Grabtuch von Turin
Messe an einigen Orten: Freitag nach dem zweiten Fastensonntag
Dieses in der Grabtuch-Kapelle
des Domes
in Turin aufbewahrte Leinentuch, das 4,36 Meter lang und 1,10 Meter breit ist, wird seit langer Zeit als das originale
Grabtuch von Jesus Christus verehrt, das im Markusevangelium (15, 46)
beschrieben ist: Joseph von Arimathaia kaufte ein Leintuch,
… wickelte ihn in das Tuch und legte ihn in ein Grab.
Die moderne Forschung über das alte Grabtuch von Turin wurde ausgelöst, nachdem 1898 der Turiner Anwalt Secondo Pia, ein geschätzter Amateurfotograf, das Grabtuch zum ersten Mal fotografieren konnte. Als er die 50 mal 60 cm große Platte aus dem Entwicklungsbad nahm, erkannte er, dass das Abbild auf dem Turiner Grabtuch eigentlich ein Negativ darstellte; er hatte nun ganz deutlich im fotografischen Negativ das Positiv vor sich. Während auf dem Original zum Beispiel die Augen weit geöffnet erscheinen, konnte man jetzt erkennen, dass sie tatsächlich geschlossen waren. So sieht man das Antlitz eines misshandelten Menschen, das einen fast übernatürlichen Frieden ausstrahlt. Wissenschaftler streiten sich um die Datierung des Tuches, die einen datieren es ins 14. Jahrhundert, andere in die Zeit Jesu.
Eine Predigt aus dem Jahr 944, als das Tuch von Edessa - dem heutigen
Sanlıurfa - nach Konstantinopel - dem heutigen
Ístanbul - überführt wurde, um es vor den
heranrückenden Arabern zu retten, erzählt seine Vorgeschichte: Jünger hätten nach dem Tod
Jesu das Tuch nach Edessa zu dessen König
Abgar V. gebracht, der an Lepra erkrankt war und daraufhin geheilt
wurde, sich zum Christenglauben bekehrte und das Tuch dann - so gefaltet, dass nur das Gesicht sichtbar war - über dem
Stadttor angebracht habe; es war damals üblich, Abbilder der Schutzgötter einer Stadt über dem Stadttor anzubringen.
Als 525 die Stadtmauer saniert wurde, wurde das Tuch wiederentdeckt, galt als das nicht von Menschenhand gemachte Bild
des Erlösers
und wurde von nun an im oströmischen Reich Vorlage für
alle Darstellungen Jesu. Die traditionelle Darstellung des Gesichtes Jesu geht daher direkt auf dieses Grabtuch zurück.
Nachdem 1204 Konstantinopel im
4. Kreuzzug erobert wurde, bezeugte der Kreuzritter Robert de Clari, er habe das
Tuch gesehen in das unser Herr eingewickelt wurde
; seine Echtheit
stehe außer Zweifel, denn es stellte sich jeden Freitag aufrecht, so dass jedermann die Gestalt des Herrn darauf sehen
konnte
. Im Jahr darauf aber sei es bei der Plünderung der Stadt verschwunden. 1356 tauchte es wieder auf, als die Witwe
des Ritters Geoffroy de Charny das Tuch in der 1343 erbauten
Stiftskirche in Lirey bei Troyes öffentlich
ausstellte - offenbar aus Geldmangel; ihr verstorbener Mann hatte 1345/1346 am Kreuzzug
von Smyrna
- dem heutigen Ízmir -
teilgenommen. 1389 beschwerte sich Peter von Areis, der Bischof von
Troyes, in einem Brief an Gegenpapst Clemens
VII., das Tuch sei ein Betrug: es sei kunstvoll bemalt und er kenne sogar den Künstler. Clemens aber erlaubte die
Ausstellung als Symbol
für das echte Grabtuch und forderte die Gläubigen auf, dieser Reliquie
die gebührende Ehre zu erweisen. 1418 kam das Tuch nach
St-Hippolyte-sur-le-Doubs bei Montbéliard. 1452
übergab Margarete de Charny das Tuch nach langem Rechtsstreit an Herzog Ludwig von
Savoyen, der für das Tuch in
Chambéry eine 1453 eröffnete Kapelle errichten
ließ.
