Johannes Calvin:
Institutio, Buch I,
Kapitel 17, 1 - 8 und 10 - 11
In welcher Richtung und unter welchem Gesichtspunkt diese Lehre anzuwenden sei, damit man ihres Segens gewiß werde.
Der Sinn der Wege Gottes
Aber der Menschengeist ist zu leeren Spitzfindigkeiten geneigt, und deshalb müssen notwendig alle, die den guten, rechten Gebrauch dieser Lehre nicht erfassen, sich in verwirrte Knoten verstricken. Deshalb ist es gut, hier noch kurz zu berühren, zu welchem Zweck denn die Schrift lehrt, es werde alles von Gott angeordnet.
Zunächst ist da zu beachten, daß die Vorsehung Gottes auf
die Zukunft wie auch auf die Vergangenheit bezogen werden muß. Ferner
müssen wir bemerken, daß sie alle Dinge derart lenkt, daß
sie bald unter Einschaltung von Mittelursachen, bald ohne solche, bald
gegen alle Mittelursachen wirkt. Und endlich ist als Hauptgesichtspunkt
anzusehen, daß Gott zeigen will, wie er für das ganze Menschengeschlecht
sorgt, wie er aber besonders über der Regierung der Kirche wacht,
die er seines näheren Anschauens würdigt. Zuzufügen ist
noch das: Gewiß leuchtet aus dem ganzen Gange der Vorsehung entweder
seine väterliche Huld und Wohltätigkeit oder auch der Ernst seines
Gerichts oftmals deutlich auf; aber es sind dennoch die Gründe des
Geschehens oft unbekannt, so daß die Meinung aufkommt, das menschliche
Geschick würde durch den blinden Trieb der Natur gedreht und gewendet,
oder daß das Fleisch uns zur Einrede reizt, als ob Gott die Menschen
wie Bälle daherwürfe und mit ihnen sein Spiel triebe. Aber es
ist doch auch wahr: wenn wir mit ruhigem und gelassenem Herzen zum Lernen
bereit wären, so würde uns aus dem Ausgang schon klar werden,
wie Gott mit seinem Ratschluß stets den besten Weg einschlägt,
um die Seinen zur Geduld zu erziehen, oder um ihre bösen Neigungen
zu bessern und ihre Geilheit zu zähmen, oder um sie zur Selbstverleugnung
zu bringen, oder um sie aus dem Schlaf zu erwecken, andererseits aber auch,
um die Übermütigen zu Boden zu werfen, die Tücke der Gottlosen
zunichte zu machen und ihre Ränke zu zerstreuen. Und mögen uns
auch trotzdem seine Gründe verborgen und fern sein, so dürfen
wir sicher glauben, daß sie bei ihm verborgen sind, und deshalb mit
David ausrufen: Herr, mein Gott, groß sind deine Wunder, und deine
Gedanken, die du an uns beweisest, sind nicht zu begreifen, wenn ich versuche,
sie auszureden, so übersteigen sie alles Erzählen
(Ps. 40, 6).
Denn obgleich wir in Trübsalen immer unserer Sünden gedenken
müssen, und obwohl die Strafe selbst uns zur Buße reizt, so
sehen wir doch, wie Christus dem geheimen Ratschluß des Vaters ein
noch größeres Recht zuschreibt als bloß, daß er
jeden nach seinem Verdienst strafe. Denn er sagt von dem Blindgeborenen:
Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit Gottes
Herrlichkeit an ihm offenbar werde!
(Joh. 9, 3). Da war das Unglück
doch schon vor dem Tage der Geburt da, und das Gefühl sträubt
sich, als ob Gott ohne Gnade Unschuldige so hart behandle. Aber Christus
bezeugt, daß in diesem Ereignis die Herrlichkeit seines Vaters hervorleuchte,
wenn wir nur klare Augen dazu hätten! Wir müssen eben an der
Bescheidenheit festhalten, die Gott nicht zur Rechenschaft zieht;
wir sollen vielmehr seine verborgenen Ratschlüsse ehren, damit uns
sein Wille der gerechteste Grund aller Dinge sei! Wenn dichte Wolken den
Himmel bedecken und heftiger Sturm ausbricht, so sehen unsere Augen nur
traurige Finsternis, unsere Ohren betäubt der Donner, und all unsere
Sinne erstarren vor Schrecken; deshalb scheint uns alles zusammenzubrechen
und durcheinanderzugeraten - aber unterdessen bleibt im Himmel stets die
gleiche Ruhe und Heiterkeit! So sollen wir auch festhalten: wenn uns in
der Welt das Durcheinander alles Urteilen unmöglich machen will, so
leitet doch Gott mit dem reinen Lichte seiner Gerechtigkeit und Weisheit
selbst alle diese Bewegungen in bestimmter Ordnung und führt sie zum
rechten Ziel. Es ist wahrlich eine merkwürdige Sucht, wenn manche
Leute mit so großer Selbstsicherheit Gottes Werke vor ihr Gericht
fordern, seine geheimen Ratschläge nachrechnen und über unbekannte
Dinge jählings ein Urteil abgeben, mehr, als sie es bei Taten von
sterblichen Menschen tun würden! Denn was ist verkehrter, als unsersgleichen
gegenüber lieber in Bescheidenheit mit unserem Urteil zurückzuhalten,
als uns den Vorwurf der Übereilung zuzuziehen, dagegen über Gottes
verborgene Gerichte, die wir in Ehrfurcht betrachten sollten, frech abzuurteilen?
