Rasso von Andechs
auch: Ratho, Razzo, Batho, Bartho
Gedenktag katholisch: 19. Juni
Name bedeutet: der Schnelle (althochdt.)
Rasso war der traditionellen Überlieferung nach ein Sohn des Grafen von Rathold
Dießen-Andechs;
seine Mutter war demnach vor ihrem grausamen Gemahl geflohen und brachte ihn auf freiem Feld nördlich von Untermühlhausen
zur Welt an der Stelle, an der heute ein Gedenkstein
und nahebei eine Kapelle stehen. Rasso wurde
demnach 2,50 Meter groß 1, Ritter, berühmter Feldherr und
zwischen 909 und 948 von Herzog Heinrich I. mehrfach zur Abwehr von Angriffen der Ungarn im Innviertel eingesetzt, deshalb
wird er auch als Statthalter in Österreich
bezeichnet; beim letzten Gefecht habe er das Kreuz von
Karl „dem Großen” getragen, das ein dereinst ein
Engel dem Kaiser überbracht hatte.
Tatsächlich gab es das Grafengeschlecht von Dießen-Andechs; zur Zeit von Raso noch nicht, aber die späteren Grafen von Dießen und Andechs beriefen sich auf ihn als Ahnherrn. Nach der ältesten Andechser Überlieferung stammte er aus Frankreich.
Die Tradition berichtet, dass er nach der Abwehr der Ungarn den Kriegsdienst quittierte und 951 in Wörth - dem heutigen
Grafrath - ein Kloster der
Benediktiner gründete, das aber schon 955 von den Ungarn zerstört wurde. Rasso begab
sich demnach dann auf Pilgerfahrt ins Heilige Land, brachte wertvolle Reliquien -
darunter Partikel des Kreuzes Christi und seiner Dornenkrone - mit und
legte damit den Grundstock für den berühmten Heiligen Schatz
, der im
Kloster Andechs noch heute gezeigt wird. Er
trat 952 - kinderlos geblieben - selbst als Laienbruder in sein Kloster ein.
Historisch richtig ist, dass Kaiser Karl „der Große” nach Entmachtung
von Bayernherzog Tassilo III. das Land in Verwaltungsbezirke, Komitate
, einteilte und die Verwaltung Grafen übertrug,
die von ihm bzw. seinen Nachfolgern eingesetzt wurden; Rasso war also ein comes
Graf
, der von einem Karolinger
als Amtsträger eingesetzt war - wohl im Gebiet um Wörth,
wo er das Kloster gründete und eine Kirche stiftete, die er reichlich mit Reliquien
ausattete - also im Kerngebiet der späteren Grafschaft
Andechs.
Aus Versehen sind der 17. Mai und der 19. Mai als Gedenktage ins Lexikon für Theologie und Kirche
gekommen, ebenso
wie das Todesjahr 953. In Grafrath war aber immer
schon nur der 19. Juni der Gedenktag; dies ist auch der urkundlich am frühesten in einem Nekrologium aus dem
Kloster Dießen genannte Todestag. Die Jahreszahl
954 hat eine längere Tradition: sie ist erstmals bei Albert von Dießen um 1370/80 genannt als Gründungsjahr für das Kloster in
Wörth / Grafrath. Albert nennt dieses Jahr erst Jahrhunderte später und ohne jeden Beleg; eine Klostergründung zu dieser Zeit
der Ungarneinfälle und der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955 ist aber völlig unwahrscheinlich; Historiker halten dieses
Datum schon längere Zeit für nicht mehr vertretbar. Die Entdeckung des frühmittelalterlichen Steinplattengrabs bestätigt
jedoch zusammen mit den ältesten Andechser Quellen
die Kirchenstiftung und Klostergründung durch den Grafen Ratho; sie gehört aber eher in die Karolingerzeit im 9. Jahrhundert.
Über die tatsächlichen Gründe für das Ende dieses Klosters in
Wörth und seine Verlegung nach
Dießen Anfang des 12. Jahrhunderts sind keine
Gründe bekannt. Die Zerstörung des Klosters durch die Ungarn ist jedenfalls eine Erfindung des bayerischen Chronisten Aventin
aus der Zeit um 1520, der sich das Ende des Klosters nicht anders erklären konnte; weder archäologisch, noch urkundlich
findet sich ein Beleg für diese Schuldzuweisung. Die frühesten
Andechser und Dießener Quellen sprechen von einer
Zerstörung durch Bayernherzog Arnulf I., den Bösen
um 910 , was wohl ebensowenig haltbar ist.
Bei der Verlegung des Klosters wurden auch die Graf Rasso gesammelten Reliquien aus Wörth mitgenommen und nach Andechs überführt, wo sie den Grundstock des später berühmten Andechser Heiltums bildeten.
Dennoch ist 1132 in Grafrath - dem nach Graf
Ratho
umbenannten früheren Wörth - eine Kapelle bezeugt, in der Rasso verehrt wurde. Als Grund für die Verehrung nennt
die älteste Chronik von Andechs, dass er ein
gerechter Fürst war, der auf Macht und Besitz verzichtete und als Mönch in sein Kloster eintrat. Die Chronik bezeugt auch,
dass das Grab des Grafen schon im Mittelalter das Ziel vieler Wallfahrten war, da
seine heiligen Gebeine große Wunderzeichen vollbringen Tag und Nacht ohne Unterlass an kranken Menschen, die das Grab
aufsuchen
. Wegen der Bekanntheit des Grabes erhielt der Ort Wörth bereits im Mittelalter den Namen bei St. Graf
Rath
. Dass die Kapelle die Gebeine von Rasso enthielt, wurde urkundlich erst
anlässlich ihrer Erhebung durch die Augustiner-Chorherren des
Nachfolgeklosters in Dießen im Jahr 1468
festgestellt; heute kann man dies auch aus dem inzwischen gesicherten Vorhandensein des frühmittelalterlichen Grabes im
Boden der Kirche erschließen.
