aus dem Lateinischen von Richard Benz
Hinweise zur Legenda Aurea
Von Sanct Hieronymus
Hieronymus kommt von ierar, das ist heilig, und nemus, Hain, und ist soviel als ein heiliger Hain; oder von noma, das ist Gesetz: darum heißt es in seiner Legende, dass Hieronymus ist verdolmetscht ein heilig Gesetz. Denn er war heilig, das heißt fest, oder rein, oder in Blut getaucht, oder heiligem Gebrauch geweiht. Fest war er in guten Werken wegen seiner Stätigkeit und Langmut; rein in seinem Sinn durch Lauterkeit; in Blut getaucht durch die andächtige Betrachtung des Leidens unsres Herrn; heiligem Gebrauch geweiht durch die Erklärung und Auslegung der heiligen Schrift. Er heißt auch Hain von dem Wald, da er einst wohnte; und Gesetz von der Ordensregel, die er seinen Mönchen gab, und von der Auslegung des heiligen Gesetzes. Hieronymus heißt auch Erschauung der Schönheit oder Richter des Wortes. Es giebt aber eine vielfache Schönheit: die erste ist geistlich und ist in der Seele; die zweite ist sittlich und ist in Ehrsamkeit der Werke; die dritte ist vernünftig, die ist bei den Engeln; die vierte ist überwesentlich, die ist bei Gott; die fünfte ist himmlisch, die ist in der Heimat der Heiligen. Diese fünffache Schönheit sah Hieronymus an sich und besaß sie: die geistliche hatte er in der Mannigfaltigkeit seiner Tugenden; die sittliche in einem ehrsamen Wandel; die Schönheit der Engel in seiner sonderlichen Lauterkeit; die überwesentliche Schönheit in seiner brennenden Liebe, die himmlische Schönheit in ewiger Herrlichkeit. Er war ein Richter der Worte und Reden bei sich und anderen: seine eigenen Worte brachte er bedächtig vor; fremde bestätigte er, falsche bekämpfte er; zweifelhafte legte er aus.
Hieronymus war der Sohn eines edlen Mannes mit Namen Eusebius, und war geboren von der Stadt Stridon, die an der Grenze von Dalmatien und Pannonien liegt. In seinen jungen Tagen fuhr er gen Rom und lernte Griechisch, Hebräisch und Latein gar vollkommen, Grammatica lehrte ihn Donatus, Rhetorica Victorinus der Redner; in den heiligen Schriften aber übte er sich Tag und Nacht und schöpfte gierig daraus, und floß darnach über von ihrer Weisheit.
Zu einer Zeit da las er des Tages Tullium und des Nachts Platonem mit großem Fleiß, als er selbst in dem Briefe an Eustochium schreibet; denn die ungezierte Sprache der prophetischen Bücher gefiel ihm mit nichten; da stieß ihn mitten in den Fasten ein starkes Fieber an, daß all sein Leib kalt ward und nur in seiner Brust noch Lebenswärme war. Und da man schon sein Begräbnis bereitete, ward er plötzlich vor den Thron des Richters entrückt und ward gefragt, welches Glaubens er wäre. Antwortete er "Ich bin ein Christ". Da sprach der Richter "Du lügst, ich weiß, dass du ein Ciceronianus bist und kein Christ; denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz". Da musste Hieronymus schweigen, und der Richter ließ ihn alsbald hart schlagen; da schrie Hieronymus auf und sprach "Herr, erbarme dich meiner". Die dabei stunden, baten den Richter, er möchte dem Jüngling verzeihen. Und er selbst hub an zu schwören und sprach "Herr, so ich je wieder weltliche Bücher lese, das soll sein als ob ich dich verleugnete". Als er diesen Schwur getan hatte, kam er wieder zu sich und fand sich ganz in Tränen gebadet, und seine Schultern waren voll blauer Flecke von den Schlägen, die er vor Gericht empfangen hatte. Von Stund an las er die