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Hugo von Cluny, »der Große«
S. Hugo, Abb. Cluniac. (29. April, al. 13. Mai, 5. Juli). Dieser heil. Abt, der sechste von Cluny (Clugny), ein Sprosse des herzogl. Stammes von Burgund, wurde im J. 1024 zu Semur, Bisthums Autun, geboren. Seine Eltern waren Dalmatius, Graf von Semur in Burgund, und Aremburga von Vergy. Seine Erziehung leitete der Bischof Hugo von Auxerre, sein Großoheim. Obwohl der Jüngling seiner Neigung nach sich unmittelbar dem geistlichen Stande gewidmet hätte, ergriff er doch, weil der Vater es wünschte, eine Zeit lang den Dienst der Waffen. Aber er hatte an dem wilden Treiben seiner Altersgenossen keine Lust. Seine Gedanken waren stets auf die Ewigkeit gerichtet, und ebendeßhalb war ein unwiderstehlicher Ernst in seinen Zügen, der alle Jugendstreiche strenge mied und tadelte. Als einst seine Kameraden einem Bäuerlein seine Kuh wegnahmen, schmerzte es ihn bitter, und er leistete für sich vollkommenen Ersatz, obwohl er an dem Frevel keinen Theil genommen hatte. Er war 15 Jahre alt, als er in J. 1039 der Welt gänzlich den Abschied gab und an den Klosterpforten von Cluny um die Aufnahme nachsuchte. Als er eingekleidet wurde, rief einer der Mönche: »O glückliches Cluny, du hast einen Schatz, kostbarer als alle andern, gefunden!« Der Vater hatte zwar diesen Schritt nicht gern gesehen, gewann aber bald die Ueberzeugung, daß sein Sohn den ihm bestimmten Beruf getroffen habe. Bald gewann er das Vertrauen seines Abts und seiner Mitbrüder in solchem Grade, daß der Jüngling als Prior eingesetzt und mit einer wichtigen Sendung nach Deutschland betraut wurde. Es handelte sich nämlich um die Versöhnung der Mönche von Payerne 1, einer zur Congregation von Cluny gehörigen Abtei, mit Heinrich III. oder dem Schwarzen. Die Mission glückte vollkommen. Noch als unser hl. Hugo dort war, vernahm er die Nachricht von dem Tode seines Abtes Odilo und kehrte sogleich in sein Kloster zurück. Dort tröstete er die Gemeinde über den Verlust ihres tugendhaften Vorstands. Nun war es aber bald Zeit geworden, einen neuen Abt zu wählen; der Aelteste sprach sich für unsern Hugo aus, die Gemeinde trat einstimmig in seine Ansicht ein, und so wurde derselbe auch wirklich gewählt. Am 22. Febr. 1049 wurde er vom Erzbischof Hugo41 von Besançon (Chrysopolis) zum Abte geweiht. Seine Amtsführung schildert sein Biograph Hildebertus8 kurz und treffend in zwei Zeilen: »Unter seiner Leitung fehlte weder dem Unrecht die Bestrafung, noch der Frömmigkeit die Aufmunterung.« Bald hatte er Gelegenheit, auch der gesammten Kirche sich nützlich zu erweisen. Noch im October des Jahres 1049 erschien er auf dem Concil zu Rheims und erhob festen Muthes seine Stimme gegen die Simonie und das Concubinat der Geistlichen. Er gewann einen bedeutenden Einfluß auf Papst Leo IX., den er nach Rom zurückbegleitete. Auch hier wohnte er einem gegen Berengars Irrthümer gehaltenen Concil bei. Aber auch weltliche Fürsten schätzten ihn hoch, sowohl wegen seiner Frömmigkeit, als auch wegen der Weisheit seiner Rathschläge. So vermittelte der Heilige den Frieden zwischen Kaiser Heinrich III. und König Andreas I. von Ungarn. Wie sehr ihm aber Ersterer gewogen war, erhellt aus einem Briefe, den er an ihn schrieb, worin er ihn einladet, nach Köln aufs Osterfest zu kommen und daselbst seinen Sohn (den nachmaligen Kaiser Heinrich IV.) aus der Taufe zu heben, was auch geschah (im J. 1057). Dem König Philipp I. von Frankreich schrieb der hl. Hugo einen ernsten Mahnbrief, um ihn zu bewegen, seine vielen Aergernisse durch den Entritt ins Kloster abzubüßen, ein Rath, welcher gut gemeint war, aber nicht befolgt wurde. Auch mit dem König Alphons VI. von Spanien wechselte er Briefe. Dem Papste Stephan X., welcher im J. 1058 zu Florenz starb, leistete er geistlichen Beistand. Mit Papst Victor III. hatte er schon, da er noch in Cassino Abt gewesen, einen Gebets- und Liebesbund geschlossen, an welchem alle unter ihm stehenden Klöster theilnahmen. Die Päpste Nicolaus II. und Gregorius VII. schenkten ihm ihr ganzes Vertrauen. Letzterer hatte ihn in Cluny kennen und achten gelernt. Eines Tages sah er damals den Herrn selbst an des hl. Hugo Seite, wie Er ihm Regeln und Vorschriften für die Leitung des Ordens mittheilte. Viele Briefe, die der Papst an den Heiligen schrieb, sind auf uns gekommen. Oft lud ihn derselbe ein, nach Rom zu kommen. »Wir können es,« schreibt er ihm einmal, »nicht länger übertragen, daß du dich fortwährend weigerst, hier zu weilen. Darüber empfinden wir große Angst und Verwirrung des Geistes. Du solltest dich erinnern, wie viele und wichtige Geschäfte wir in deine und unsers Mitbruders, des Bischofs Giraldus von Ostia, Hand gelegt haben.