Mit leeren Händen
Die Botschaft der Thérèse von Lisieux
In der Nacht des Glaubens
Die Fluten des Lichtes dauern bis ins Frühjahr 1896 an. Ich erfreute mich damals eines so lebendigen, so klaren Glaubens, dass der Gedanke an den Himmel mein ganzes Glück ausmachte (C 219).
Nur einen Augenblick lang hatte sich ihr Herz verdunkelt, nur einen
einzigen Augenblick. Die drei Prioratsjahre ihrer Schwester Agnès
gingen am 21. März zu Ende, und die Chancen, dass sie wiedergewählt
würde, standen gut. Aber nach sieben schwierigen Wahlgängen …
gewinnt wieder Marie de Gonzague. Als Thérèse, die bei der
Abstimmung des Kapitels nicht dabei war, die Nachricht erfährt, ist
sie - laut Zeugenaussagen - wie betäubt
, bekommt sich aber schnell
wieder in die Gewalt …
Und dann kommt die Karwoche, mit ihren vom Mysterium der göttlichen Liebe voll erfüllten Tagen! Als sie in der Nacht vor dem Karfreitag ihren ersten Blutsturz hat - ein zweiter folgt in der darauffolgenden Nacht -, ist sie darüber zutiefst glücklich: sie meint in der Ferne ein Flüstern zu vernehmen, das ihr die nahende Ankunft des Bräutigams ankündigt (C 218).
Aber die Braut ist noch nicht ganz bereit. Das Leiden muss noch
sein reinigendes Werk an ihr vollbringen. Die Sonne verschwindet vom Horizont,
die Nacht bricht herein und taucht sie in schreckliche Dunkelheit. Während
Thérèse gerade in ihrem Fahrstuhl
ganz angenehm zum Himmel
hinauffährt, gibt es einen Stromausfall: sie weiß nicht mehr,
wo sie sich befindet, wie lange es dauern wird, ob Hilfe kommen wird.
Der Karfreitag geht weiter
Bricht diese Nacht ganz unerwartet über sie herein? Laut dem Manuskript
B ihrer Autobiographie begann sie am strahlenden Osterfest
(B 218) -
also zwei Tage nach ihrem Blutsturz. Nach dem Manuskript C ihrer Autobiographie
waren es die so frohen Tage der Osterzeit
(C 219). Unserer Ansicht nach
hing die Nacht zweifellos mit den Ereignissen vom Karfreitag zusammen.
Die Mystikerin Thérèse wußte: der Bräutigam kommt!
Aber die realistische kleine Denkerin in ihr ist sich dessen bewußt:
es ist die Tuberkulose, das ist das Ende, bald wird dein Körper in
der Erde sein und deine Seele im Himmel. Und… wenn es keinen Himmel gibt?
Die Frage, die wir bereits auftauchen gesehen haben… Die Frage, die sich
wie eine fixe Idee in dem handfesten Geist der dreiundzwanzigjährigen
jungen Frau festsetzt. Die Frage, die aus der Tiefe dieser Psyche aufsteigt,
welche seit dem allzu frühen Tod ihrer Mutter ein solches Sicherheitsbedürfnis
hatte, das letztlich niemand befriedigen konnte, und die gegenwärtig
ihren ganzen Verstand wie mit schwarzer Tinte erfüllt.
Nun, da Thérèse die Erde verlassen soll - wie eine Mutter -, um eine weite, sehr weite Reise in das unbekannte Land Gottes anzutreten, verliert dieser Bestimmungsort jede Vertrautheit und wird fremd und beängstigend. Jesus ließ zu, dass tiefste Nacht in meine Seele eindrang und der mir so süße Gedanke an den Himmel nur mehr ein Anlaß zu Kampf und Qual war (C 219).
Thérèse wird mehr als andere in ihrem Glauben geprüft, bis nur noch das unvermengte Silber zurückbleibt und das reine Gold ihrer Selbsthingabe, allein um Jesu willen: Jetzt nimmt diese Prüfung alles hinweg, was meinem Verlangen nach dem Himmel noch an natürlicher Befriedigung anhaften könnte (C 223).
