde Schneider in einem Gespräch mit seinem Bischof veranlasst, öffentliche Zurückhaltung zu geloben.

Kirche in Hochelheim
Kirche in Hochelheim

1934 wurde Schneider nach öffentlicher Kritik an Propagandaminister Goebbels auf Betreiben der Partei beurlaubt, dann nach Dickenschied und Womrath im Hunsrück versetzt. Ein Konflikt entstand, als er bei der Beerdigung eines 17-jährigen an Krankheit verstorbenen Hitlerjungen öffentlich dem Nachruf des NS-Kreisleiters widersprach. Aufgrund seiner Predigten wurde er mehrmals verhaftet, dann mit Predigtverbot belegt.

Im November 1937 wurde Schneider in Schutzhaft genommen und erst ins damalige Gefängnis nach Koblenz gebracht, bald darauf auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler ins Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Auch dort verweigerte er den Hitlergruß, deshalb kam er in den Bunker.

Brief von Paul Schneider an seine Familie, geschrieben im Konzentrationslager Buchenwald, in der Kirche San Bartolomeo all'isola in Rom
Brief von Paul Schneider an seine Familie, geschrieben im Konzentrationslager Buchenwald, in der Kirche San Bartolomeo all'isola in Rom

Ein Augenzeuge aus dem Konzentrationslager Buchenwald berichtete: Mehrfach wurde Schneiders Stimme, wenn Tausende zum Appell angetreten waren, laut und deutlich aus dem Arrestgebäude gehört: Kameraden hört mich. Hier spricht Pfarrer Paul Schneider. Hier wird gefoltert und gemordet. So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Schneider wurde zum Prediger von Buchenwald.

Am Vortag seines 41. Geburtstages hielt Schneider aus dem Zellenfenster eine Predigt zu den auf dem Gefängnishof Versammelten, in der er Gott als alleinigen Herrscher der Welt darstellte und zu furchtlosem Bekenntnis aufrief. Schneider wurde für diese Predigt auf den Prügel gelegt, bis er bewusstlos war. Am ganzen Körper von Zeichen der Misshandlungen geprägt, sollte er aus dem KZ entlassen werden, wenn er unterschrieb, Stillschweigen über die Erlebnisse dort zu wahren und die Ausweisung aus dem Rheinland zu akzeptieren. Schneider verweigerte die Unterschrift; eine medizinische Behandlung - vermutlich mit einer Überdosis Strophanthin zur Schwächung seines Herzens - führte zum Tod.

Paul Schneider mit seiner Frau, Bild an ihrem Grab in Dickenschied
Paul Schneider mit seiner Frau, Bild an ihrem Grab in Dickenschied

Die Beerdigung des Pfarrers in Dickenschied fand unter großer Anteilnahme statt, die gesamte Bevölkerung von Dickenschied, 200 Pfarrer, dazu Protestanten aus den Niederlanden und der Schweiz waren zugegen. In der Londoner Times erschien ein Nachruf auf den Dorfpfarrer. Das Evangelische Konsistorium machte der Geheimen Staatspolizei Vorwürfe, weil sie die Erlaubnis zur öffentlichen Bestattung erteilt habe.

Grab von Paul Schneider und seiner Frau auf dem Friedhof in Dickenschied
Grab von Paul Schneider und seiner Frau auf dem Friedhof in Dickenschied

Papst Johannes Paul II. würdigte Paul Schneider im Jahr 2000 stellvertretend für alle Protestanten, die die Treue zum christlichen Glauben mit ihrem Leben bezahlten. 2002 wurde die Basilika San Bartolomeo all'isola in Rom als Ort des Gedächtnisses für die Märtyrer des 20. Jahrhunderts geweiht. Die katholische Kirche in Deutschland hat ihn 2003 in die Reihe der Blutzeugen des 20. Jahrhunderts aufgenommen. In Pferdsfeld - der Ort wurde wegen Fluglärm 1978 bis 1982 umgesiedelt - wurde am Dorfbrunnen 2003 eine Gedenkstele für Paul Schneider errichtet. An der und auch in der Kirche in Womrath erinnern Gedenktafeln an ihn.

Pauls Witwe Margarete Schneider verfasste ein Buch mit zahlreichen Erläuterungen, Fotos und Dokumenten, das 1953 erstmals erschien und nun von Elsa-Ulrike Ross und Paul Dieterich neu herausgegeben wurde: (Link mit Vergütung) Paul Schneider - Der Prediger von Buchenwald

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Die Universitätskirche in Marburg ist täglich von 9 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. (2021)
Die Gedenkstätte Konzentrationslager Buchenwald ist taglich von 10 Uhr bis 18 Uhr - von November bis März nur bis 16 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. (2023)
Die Kirche San Bartolomeo all'isola in Rom ist werktags von 9.30 Uhr bis 13.30 Uhr und von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr, sonntags von 9.30 Uhr bis 13 Uhr geöffnet. (2017)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 28.10.2023

Quellen:

• Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim, 4/2006
• Evang. Gemeindeblatt für Württemberg 38/2011

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.