Ælred von Rieval:
Über die geistliche Freundschaft
Ælred strebt Freundschaft an von Johannesevangelium 15, 13 -
15 ausgehend: Jesus sagt hier zu seinen Jüngern: Niemand hat größere
Liebe denn die, dass er sein Leben läßt für seine
Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich
sage hinfort nicht mehr, dass ihr Knechte seid, denn ein Knecht weiß
nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde
seid: denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch
kundgetan.
In drei Teilen beschreibt Ælred das Wesen der Freundschaft:
1. Ursprung und Urgrund der Freundschaft
Mein Freund muss eine gegenseitige Liebe, ja mein und sein Herz beschützen, alle Geheimnisse getreulich schweigend behüten, alle Fehler, die ihm nicht verborgen bleiben, ertragen und nach Kräften bessern … und fühlen als seine Sache, was des Freundes ist.
Er unterscheidet zwei andere Beziehungen, die man auch Freundschaft
nennt:
Die fleischliche Freundschaft: Sie erwächst aus dem Gefühlsleben.
Sie kennt kein Maß, keinen Anstand … Sie verbraucht sich schnell,
ebenso leichtfertig wie geschlossen läßt sie sich lösen.
Die weltlich gesinnte Freundschaft: Kind der Gier nach den vergänglichen
Gütern dieser Welt, ist immer voller Trug und Tücke, nie aber
zuverlässig, nie beständig, nie ausgeglichen. Sie kommt und geht
mit dem Glück, fragt stets nach dem Geldbeutel.
Gefragt. ob es einen Unterschied gibt zwischen Freundschaft und Liebe,
meint er: Doch! und zwar einen gewaltigen. Nach Gottes Willen sind mehr
Menschen in den Schoß der Liebe als in die Arme der Freundschaft
aufzunehmen. Das Gesetz der Liebe treibt uns, nicht nur die Freunde, vielmehr
auch die Feinde ans Herz zu ziehen, Freunde jedoch nennen wir nur solche,
denen wir getrost unser Herz und alles, was in ihm ist, anvertrauen.
2. Segen und Schönheit der Freundschaft
Für Ælred ist ein Freund jemand, dem du ohne Furcht bekennst,
was du gefehlt hast; ohne Erröten dein Innerstes offenlegst, wenn
du meinst, dass dir Fortschritte gelungen sind; ihm alle Herzensgeheimnisse
anvertraust und alle Pläne sorglos aufdecken kannst, … ohne Überhebung,
ohne Argwohn befürchten zu müssen. Dann tut Zurechtweisung nicht
weh, das Lob ist echt und niemals Schmeichelei.
Auf die Frage, ob es nicht
besser sei, statt sich in einer zu engen Freundschaft mit den Sorgen und
Nöten anderer zu belasten, das Freundschaftsband so locker zu halten,
daß man es beliebig straffen und lockern kann
, meint Ælred,
man könne keine Tugend mühelos erwerben und bewahren. Welch
ein Tor war also Paulus. der nicht leben möchte, ohne für andere
zu sorgen und zu arbeiten. Er brauchte nur die Liebe sein zu lassen und
hätte nicht so viele Sorgen und Schmerzen ertragen müssen.
An
anderer Stelle zitiert er Hieronymus, der sagt: Freundschaft. die aufhört,
war niemals echt!
Ælred grenzt Freundschaft scharf ab zu anderen Beziehungen, so
z. B. zur Jugendfreundschaft, die aus verschwommenen. sinnlichen Gefühlen
entstehe. Sie wirft sich jedem an den Hals. … Sie überkommt die
Jugend mit Sturm und Drang und nimmt sie ganz in Beschlag. … Aber Zuneigung
ohne Überlegung ist … unkeusch.
Oder die Freundschaft der Verbrecher:
Gemeinsame, gemeine Gesinnung hat sie gezeugt
.
Zur Freundschaft durch Aussicht auf Gewinn sagt er; Wer einen anderen
Lohn verlangt als es die Freundschaft selber ist, hat noch nicht begriffen,
was eigentlich die Freundschaft ist.
Seine Aussagen gipfeln in diesem Teil darin, dass er sagt: Die
volle Frucht fällt nur denen in den Schoß, die ihre Freundschaft
ganz auf Gott übertragen haben, in dessen Anblick versunken sie miteinander
eins geworden sind.
Nicht die gute Tat bewirkt Freundschaft; der Freundschaft
entströmen die Werke ihrer Liebe wie bei David und Jonatan. Das eindeutige
Ziel der Freundschaft ist nach Ælred: Jesus sagt: ,Eine größere
Liebe hat niemand, als wer sein Leben läßt für seine Freunde'.
Das ist der Gipfel, auf den die Freundesliebe sich hinaufschwingen muss!
… Nichts darf man dem Freund versagen, alles und jedes muss man
ihm zuliebe auf sich nehmen; es wird ja geringer sein als das kostbare
Leben des Leibes, was aber ich für den Freund hingeben darf, wie die
göttliche Autorität bestätigt
Aber: Wir müssen alles
dem Freund abschlagen. was die Seele tötet, das ist die Sünde
3. Pflege der Freundschaft
Wie kann Freundschaft bis zum Lebensende geführt und aufrecht erhalten
werden? Quelle und Urgrund der Freundschaft ist die Liebe; Liebe ohne
Freundschaft kann es geben. Freundschaft ohne Liebe niemals.