Warum also bleibt sie dann überzeugt davon, dass der Himmel nicht eine Projektion unserer großen Wünsche ist? Jesu wegen: wegen der Tatsache Jesus! Der Himmel, schreibt Thérèse, ist keine von Menschen erfundene Geschichte, sondern eine untrügliche Wirklichkeit, die Jesus in Seiner Guten Nachricht verkündet hat (C 220).
Man wäre versucht zu denken, dass der dicke Nebel
, der den
Himmel verbirgt(C 219), auch jeden Blick auf die göttliche Sendung
Jesu, ja sogar auf die Existenz Gottes verschleiern müßte. Aber
dem ist nicht so. In ihrer Autobiographie beschreibt Thérèse
einzig und allein ihre Versuchungen in bezug auf den Himmel und bezeugt
Agnès gegenüber ganz klar, dass der Himmel (im Sinn unseres
Weiterlebens nach dem Tod) Gegenstand ihrer Kämpfe ist; sie fühlt,
daß dies in ganz besonderer Weise ihre Versuchung ist und dass
sie nicht logisch erklärt werden kann, sie nennt sie seltsam und
unzusammenhängend
: Ah! Aber ich glaube sehr wohl an den Herrn!
All das bezieht sich auf den Himmel. Wie seltsam und unzusammenhängend
ist das doch! (IGL 77).
Aber da es die Tatsache Jesus gibt, kann sie inmitten der dunkelsten
Nacht an ihrem Glauben an ein Jenseits unerschütterlich festhalten.
Die Hand Jesu hält sie: Gnade, Glaube und Erfahrung der Güte
Gottes sind die göttlichen Kräfte, die sie in ihrer dunklen Nacht
aufrechthalten. Thérèse, die kranke Thérèse,
befindet sich mit Leib und Seele in einem dunklen Loch
(IGL 192), und
manchmal zischen ihr böse Schlangen ins Ohr
(IGL 64). Aber Jesus
bleibt, und ihr Glaube bleibt. Was die finsteren Vorstellungen betrifft,
die sie bedrängen, so bestätigt sie: Ich ertrage sie gezwungenermaßen,
aber während ich sie ertrage, verrichte ich unaufhörlich Akte
des Glaubens (IGL 274).
Ohne sich daran zu erfreuen, sieht sie bereits im Glauben, was der Himmel ist: Ich sehe nicht recht, was ich nach dem Tod noch über das hinaus bekommen sollte, was ich schon in diesem Leben habe. Ich werde den lieben Gott sehen, das ist wahr! Aber mit Ihm vereinigt, das bin ich schon vollkommen auf dieser Erde (IGL 45).
In diesem ganzen Prozeß vollzieht Gott Sein Werk der Reinigung,
so wie der heilige Johannes vom Kreuz es mit solcher Tiefe in seiner Dunklen
Nacht beschrieben hat. Schickt Gott diese Reinigung? Oder begleitet
Er mit Seiner Gnade einen psychischen Prozeß? Es ist nicht allzu
wichtig, dies genau festzustellen. Für Thérèse geht
es im Moment darum, zu glauben und das Vertrauen und die Liebe zu bewahren.
Durch ihr Leiden will sie mit Jesus zusammen Seelen retten. Und mit Paulus
kann sie sagen: Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Glauben
bewahrt
(2 Tim 4,7).
Mehr denn je eine Glaubende!
Als ausgezeichneter Pädagoge hat Gott Thérèse zunächst Monate hindurch eine ungetrübte und überquellende Freude geschenkt. Diese Erfahrung hat sie in bezug auf die Realität und die Liebe Gottes noch sicherer gemacht. Die Erinnerung daran wird ihr in ihrer tiefen Nacht etwas helfen.
Thérèse geht nun durch einen dunklen Tunnel
und durch
ein trauriges Land
. Ihr kommt vor, dass die Finsternis sich über
sie lustig macht und ihr zuschreit: Du träumst von Licht, von einer
mit lieblichsten Wohlgerüchen durchströmten Heimat, du träumst
von dem ewigen Besitz des Schöpfers all dieser Wunderwerke, du meinst,
eines Tages den Nebeln, die dich umfangen, zu entrinnen! Nur zu, nur zu,
freu dich auf den Tod, der dir nicht geben wird, was du erhoffst, sondern
eine noch tiefere Nacht, die Nacht des Nichts (C 221).
