
Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Teresa von Jesus (von Ávila, »die Große«)
S. Theresia a Jesu, V. (15. Oct. al. 27. Aug.) Das Lebensbild dieser großen Heiligen hat auf die drei Dinge zu achten, welche im Kirchengebete ihr zu Ehren hervorgehoben sind: die Freude über ihre Festfeier, die Andacht, zu welcher die Gnaden, welche Gott ihr geschenkt hat, uns erheben, und die himmlischen Lehren, die in ihrem Leben und in ihren Schriften enthalten sind. Ihr Name heißt spanisch Teresa; die bei uns gewöhnliche und gewiß auch etymologisch richtige Schreibweise ist Theresia. Diesen Taufnamen soll sie (nach Guerin XII. 356) von der gleichnamigen Gemahlin des in Spanien vielfach verehrten hl. Paulinus erhalten haben. Nach demselben Schriftsteller erhielt sie in der Pfarrkirche von St. Johann zu Avila die heil. Taufe. Die Geschichte ihres innern (nebenbei auch des äußern) Lebens bis zum Beginne der Ordensreform fing sie im J. 1562 auf Befehl ihres Beichtvaters zu schreiben an. Sie ist die Hauptquelle, welche wir hier benützt haben. Die erste und wichtigste Bearbeitung ihres Lebens ist von ihrem Beichtvater Ribeira, welche die Boll. (V. 538-725) in lateinischer Uebersetzung neu herausgegeben haben. Auch die Beigaben und Commentare, welche sich daselbst (109-537 und 725-790) finden, sind äußerst beachtenswerth. Außer den Legenden, welche ihr Leben sämmtlich mit verdienter Sorgfalt behandeln, (vgl. besonders Butler, XV. 1-228) sind folgende deutsche Bearbeitungen ihres Lebens zu beachten: Marckovitsch, Geschichten von denkwürdigsten Begebenheiten, welche sich mit der hl. Jungfrau Theresia de Jesu zugetragen haben, Wien 1718; Buchfelner, Lebensgeschichte der hl. Jungfrau Theresia, Augsburg 1826; Leben der hl. Theresia, Cöln 1841; Pösl, Leben der hl. Theresia von Jesu, Stifterin des Barfüßer-Carmeliten-Ordens, Regensburg 1841. Gute Uebersetzungen ihres Lebens und ihrer Schriften sind von Schwab (3. Aufl., sorgfältig überarbeitet von Jocham), Fr. Schlosser Ludwig Carus und neuestens von der Gräfin Hahn-Hahn mit vorangeschickter Lebensbeschreibung der Heiligen, und (nach der Ausgabe von Bouix) von A. K. erschienen.
Im Eingange ihrer Lebensbeschreibung beklagt sich die Heilige, daß ihr nicht
gestattet worden sei, vielmehr ihre Sünden zu beschreiben, als die ihr von Gott
verliehenen Gnaden und ihre Weise zu beten. Wie ihre Selbstbekenntnisse bezeugen,
hatte sie hierin große Freiheit, aber man mußte ihr Mäßigung auferlegen, weil
sie in ihrer großen Demuth oft schwere Sünden sah, wo gewöhnliche Menschen kaum
etwas Unvollkommenes entdecken. Doch wird Niemanden überraschen, daß, weil die
göttliche Gnade in ihrer Kindheit und ersten Jugend die künftige Heilige erst
vorbereitete und bildete, die Anfänge ihres heil. Lebens mancherlei Mängel und
Unvollkommenheiten zeigen. Sie erblickte am 28. März d. J. 1515 in der Stadt
Avila in Altcastilien das Licht der Welt. Ihre Eltern, Alphons Sanchez de Cepeda
und Beatrix de Ahumada, rühmt sie (Selbstbiographie, Cap. 1) als tugendhaft und
gottesfürchtig. Sie hatte noch zwei Schwestern und neun Brüder, von welchen drei
aus der ersten Ehe ihres Vaters stammten. Sie war das letzte Kind, das den
gottesfürchtigen Eheleuten geschenkt wurde. Von ihr selbst erfahren wir, daß der
Vater gerne in guten, spanisch geschriebenen Büchern las, und auch seine Kinder