Dann betont
er: Unser Fundament der Freundschaft ist die Liebe Gottes.
Er meint:
Wer dazu geeignet ist, ist zuerst zu suchen, dann zu erproben, und schließlich
und endlich darfst du ihn zulassen. Hast du den Freund einmal zugelassen.
mußt du ihn ertragen. Alles kommt darauf an, den dir zu wählen,
der dir gleichgesinnt und gleich tüchtig ist.
Er zitiert dann noch
Ambrosius: Zwischen ungleichen Charakteren kann es keine Freundschaft
geben; dazu braucht es gegenseitige Gefälligkeit!
Für Ælred führen 4 Stufen zur vollkommenen Freundschaft:
1. Auswahl: Nicht geeignet sind: Aufbrausende, Wankelmütige, Unzuverlässige, Argwöhnische, Mißtrauische, Schwätzer. Zur Freundschaft gehören für ihn vor allem vier Eigenschaften: Liebe, Anhänglichkeit, Verlaß und Vertrautheit.
2. Erprobung: Hierbei sind vier Eigenschaften zu erproben: Treue, damit
du ohne Bangen dich und deine Pläne ihm anvertrauen kannst.
Absicht:
In der Freundschaft suche er nichts als Gott und das natürlich Gute
in dir.
Takt, so dass er weiß, was dem Freunde gebührt,
um was man ihn bitten soll, wann man ihm Mitleid zeigen, wann man ihm Glück
wünschen, ob, wann, wie und wo man ihn auf seine Fehler aufmerksam
machen darf.
Geduld: nicht wehleidig, wenn er korrigiert wird, aber auch
nicht taub oder böse, nicht faul, auch Widerwärtiges für
den Freund auszuhalten.
3. Die Annahme des Freundes; beim Wachsen der Freundschaft
4. Gänzliche Übereinstimmung in allen göttlichen und
menschlichen Dingen, gepaart mit inniger Liebe und aufrichtigem Wohlwollen.
Ambrosius wird nochmals zitiert: Freundschaft ist keine Handelsware. sondern
sittliche Schönheit und Fülle der Gnaden. Eine Tugend ist sie,
kein Geschäft. Sie wird mit Liebe erworben, nicht mit Geld. Nicht
auf der Versteigerung von Pretiosen, sondern beim Wettbewerb gegenseitigen
Wohlwollens.
Einige Tips zur Pflege der Freundschaft machen die Aussagen Ælreds
sehr praktisch: ,Das Gift für die Freundschaft ist der Argwohn. Über
den Freund soll man nie Schlechtes denken. nie Schlechtes glauben, nie
solchem Gerede zustimmen.
Zum Thema Geschenke und wie man damit eine Freundschaft pflegen kann.
zitiert er: Es gilt als der Freundschaft heiliges Gesetz, dass man
den Freund um alles, was recht ist, bitten darf, dass man ihm aber
auch gleicherweise alles gewähren muss. Niemals lasse man sich
bitten, und der stete Eifer kenne kein Zögern. Vom Geld sagt bündig
die hl. Schrift: ,Verliere lieber Geld als deinen Freund!' (Jesus Sirach
29, 13) … Wer gibt, der gebe freudig: wer nimm, nehme es wie selbstverständlich
hin!
Zur Frage, wie man sich verhalten soll, wenn ein Freund einen Fehler
macht, rät Ælred zu leiser, evtl. auch lauter Ermahnung, aber
nie in Zorn oder bitteren Worten. Der gute Freund soll mitempfinden und
mitleiden. Es mahnen … Tränen mehr als Worte. Der andere sieht
und fühlt, dass es die Liebe ist, die zurechtweist und nicht
Verärgerung. … Du indessen: bete!
Auch die Gefahr der Vetternwirtschaft
,
der Bevorzugung eines Freundes vor anderen, wird angesprochen. Ælred
weist darauf hin, vernünftig zu handeln, nicht nach Neigung. Achte
nicht darauf, was du ihm geben kannst, sondern überlege, ob er es
vertragen kann! … Sehr ist aber darauf zu achten, dass nicht eine
zu große Anhänglichkeit einen möglichen größeren
Nutzen verhindert
z. B. einen Freund zugunsten eines Amtes loslassen.
Geordnete Freundschaft verlangt, dass die Vernunft das Herz regiert,
diese fragt aber nicht so sehr nach dem Glück des Freundes als nach
dem Nutzen, den viele sich erwarten dürfen.
Wer sich nun fragt, ob er dann überhaupt freundschaftsfähig
ist, den tröstet vielleicht die Überlegung, dass das Ziel
die Richtung des einzuschlagenden Weges bestimmt, hierzu meint Ælred:
Auch der Versuch, Großes zu erreichen, ist eine große Tat.
So werden wohl nicht alle Freundschaften die vierte Stufe einer gänzlichen
Übereinstimmung
erreichen, aber dem Sirach-Wort entsprechen: Denn
wer Gott fürchtet, der wird auch gute Freundschaft halten.
(Jesus
Sirach 6, 7) Abt Ælred von Rieval, begann seine Ausführungen
zur Freundschaft so: Hier sind wir beide, ich und du, und ich hoffe, als
dritter ist Christus bei uns
.
Zitate aus: Ælred von Rieval: Über die
geistliche Freundschaft. Spee-Verlag. Trier 1978 - vergriffen.
Abgedruckt in Lebendige Gemeinde
1/1999
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korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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