Plötzlich hält Thérèse inne, erschrocken … Gerechter Himmel! Wie leicht fließt ihr das aus ihrer Feder… Doch ich will nicht weiter darüber schreiben, ich würde mich sonst fürchten zu lästern … (C 222).
Manchmal wird behauptet, dass Gott für Thérèse
eine Mauer war … Das ist nicht ganz richtig. Thérèse sagt,
daß ihr Glaube nicht mehr ein durchsichtiger Schleier
ist - wie
im Sommer vor ihrem Eintritt in den Karmel, wie im Sommer und Winter nach
ihrem Akt der Hingabe -, sondern eine Mauer
(C 222/223), die bis zum
Himmel ragt. Sie redet hier wieder in Symbolen. Glauben bedeutet nach ihrem
Verständnis, sich vor einer Mauer zu befinden. Aus diesem Grund wird
der Glaube für sie mühsam. Aber Gott selbst ist keine Mauer.
Wenn ihr Glaube den Eindruck hat, vor einer undurchsichtigen und undurchlässigen
Mauer zu stehen, so befindet sich Gott auf beiden Seiten der Mauer! Er
ist dort, in diesem geheimnisvollen Leben des Himmels, so wie Jesus es
uns zu sagen gekommen ist und wie Thérèse es glaubt. Und
Er ist hier, inmitten ihrer geprüften und geängstigten Existenz!
Mehr als je zuvor ist Gott in ihrem Leben gegenwärtig! Er ist der
Anhaltspunkt, an den Thérèse sich klammert. Mehr denn je
ist Jesus in ihren Gedanken anwesend. Der Jesus von früher! Und der
Jesus des gegenwärtigen Augenblicks! Thérèse ergreift
die Hand Seines Wortes und Seiner Verheißung. Bei jeder neuen
Gelegenheit zum Kampf… eile ich zu meinem Jesus und sage Ihm, dass
ich bereit bin, bis zum letzten Blutstropfen dafür Zeugnis abzulegen,
daß es einen Himmel gibt (C 222).
Thérèse macht das Symbol des Blutvergießens um des Glaubens willen buchstäblich wahr, als sie mit ihrem Blut das Glaubensbekenntnis in ihr Evangelienbuch hineinschreibt. Im Grunde ist ihr Glaube niemals sonst so rein und tief gewesen! Jesus weiß ja, dass ich, wenn ich auch keine Freude am Glauben verspüre, mich doch wenigstens bemühe, dessen Werke zu tun. Ich glaube, seit einem Jahr habe ich mehr Glaubensakte verrichtet als in meinem ganzen Leben (C 222).
Es gibt also bei ihren Glaubensakten keine fühlbare Freude mehr.
Aber mehr denn je will sie glauben
(C 223) und im Einklang mit dem Wort
Jesu handeln. In der Nacht ihres Glaubens ist Thérèse keine
Ungläubige, sondern eine sehr große Glaubende!
Inmitten ihrer Glaubensnacht, genauer gesagt durch ihren völlig blinden Glauben, erfährt Thérèse weiterhin - in einer viel größeren Tiefe - die Freude der geschenkten Liebe. Und - was in dieser Nacht paradox ist - die Freude, feststellen zu können, wie barmherzig der Herr inmitten dieser Dunkelheit ist!
Obwohl diese Prüfung mir jede fühlbare Freude raubt, vermag
ich doch auszurufen: Herr, Du überschüttest mich mit Freude
durch alles, was Du tust.
Denn gibt es eine größere Freude,
als um Deiner Liebe willen zu leiden?… Niemals habe ich so tief empfunden,
wie mild und barmherzig der Herr ist; Er hat mir diese Prüfung erst
geschickt, als ich die Kraft besaß, sie auszuhalten (C 222/223).
Noch nie war in Thérèses Seele die Gnade so fruchtbar.