in denselben lesen ließ. Damit ist zugleich gesagt, daß es ihnen an
Unterweisungen und Belehrungen nicht fehlte. Ebenso gab er ein vortreffliches
Beispiel. Er trug große Liebe zu den Armen und Kranken, war mild und
menschenfreundlich mit den Dienstboten, ein strenger Liebhaber der Wahrheit und
in höchstem Grade rechtschaffen. Niemals hörte man von ihm mürrische und zornige
Reden, noch weniger Fluchworte; auch duldete er nicht, daß in seiner Gegenwart
von den Fehlern Abwesender gesprochen wurde. Von ihrer Mutter erzählt sie, daß
sie bei großer körperlicher Schönheit, obwohl erst 33 Jahre alt, so ehrbar und
ernsthaft wie eine bejahrte Matrone, zugleich aber eine geistreiche und
liebenswürdige Frau war, welche oft mit ihren Kindern betete, und ihnen eine
besondere Andacht zur Mutter Gottes und gewissen
Heiligen, zu deren Verehrung und Anrufung sie bestimmte Gebete auswendig lernen
und hersagen mußten, einprägte. Sie starb, als die hl. Theresia beinahe zwölf
Jahre alt war, eines frommen Todes. Die gute Tochter blickte nicht ohne schwere
Besorgnisse in die Zukunft. Sie war von Natur aus lebhaft, empfindsam, schnell
erregt, feurig, und nicht ohne Hang zur Eitelkeit. In ihrer kindlichen
Frömmigkeit trat sie im Gefühle des großen Verlustes, der sie getroffen hatte,
vor ein Marienbild, und bat flehentlich und unter vielen Thränen die heil.
Jungfrau, ihr eine zweite, noch bessere Mutter zu sein. Eine ihrer
Lieblingsbeschäftigungen war, in freien Stunden mit ihrem Bruder Roderich die
Lebensgeschichten der Heiligen zu lesen. Sie kamen dabei auf den Gedanken, das
Martyrium sei der kürzeste und leichteste Weg in den Himmel, welcher durch die
einfache Hinopferung des Lebens sehr billig erkauft sei, und verabredeten sich
miteinander, sich zu den Mauren zu begeben, und als Martyrer zu sterben. Sie
wußten aber keinen Weg und hatten kein Reisegeld. Diesen Mangel wollten sie zwar
durch Betteln ersetzen, aber der Plan mußte doch aufgegeben werden, weil sie
durch heimliche Entfernung ihre Eltern nicht betrüben wollten. Auf diese Art
unterblieb das Vorhaben, so sehnlich die Geschwisterte dessen Erfüllung gewünscht
hätten. 1Ob sie später doch davongingen,
ist zweifelhaft, so bestimmt die Legenden es auch versichern. Die Heilige selbst
würde darüber nicht geschwiegen haben, wenn es geschehen wäre. Demungeachtet ist
das Kirchenlied (Schlosser I. 333) wahr:
»Kaum siebenjährig
Beutst du dein Blut dar,
Den Wütrich suchst du,
Den Tod nicht scheust du!«
An dem Orte, wo die Geschwisterte umgekehrt sein sollen, wurde später ein kleines Denkmal errichtet. Eine andere ihrer Unterhaltungen bestand in
Gesprächen über die ewige Dauer der Belohnungen und Strafen im andern Leben. Um
ihren Drang nach dem Einsiedlerleben zu befriedigen, fingen sie an, im Garten
eine Klause zu bauen, aber dieselbe fiel immer wieder zusammen, weil sie den
aufgeschichteten Steinen keinen Halt zu geben wußten. Andere fromme Uebungen,
wie Almosengeben aus ihren Ersparnissen, gemeinsame Abbetung des Rosenkranzes an
einsamen Orten und Aehnliches gingen besser von statten. So oft die Kinder auf
die Frage kamen, was sie einmal werden wollten, so lautete die Antwort jedesmal:
»Entweder Einsiedler oder Martyrer.« Uebrigens sagt die Heilige ausdrücklich,
daß sie alle ihre Geschwistern sehr lieb hatte, und auch von ihnen geliebt wurde.