Gottes Walten will mit Ehrfurcht betrachtet sein!
Es wird also niemand Gottes Vorsehung recht und mit Nutzen erwägen,
der nicht bedenkt, daß er es mit seinem Schöpfer und dem Wirker
der Welt zu tun hat, und sich ihm dementsprechend zu Furcht und Ehrerbietung
in gebührender Demut unterwirft. Daß heutzutage so viele Hunde
diese Lehre mit giftigen Bissen oder wenigstens mit ihrem Gebell angreifen,
das kommt daher, daß sie Gott nicht mehr zugestehen wollen, als ihnen
die eigene Vernunft gebietet. Auch uns bekämpfen sie mit aller ihnen
zu Gebote stehenden Frechheit, weil wir mit den Vorschriften des Gesetzes
nicht zufrieden wären, in denen doch Gottes Wille niedergelegt ist,
sondern auch noch behaupteten, die Welt werde durch seine verborgenen Ratschlüsse
regiert. Als ob diese Lehre ein Gebild unseres Hirn wäre, als ob der
Heilige Geist das alles nicht deutlich überall zu erkennen gäbe
und es mit unzähligen Umschreibungen immer wiederholte! Aber sie haben
eine gewisse Scheu, ihre Lästerungen gegen den Himmel auszustoßen,
und deshalb geben sie, um desto freier rasen zu können, vor, es handle
sich um einen Streit mit uns! Aber wenn sie nicht zugeben, daß alles
Geschehen in der Welt durch Gottes unbegreiflichen Ratschluß gelenkt
werde, dann sollen sie doch Auskunft geben, weshalb denn die Schrift sagt,
Gottes Gerichte seien ein tiefer Abgrund! (Ps. 36, 7). Denn wenn Mose ausruft,
der Wille Gottes sei nicht fern oben in den Wolken, er sei auch nicht im
Abgrund zu suchen, weil er ja im Gesetz verständlich dargelegt sei
(Deut. 30, 11ff.), so folgt daraus: ein anderer, verborgener Wille wird
mit dem Abgrunde verglichen! Davon redet ja auch Paulus, wenn er sagt:
O, welch ein Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis
Gottes; wie unerforschlich sind seine Gerichte und wie unbegreiflich seine
Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?
(Röm. 11, 33f). Es ist wahr: Gesetz und Evangelium enthalten Geheimnisse,
die weit über unser Verstehen hinausgehen. Aber Gott erleuchtet das
Herz der Seinen mit dem Geiste der Erkenntnis, um diese Geheimnisse zu
fassen, die er in seinem Worte zu offenbaren für gut befunden hat;
und darum ist hier kein Abgrund mehr, sondern ein Weg, auf dem man sicher
gehen kann, und eine Leuchte für unseren Fuß, das Licht des
Lebens, die Schule gewisser und deutlicher Wahrheit! Die wundersame Art
der Weltregierung dagegen heißt mit Recht Abgrund; denn wir sollen
sie in ihrer Verborgenheit ehrerbietig anbeten. Beides drückt Mose
sehr schön mit wenigen Worten aus: Das Geheimnis steht bei unserem
Gott; aber was hier geschrieben ist, das geht euch und eure Kinder an
(Deut. 29, 29). Da befiehlt er, wie wir sehen, nicht nur, auf die Beobachtung
des Gesetzes eifrig zu halten, sondern auch Gottes geheime Vorsehung in
Ehrfurcht zu betrachten. Ein Lobpreis dieser Erhabenheit steht auch im
Buche Hiob - und es ist demütigend für uns, was wir da hören!
Nachdem der Verfasser das Weltgebäude droben und hienieden betrachtet
und dabei großartig von den Werken Gottes geredet hat, fügt
er am Ende hinzu: Wahrlich, das ist der Umkreis seiner Wege, und wie gar
wenig haben wir davon vernommen!
(Hiob 26, 14). In diesem Sinne macht
er an anderer Stelle auch einen Unterschied zwischen der Weisheit, die
bei Gott wohnt, und der Art des Weiseseins, die er den Menschen geboten
hat. Denn nach einer Rede über die Geheimnisse der Natur sagt er,
die Weisheit sei Gott allein bekannt, und sie entgehe den Augen aller Lebendigen
(Hiob 28, 21. 23). Aber dann fügt er doch gleich hinzu, sie sei kundgetan,
damit der Mensch sie erforsche; denn dem Menschen sei ja gesagt: Siehe,
die Furcht des Herrn, das ist Weisheit
(Hiob 28, 28). In dieser Richtung
geht auch der Ausspruch Augustins: Weil wir nicht alles wissen, was Gott
in bester Ordnung an uns tut, so handeln wir bloß in gutem Willen
nach dem Gesetz, und in allem übrigen werden wir nach dem Gesetz getrieben
- denn seine Vorsehung ist ein unabänderliches Gesetz!
Da Gott
sich das Recht der Weltregierung, das uns nicht bekannt ist, selbst vorbehalten
hat, so muß dies das Gesetz unserer Demut und Bescheidenheit sein,
an seiner höchsten Befehlsgewalt zu hängen, damit sein Wille
für uns die einzige Richtschnur der Gerechtigkeit und die gerechteste
Ursache aller Dinge sei! Das ist aber nicht jener absolute Wille
, von
dem die Sophisten schwatzen, die in gottloser und unheiliger Zerspaltung
seine Gerechtigkeit von seiner Macht trennen; sondern es ist die Vorsehung,
die alle Dinge regiert, von welcher lauter Gutes kommt, so verborgen uns
ihre Gründe auch sein mögen!