Sie hat die unsichtbare Hand, die sie führt, ergriffen und hält
sie fest. Thérèse will nur mehr Jesus kennen. Sie bleibt
völlig sicher, dass die Ungläubigen ganz überrascht
sein werden, eines Tages vor dem Herrn zu erscheinen. Wenn diese sagen
werden: Herr, wenn wir diese wunderbare Welt angeschaut haben, dann dachten
wir, dass sie zufällig entstanden ist und dass es nachher
nichts geben würde
, dann, so hofft Thérèse, wird ihnen
der Herr antworten: Tretet ein in mein Reich, andere haben für euch
gebetet.
Am Tisch der Sünder
Thérèse bleibt auch in ihrer Glaubensnacht sehr motiviert: Ich sage zu Jesus, ich bin froh, diesen schönen Himmel nicht auf Erden zu genießen, damit Er ihn den armen Ungläubigen für die Ewigkeit erschließt (C 222).
Früher hat Thérèse nicht verstanden, dass es echte Atheisten gibt. Sie glaubte, sie sprächen gegen ihre bessere Erkenntnis, wenn sie die Existenz des Himmels leugneten (C 219).
Jetzt weiß sie durch persönliche Erfahrung, wie heftig die
Vernunft gegen die Hingabe an das Wort Gottes Sturm laufen kann, wenn sie
sich diesem widersetzt. Seit langem weiß sie, dass unser langsames
Naturell und unsere Eigeninteressen uns vom Glauben abbringen können.
Jetzt versteht sie den Anteil, den die Gnade am Glaubensakt hat, und wie
sehr man in der Nacht treu bleiben muss. In ihrer Armut weiß
sie sich solidarisch mit den Seelen, die keinen Glauben haben
und mit
den Sündern
, die sie ihre Brüder
nennt und mit denen sie
an diesem mit Bitterkeit beladenen Tisch
sitzt, um dort das Brot der
Schmerzen zu essen
- damit alle jene, die nicht von der hellen
Fackel des Glaubens erleuchtet werden, endlich ihren Lichtschein erblicken
(C 220).
Der Holländische Katechismus schreibt zur Nacht Thérèses: Nichts war ihr von ihrem Glauben mehr übriggeblieben als die letzte Hingabe: Ich will glauben; hilf meinem Unglauben. So wurde dieses Mädchen eine Heilige, die einen Platz zwischen den Helden von Hebräer 11 verdient hat. In der großen Glaubenskrise, die ihre Zeitgenossen, die Intelligenz und die Arbeiter Europas, durchzumachen hatten, litt sie dieses Leid mit in der äußersten Hingabe der Liebe, zweimal neun Monate lang. Wieviel Leben wird nicht daraus geboren sein! (Holländischer Katechismus, Seite 331).
So wie eine Jeanne d'Arc kämpft Thérèse für
den Glauben der Kirche und für den Triumph des Guten über das
Böse. Gerade während ihrer Glaubensnacht hat sie mit dem wundersamen
Abenteuer einer jungen Amerikanerin, namens Diana Vaughan, einer Konvertitin,
die in einem französischen Kloster Zuflucht gesucht hat und früher
ein sehr engagiertes Mitglied in der Satanskirche war, mitgefühlt.
Gegenwärtig kämpfte Diana gegen ihre ehemaligen Irrtümer,
indem sie ihre Memoiren veröffentlichte, die in den katholischen französischen
Kreisen und auch im Ausland großes Aufsehen erregten. Im Karmel von
Lisieux war man von Diana sehr begeistert. In ihrem Theaterstück Triumph
der Demut
, das sie für den Namenstag der Priorin Marie de Gonzague
verfaßt hat, schreibt Thérèse: Diana Vaughan wurde
zu einer zweiten Jeanne d'Arc… Mein größter Wunsch wäre
es, wenn ich sie, nach Beendigung ihrer Mission, in unserem kleinen Karmel
mit Jesus vereint sehen würde (Récréations Pieuses 7).