« Das schönste Charakterbild von ihm gibt sein Biograph Hildebertus in folgenden Worten: »Sein (des hl. Hugo) ganzes Leben nahm bald Maria (die Beschaulichkeit), bald Martha (das thätige Leben) für sich in Anspruch. Unersättlich in der Lesung, unablässig dem Gebete obliegend, nützte er jede Zeit, sei es für Andere, sei es für sich. Man kann schwer sagen, ob er mehr klug oder mehr einfältig war. Wie er nichts Müßiges redete, so that er nichts Unehrbares. Das Zürnen kannte er nicht, ausgenommen gegen große Fehler. Sein Lehrwort, auch wenn er es an Einzelne richtete, konnten Alle gebrauchen. Er hatte mehr von einem Vater als von einem Richter an sich, mehr Milde als Strenge. Sein Aeußeres war ansehnlich, seine Haltung erhaben; aber er übertraf die Gaben des Körpers durch seine Tugenden. Schwieg er, so verkehrte er mit dem Herrn; redete er, so redete er von Ihm und in Ihm. Mußte er sich mit verschiedenen Dingen beschäftigen, so zeigte er sich allen gleich gewachsen; denn von dem, was er in Angriff nahm, war er immer ganz eingenommen. Er liebte in geordneter Liebe Gott über sich, den Nächsten gleichwie sich, die Welt unter sich.« Man kann in Worten das Bild eines Heiligen nicht schöner malen. Unter ihm erreichte deßhalb auch die Congregation von Cluny ihre schönste Blüthe und breitete sich in Italien, Lothringen, England, in der Normandie, in Frankreich und Aquitanien, in Spanien, in der Provence etc. aus. Hören wir noch einen andern, beinahe gleichzeitigen Bericht über ihn: »Er war,« heißt es in demselben, »überaus keusch, dem Leibe und dem Geiste nach, dem Gebete und dem Almosen ohne Aufhören zugethan, der standhafteste Wächter und Förderer klösterlicher Zucht, der unermüdlichste Bildner vollkommener Mönche und zum Kirchendienst geeigneter Personen, der eifrige Beschützer und Verbreiter der heiligen Kirche.« Cluny selbst betreffend, sagt eine andere Quelle: »Er war nicht blos adelig dem Geblüte, sondern auch dem Geiste nach; er hat diesen Ort (Cluny) mehr als irgend einer seiner Vorfahren mit Gebäuden, Ornamenten, Besitzungen, Klöstern, Zellen in unglaublicher Weise durch seine treue und sorgsame Thätigkeit bereichert.« Namentlich war es eine herrliche Kirche in Cluny, die er nach W. W. (II. 640) im J. 1089 erbaute, und die als die größte der Welt bezeichnet wird, so zwar, daß selbst das spätere St. Peter in Rom nicht sehr bedeutend dieselbe übertraf. Als bei der Säcularisation diese herrliche Kirche von der Stadt Cluny um 100,000 Franken angekauft und bis auf wenige Reste abgebrochen wurde, sagte nach W. W. (II. 642) Napoleon nachher deßhalb zu den Bürgern von Cluny, die ihn zu sich einladen wollten: »Allez, vous êtes des Vandales.« Wie der Lebensbeschreiber erzählt, so wurde der Heilige durch eine Vision des hl. Petrus, die ein kranker Bruder hatte, zur Erweiterung des für die große Gemeinde viel zu beschränkten Gotteshauses aufgefordert, dem Bruder aber für den ausgerichteten Auftrag vom hl. Apostel die Genesung versprochen, die ihm dann auch wirklich zu Theil ward. Unter seinen Schülern ragen mehrere durch Heiligkeit des Lebens und durch Gelehrsamkeit hervor, z. B. der sel. Cardinalbischof Gerardus22 von Ostia, zuvor Scholasticus von Regensburg, der hl. Udalricus (Uldaricus), gleichfalls ein geborner Regensburger, der als Gewissensrath und Beichtvater in Cluny allgemeines Vertrauen genoß; der hl. Bischof Goderanus von Saintes, der Erzbischof Durannus von Toulouse, der Herzog Hugo von Burgund und viele Andere. Ja selbst zwei der berühmtesten Päpste waren beim hl. Hugo in die Schule