Gottes Vorsehung nimmt uns die Verantwortung nicht ab
Wem solche Bescheidenheit zuteil geworden ist, der wird weder um der
Widerwärtigkeiten vergangener Zeiten willen gegen Gott murren, noch
auch die Schuld für die Übeltaten auf ihn schieben, wie es Agamemnon
bei Homer tut: Ich bin dessen nicht schuld, sondern Zeus und das Schicksal!
Er wird sich auch nicht wie jener Jüngling bei Plautus, wie vom Schicksal
dahingerissen, verzweifelt ins Verderben stürzen: Unbeständig
ist das Los der Dinge, nach Willkür handelt das Schicksal am Menschen;
ich will mich zum Felsen begeben, um mit meinem Leben der Sache ein Ende
zu machen!
Auch wird er nicht nach dem Beispiel eines anderen mit dem
Namen Gottes seine Untaten beschönigen. So spricht es Lyconides in
einer anderen Komödie (des Plautus) aus: Gott war der Anstifter,
ich glaube, die Götter haben es so gewollt; denn ich weiß: hätten
sie es nicht gewollt, so wäre es nicht geschehen!
Nein, er wird aus
der Schrift forschen und lernen, was Gott gefällt, um unter Führung
des Geistes danach sich auszustrecken; er wird zugleich bereit sein, Gott
zu folgen, wohin er ihn ruft, und damit zeigen, daß nichts heilsamer
ist, als diese Lehre zu kennen.
Gottlose Leute machen mit ihren Albernheiten einen Aufruhr, so daß
sie sozusagen beinahe Himmel und Erde durcheinanderwerfen: Wenn der Herr
doch den Zeitpunkt unseres Todes bestimmt hat, so kann man ihm nicht entgehen,
und alle Vorsichtsmaßnahmen sind vergebliche Mühe!
Wenn also
der eine einen Weg meidet, den er als gefährlich kennt, um nicht von
Räubern umgebracht zu werden, - wenn der andere den Arzt holt und
sich um Arzneien bemüht, um sein Leben zu erhalten, - oder wenn wieder
ein anderer sich schwererer Speisen enthält, um seine schwache Gesundheit
zu schonen, - oder wenn einer Bedenken trägt, ein baufälliges
Haus zu beziehen, - oder wenn wir alle miteinander Wege ersinnen und mit
großer Anstrengung überlegen, um zu bekommen, was wir begehren
- dann sind das (nach ihrer Meinung) lauter sinnlose Mittel, mit denen
man Gottes Willen zu ändern begehrt; oder aber Leben und Tod, Gesundheit
und Krankheit, Frieden und Krieg und alles andere, das Menschen erstreben
oder hassen und deshalb mit großem Fleiß zu erlangen oder fernzuhalten
streben, wird gar nicht von seinem gewissen Entscheid bestimmt! Ja, man
hält dann auch die Gebete der Gläubigen für verkehrt, ja
für überflüssig - da man ja in ihnen um Gottes Leitung in
solchen Dingen bittet, die Gott doch seit aller Ewigkeit festgelegt hat!
Kurz, alle Vorkehrungen für die Zukunft hebt man auf, als im Widerspruch
zu Gottes Vorsehung stehend - da diese auch ohne Rücksicht auf sie
schon beschlossen habe, was geschehen soll. Und was wirklich geschieht,
das schreibt man der Vorsehung Gottes derart zu, daß man dabei den
Menschen entschuldigt, der es doch gewiß mit Überlegung angerichtet
hat. Da bringt ein Meuchelmörder einen rechtschaffenen Bürger
ums Leben - er hat, so sagt man, Gottes Rat ausgeführt! Da hat jemand
gestohlen oder die Ehe gebrochen - er ist ein Knecht der Vorsehung Gottes,
denn er hat getan, was von dem Herrn vorgesehen und bestimmt war! Da läßt
ein leichtsinniger Sohn seinen Vater sterben, ohne sich um Heilmittel zu
bemühen - er konnte ja Gott nicht widerstehen, der es von Ewigkeit
her so beschlossen hatte! Auf diese Weise heißen dann alle Untaten
Tugenden, weil sie ja der Anordnung Gottes dienen!
Gottes Vorsehung überhebt uns nicht der eigenen Vorsicht
Was das Zukünftige angeht, so bringt Salomo die Überlegungen
der Menschen mit Gottes Vorsehung leicht zusammen. Er verspottet zwar die
Torheit solcher Leute, die unüberlegt ohne den Herrn alles Mögliche
angreifen, als ob sie nicht von seiner Hand regiert würden. Aber ebenso
sagt er an anderer Stelle: Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg;
und der Herr allein gibt, daß er fortgehe
(Spr. 16, 9). Damit zeigt
er, daß uns Gottes ewige Bestimmung in keiner Weise hindert, unter
seinem Willen für uns zu sorgen und alle unsere Dinge zu beschicken.
Dafür gibt es auch einen leicht erkennbaren Grund. Denn der, der unserem
Leben seine Grenzen gesetzt hat, der hat zugleich uns die Sorge darum anvertraut,
hat uns Verstand und Mittel gegeben, es zu erhalten, uns mit den Gefahren
bekannt gemacht, die es bedrohen, und uns Vorsicht und Schutzmittel
an die Hand gegeben, damit uns jene Gefahren nicht unversehens überfallen.