Thérèse schreibt auch einen Brief an Diana und legt ihm
ein Photo von sich in ihrer Rolle als Jeanne d'Arc bei. Sie erhält
eine Antwort, die sie sorgfältig aufbewahrt. Aus Furcht vor den Freimaurern,
die ihr nach dem Leben trachten, verbirgt sich Diana weiterhin, so dass
manche mit der Zeit mißtrauisch werden. Um den Gerüchten ein
Ende zu setzen, kündigt die Konvertitin eine Pressekonferenz für
den Ostermontag, 19. April 1897, in Paris an; es würden dabei auch
Bilder gezeigt werden. Mehr als vierhundert Journalisten, katholische und
antiklerikale, sind an diesem Abend anwesend. Auf den Hintergrund hat man
ein Dia projiziert, das ihr, wie es heißt, von einer Bewunderin Dianas
aus einem Karmelitinnenkloster zugeschickt worden ist und das diese Bewunderin
als neue Jeanne d'Arc
zeigt. Es ist das Foto von Thérèse…
Anstelle von Diana erscheint Léo Taxil auf der Bühne, ein sogenannter
bekehrter Freimaurer, der mit außerordentlichem Zynismus bis ins
kleinste enthüllt, was sich in der französischen Christenheit
seit Jahren abspielt: Diana hat niemals existiert, er selbst steht hinter
dieser Täuschung …
Einige Tage später erhält Thérèse den Bericht über diese Pressekonferenz und die Geschichte mit dem einzigen gezeigten Dia … Sie zerreißt den Brief Dianas, alias Léo Taxil, in tausend Stücke und wirft ihn auf… den Misthaufen. Mehr denn je begreift sie, dass es tatsächlich Seelen gibt, die den Glauben nicht haben, die durch den Mißbrauch der Gnaden diesen kostbaren Schatz verlieren (C 219). Jetzt weiß sie noch besser, für wen sie am Tisch der Sünder sitzt, auf die sie die Barmherzigkeit Gottes herabfleht.
Thérèse hat ein außerordentliches Vertrauen in die
rettende Liebe des Herrn. Wir bemerken dies auch noch in einem anderen
Theaterstück, vom Jänner 1896, das sie für den Namenstag
der damaligen Priorin Agnès geschrieben hat: Die Flucht nach Ägypten.
Wie Maria (Thérèse hat diese Rolle gespielt!) und Josef mit
dem Jesuskind, da sie kein Dach über dem Kopf hatten, in einer Höhle
bei der Familie eines … Räubers Zuflucht gesucht haben. Maria heilt
Dimas, das aussätzige kleine Kind dieser Familie. Aber Susanna, die
Mutter, ist bezüglich der Zukunft des Kleinen weiterhin besorgt: wird
er nicht, da er in diesem Milieu heranwächst und erblich bedingt,
in die Fußstapfen seines Vaters treten? Maria macht ihr klar, dass
sie sich wegen des kleinen Dimas wirklich keinen allzu großen Illusionen
hingeben sollte, da er nicht besser als sein Vater werden würde…
Aber mit einem prophetischen Blick in die Zukunft sagt sie, dass ihr
Sohn, Jesus, eines Tages vom Kreuz aus zu Dimas sagen wird: Heute noch
wirst du bei mir im Paradiese sein.
Die Güte Jesu wird den guten
Schächer
bis an sein Ende begleiten! Er läßt ein Werk
nicht gern unvollendet! Vorausgesetzt, dass Dimas sich eine gewisse
Offenheit bewahrt … Denn, so sagt Thérèse (Maria) zu Susanna:
Hab Vertrauen in die unendliche Barmherzigkeit des lieben Gottes; sie ist groß
genug, um die größten Verbrechen auszulöschen, wenn sie
das Herz einer Mutter findet, die ihr ganzes Vertrauen in sie setzt. Jesus
will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre
und in Ewigkeit lebe (Récréations Pieuses 6).
So bleibt Thérèse in ihren Gedanken, ihrem Gebet und ihrem Opfer Miterlöserin. Ja, gerade auch in diesem Theaterstück im Opfern. Während der Aufführung stößt sich die Priorin Agnès, der zu Ehren dieses Fest gefeiert wird, an der Umgangssprache der Gauner, ihren Studentenliedern, den Scharmützeln der Novizinnen, die sich an den leeren Flaschen (in angemessener Weise!) anscheinend gütlich tun, und an der Länge des Stückes. Sie läßt das Schauspiel mittendrin abbrechen. Thérèse trocknet schnell einige Tränen und versucht neuerlich zu lächeln. Fortan wird sie nur noch kürzere Theaterstücke schreiben …
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