Ökumenisches Heiligenlexikon

Meerstern - Stern des Meeres (stella maris) - im Marienlexikon


I. FRÖMMIGKEITSGESCHICHTE

M. ist einer der ältesten und meistverbreiteten Marientitel mit umfangreicher Symbol- und Begriffsgeschichte, der im Laufe der Jh.e eine reiche Ausprägung und Entfaltung im Rahmen der Marienverehrung und Marienfrömmigkeit fand. In zeichenhaften, symbolischen und künstlerischen Darstellungen ist der M. entweder als sechs- oder achtstrahliger Stern tradiert: sechsstrahlig auf den Davidsstern (Davidsschild) bezogen (weil aus dem Geschlechte Davids stammend), achtstrahlig als Symbol der heilsgeschichtlichen Erneuerung (Maria als Reparatrix parentum et totius orbis, Wiederherstellerin der Stammeltern und der ganzen Welt).

„Sternenmadonna” in der Kirche Santa Maria in Betlem im Vorort Borgo in Pavia
Sternenmadonna in der Kirche Santa Maria in Betlem im Vorort Borgo in Pavia

Sterne haben in der Symbolgeschichte verschiedene Bedeutung. So ist der Stern von Betlehem stets christol. gedeutet worden, ebenso die Stern-Prophetien des AT, wie der vom moabitischen Seher Bileam gekündete Stern, der aufgehen wird aus Jakob (4. Mose 24, 17). Sterne gelten allgemein als Hoheitszeichen, Symbole für das Unerreichbare, Himmlische; als vorausleuchtende (im Sinne der Antizipation), heilverheißende Zeichen. Sie sind die kleinen Leuchten der Nacht, die vor der aufgehenden Sonne (= Christus) milden Trost und Orientierung geben. Die christl. Überlieferung kennt eine ausgeprägte patristische Gestirntheologie; diese unterscheidet auch zwischen M. und Morgenstern. Während der M. symbolisch ausschließlich auf Maria bezogen wird, hat der Morgenstern zwar vorwiegend christol. Symbolbedeutung, wird aber immer wieder auch — wie z. B. in der Lauretanischen Litanei — auf Maria bezogen, als stella matutina, die der Sonne vorausleuchtet, ja ihr Kommen ankündigt.

In der Sternsymbolik kommen der hoheitliche Charakter Marias (mater Dei, gratia plena) als auch ihre vorausleuchtende Zeichenhaftigkeit (vor der Sonne der Gerechtigkeit) zum Ausdruck. Außerdem ist Maria Orientierungs-Leitbild und das leuchtende Vorbild des neuen erlösten Menschen. Wie von St. Beissel und auch von M.Schmaus dargelegt, ist eine frühe etymologische Deutung des Namens Maria als M. nicht nachweisbar. Es spricht jedoch einiges dafür, daß das Symbol des M.s in einem tieferen Sinnzusammemhang mit der vom Diener des Propheten Elias vom Berge Karmel aus geschauten kleinen Wolke über dem Meer zu stehen scheint (l. Könige 18, 41 — 45): die kleine Wolke als Zeichen der Hoffnung (= Maria) auf den ersehnten Regen, der das Land aus seiner Dürre befreit und neue Fruchtbarkeit (= den Messias) mit sich bringt. Deswegen trägt die Marienkirche auf dem Berge Karmel den Titel Stella Maris. In Fortführung dieser Symbolik zeigt das Wappen des Karmeliterordens ebenfalls 3 sechsstrahlige Sterne.

Die bildhafte Gestaltung des achtstrahligen Sterns als Sinnbild Marias, des M.s, ist eingebettet in eine reiche christl. Zahlsymbolik und -mystik. Die Zahl Acht steht hier in erster Linie für Vollkommenheit, zugleich aber auch für Erneuerung (restitutio). Sie ist biblisch und heilsgeschichtlich-vorbildhaft begründet in der Erneuerung der Menschheit nach der Sintflut, aus welcher Noe und 7 seiner Verwandten (= 8) von Gott gerettet hervorgingen (1. Mose 7, 13). 8 bedeutet demnach erneuerter Anfang, als erneuerte l, nochmaliger Beginn (wie in der Musik die Oktav der Tonleiter).

Die frühe christl. Kirche gestaltete das Mysterium der 8 sehr reich aus, insbesondere auf den Auferstehungstag Christi hin, der bei den Kirchenvätern als der 8. Wochentag gilt, der 1. Tag nach dem 7. Wochentag, dem Sabbat. So wurde die Achtzahl zum Symbol der Auferstehung, der Wiedergeburt, der Taufe, des neuen, ewigen Lebens (Römerbrief 6, 4), das bereits in die irdische Wirklichkeit (= 7) und diesseitige Lebensfülle hineinstrahlt: Anbeginn des Vollendet-Ewigen, des neuen Jerusalem. Hierher gehören symbolisch u.a. auch das Oktogon der Marienkapellen (z.B. die Marienkapelle Karls d.Gr. zu Aachen) und der achtstrahlige Stern Marias; Maria als Pforte vom AT (= 7) zum NT (= 8), als reparatrix der Stammeltern und des gesamten Erdkreises, als Vorbild der Erneuerung der Welt.

Der M.-Titel ist in vielfacher Weise verbreitet: in Hymnen und Litaneien des Marienlobes (z.B. Ave, maris stella), als Liedgut (M., ich dich grüße; Stern im Lebensmeere; Hymnus Akathistos), als Thema überlieferter Predigt- und Erbauungstexte (u. a. von Andreas v. Kreta, Bernhard v. Clairvaux, Hildegard v. Bingen), in Bildinschriften und Widmungen (z. B. Evangelienbuch der Äbtissin Uta v. Regensburg, um 1002 — 1025; Evangeliar des hl. Bernward v. Hildesheim, nach 1014; Marienseite des Karlsschreins zu Aachen, um 1215); ferner in päpstlichen Rundschreiben und Ansprachen. Diese Symbolik klingt auch an in zahlreichen Wappen von Päpsten, Bischöfen und Äbten sowie in der ikonographischen Ausgestaltung von Marienkirchen und -kapellen und der Stella maris gewidmeten Gebäuden und Räumen.

Lit.: J.Auer, Symbolik des Kiichengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des MA, Freiburg i. B. 1902, 79. — BeisselMA 126f. — AuC IV 153. — H. Rahner, Mysterium Lunae, In: ZkTh (1939) 311ff. — R. Graber, Die marian. Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, 1951, 20f. — H.Schipperges, Heilkunde — Hildegard v. Bingen, 1957, 33£. — SchmausKD 175ff. — D.Forstner, Die Welt als Symbol, 21967, 112.

W. Dobler

II. LITURGIE WEST

Die Anrufung Marias als M. in dem aus dem 8./9. Jh. stammenden Hymnus Ave maris stella ist in der heutigen Stundenliturgie für die 1. und 2. Vesper der Commune-Texte für Marienfeste vorgesehen. Insgesamt existieren 3 verschiedene Übertragungen ins Deutsche. Auch das in verschiedenen Diözesananhängen zum Gotteslob vertretene geistliche Volkslied Meerstern, ich dich grüße greift dieses Bild auf.

Ausg.: Liturgia Horarurn, Stundenbuch für die kath. Bistümer des dt. Sprachgebietes III 1143f. — Gotteslob Nr. 578 und Nr. 596. - G.Voss, Dich als Mutter zeige, 1991, 17-37.

F. Baumeister


Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk (Hg.): Marienlexikon, Bd. 4, EOS Verlag St. Ottilien, 1992

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zuletzt aktualisiert am 20.03.2023
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Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk: Artikel
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