Nun ist klar, was wir für eine Verpflichtung haben: wenn der Herr
uns aufgetragen hat, unser Leben zu schützen, so sollen wir es schützen,
wenn er uns Hilfsmittel darreicht, so sollen wir sie anwenden, wenn er
uns die Gefahren vorher zeigt, so sollen wir nicht unbedacht hineinrennen,
wenn er uns mit Heilmitteln zu Hilfe kommt, so sollen wir sie nicht geringschätzen!
Aber
- so wirft man ein - alle Gefahr, die mir begegnet, ist doch schicksalhaft
(fatale), und da helfen keine Mittel!
Wie aber, wenn die Gefahren deshalb
nicht unvermeidlich sind, weil der Herr dir Mittel gegeben hat, ihnen entgegenzutreten
und sie zu überwinden? Sieh nur zu, wie willst du eine derartige Schlußfolgerung
mit der Ordnung göttlicher Leitung vereinigen? Du meinst, man solle
sich vor der Gefahr nicht in acht nehmen; denn wenn sie nicht schicksalhaft
(zum bösen Ausgang) bestimmt sei, dann würden wir ihr auch ohne
Vorsicht entgehen. Der Herr aber macht dir die Vorsicht eben deshalb zur
Pflicht, weil er nicht will, daß das Unglück dich schicksalhaft
überfalle! Solche Narren ziehen eben nicht in Betracht, was doch vor
Augen ist, nämlich daß der Herr dem Menschen die Fähigkeit,
sich vorzusehen und in acht zu nehmen eingegeben hat, mit der er seiner
Vorsehung in der Erhaltung seines Lebens dienen soll! Ebenso zieht sich
der Mensch selbst durch Nachlässigkeit und Trägheit die Übel
zu, die Gott damit verbunden hat. Ein vorsorglicher Mensch, der sich Hilfe
sucht, entzieht sich dadurch auch drohenden Gefahren, der Narr dagegen
kommt in seiner Unbedachtsamkeit um. Woher kommt das anders, als daß
auch Torheit und Klugheit Werkzeuge der göttlichen Leitung sind, jede
in ihrer Weise? Gott hat uns alles Zukünftige verborgen sein lassen,
aber so, daß wir ihm gerade als Zweifelhaftem entgegengehen und nicht
aufhören, ihm die bereiteten Mittel entgegenzustellen, bis es entweder
überwunden ist oder aber sich stärker erwiesen hat als alle Sorgfalt!
So habe ich ja auch schon bemerkt, daß uns Gottes Vorsehung nicht
immer bloß
begegnet, sondern Gott bekleidet sie gewissermaßen
mit den dazu angewandten Mitteln.
Gottes Vorsehung entschuldigt unsere Bosheit nicht
Dieselben Leute beziehen in verkehrter, unbedachter Weise auch die Ereignisse
der Vergangenheit auf die bloße
Vorsehung Gottes. Weil alles, was
geschieht, von dieser abhängt, so folgern sie: Also werden weder
Diebstahl, noch Ehebruch, noch Mord vollbracht, ohne daß Gottes Wille
dabei wirke.
Weshalb also
, fragen sie, soll ein Dieb bestraft werden,
der doch einen Menschen ausplünderte, den der Herr mit Armut schlagen
wollte? Weshalb soll man den Meuchelmörder bestrafen; er hat doch
nur einen Menschen getötet, dessen Leben der Herr ein Ende gesetzt
hatte? Wenn derartige Verbrecher allesamt dem Willen Gottes dienen - weshalb
bestraft man sie denn?
Aber ich bestreite ja eben, daß sie dem Willen
Gottes dienen. Denn wir werden nicht zugeben, daß ein Mensch, der
seinem schlechten Trieb folgt, dem Befehl Gottes seinen Dienst zuteil werden
lasse; er dient doch nur seiner boshaften Begierde. Vielmehr leistet der
Gott Gehorsam, der seinen Willen kennengelernt hat und dann dahin strebt,
wohin er von ihm gerufen wird! Woher aber empfangen wir solche Belehrung
anders als aus seinem Wort? Deshalb müssen wir in unserem Handeln
den Willen Gottes so ins Auge fassen, wie er ihn uns in seinem Worte zeigt!
Nur eins fordert Gott von uns: nämlich, was er geboten hat! Beschließen
wir etwas wider sein Gebot, so ist das eben nicht Gehorsam, sondern Verachtung
und Übertretung! Aber wir würden doch gar nicht handeln, wenn
er es nicht wollte!
Ich gebe es zu. Aber sollen wir das Böse tun,
um ihm auf diese Weise zu gehorchen? Er gebietet uns dergleichen keineswegs;
vielmehr lassen wir uns hinreißen und bedenken dabei nicht, was er
will, sondern sind der Unmäßigkeit unserer Begierden so wütend
hingegeben, daß wir uns in festem Entschluß gegen seinen Willen
stemmen! Wir dienen doch eben deshalb mit unserem Übeltun seiner
gerechten Anordnung; denn er weiß doch in seiner großen Weisheit
schlechte Werkzeuge wohl und klug zum Guten zu benutzen!
Nun sieh doch
zu, wie abgeschmackt ihre Schlußfolgerung ist: sie wollen, daß
der Frevel seinem Urheber ungestraft durchgehe, weil er ja nur durch Gottes
Leitung zustande käme! Ich gebe noch mehr zu: Diebe und Mörder
und andere Übeltäter sind tatsächlich Werkzeuge der göttlichen
Vorsehung, die der Herr zur Durchführung der Gerichte gebraucht, die
er bei sich beschlossen hat. Aber ich bestreite, daß deshalb die
Übeltaten dieser Leute irgendeine Entschuldigung verdienen. Denn wie
sollten sie eigentlich Gott mit sich in ihre Bosheit verwickeln oder mit
seiner Gerechtigkeit ihre Bosheit decken? Sie können doch beides nicht!