Ihre Sehnsucht nach dem Martyrium verklärte sich allmählig in die Sehnsucht nach
der Vereinigung mit Gott auf dem Wege der vollkommenen Liebe und der beständigen
Versetzung in seine Gegenwart. Zu jener, sagt sie, hatte nicht die Liebe zu Gott,
sondern lediglich das Verlangen, auf dem kürzesten und sichersten Wege in den
Himmel zu kommen, den Anlaß gegeben. Der gütige Gott führte sie allmählig zu
besserer Erkenntniß. Im elterlichen Hause befand sich ein Gemälde, das
Jesus im Gespräche mit der Samariterin
darstellte. Vor diesem Bilde kniete sie oft nieder und seufzte laut wie das Weib
aus Sichem: »Gib mir, o Herr, dieses Wasser!« Diese Bitte trug sie durch ihr
ganzes Leben in ihrer Seele; sie ist der Grundton, der in ihren spätern
Betrachtungen und Belehrungen über das Gebet beständig nachklingt. Damit verband
sie die oftmalige Uebung der gänzlichen Hingabe ihres Leibes und ihrer Seele an
die göttliche Majestät.
So war und blieb es aber nicht immer; es gab auch Stunden und Tage, die mehr
dem Weltsinne und der Eitelkeit zugeneigt waren, als dem lieben Gott. Je mehr
sie körperlich reiste, desto mehr regte sich in ihr das Verlangen, schön zu sein
und als schön zu gelten; sie flocht sorgfältig ihre Haare, und fand Wohlgefallen
an schönen Kleidern und Wohlgerüchen. Noch gefährlicher wurde ihr (l. c., Cap.
2.) das Lesen von Rittergeschichten ohne und gegen die Erlaubniß des Vaters,
aber mit heimlicher Zustimmung der Mutter, die solche Bücher selbst gerne las,
und der zu vertrauliche Umgang mit einer weltlich gesinnten Verwandten,
Letzteres jedoch erst nach dem Hinscheiden ihrer Mutter. Allmählig traten die
frühern Kloster- und Einsiedlergedanken in den Hintergrund, während ihre
derzeitige Vereheliehung Gegenstand des Nachdenkens wurde. Sie redete und that
aber auch in den Jahren der erwachenden Sinnlichkeit nie etwas Böses,
insbesondere mied sie ängstlich jede schwere Sünde und alles unehrbare Wesen,
jedoch nach ihren Selbstbekenntnissen weniger aus Gottesfurcht, als um ihre Ehre
unbefleckt zu bewahren. Wohl aus dieser Ursache wurde die Angabe, daß sie nie
eine Versuchung gegen die Reinigkeit gehabt, zu Rom mit klugem Mißtrauen
aufgenommen. Um sie diesen Gefahren zu entziehen, übergab sie der sorgsame Vater,
weil er sie nach Verheirathung ihrer ältern Schwester nicht allein zu Hause
haben wollte, ganz in der Stille den Augustinerinnen zu Avila zur weitern
Ausbildung. Hier gewann sie (l. c. Cap. 3) im J. 1529 die Zuneigung einer
Klosterfrau, die von entschiedenem Einflusse auf ihr künftiges Leben war. Auch
was sie sonst im Kloster sah und hörte, machte auf sie einen günstigen Eindruck.
Die Worte Jesu: »Viele sind berufen, Wenige
aber auserwählt«, und der Lohn, welcher denen verheißen ist, welche um
seinetwillen alles verlassen, lenkten ihre Gedanken wieder mehr den himmlischen
Dingen zu. Sie fing an, viele mündliche Gebete zu verrichten, und empfahl ihre
zukünftige Standeswahl öfter dem Gebete der Klosterfrauen. Zugleich machte sie
in diesem Kloster, wie aus dem Folgenden hervorgeht, in ihrer nahezu
wissenschaftlichen Bildung (auch etwas Musik scheint sie gelernt zu haben) große
Fortschritte. Da sie aber erkrankte, nahm sie der Vater nach etwa 18 Monaten
wieder zu sich, und schickte sie, nachdem das Schwerste überstanden war, behufs