heiligen Bücher mit demselben Fleiß, mit dem er zuvor die Bücher der Heiden hatte gelesen. Da er seines Alters war neununddreißig Jahre, ward er in der römischen Kirche zum Presbyter Cardinalis geweiht. Hienach starb der Papst Liberius, da ward Hieronymus gemeiniglich erwählt zu einem Papst. Da er aber die Unzucht etlicher Mönche und Cleriker strafte, wurden diese gar zornig und stellten ihm nach. Also ward er durch ein Weiberkleid von ihnen zu Schanden gebracht, als Johannes Beleth erzählt. Denn da er zu der Frühmesse aufstund nach seiner Gewohnheit, da fand er einer Frauen Rock, den hatten seine Neider neben sein Bett gelegt; den zog er an und wähnte, es wäre sein eigen Kleid, und ging also in die Kirche. Das hatten die Neider aber getan, damit das Volk glaube, er habe ein Weib des Nachts bei sich gehabt in seiner Schlafkammer. Als er des gewahr ward und solche Bosheit ansah, da ließ er den Ort und fuhr gen Constantinopel zu Gregorius von Nazianz, welcher der Bischof war dieser Stadt; von dem lernte er viel in der heiligen Schrift. Darnach fuhr er in die Wüste, da litt er viel um Christi willen, als er selber schreibet an Eustochium "Da ich in der Wüste war, in der großen Einsamkeit, welche den Mönchen eine fürchterliche Wohnung ist, von den Strahlen der Sonne ausgebrannt, da dünkte mir, ich wäre zu Rom in aller Lust und Freuden. Meine Glieder waren rauh und unförmig in dem härenen Sack, der mein Kleid war; meine Haut war unrein und schwarz gebrannt als eines Mohren Haut. Alle Zeit war ich in Tränen und Seufzen. Unterweilen überkam mich der Schlaf wider meinen Willen; so druckte das harte Erdreich wider die dürren Glieder. Von Trank und Speise will ich schweigen, da ja auch die Kranken kalt Wasser trinken, und Gekochtes zu essen große Üppigkeit wäre gewesen. Ob ich nun gleich ein Geselle war der Scorpionen und ein Genosse der wilden Tiere, so war ich im Geiste doch oft in dem Reigen schöner Jungfrauen, und in dem kalten Leib und in dem halbtoten Fleisch tobte noch das Feuer sündlicher Begier. Also weinte ich alle Zeit und zähmte das widerspenstige Fleisch durch wochenlanges Fasten. Ich weinete oft Tag und Nacht und ließ nicht eher ab, die Brust zu schlagen, bis mir von Gott Ruhe ward verliehen. So fürchtete ich auch die Wände meiner Zelle, als wüßten sie meine Gedanken; und ward mir selbst gram und feind, und zog allein fürder in die Wüste. Des ist der Herr mein Zeuge, dass ich darnach nach vielen Tränen unterweilen in dem Reigen der Engel vermeinte zu sein".
Nachdem er vier Jahre lang daselbst also in Buße hatte gelebt, da kam er wieder in die Stadt Bethlehem und lief daselbst zu der Krippe des Herrn, als ein klug Tier, daselbst zu wohnen. Da las er in seinen eigenen Büchern, die er sich mit großem Fleiß hatte gesammelt, und in anderen Büchern, oft ohne Speise bis zum Abend. Er sammelte daselbst viele Jünger um sich; und lebte fünfundfünfzig Jahre und sechs Monate in heiligem Vorsatz und in der Übersetzung der Schrift, und vollbrachte sein Leben in jungfräulicher Reinheit. Ob gleich in dieser Legende gesagt wird, dass er jungfräulich blieb, so sagt er doch selbst von sich "Ich hebe die Jungfräulichkeit in den Himmel, die ich doch selbst nicht besitze"; solches schreibt er an Pammachius. Zuletzt ward er also schwach, dass er auf seinem Bette lag und sich mit seinen Händen an einem Seile musste heben, das an der Decke war aufgehängt.