Damit sie sich nicht reinwaschen können, straft sie ihr eigenes Gewissen;
damit sie nicht Gott beschuldigen, finden sie, daß das Böse
ganz in ihnen steckt, bei Gott dagegen nur die rechte Benutzung ihrer Bosheit
liegt! Ja, aber er wirkt doch durch sie!
Da frage ich nun aber: woher
kommt denn der Gestank eines Aases, das von der Wärme der Sonne in
Fäulnis versetzt und aufgelöst wurde? Jedermann sieht: das rufen
die Sonnenstrahlen hervor; aber es wird doch deshalb kein Mensch sagen,
die Sonnenstrahlen seien stinkend! Wenn also ein schlechter Mensch die
Ursache und die Schuld für das Böse in sich trägt, wie soll
sich dann Gott irgendeine Befleckung zuziehen, wenn er ein solches Werkzeug
nach seinem Wohlgefallen benutzt? Hinweg also mit der Hundefrechheit, die
Gottes Gerechtigkeit zwar anbellen, ihr aber nichts anhaben kann!
Gottes Vorsehung als Trost der Gläubigen
Aber dergleichen Lästerungen, ja wahnsinnige Hirngespinste wird eine fromme und heilige Betrachtung der Vorsehung zunichte machen, wie sie uns die Richtschnur der Frömmigkeit gebietet: so wird uns daraus die beste und lieblichste Frucht erwachsen! Da der Christ in seinem Herzen die unumstößlich gewisse Überzeugung hat, daß alles aus Gottes Führung, nichts aber aus Zufall geschieht, so wird er auf ihn als die höchste Ursache der Dinge stets die Augen richten, die untergeordneten Gründe aber an der ihnen zukommenden Stelle nicht außer acht lassen. Außerdem wird er nicht zweifeln, daß Gottes besondere Vorsehung auf der Wacht ist, ihn zu erhalten; sie wird ja nichts geschehen lassen, was ihm nicht zum Guten und zum Heil gereicht! Da er es aber zunächst mit Menschen, dann auch mit den übrigen Geschöpfen zu tun hat, so wird er gewiß sein: beide regiert Gottes Vorsehung! Was die Menschen, seien sie gut oder böse, betrifft, so wird er anerkennen: ihr Beschließen und Wollen, Versuchen und Vermögen ist in Gottes Hand, und es liegt bei seinem Wohlgefallen, das alles zu wenden, wohin er will, und auch zu hemmen, wenn immer er will!
Daß Gottes besondere Vorsehung über dem Heil der Gläubigen
wacht, bezeugen sehr viele ganz klare Verheißungen: Wirf dein Anliegen
auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den Gerechten nicht ewiglich
in Unruhe lassen
(Ps. 55, 23). Denn er sorgt für uns!
(1.Petr.
5, 7). Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet, der bleibt unter
dem Schutz Gottes, der im Himmel ist
(Ps. 91, 1). Wer euch antastet,
der tastet seinen (Gottes) Augapfel an!
(Sach. 2, 12). Ich will dein
Schild sein (Gen. 15, 1), deine eherne Mauer
(Jes. 26, 1; Jer. 1, 18).
Ich will feind sein denen, die dir feind sind
(Jes. 49, 25). Und ob
auch eine Mutter ihres Kindleins vergäße, so will ich dich doch
nicht vergessen
(Jes. 49, 15). Ist es doch der wichtigste Gesichtspunkt
in den Erzählungen der Bibel, zu lehren: der Herr behütet die
Wege der Heiligen mit solchem Fleiß, daß sie ihren Fuß
nicht an einen Stein stoßen
(vgl. Ps. 91, 12). Wir haben nun oben
(Allgemeine
und besondere
Vorsehung) mit Recht die Meinung derer abgelehnt,
die bloß an eine allgemeine
Vorsehung Gottes denken, die sich nicht
in besonderer Weise zur Fürsorge für jede einzelne Kreatur herablasse.
Deshalb ist es erst recht der Mühe wert, diese besondere
Fürsorge
an uns zu erkennen. So behauptet ja Christus, nicht einmal der geringste
Sperling falle zur Erde ohne den Willen des Vaters (Matth. 10, 29), und
er wendet das sofort so: da wir ja mehr sind als Sperlinge, so sollen wir
uns auch um so mehr der besonderen Fürsorge Gottes versichert halten;
er dehnt diese Fürsorge soweit aus, daß wir zuversichtlich glauben
sollen, auch die Haare auf unserem Haupte seien alle gezählt (Matth.
10, 30). Was sollen wir uns denn noch anders wünschen, wenn doch nicht
einmal ein Haar von unserem Haupte fallen kann ohne seinen Willen? Ich
rede hier nicht nur (allgemein) vom Menschengeschlecht, sondern weil sich
Gott die Kirche zur Wohnung erlesen hat, so erweist er unzweifelhaft in
ihrer Leitung seine väterliche Fürsorge durch besondere Zeugnisse.