vollständiger Erholung auf das Land zu ihrer verheiratheten Schwester. Noch
immer war sie, nach ihren Bekenntnissen, eine nachlässige Dienerin Gottes. Auf
dem Wege zu ihrer Schwester besuchte sie einen Onkel, bei welchem sie einige
Tage blieb. Sie mußte ihm aus geistlichen Büchern vorlesen, woran sie damals
noch wenig Freude hatte. Seine Gespräche von Gott und der Eitelkeit alles
Irdischen erweckten gleichwohl in ihr die lebhafte Erinnerung an die Wahrheiten,
welche sie in ihrer Kindheit so sehr begeistert hatten. Die Betrachtung der
Hölle und des Fegefeuers erschreckte sie; sie fing an, sich Vorwürfe zu machen,
daß sie das strenge und bußfertige Leben guter Klosterfrauen für zu schwierig
ansehe, während Jesus für uns unendlich Schwereres freiwillig getragen habe, und
durch seinen Beistand gewiß auch ihrer Schwäche zu Hilfe kommen würde. Die
Briefe des hl. Hieronymus, welche sie um diese Zeit
las, bestärkten diese Eindrücke, und so kam es, daß sie nach dreimonatlichen
Kämpfen mit sich selbst eines Tags vor ihren Vater trat, ihn bittend, er möge
ihr erlauben, in ein Kloster zu gehen. Die Bitte wurde abgeschlagen; nach seinem
Ableben, sagte der Vater, könne sie thun, was ihr gut
schiene. Dieses Zugeständniß befriedigte sie nicht; sie meinte, es sei
hinreichend, wenn der Vater sich nichts ausbedinge, als die Wahl des Klosters,
in welches sie einzutreten hätte. Die Vermuthung, daß sie mit dieser Bitte
zuletzt durchgedrungen sei, dürfte nicht ungerechtfertigt sein, denn am 2.
November d. J. 1035 (1533) nahm sie das Ordenskleid der Carmelitinnen. Es ist
nicht anzunehmen, daß sie es gegen die Erlaubniß ihres Vaters that, denn sie
selbst erzählt (l. c, Cap. 4), wie schwer ihr der Abschied vom Elternhause
gefallen sei; sie hatte ein Gefühl, wie wenn alle ihre Gebeine, eines um das
andere auseinander gerenkt würden. Auch besuchte sie der Vater sehr fleißig,
fragte ihr nach, und sprang ihr bei, wenn sie erkrankte. Nachdem sie
eingekleidet war, gab ihr der Herr zu erkennen, wie wohlgefällig es Ihm sei,
wenn man sich um seinetwillen Gewalt anthue, obwohl äußerlich davon Niemand
etwas bemerkte, sondern die größte Freude und freieste Hingabe zu erkennen
glaubte. Sie erhielt wirklich bald große Zufriedenheit mit ihrem Stande, und die
Trockenheit ihrer Seele ging in die innigste Andacht über. An allen, auch den
niedrigsten Beschäftigungen, hatte sie die nämliche Freude, wie früher an
Vergnügungen und Unterhaltungen. Von ihrer Profeßablegung schreibt sie: »Wenn
ich mich erinnere, wie ich meine Profeß ablegte, mit welcher uneingeschränkten
Entschließung und inneren Zufriedenheit ich mich mit deiner Majestät vermählte,
so kann ich nicht ohne Thränen davon reden, aber diese sollten von Blut sein,
und mir das Herz zerreißen in Anbetracht der großen Beleidigungen, welche ich
dir später angethan habe.« Die Veränderung der Nahrung und Lebensweise fiel ihr
aber auf die Dauer beschwerlich. Bald nach ihrer Profeß erkrankte sie sehr
bedenklich. Herzleiden, öftere Ohnmachten, Athmungsbeklemmungen und ähnliche
Beschwerden verursachten ihr unsägliche Schmerzen. Man brachte sie nach Bazeda
zu einer Frau, die im Rufe einer Heilkünstlerin stand, in Wirklichkeit aber eine
Quacksalberin war. Eine Freundin, Schwester Johanna Suarez, übernahm ihre Pflege.