Einsmals saß Sanct Hieronymus des Abends mit den Brüdern, die heilige Schrift zu hören; da kam ein Löwe hinkend in das Kloster. Die anderen Brüder flohen, da sie ihn sahen, Hieronymus aber ging ihm entgegen als einem Gast. Der Löwe wies ihm den wunden Fuß, da rief Hieronymus den Brüdern und gebot ihnen, den Fuß zu waschen und mit Fleiß nach der Wunde zu suchen. Das taten sie und fanden, daß ihn ein Dorn hatte gestochen. Sie pflegten ihn mit Fleiß, und der Löwe ward so zahm und heimlich, dass er mit ihnen lebte gleich einem Haustier. Da verstund Hieronymus, dass der Herr den Löwen nicht allein zu seines Fußes Heilung, sondern zum Nutzen des Klosters hatte gesandt, und trug ihm nach dem Rate der Brüder das Amt auf, daß er den Esel sollte auf die Weide führen und daselbst bewachen, der den München das Holz aus dem Walde trug. Das geschah, und ward dem Löwen die Hut um den Esel vertraut; also ging er wie ein fleißiger Hirt täglich mit dem Esel auf die Weide und hielt ihn in guter Hut. Und damit er selbst an sein Futter käme und der Esel an seine Arbeit, führte er ihn zu rechten Zeiten wieder heim. Es geschah einst, da der Esel weidete, dass der Löwe schwerlich entschlafen war; da kamen Kaufleute mit Kamelen des Weges, die sahen den Esel einsam stehn und raubten ihn eilends. Als der Löwe erwachte und seinen Gesellen nicht fand, da lief er brüllend hin und her; doch mochte er ihn nirgends finden. Da kam er traurig zu der Tür des Klosters: aber er wagte vor Scham nicht hereinzukommen als er gewohnt war. Als das die Brüder sahen, dass er später kam denn sonst, und ohne Esel war gekommen, da wähnten sie, er hätte vor Hunger den Esel gefressen, darum wollten sie ihm nicht sein gewohntes Futter geben und sprachen "Geh hin und friß, was dir vom Esel noch übrig ist blieben, dass deine Gier ersättiget werde". Dennoch zweifelten sie, ob er das Übel hätte getan; und gingen hinaus auf die Weide und suchten, ob sie ein Zeichen des Mordes fänden. Aber sie fanden nichts und kamen wieder und meldeten das Sanct Hieronymo. Der riet ihnen, dass sie dem Löwen das Amt des Esels auflegten; also taten sie ihm das Holz, das sie schlugen, auf seinen Rücken. Das trug der Löwe geduldiglich. Eines Tages, da er sein Werk hatte vollbracht, lief er hinaus aufs Feld und lief hin und her, ob er sähe, was aus seinem Gesellen wäre geworden. Siehe, da sah er von fern Kaufleute kommen mit beladenen Kamelen, und vor ihnen her lief ein Esel; denn es ist Sitte in jenem Lande, wann man mit Kamelen weithin reiset, dass man man den Kamelen einen Esel läßt vorauslaufen mit einem Strick um seinen Hals, dass sie besser den Weg mögen einhalten. Der Löwe erkannte, dass es sein Esel war, und lief mit großem Gebrüll wider die Kaufleute, dass sie allesamt flohen. Und brüllte und schlug die Erde greulich mit dem Schweif und trieb die Kamele, die gar erschrocken waren, mit aller ihrer Last vor sich her bis zu dem Kloster. Als das die Brüder sahen, meldeten sie es Sanct Hieronymo; der sprach "Lieben Brüder; gehet und wascht unsern Gästen die Füße, bereitet ihnen zu essen und erwartet über alle diese Dinge den Willen des Herrn". Da lief der Löwe wieder fröhlich durch das Kloster als er früher hatte getan, und streckete sich vor jeglichem Bruder nieder und wedelte mit seinem Schweif, als ob er um Gnade bäte für eine Missetat, der er doch nicht schuldig war. Hieronymus aber wußte im Geist wol, was geschehen werde, und sprach zu den Brüdern "Gehet und bereitet den Gästen, die da kommen werden, was notdürftig ist". Da er noch sprach, kam ein Bote, der meldete, es seien Gäste vor der Tür, die möchten den Abt sehen. Er ging zu ihnen hinaus, da fielen sie ihm zu Füßen und baten ihn um Gnade für ihre Missetat. Er hub sie freundlich auf und sprach, sie sollten das Ihre wieder nehmen, aber hinfort kein fremdes Gut rauben. Sie baten ihn, dass er ihnen seinen Segen gebe; und möchte das Oel halb nehmen. Das wollte er nicht tun, doch gab er zuletzt ihren Bitten nach und hieß es annehmen. Sie gelobten auch, dass sie dasselbe Maß Öles alle Jahre den Brüdern wollten bringen, und dass auch ihre Erben das allezeit sollten tun.