Durch solche Verheißungen und Beispiele gestärkt, wird der
Diener Gottes auch der Zeugnisse gedenken, welche lehren, daß unter
Gottes Macht alle Menschen stehen, ob nun ihr Herz uns günstig gestimmt
werden soll oder ihre Bosheit in Schranken gebracht werden muß, damit
sie nicht Schaden tue. Denn es ist der Herr, der uns Gnade gibt, nicht
nur bei denen, die uns wohlgesinnt sind, sondern auch in den Augen der
Ägypter
(Ex. 3, 21); die Frechheit unserer Feinde aber weiß
er auf mancherlei Weise zu brechen. Zuweilen nimmt er ihnen den Verstand,
damit sie nichts Kluges und Besonnenes unternehmen können. So sendet
er den Satan, um zur Täuschung des Ahab den Mund aller Propheten mit
Lüge zu erfüllen (1.Kön. 22, 22). Oder er führt den
Rehabeam durch den Rat der Jungen in die Irre, damit er durch seine Torheit
der Herrschaft verlustig ginge (1.Kön. 12, 10. 15). Manchmal läßt
er ihnen den Verstand, versetzt sie aber derart in Schrecken und Betäubung,
daß sie nicht mehr wollen oder vollbringen, was sie sich vorgenommen
haben. Mitunter auch gestattet er ihnen zu versuchen, was ihnen Lust und
Wut eingegeben haben, und hemmt dann doch zur rechten Zeit ihr Ungestüm,
läßt sie nicht zum Ziele führen, was sie geplant! So macht
er den Rat des Ahitophel, der dem David hätte verderblich werden können,
vor der Zeit zunichte (2.Sam. 17, 7. 14). So ist es seine Sorge, alle Geschöpfe
den Seinen zugut und zum Heil zu leiten, und wir sehen, wie selbst der
Teufel ohne seine Erlaubnis oder Anordnung nicht wagte, den Hiob zu versuchen
(Hiob 1, 12).
Wer das erkennt, bei dem wird sich notwendig herzliche Dankbarkeit bei
glücklichem Erfolg, Geduld im Leiden und eine unglaubliche Gewißheit
für die Zukunft einstellen. Er wird alles, was glücklich und
nach seines Herzens Wunsch ihm gelingt, Gott allein zuschreiben, ob er
nun seine Wohltätigkeit durch den Dienst von Menschen erfahren hat
oder ob ihm von den leblosen Geschöpfen Hilfe zuteil wurde. Er wird
sich in seinem Herzen sagen: Es ist gewiß der Herr, der mir ihre
Seele zugeneigt und sie mir zugeführt hat, damit sie an mir zu Werkzeugen
seiner Freundlichkeit würden! Er wird bei reicher Ernte denken: der
Herr ist es, der den Himmel erhört
hat, damit der Himmel die Erde
erhöre
und diese wieder ihre Sprößlinge (vgl. Hos. 2,
23ff.). So wird er auch in anderen Dingen nicht zweifeln, daß alles
nur durch des Herrn Segen gedeiht - und, durch soviel Ursachen ermuntert,
wird er nicht undankbar sein können!
Die Gewißheit um Gottes Vorsehung hilft uns in allen Widerwärtigkeiten
Trifft einen solchen Menschen etwas Widerwärtiges, so wird er auch
dann alsbald das Herz zu Gott erheben; denn seine Hand vermag am besten,
uns Geduld und Lindigkeit des Herzens zu verleihen. Wäre Joseph dabei
stehengeblieben, die Treulosigkeit seiner Brüder zu bedenken, so hätte
er ihnen gegenüber nie mehr eine brüderliche Gesinnung gewinnen
können. Aber er schaute auf den Herrn, und da vergaß er das
Unrecht und wurde zu Sanftmut und Barmherzigkeit geneigt, so daß
er gar aus freien Stücken die Brüder tröstete und sagte:
Nicht ihr habt mich nach Ägypten verkauft, sondern Gottes Wille hat
mich vor euch hergesandt, damit ich euch das Leben erhielte!
(Gen. 45,
7ff.; summarisch). Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, Gott
aber gedachte es gut zu machen!
(Gen. 50, 20). Hätte Hiob die Chaldäer
angesehen, die ihn quälten, so wäre er sofort zur Rache entflammt
worden. Aber er erkennt doch (in dem Geschehen) des Herrn Werk, und da
kann er sich mit dem herrlichen Satz trösten: Der Herr hat's gegeben,
der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt!
(Hiob 1, 21).
Hätte David, als ihn Simei mit Schmähungen und Steinwürfen
angriff, seine Augen auf den Menschen gerichtet, so hätte er die Seinen
aufgefordert, für das (ihm geschehene) Unrecht Rache zu nehmen; aber
weil er einsah, daß dieser nicht ohne des Herrn bewegende Kraft handelte,
darum besänftigte er sie vielmehr und sagte: Laßt ihn, denn
der Herr hat's ihm geheißen: Fluche David!
(2.Sam. 16, 10). Mit
dem gleichem Zügel bändigt er auch an anderer Stelle seinen unmäßigen
Schmerz: Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun, denn du hast's
getan
(Ps. 39, 10). Es gibt keine kräftigere Arznei gegen Zorn und
Ungeduld als diese; so hat der gewiß schon viel erreicht, der in
diesem Stück Gottes Vorsehung zu betrachten gelernt hat, so daß
er sich immer wieder sagen kann: Der Herr hat es gewollt, deshalb muß
ich es tragen, nicht nur, weil ich nicht widerstreben soll, sondern auch
weil er ja nichts will, als was recht und heilsam ist! Kurz, wenn wir von
Menschen unbillig verletzt worden sind, so sollen wir ihre Bosheit nicht
weiter beachten, - sie würde nur unseren Schmerz verschärfen
und unser Herz zur Rache anreizen! - sondern uns zu Gott erheben und lernen,
aufs gewisseste daran festzuhalten: was der Feind uns in seiner Bosheit
zugefügt hat, das hat Gott in gerechter Fügung zugelassen, ja
geschickt! Paulus erinnert uns, um uns von der Wiedervergeltung des Bösen
abzuschrecken, mit Recht daran, daß wir nicht mit Fleisch und Blut
zu kämpfen haben
, sondern mit dem geistlichen Feinde, dem Teufel;
gegen den sollen wir uns zum Kampfe rüsten! (Eph. 6, 12). Das aber
ist die beste Ermahnung zum Dämpfen aller aufwallenden Rachsucht:
daß Gott selbst den Teufel wie auch alle Gottlosen zum Kampfe rüstet
und wie ein Kampfrichter thront, um uns in der Geduld zu üben!