Drei Monate lang litt sie solche Schmerzen, daß sie später sich selbst wunderte,
wie sie dieselben ertragen konnte. Neben dieser Leidensschule nahm sie der Herr
während dieser Zeit noch in anderer Weise in seinen Unterricht. Die Kurzeit
begann erst im April; sie ging aber schon am Anfange Winters auf das Land zu
ihrer Schwester, bei welcher sie früher schon einmal gewesen war. Wieder kam sie
zu ihrem Onkel, welcher ihr ein Buch mit dem Titel: »Das dritte Alphabet« zu
lesen gab. 2Der Franciscaner Ossuna, so genannt von
seiner Geburtsstadt, gest. um d. J. 1540, hatte mehrere solche »Alphabete« verfaßt. Das bekannteste ist: Abecedario
Espiritual de las Circonstancias de la Passion de Christo nuostro Sennor y otros mysterios. Dasselbe enthielt eine Anleitung zum »Gebete
der Sammlung«. Sie beschloß, dieser Anleitung gemäß zu beten und brachte es
wirklich nach einiger Zeit dahin, daß es mit ihr besser wurde. Sie erzählt: »Der
Herr fing an, mir auf diesem Wege seine Gunst zu erweisen und so liebend zu
begegnen, daß er mir die Gnade des Gebetes der Ruhe schenkte, und ich allmählig
zum Gebete der Einigung vordrang, obgleich ich damals noch nicht verstand, was
das eine oder das andere eigentlich sei, oder wie hoch es zu schätzen gewesen
wäre, wenn ich es gewußt hätte. Die Einigung war allerdings jedesmal sehr kurz
und dauerte kaum länger als ein Ave Maria, hinterließ aber so große Wirkungen,
daß ich die Welt unter meinen Füssen sah, und, wie ich mich gleichfalls erinnere,
großes Mitleiden mit denjenigen empfand, welche ihr, wenn auch in erlaubten
Dingen, anhingen. Ich befliß mich so viel ich konnte, unser höchstes Gut, meinen
Herrn Jesus Christus, in meinem Innern zu tragen, als ob Er gegenwärtig wäre,
und ich gewöhnte mich auch so zu beten, daß ich mir bei jedem Schritte Ihn mir
in meinem Innern vorstellte.« Außerdem las sie fortgesetzt in guten Büchern,
welche bei dem Mangel eines Beichtvaters, der sie verstand, die Stelle eines
Lehrmeisters im geistlichen Leben vertraten. Ohne Hilfsbuch getraute sie sich
damals noch keine Betrachtung anzustellen, ausgenommen in der Zeit unmittelbar
nach der heil. Communion: »Meine Seele fürchtete sich, ohne Buch dem innerlichen
Gebete zu obliegen; sie empfand eine Art Bedrängniß und das Gefühl, als ob viel
Kriegsvolk zusammengekommen wäre, gegen sie zu streiten.« Manchmal kam es aber
vor, daß schon eine kurze Lesung sie so angeregt hatte, daß sie ohne Beihilfe
eines Buches die Betrachtung längere Zeit fortsetzen konnte. Schon glaubte sie
(l. c., Cap. 5), daß sie im Verlangen nach den ewigen Gütern bereits so
gefestiget sei, daß sie nach ihrer Meinung auch die größten zeitlichen Uebel
nicht mehr fürchtete. Der innere Drang war auch dieses Mal der Wirklichkeit
vorausgeeilt, denn sie gesteht offen: »Meine Willensmeinung war gut, aber meine
Willensthat war nicht gut; um vollständig gut zu handeln, hätte ich nicht das
geringste Böse thun dürfen.« Als sie mit beginnendem Frühjahre an den Kurort kam,
verschlimmerte sich sogleich ihr Zustand. Sie erzählt: »Nachdem ich gegen zwei
Monate die Kur durchgemacht hatte, hatte die Stärke der Medicamente mir fast das
Leben genommen. Mein Herzleiden, zu dessen Heilung ich hingegangen war, hatte
arg zugenommen, so daß es mir manchmal vorkam, ich würde mit spitzigen Zähnen
gebissen, und Viele meinten, ich sei wuthkrank. Meine Kräfte hatten so
abgenommen, daß ich vor Appetitlosigkeit und Eckel an allen Speisen keinerlei
Nahrung, weder trockene noch flüssige zu mir nehmen konnte; ich hatte beständig