1532 wurde das Tuch dort bei einem Brand schwer beschädigt, 1537 kam es deshalb für einige Zeit nach Nizza, wo es vom
Bellanda Turm hängend gezeigt wurde, und spätestens
1561 wieder zurück nach Chambéry, bis es 1578 - nachdem Kardinal Karl
Borromäus von Mailand aus eine
Wallfahrt zum Tuch unternommen hatte - nach Turin kam und zunächst in der
königlichen Kirche San Lorenzo aufbewahrt wurde;
1694 kam es in die dafür errichtete Königliche Kapelle des Heiligen Grabtuches
des
Domes in Turin.
Die Katholische Kirche hatte sich über Jahrhunderte bemüht, in den Besitz der außergewöhnlichen Reliquie zu kommen, aber erst 1983 schenkte der abgedankte König Umberto II. von Italien das Tuch dem Papst: Am 2. März 1983 machte Papst Johannes Paul II. auf seiner vierten Lateinamerikareise in Lissabon einen Zwischenstopp. Er traf den greisen Umberto, schloss ihn in die Arme und erhielt das Versprechen, dass ihm die Besitzrechte an der Reliquie übertragen werden. 16 Tage später starb Umberto II., der das Grabtuch testamentarisch dem Papst und seinen Nachfolgern mit der Auflage vermacht hatte, dass es in Turin verbleiben müsse. Dort wird es in der Basilika San Giovanni aufbewahrt. 1997 ist es dort fast einem Brandanschlag zum Opfer gefallen.
Im 20. Jahrhundert wurde das Grabtuch fünf Mal öffentlich gezeigt: vom 3. bis 24. Mai 1931, vom 24. September bis 15. Oktober 1933, vom 26. August bis 8. Oktober 1978, vom 18. April bis 14. Juni 1988 und vom 12. August bis 21. Oktober 2000. In den 70er- und 80er-Jahren kamen dabei jeweils mehr als 3 Millionen Menschen als Pilger. Im Jahr 2010 wurde es vom 10. April bis zum 23. Mai auf Anordnung von Papst Benedikt XVI. ausgestellt, der selbst am 2. Mai 2010 nach Turin kam. Eine Ausstellung fand 2015 statt, dabei besuchte Papst Franziskus das Grabtuc; die nächste Ausstellung ist für das Heilige Jahr 2025 geplant.
1988 wurde das Grabtuch wissenschaftlich mit der C-14 Methode untersucht, die das Alter eines Materials über den Zerfall
von Kohlenstoff bestimmt; als Ergebnis stellten die Forscher mit 95 Prozent Sicherheit
fest, der Stoff sei erst
zwischen 1260 und 1390 gewebt worden. Der Erzbischof von
Turin, Kardinal Anastasio A. Ballestrero,
erklärte kurz darauf, dass es nun erwiesen sei, dass es sich bei dem Grabtuch um eine Fälschung handle. Der
Vatikan schloss sich dieser Meinung an, das Turiner Grabtuch ist seitdem als
Ikone und nicht als Reliquie anzusehen. Aber im September 1997, kurz
vor seinem 84. Geburtstag, gab Kardinal Ballestrero seinem Sekretär ein Interview für die Zeitschrift der
Karmeliter - dem Orden gehörte auch Ballestrero an. Er behauptete nun, das Turiner
Grabtuch sei authentisch, die Radiocarbon-Tests seien nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden, die betrügerische
Datierung aus dem Jahr 1988 sei das Werk von Freimaurern. Dies geschah kurz vor der für 1998 geplanten Ausstellung des
Grabtuches.
1999 untersuchte Avinoam Danin von der Hebrew University in
Jerusalem das Tuch und fand bei seinen
mikrobiologischen Studien Pollen und Abdrücke von Pflanzen, die es ausschließlich in der Gegend um Jerusalem und auch eher
zur Zeit Jesu als im Mittelalter gegeben habe. Der amerikanische
Chemieprofessor Raymond N. Rogers kam 2004 mit einer neuartigen - und umstrittenen - Form der Vanillin-Untersuchung zum
Ergebnis, ein Alter des Gewebes von 1300 bis 3000 Jahren
feststellen zu können; die Untersuchungen mit der C-14
Methode sei an Flicken aus dem 16. Jahrhundert vorgenommen worden und deshalb falsch; Monsignore Giuseppe Ghiberti, der
Grabtuchbeauftragte der Diözese Turin, bestritt
aber, dass es damals solche Einwebungen gegeben hat.