Treffen uns ohne Zutun von Menschen Unglück und Elend, die uns
drücken, so sollen wir an die Lehre des Gesetzes denken: alles Heilsame
fließt aus der Quelle des Segens Gottes, alles Widerwärtige
ist sein Fluch (Deut. 28, 20ff.), und es soll uns jene furchtbare Ankündigung
schrecken: Werdet ihr von ungefähr mir 'zuwider wandeln', so werde
auch ich von ungefähr euch 'zuwider wandeln' !
(Lev. 26, 15ff.,
besonders V. 24). Mit diesen Worten wird unsere Trägheit gestraft,
wenn wir nach gemeiner Fleischesart alles für zufällig halten,
was uns Gutes oder Böses begegnet, und uns weder von Gottes Wohltaten
zu seiner Verehrung ermuntern, noch durch seine Schläge zur Buße
leiten lassen. Aus diesem Grunde schalten ja auch Jeremia und Amos so bitterlich
mit den Juden, weil diese meinten, Gutes wie Böses geschehe ohne Anordnung
Gottes (Klagel. 3, 38; Amos 3, 6). Darauf bezieht sich auch das Wort des
Jesaja: Ich bin der Gott, der das Licht macht und die Finsternis schafft,
ich gebe Frieden und schaffe das Übel, ich bin der Herr, der solches
alles tut
(Jes. 45, 7).
Ohne die Gewißheit um Gottes Vorsehung wäre das Leben unerträglich
Hier aber bewährt sich das unbeschreibliche Glück eines frommen Herzens. Unzählig sind die Übel, die unser menschliches Leben belagern, stets lauert in ihnen der Tod. Wir brauchen nicht über uns hinauszugehen: unser Leib ist ein Nest von tausend Krankheiten, und wieviel Krankheitsursachen trägt und nährt er in sich! Der Mensch kann sich nicht regen, ohne in vielerlei Gestalt sein Verderben in sich zu tragen, und er führt sein Leben sozusagen stets verwoben mit dem Tod! Wie soll man es anders ausdrücken - wo er doch ohne Gefahr weder Frost noch Schweiß erträgt? Und wohin man sich auch wendet: alles, was uns umgibt, ist nicht nur von zweifelhafter Zuverlässigkeit, sondern steht uns schier mit offener Drohung gegenüber und scheint uns des Todes Nähe anzukündigen. Steige in ein Schiff - und du bist nur einen Schritt vom Tode! Setze dich zu Pferd - am Straucheln eines Fußes hängt dein Leben! Gehe durch die Straßen der Stadt - soviel Ziegel auf den Dächern sind, soviel Gefahren bist du ausgesetzt! Ist eine Waffe in deiner oder deines Freundes Hand - der Schade lauert auf dich! Wieviel wilde Tiere du siehst - sie sind gerüstet, dich zu verderben! Und wenn du dich auch in einem ummauerten Garten einschließen willst, wo nichts als Lieblichkeit dir erscheint - auch da lauert zuweilen eine Schlange! Immerzu ist dein Haus der Feuersbrunst ausgesetzt, alle Tage kann es dich arm machen, alle Nächte kann es dich erschlagen! Der Acker ist in Gefahr vor Hagel, Reif, Dürre und anderem Unwetter - und das bedeutet für dich Mißwachs und Hunger! Ich übergehe Vergiftungen, Heimtücke, Räuberei, offene Gewalt, die uns im eigenen Haus oder auch draußen nachstellen! Müßte nicht unter solchen Ängsten der Mensch ganz elend sein, der sein Lebtag halbtot ist und seinen geängstigten und matten Geist ärmlich und kränklich erhält, als ob immerzu über seinem Nacken ein Schwert hinge? Du magst sagen, das alles geschehe immerhin selten oder wenigstens doch nicht immer und nicht allen Leuten, außerdem doch niemals alles zusammen. Das gebe ich zu; aber das Beispiel anderer lehrt uns, daß es auch uns zustoßen kann, und unser Leben macht nicht mehr als das ihrige eine Ausnahme; deshalb müssen auch wir notwendig Furcht und Schrecken empfinden, es könnte auch uns begegnen! Was ist aber unseliger als solches Zagen? Außerdem würde es doch nicht ohne Verachtung Gottes abgehen, wenn man sagen wollte, er habe den Menschen, das edelste seiner Geschöpfe, den blinden und zufälligen Stößen des Schicksals ausgesetzt! Aber ich wollte ja hier bloß vom Elend des Menschen reden, wie er es empfinden müßte, wenn er der Herrschaft des Zufalls unterworfen wäre.