gegangen, nämlich Urban II. und der hl. Gregor VII. (s. S. Gregorius20). An den hl. Hugo, als »seinen liebsten und theuersten geistlichen Vater«, schrieb auch Kaiser Heinrich IV. in einer Anwandlung von Reue, als bereits sein Sohn Heinrich V. sich wider den Vater empört hatte: »Weil wir immer deine Güte und väterliche Sorgfalt gegen uns erfahren haben, so daß wir durch deine Gebete, wie wir fest glauben, von vielen Gefahren befreit worden sind; darum, theuerster Vater, eilen wir nach Gott zu dir, als einer besondern Zuflucht in unserer Noth, und bitten demüthig, daß wir wenigstens bei dir einen Trost in unserm Elende finden. O daß es uns doch gegönnt wäre, dein engelgleiches Angesicht leibhaftig zu schauen; daß wir, zu deinen Knien liegend, unser Haupt, das du aus der Taufe gehoben, in deinen Schooß legen und dort zu gleicher Zeit unsere Sünden beweinen und unsere Leiden erzählen könnten!« Mit noch größerm Vertrauen unterstellten sich heilsbegierige Seelen seiner geistlichen Leitung. Unter den von ihm gegründeten Klöstern nennen wir besonders das Frauenkloster zu Marcigny (Marciniacum), das er mit Hilfe seines Bruders Gaufridus von Semur erbaute, »damit auch sündigen Frauen, welche aus den Schlingen der Welt dahin fliehen und ihre Fehltritte herzlich bereuen wollen, durch die göttliche Gnade der Eintritt in den Himmel geöffnet werde.« Bald war diese Zufluchtsstätte heiliger Seelen von Nonnen gefüllt, die mit solcher Strenge an der Regel hielten, daß sie das Kloster sogar nicht verlassen wollten, als eine heftige Feuersbrunst sämmtliche Gebäude in Asche zu legen drohte. Auf dieß hin faßte sodann Erzbischof Hugo von Lyon, diese Standhaftigkeit bewundernd, den Muth, im Namen des Herrn den sich dahinwälzenden Feuerflammen Halt zu gebieten, worauf der Brand sich legte. Der hl. Hugo erbaute auch die später so berühmt gewordene Abtei la Charité sur Loire; er sammelte die Klöster Figeac, St. Antonin, St. Oyen d'Auches, Lezat, Moissac, Vabres u. a. unter seine Fittige (vgl. Biedenfeld II. 3) und hielt trotz seines sanften Wesens die Ordnung überall aufrecht. Auch mehrere neue Stiftungen in der Schweiz kamen nach Burgener unter dem heil. Abte an Cluny, als: Rüeggisberg im Kanton Bern, Münchweiler (Villars-le-Moine) bei Murten, Cercelles in Neuenburg, Rougemont in der Grafschaft Greyerz (Gruyères, Griers, Gryers), sowie auch im J. 1105 das von Burkard von Hasenburg, Bischof von Basel, im J. 1083 gegründete Gotteshaus St. Alban in Basel. Wie andere Heilige besaß auch er zuweilen Kenntniß geheimer Fehler oder Tugenden seiner Untergebenen. Einst visitirte er das Kloster la Charité (Maria de caritate) und empfing von allen Brüdern den Kuß des Friedens, nur Einem entzog er seinen Mund und konnte ihn nicht küssen. Die eingeleitete Untersuchung stellte heraus, daß dieser Bruder Nekromantie getrieben hatte. Als er aus derselben Ursache in St. Jean d'Angely weilte, sah er einen Blitz ins Kloster zu Cluny einschlagen und großen Schaden daselbst anrichten. Er kehrte schleunigst zurück und entdeckte auf der Stelle den Schuldigen: »Erröthe Petrus,« sprach er zu ihm »und thu Buße, so lang du noch Zeit hast, damit du nicht etwa anfangest, Buße zu thun, wenn sie Niemandem mehr nützen kann; offenbare dich ganz dem Prior, zeige ihm die Wunde deiner Seele, damit dir, nach Beschaffenheit der Wunde, die heilende Kraft des Erlösers zu Hilfe komme.« Durch seine mächtige Fürbitte erhielt mancher geistig und leiblich Bedrängte Trost und Rettung. Auch seinen Tod sah er voraus. Derselbe erfolgte im J. 1109 am 29. April, (oder eigentlich am 28. April Nachts), im 85. Jahre seines Alters. Er wurde in der größern Abteikirche St. Peter und Paul, die er selbst erbaut hatte, beigesetzt. Wenige Jahre nach seinem Tode (im J. 1121), noch unter seinem Nachfolger Pontius, wurde er von Callistus II. in die Zahl der Heiligen gesetzt. Sein Name steht am 29. April auch im Mart. Rom. Seine Uebertragung fällt auf den 13. Mai (III. 185). Bei Ferrarius und Andern (vgl. Jul. II. 214) wird er am 5. Juli genannt. (III. 628-662.)
1 ▲ Auch Peterlingen oder Päterlingen (Paterniacum) genannt, im Kanton Waadt [in der Schweiz].