ein starkes Fieber und die Mittel, welche mir einen Monat lang täglich gereicht
wurden, erschöpften mich so sehr, daß ich innerlich förmlich verbrannt war, und
die Nerven anfingen, sich zusammenzuziehen, so daß ich Tag und Nacht keine Ruhe
hatte. Dazu gesellte sich noch eine sehr tiefe Melancholie.« Nach solchen
Erfolgen nahm sie der Vater wieder nach Hause, um sie der Obsorge gewöhnlicher
Aerzte zu übergeben: »Sie gaben aber sämmtlich die Hoffnung auf und sagten, daß
ich außer den übrigen Uebeln auch noch die Abzehrung hätte.« Sie machte sich
wenig daraus, obwohl es ihr später beinahe unmöglich vorkam, daß sie so viele
vereinigte Uebel hatte ertragen können. Der liebe Gott verlieh ihr die Gnade der
Geduld und der Ergebung, so daß sie immer mit Ihm in Uebereinstimmung, und
gewissermassen ganz mit Ihm verbunden war. Oft sprach sie mit dem Dulder Job:
»Haben wir das Gute von der Hand des Herrn angenommen, warum nicht auch das
Schlimme?« »So kam,« erzählt sie weiter, »das Fest Mariä Himmelfahrt, auf
welches ich zu beichten verlangte. Da man glaubte, daß dieß aus Furcht vor dem
Tode geschehe, wurde meine Bitte abgeschlagen, damit mein Vater nicht in Angst
versetzt würde.« In derselben Nacht gerieth sie in einen todesähnlichen Zustand,
der nicht ganz vier Tage andauerte. Man gab ihr die letzte Oelung, und erwartete
jeden Augenblick ihr Ende. Da sie nicht zu sich kam, glaubte man wirklich, sie
sei gestorben, besonders da ihre Augendeckel selbst gegen Wachstropfen, die man
darauf fallen ließ, unempfindlich blieben. Ihr Vater war untröstlich;
unaufhörlich schrie er zu Gott um Wiederbelebung, weil er sie nicht hatte
beichten lassen, und fand Erhörung. Bereits hatte man in ihrem Kloster das Grab
geöffnet, in welches sie gelegt werden sollte, und in einem andern den
Leichengottesdienst gehalten, als sie wieder zu sich kam, ihre Beichte ablegen
und communiciren konnte. Nun war die äußerste Gefahr allerdings vorüber, aber es
folgten (l. c., Cap. 6) fast unerträgliche Schmerzen. Die Zunge war in Stücke
zerbissen, der Schlund schien zusammengewachsen, so daß sie nicht einmal Wasser
ohne Schmerzen hinunterbringen konnte, der Kopf war betäubt, der Leib
zusammengezogen wie ein Knäuel, ihre Hände und Füße, auch das Haupt lag
regungslos da, als ob sie gestorben wäre, nur einen Finger der rechten Hand
konnte sie willkührlich bewegen. Auch durfte sie Niemand anrühren, ohne daß es
ihr Schmerz verursachte, weßhalb zwei Wärter sie auf einem Leintuche oben und
unten hoben und legten, wie es nöthig war. So blieb es bis Ostern. Auf ihr
sehnliches Verlangen trug man sie in ihr Kloster zurück, zwar nicht todt, aber
mit einem Leibe, schlimmer als todt, denn sie war zum leeren Gerippe
herabgesunken. Nach acht Monaten ging es langsam besser, aber des Gebrauches der
Glieder war sie beinahe drei Jahre lang beraubt. Anfänglich mußte sie auf
Krücken gehen. Ihren innerlichen Zustand um diese Zeit beschreibt sie also:
»Alle diese Schmerzen und Krankheiten ertrug ich mit großer Gleichförmigkeit,
und von Anfang bis zu Ende in großer Freude mit dem Willen Gottes, und erachtete
sie für nichts im Vergleiche zu den Schmerzen und Peinen, welche ich am Anfange
ertragen hatte. Ich wäre auch, wie mir scheint, gleichförmig mit dem Willen
Gottes geblieben, wenn seine Majestät mich in diesem Zustande hätte lassen
wollen. Verlangte ich, gesund zu werden, so war es nur, um ungestört beten zu
können, wie ich war gelehrt worden, wozu im Krankenzimmer keine Gelegenheit war.