Es schreibt Johannes Beleth, dass der Kaiser Theodosius den Papst Damasus bat, dass er einen gelehrten Mann das kirchliche Amt ordnen hieße; denn vor der Zeit sang in der Kirche ein jeglicher, was er wollte. Nun wußte der Papst, dass Sanct Hieronymus in der lateinischen, griechischen und hebräischen Sprache wohl gelehrt und in aller Weisheit vollkommen sei; darum übertrug er ihm das Amt. Hieronymus aber teilte den Psalter nach den Festtagen und ordnete jeglichem Festtage seine eigne Nocturn zu; und setzte fest, dass am Ende eines jeglichen Psalmes das Gloria Patri würde gesprochen. Das schreibt Sigebertus. Darnach ordnete er die Episteln und die Evangelien alle, wie sie nach dem Lauf des Jahres waren zu lesen, und alles andere, was zum Amt gehört, ohn den Gesang. Das sandte er von Bethlehem dem Papst, der bestätigte es mitsamt seinen Cardinälen und gebot, dass man es ewiglich sollte halten.
Hienach bauete sich Sanct Hieronymus ein Grab in dem Eingang der Höhle, da der Herr in der Krippe hatte gelegen. Daselbst ward er begraben, nachdem er neunzig Jahr und sechs Monate hatte vollendet.
Wie große Ehre ihm Sanct Augustinus erbot, das erscheinet aus den Briefen, die er ihm hat geschrieben. In ihrer einem schreibt er ihm also "Seinem allerliebsten und in wahren Treuen gar verehrten und mit Herzen umarmten Herrn Hieronymo Augustinus". Ein andermal schreibet er von ihm "Sanct Hieronymus der Presbyter war in griechischer, lateinischer und hebräischer Weisheit erzogen; er lebte an heiligen Stätten, in den heiligen Schriften bis an seinen Tod; die Edelkeit seiner Kunst leuchtete von Aufgang bis Niedergang, gleich also die Sonne". Von ihm spricht Sanct Prosper in seinen Chroniken "Hieronymus der Presbyter lebte zu Bethlehem, aller Welt berühmt, und diente mit seinem großen Geist und Fleiß der ganzen Kirche". Er selbst aber schreibt über sich an Abigaum "Nichts habe ich von Kindheit mehr zu meiden gestrebt, als einen aufgeblasenen Geist und ein zu hoch getragen Haupt, das Gottes Zorn wider sich ziehet". Und schreibt auch "Ich fürchte auch alle Dinge, die zu sicher sind. Im Kloster erstreben wir Gastfreundschaft aus innerstem Herzen und nehmen alle mit fröhlicher Stirn auf, die zu uns kommen, außer den Ketzern, und waschen den Gästen die Füße". Isidorus spricht von ihm in dem Buche Etymologiarum "Hieronymus verstund drei Sprachen; seine Auslegung wird höher geschätzt denn andere, weil er karger ist in seinen Worten und deutlicher in seinem Sinn und sonderlich wahr durch Christenglauben". In dem Dialogus des Severus, des Jüngers Sanct Martini, welcher zu der Zeit des Heiligen hat gelebt, finden wir über Sanct Hieronymus dieses geschrieben "Ohn das Verdienst des Glaubens und der Gnade der Tugenden ist in Sanct Hieronymo nicht allein Kenntnis des Lateinischen und Griechischen, sondern auch des Hebräischen, dass sich ihm in all dieser Wissenschaft niemand vergleichen mag. Er hat einen ewigen Krieg und Streit wider die Bösen: die Ketzer hassen ihn, weil er nicht aufhört wider sie zu streiten; es hassen ihn die Cleriker, weil er ihren bösen Wandel verfolgt und ihre Missetat; aber alle guten Menschen bewundern und lieben ihn. Die ihn einen Ketzer heißen, die sind gar von Sinnen; alles sein Leben verzehrt er im Lesen und an den Büchern, er ruhet weder Tag noch Nacht, sondern er schreibt oder liest allezeit". Dieses schreibt Severus. Als wir aus diesen Worten sehen und er auch selbst bezeugt hat, musste er viele Verfolgung und Schmähung leiden: das trug er alles mit Freuden. Davon spricht er in einem Briefe an Asella "Ich sage Gott Dank, dass ich gewürdiget bin, dass die Welt mich hasset und mich einen Zauberer schmähet: denn ich weiß, daß ich durch bösen und guten Leumund eingehen werde in das Reich". "O dass doch um den Namen meines Herrn und um der Gerechtigkeit willen alle Schar der Ungläubigen mich möchte verfolgen! dass alle Welt mich möchte schmähen! So ich dann nur gewürdiget bin, Lob zu empfangen von Christo, und den Lohn seiner Verheißung. Also ist auch alle Versuchung gar willkommen, denn wir verhoffen Lohn dafür von Christo im Himmel. Kein Fluch ist schwer, der in Gottes Lob mag verwandelt werden". Er starb um das Jahr 398.