Die Gewißheit um Gottes Vorsehung gibt uns fröhliches Gottvertrauen ins Herz
Aber sobald das Licht der göttlichen Vorsehung einem frommen Menschen
aufgeht, wird er nicht nur von jener furchtbarsten Not und Furcht, die
ihn zuvor drückte, sondern von aller Sorge befreit und erlöst.
Denn wie er mit Recht vor dem Zufall
Schauder empfindet, so wagt er sich
nun Gott in Gewißheit anzuvertrauen. Das ist eben, sage ich, der
Trost, daß er erkennt: der himmlische Vater hält mit seiner
Macht alles zusammen, regiert alles mit seinem Befehl und Wink, ordnet
alles mit seiner Weisheit, so daß nichts vorfällt ohne seine
Bestimmung. Das ist der Trost, daß der Glaubende, seinem Schutz übergeben,
der Fürsorge der Engel anvertraut, nun weiß: kein Schaden von
Wasser, Feuer oder Schwert kann ihn antasten, als nur soweit es Gott, der
im Regimente sitzt, gefallen hat, ihnen Raum zu geben. So singt doch der
Psalm: Er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen
Pestilenz. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht
wird sein unter seinen Flügeln; seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
daß du nicht erschrecken mögest vor dem Grauen der Nacht, vor
den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pestilenz, die im Finsteren
schleicht, vor der Seuche, die am Mittag verderbt
(Ps. 91, 3ff.). Daher
haben die Heiligen solche frohlockende Zuversicht: Der Herr ist mit mir,
darum fürchte ich mich nicht, was können mir Menschen tun? Der
Herr ist mein Helfer, warum sollte ich zittern? Wenn sich schon ein Heer
wider mich legt, wenn ich auch mitten im Schatten des Todes wandle, so
will ich doch nicht aufhören zu hoffen
(Ps. 118, 6; 27, 3; 56, 5
u. a. St.). Woher haben sie, frage ich, diese unerschütterliche Gewißheit?
Daher, daß sie, wo doch dem Anschein nach die Welt vom Zufall bewegt
wird, doch wissen, daß der Herr überall am Werk ist, und zuversichtlich
glauben, sein Werk werde ihnen heilsam sein! Wird ihr Heil vom Teufel oder
von verruchten Menschen bedroht, so müßten sie sogleich zusammensinken,
wenn nicht die Erinnerung und der Gedanke an die Vorsehung sie aufrechterhielte.
Aber gewaltigen Trost empfangen sie, wenn sie daran denken: der Teufel
mit der ganzen Rotte der Gottlosen wird ja von allen Seiten von Gottes
Hand wie am Zügel gehalten; er kann deshalb gegen uns gar keine Übeltat
beschließen, noch das Geplante ins Werk setzen, noch mit äußerster
Anstrengung auch nur einen Finger rühren, um es durchzuführen,
sofern Gott es nicht erlaubt, ja soweit er es ihm nicht aufgetragen hat;
er liegt ja in seinen Banden gefesselt, wird mit dem Zaum gezwungen, ihm
Gehorsam zu leisten! Denn wie es bei dem Herrn steht, der Wut der Feinde
Waffen zu geben, sie zu wenden und zu lenken, wohin er will, so setzt er
auch Maß und Ziel, damit sie nicht nach ihrer Lust ungebändigt
losbrechen! Auf dieser Gewißheit beruht es, wenn Paulus von einer
Reise an der einen Stelle sagt, sie sei vom Satan verhindert worden, und
an der anderen, sie sei von Gottes Zulassung abhängig (1.Thess. 2,
18; 1.Kor. 16, 7). Hätte er bloß geschrieben, das Hindernis
sei vom Satan gewesen, so hätte er scheinbar dem Satan zuviel Macht
beigemessen, als ob es gar in dessen Hand stünde, Gottes Pläne
zunichte zu machen; nun aber stellt er fest, daß Gott der Herrscher
ist, von dessen Zulassung alle Wege abhängen, und zeigt damit: der
Satan kann nur auf seinen Wink etwas erreichen, was er auch ins Werk setzen
mag! Ebenso denkt David, wenn er sich angesichts der vielerlei Wechselfälle,
von denen das Menschenleben immerzu gewendet und wie ein Rad gedreht wird,
sich auf diese Zuflucht zurückzieht: Meine Zeiten stehn in deinen
Händen
(Ps. 31, 16). Er konnte gewiß auch Lebenslauf
sagen
oder Zeit
in der Einzahl setzen; aber mit dem Ausdruck Zeiten
wollte
er zeigen, daß, wie unbeständig auch die Lage des Menschen sei,
aller Wechsel, der vorkommen mag, doch von Gott her gelenkt wird. Deshalb
werden auch Rezin und der König von Israel, die mit ihren zur Vernichtung
Judas verbundenen Streitkräften wie brennende Fackeln erschienen,
das Land zu verderben und zu verzehren, von dem Propheten rauchende Feuerbrände
genannt, die bloß ein wenig Rauch ausstoßen können (Jes.
7, 4). So wird gar der Pharao, der doch durch Macht, Stärke und Heeresgröße
allen furchtbar war, mit einem Meerungeheuer und sein Heer mit Fischen
verglichen (Ex. 29, 4). Und Gott kündigt an, er werde den Anführer
und das Heer mit der Angel fangen und es ziehen, wohin er wolle. Kurzum,
ich will mich nicht länger damit aufhalten; man kann es leicht durchschauen,
wenn man es betrachtet: das schlimmste Elend ist es, die Vorsehung nicht
zu kennen, das höchste Glück aber, von ihr Kunde zu haben.
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