Ich beichtete sehr oft, und redete viel von Gott, so daß ich allen Schwestern
große Erbauung verursachte, und sie sich über die Geduld wunderten, welche mir
der Herr gab. Ach, nur mit der Hilfe Gottes war es möglich, so große Uebel mit
so großer Zufriedenheit zu ertragen. Eine große Gnade verlieh mir der Herr im
Gebete, daß ich nämlich immer besser verstand, was es Großes sei, Ihn zu lieben,
und in kurzer Zeit in mir neue Tugenden aufkeimen sah, wenn auch keine starken,
weil sie nämlich unzureichend waren, mich im Guten zu bewahren. Ich hatte nicht
die geringste Freude von irgend Jemandem auch das geringste Böse zu sprechen,
und es mir zur Regel gemacht, allem Geschwätze aus dem Wege zu gehen, da ich
nicht wollen dürfe, daß über Andere gesagt werde, was ich nicht von ihnen über
mich hätte hören wollen.« Gleichwohl trug sie das Verlangen in sich, wieder ganz
gesund zu werden. Später reute sie dieses Verlangen: »O mein Herr«, schreibt sie,
»ich wünschte mir die Gesundheit, um dir besser dienen zu können, und eben sie
war Schuld an meinem Verderben.« Um diese Zeit wählte sie den hl. Joseph
zu ihrem Schutzpatrone. Er habe, sagt ste, auf Erden den Namen Vater des
Erlösers getragen, und Ihm, obschon Er Gott war, befehlen dürfen, und deßhalb
erhöre dieser, sein Pflegesohn, alle seine Bitten. Auch andere, welchen sie diese
Andacht anrieth, machten die nämliche Erfahrung. Sie selbst wurde körperlich
allmählich wieder gesund, aber auf dem Wege der Vollkommenheit kam sie deßhalb
nicht vorwärts. Im Gegentheil hören wir sie gleichzeitig (l. c.., Cap. 7) bitter
klagen über Zerstreuung im Gebete, Unterlassung des innerlichen Gebetes aus
falscher Demuth, Vertiefung in Eitelkeiten dieser Welt, Mangel an Lust zum
tugendhaften Leben. »Es war mir sehr klar«, sagt sie, »daß dieser Mangel nur
daher kam, daß ich an dir selbst Mangel hatte.« Doch gestand sie dieß ihrem
Vater nicht ein, als das Gespräch eines Tages hierauf gekommen war. Ein großer
Theil dieser Unterlassungen kam jedenfalls daher, daß ihre Gesundheit keineswegs
gut war. Auch suchte sie das eigene Unvermögen dadurch zu ersetzen, daß sie
Andern, namentlich auch ihrem Vater, heilsame Rathschläge im geistlichen Leben
ertheilte. Sie pflegte ihn auch in seiner letzten Krankheit, stand ihm im
Sterben bei, und erbaute sich (sie war damals 24 Jahre alt) an seinem seligen
Ende. Es war ihr dasselbe Veranlassung, auch das innerliche Gebet wieder
aufzunehmen. Der Beichtvater ihres seligen Vaters hatte sie besonders darüber
belehrt, wie die entgegenstehenden Hindernisse zu überwinden seien. Gleichwohl
klagt sie (l. c., Cap. 8) fortwährend über den peinlichen Zwischenzustand, der
sie immer noch festhielt: »Ich hatte weder an Gott eine rechte Freude, noch fand
ich an der Welt meine Zufriedenheit.« Indessen war ihr Leben auch zu dieser Zeit
in der Wirklichkeit doch ein heiliges Leben. Sie schreibt: »Es ist wahr, daß in
diesen Jahren viele Monate, manchmal ganze Jahre waren, in welchen ich mich
sorgfältig hütete, Gott zu beleidigen und mich in hinreichender Weise dem Gebete
ergab; es vergingen wenige Tage, an welchen ich dieses nicht that, und dann war
ich entweder krank oder viel beschäftiget.« Ebenso darf nicht übersehen werden,
wie sorgfältig sie alle ordentlichen und außerordentlichen Mittel anwendete, die
ihr zu Gebote standen, um bis zur wirklichen Vollkommenheit vorzudringen. Um
nichts zu sagen von ihren fleißigen und gewissenhaften Beichten, von denen sie
selbst sagt, daß sie niemals unterlassen habe, Alles zu bekennen, was sie für
sündhaft hielt, ohne dabei zwischen läßlichen und schweren Sünden - eine solche
hat sie sicherlich nie begangen - zu unterscheiden, hörte sie auch mit großer