2009 entdeckte der französische Forscher Thierry Castex auf dem Grabtuch aramäische Schriftzeichen, die auf die Zeit
Christi zurückgehen sollen. Die Historikerin Barbara Frale vom
Vatikanischen Geheimarchiv erläuterte dazu, dass schon 1978 ein Mailänder Lateinprofessor und
1989 ein Hebräisch-Forscher aus Messina solche Schriftzeichen fand. Letzterer kam zu dem Schluss, da stehe
Die Forschung müsse noch
Licht in die Frage bringen, auf welche Weise genau die Schrift auf das Grabtuch gelangt ist, so Frale. Der
König der Juden
– das wäre genau die Anklage, mit der Jesus an Pilatus
ausgeliefert wurde. Die Schrift, die Castex nun entdeckt hat, besagt wörtlich: gefunden
. Daneben steht ein anderes
Wort, das noch bestimmt werden muss; insgesamt könnte die Schrift dann aussagen: Warum gefunden
oder Wir haben
gefunden
. Das Interessante ist nun, dass dieser Satz in Verbindung gebracht werden kann mit einem Passus aus dem
Lukasevangelium. Dort heißt es: Wir haben diesen Mann gefunden, der unser Volk verführt, es davon abhält, dem Kaiser
Steuern zu zahlen, und behauptet, er sei der Messias und König
(Lukasevangelium 23, 2).Da es sich aber
um einen prozessierten und zum Tod verurteilten Mann handelt, besteht kein Zweifel daran, dass irgendeine Zuweisung auf
dem Leichnam angebracht werden musste. Der hebräischen Tradition der Zeit zufolge, war der gesamte Körper mit dem Tuch
umhüllt, war also unkenntlich – wenn nicht durch eine Aufschrift auf dem Tuch.
Der italienische Maler und Restaurator Luciano Buso behauptete im Juni 2011, das
Turiner Grabtuch habe der Künstler Giotto
(Giotto di Bondone) angefertigt. Mit der 1988 durchgeführten Radiocarbon-Datierung zwischen 1260 und 1390 würde sich diese
Hypothese vereinbaren lassen: Giotto wurde 1266 geboren und starb 1337. Ich habe extrem klare Fotos des Tuchs untersucht
und mehrmals die Zahl 15 entdeckt
, meinte Buso, im Gesicht, auf den Händen und in einem Fall sogar so, dass sie
aussieht wie ein Kreuz
Dass Giotto mit dem Tuch betrügen wollte, glaubt der Experte aber nicht: Er hat überhaupt
nicht versucht, etwas zu fälschen. Das ist klar, weil er es mit
Buso geht davon aus, dass das Grabtuch als exakte Kopie eines älteren Originals geschaffen
wurde, das mit der Zeit immer mehr beschädigt worden und schließlich verloren gegangen war; die Kirche habe einen der größten
Künstler jener Zeit mit der Anfertigung einer Kopie beauftragt, mutmaßt Buso. Der Leiter des
Museums des Grabtuches in Turin, Professor Bruno
Barberis, hält freilich nichts von Busos Theorie. Giotto 15
signiert hat, um es als sein Werk aus dem
Jahr 1315 zu kennzeichnen.Ich halte die Theorie für lächerlich
, erklärter er gegenüber der
englischen Tageszeitung Daily Mail
.
Eine umfassende Darstellung der Erforschung und Geschichte des Grabtuches gibt es bei Wikipedia.
Michael Sauer hat eine Homepage zum Turiner Grabtuch mit interessanten Informationen.
Der Kreis der Freunde des wahren Antlitzes Jesu
Christi
stellt Informationen und Bilder zum Turiner Grabtuch
auf seiner Webseite dar.
Gezeigt wird das Grabtuch nur zu besonderen
Anlässen, geplant ist die nächste Ausstellung für das Heilige Jahr 2025.
Die Königliche Kapelle des Heiligen Grabtuches
des Domes in Turin ist nur vom
Palazzo Reale aus zugänglich und täglich außer
montags von 9 Uhr bis 19 Uhr geöffnet; der Eintritt beträgt - zusammen mit Königspalast und den anderen Ausstellungen -
15 €. (2022)
Das Museums des Grabtuches in Turin ist
täglich von 15 Uhr bis 18 Uhr geöffnet; der Eintritt beträgt 8 €. (2022)
Heiligenlexikon als USB-Stick oder als DVD
Unterstützung für das Ökumenische Heiligenlexikon
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 08.05.2024
Quellen:
•
• Paul Kreiner: Ein Leichenduft besonderer Art. Stuttgarter Zeitung 12. Februar 2005
• Dirk Husemann: Portrait auf Muschelseide. zeitzeichen 2/2010
• https://www.shroud.com/pdfs/n73part2.pdf - abgerufen am 21.04.2024
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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