Die Wallfahrt nach Grafrath hatte im Mittelalter und bis in die Neuzeit großen Zulauf. Aufzeichnungen der Wunder aus den Jahren 1444 bis 1728 sind erhalten mit 12.131 Einträgen. Nach der Erhebung der Gebeine 1468 wurden sie in einem Hochgrab über dem Bodengrab wieder beigesetzt. Beim Bau der heutigen Barockkirche in Grafrath 1688 bis 1695 wurde das Hochgrab wieder abgetragen, die Grabplatte auf den Boden gelegt und die Gebeine selbst auf den Hochaltar erhoben, wo sie in einem Glasschrein ruhen.
Bis 1778 wurden 17.500 Gebetserhörungen auf Rassos Fürsprache dokumentiert; sie werden seit 1444 aufgezeichnet. 1867
wurden die Reliquien von den Räubern der daraufhin berühmt gewordenen Rasso-Bande
entwendet, nur den Kopf ließen
sie in der Kirche zurück. Die andern Gebeine nahmen sie mit und vergruben sie, nachdem sie den Schmuck abgenommen hatten,
in einem Wald in der Nähe, wo sie später durch Zufall entdeckt und dann in
Augsburg wieder zusammengefügt wurden.
1640 verfasste der Dekan des Klosters in Dießen
Rassos legendarische Lebensgeschichte. 1678 wurde in
Grafrath ein Haus erbaut für die vom Bischof
von Augsburg eingesetzten
WeltpriesterWeltpriester - oder auch Diözesanpriester - sind in der römisch-katholischen Kirche alle Priester, die keinem Orden angehören.,
die die Grab- und Wallfahrtskirche von Rasso betreuten. Ab 1719 schickten
Augustiner-Chorherren aus Dießen dafür Ordensangehörige nach Grafrath;
diese wurden nach der Säkularisation durch Franziskaner ersetzt, denen das Land
Bayern bis heute das Haus überlässt, das den offiziellen Titel Hospiz
trägt und von den Leuten Kloster
genannt wird.
1714 spendeten die ledigen Brüder Georg und Sebastian Zihlober und der Bauer Georg Hueber im Weiler Untergammenried bei Bad Wörishofen eine Kirche, die sie nach einem Traumgesicht Rasso weihen ließen; bald entwickelte sich eine rege Wallfahrt mit Heilungswundern. In der Klosterkirche Andechs ist Rasso ein Altar geweiht.
Die Rassoverehrung bei Untermühlhausen geht wohl auf eine schwangere Frau zurück, bei der unterwegs die Wehen einsetzten, die deshalb den Heiligen Rasso anflehte und später eine Steinsäule mit einer Votivtafel aufstellen ließ, die bald zu einer Pilgerstätte wurde. Im 19. Jahrhundert erfolgte deren Umdeutung zu Rassos Geburtsort.
Kanonisation:
Obwohl Rasso offiziell nicht selig- oder heiliggesprochen wurde, kann die Erhebung seiner Gebeine auf den Hochaltar als
kirchliche Bestätigung für die Rechtmäßigkeit seiner Verehrung als Heiliger gelten.
Patron
gegen Stein- und Bruchleiden (also Unterleibsleiden), vor allem bei Kindern
1 ▲ Diese Größenangabe entstand durch die
Gleichsetzung der Grabeslänge (2,50 m) mit der Körperlänge. Aus der Grabeslänge kann man auf eine Körperlänge von ca.
2 m schließen. Die früheste Quelle nach der Ausgrabung der Gebeine schildert 1468
Gebeine eines Mannes von erstaunlich großer Gestalt
, was eine Untersuchung des Schädels inzwischen bestätigt hat.
Die damals hergestellte neue Grabplatte stellt den Ausgegrabenen mit einer Größe von 1.90 m dar.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
• Ernst Meßmer: Graf Rasso -
Heerführer Bayerns, Kirchenstifter und Klostergründer von Grafrath, Volksheiliger. Eos Verlag, St. Ottilien 2003
• Ernst Meßmer: Das
wundersame Grab von Graf Rasso - Geschichte der ungewöhnlichen Wallfahrt und Wallfahrtskirche zu St. Grafrath. Eos
Verlag, St.Ottilien 2004
• Toni Drexler: Die
Rasso-Räuber: Vom Finsterbach zum Mississippi. Verlag Via Verbis Bavarica, Taufkirchen 2007
• Ernst Meßmer: Graf Rath
und sein Hof in Wörth. Bauer-Verlag, Thalhofen 2011
• Ernst Meßmer: Grafrath und die Anfänge von Dießen und Andechs. Neue Bewertung und Auswertung der Quellen über frühe
Zusammenhänge. In: Oberbayerisches
Archiv, Band 133, S. 161-246. Verlag des Historischen Vereins von Oberbayern, München 2009
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- zuletzt aktualisiert am 17.07.2023
Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• Dr. Ernst Meßmer, E-Mails vom 15. Mai 2005, 26. April 2011 und 9. Mai 2011
• Lexikon für Theologie und Kirche, begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper, 3., völlig neu bearb. Aufl.
Bd. 8. Herder, Freiburg im Breisgau 1999
• Hans Kratzer: Bayern von unten. Süddeutsche Zeitung, 5. Dezember 2007
• Lothar Altmann: St. Rasso Gammenfeld, 5. Aufl. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2002
• http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/der-heilige-rasso-kreuzzuegler-und-pilger-1.3319457 - abgerufen am 17.07.2023
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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