Geschichten von Franziskus
erzählt von Fulbert Steffensky: Feier des Lebens. Spriritualität im Alltag.
Kreuz Verlag Stuttgart 1964, S. 21 - 23
Bruder Wacholder - von dem Franziskus sagte, er wünsche sich einen
ganzen Wald solcher Wacholderbäume - sollte in der Weihnachtszeit
auf die Kirche aufpassen. Sie war für das Fest geschmückt. Da
kam eine arme Frau und bettelte um Almosen. Da er kein Geld hatte, räumte
er den Altarschmuck ab und schenkte ihn der Frau. Dem empörten Sakristan
antwortete er: Ärgere dich nicht über den Tand. Ich habe den
Schmuck einer armen Frau geschenkt, die ihn gut gebrauchen kann. Hier war
er ohnehin zu nichts nütze!
Der Generalobere, der von der Geschichte
hörte, wurde zornig, hielt Wacholder eine Strafpredigt, schrie immer
lauter und wurde schließlich heiser. Bruder Wacholder hörte
seinem Geschrei kaum zu. Erst als der Obere vor Heiserkeit nicht mehr weiterreden
konnte, wurde er aufmerksam, ging weg und erbettelte sich im Dorf eine
Schüssel Mehlsuppe. Er brachte sie dem Oberen und sagte: Als ihr
mich ausgeschimpft habt, Vater, wurde eure Stimme wegen der großen
Anstrengun ganz heiser. Ich habe ein Mittel dagegen gefunden und euch diese
Suppe bereiten lassen. Wenn ihr sie esst, wird sie euch Brust und Kehle
befreien.
Der Obere ärgerte sich und merkte, dass er verspottet wurde,
und wollte die Suppe nicht essen. Darauf Bruder Wacholder: Vater, wen
du schon die Suppe nicht essen willst, halte mir die Kerze! Ich will sie
dann selber aufessen.
Wir haben hier zwei Motive, die in den Franziskus-Geschichten
immer wieder vorkommen: zum einen die Kritik an Autoritäten und Herrschaft
und zum anderen das Motiv der Profanisierung von Sakralität. Das Heilige
wird verfügbar für den Menschen. Die Frau kann den Altarschmuck
verkaufen und davon Brot kaufen.
Es wird berichtet, dass einmal eine alte Frau zu den Brüdern kam
und um Unterstützung bat. Die Brüder hatten aber nichts mehr,
was sie ihr geben konnten, außer dem einzigen Neuen Testament in
der Kapelle. Franziskus sprach: Gebt der Frau das Neue Testament, damit sie
es verkaufen kann! Steht nicht in diesem Buch, dass wir den Armen zu Hilfe
kommen sollen? Ich glaube, dass Gott mehr Freude haben wird, wenn wir das
Buch verschenken, als wenn wir daraus lesen.
Nichts ist in sich heilig. … Der Altarschmuck kann verkauft werden, das Neue Testament kann verschenkt werden. Der Mensch wird zum Herrn des Sabbats. Alles wird geheiligt durch den sinnvollen Gebrauch. Franziskus ist … kein gutmütiger Einfaltspinsel. Er inszeniert das, was eigentlich gelten soll: Zärtlichkeit, Verbundenheit, Überwinden von Grenzen.
Franziskus ist in Rom.
Ein Kardinal bittet ihn, bei ihm zu wohnen. Da
es schlechtes Wetter ist und unangenehm zu wandern, nimmt er die Gastfreundschaft
an. Der Kardinal bringt ihn in einem großen und bequemen Turmzimmer
unter. Aber nachts plagen Franz die Dämonen. Er zittert am ganzen
Körper wie im Fieber. Kann es sein
, fragt er, dass Gott mir seine
Schergen geschickt hat, weil ich die Gastfreundschaft eines Kardinals angenommen
habe?
Die Gastfreundschaft eines Kirchenfürsten anzunehmen, sich
mit den Mächtigen einzulassen, das heißt schon, dem Bereich
der Dämonen zu verfallen. Es gibt bei allen franziskanischen Bewegungen
ein selbstverständliches Misstrauen gegen jede Form der Herrschaft:
gegen kirchliche Obere, gegen Kardinale und Päpste, gegen Fürsten
und gegen die Reichen.
Als Franziskus einmal vor dem Papst predigen soll, kann er sich an seine
vorbereitete Rede nicht mehr erinnern. Er schlägt sein Gebetbuch auf
und stößt auf das Psalmwort (5, 7): Immerfort ist vor mir meine
Schmach, Schamröte bedeckt mein Gesicht.
Und so spricht er gegen
den Hochmut der Prälaten.
Von seinen anarchistischen Interessen her ist auch sein Verhältnis
zur Armut zu sehen. Franziskus vermählt sich mit der edlen Frau Armut.
Aber Franziskus will keine ziellose und sich selbst genießende Askese.
Er fürchtet Besitz, weil dieser korrumpiert. Dies erzählt uns
eine der schönsten Franziskusgeschichten: Ein Novize wollte unbedingt
ein Psalterium für sich allein haben und bat Franz immer wieder darum.
Franz antwortete ihm: Wenn du erst einmal ein Psalterium besitzt, dann
wirst du auch bald auf dem Katheter sitzen wie ein gelehrter Mann, und
dann dauert es nicht mehr lange und du sagst zu einem deiner Genossen:
Bruder, komm her und reiche mir das Psalterium.
Besitz wird abgelehnt,
weil er die Geschwisterlichkeit der Gruppe zerstört. Besitz korrumpiert.
Man hat nur, was man dringend braucht.
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korrekt zitieren: Fulbert Steffensky: Artikel
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