Aufmerksamkeit und Freude die Predigten an, obwohl ihr ganzer Bildungsgang, ihr
Beruf und ihre Lebensweise sie davon freisprechen müßte, gleichfalls
unterschiedslos, ob der Vortrag gut oder übel war, nur weil es Gottes Wort war
und es ihr Vergnügen machte, von Gott reden zu hören. Sie macht jedoch hierüber
folgendes Bekenntniß: »Von einer Seite empfand ich bei Anhörung der Predigten
große Tröstung, von der andern aber große Pein; letzteres, weil ich erkannte,
daß ich nicht sei, wie ich längst hätte sein sollen. Ich bat allerdings den
Herrn, daß Er mir helfe, aber wie mir jetzt scheint, habe ich darin gefehlt, daß
ich nicht ganz und vollständig mein Vertrauen nur auf seine Majestät setzte, und
das Vertrauen auf mich selbst nicht ganz und vollständig bei Seite ließ. Ich
suchte ein Heilmittel für meine Seele und zwar fleißig, bemerkte aber nicht, daß
dieses alles wenig helfe, wenn wir nicht das Vertrauen auf uns gänzlich wegthun
und es ganz auf Gott werfen. Ich verlangte zu leben, und sah gut ein, daß ich
nicht lebte, sondern daß ich mit einem Schatten des Todes kämpfte, ich hatte
Niemand, der mir das Leben gab, und es mir geben konnte. Der Herr aber, welcher
mir es geben konnte, hat mir verdienter Weise nicht geholfen, weil Er mich schon
oft zu sich zurückgeführt, und ich Ihn jedesmal wieder verlassen halte.« Je mehr
sie aber so zu sagen, aus sich selbst auszog, desto höher stieg ihre Seele von
Tugend zu Tugend. Gott selbst wurde ihr bester Führer und Rathgeber. Durch die
beständige Versetzung in seine Gegenwart gewann sie die Gnade des beständigen
Umganges mit Ihm. Die Mittel, welche sie hiebei zur Anwendung brachte, waren
(Selbstbiographie, Cap. 9) theils Gebetsübungen, theils die Lesung, besonders
der »Bekenntnisse« des hl. Augustinus, theils rein
natürliche, wie z. B. das andächtige Ansehen heiliger Bildnisse, worunter die des
leidenden Erlösers eine vorzügliche Stelle einnahmen, da sie bei der Betrachtung
sich dieselben wieder vorstellte, und die Betrachtung der Natur: »Es ergötzte
mich,« schreibt sie, »die Felder, die Gewässer und die Blumen zu sehen; ich fand
in diesen Dingen die Erinnerung an den Schöpfer, sie dienten mir zur Sammlung
des Geistes und ersetzten mir ein Erbauungsbuch.« Besondern Erfolg, schreibt sie,
hatte eines Tages das Gebet, sie werde sich nicht vom Platze bewegen, bis sie
erhört sei. Ihre tägliche Abendbetrachtung war seit vielen Jahren die Todesangst
des Heilandes auf dem Oelberge gewesen. Außerdem trug sie großes Vertrauen zu
der Fürbitte der hl. Büßerin Magdalena und
des hl. Büßers Augustinus, dessen Verirrungen sie ja auch getheilt zu haben
glaubte. Demungeachtet hatte sie manchmal große Trockenheit, die ihr viele
Leiden verursachte. Ein einziges Mal rief sie zum Herrn, sie mit seiner süßen
Gegenwart zu beglücken, aber dieses Gebet reute sie alsbald, weil es ihr schien,
daß ihr die Demuth fehle. Das Höchste, was sie erlangte, war der vertraute
Umgang mit dem Heilande selbst: »Es begab sich,« schreibt sie (l. c., Cap. 10)
»in dieser meiner Vergegenwärtigung Christi, daß ich mich ganz nahe bei Ihm
befand, es kam mir vor, Er stehe in mir, oder vielmehr, daß ich in Ihn ganz
versenkt sei.« Von jetzt an erhielt sie zahlreiche innere Belehrungen, die der
böse Feind durch falsche Einmischungen zu verderben suchte (l. c., Cap. 11-23).
Je mehr Gnaden sie empfing, desto mehr gerieth sie in Furcht, wegen der
Möglichkeit des Mißbrauches. Sie erkannte mit vollster Klarheit, daß die
Tugendblumen, die der Herr in ihrer Seele hatte aufwachsen lassen,
augenblicklich verwelken müßten, wenn sie irgend eine Nachlässigkeit sich zu
Schulden kommen ließe. Daher betete sie voll von Bekümmerniß: »Gestatte nicht, o
Herr, daß eine Seele zu Grunde gehe, welche du mit so vieler Mühe erworben und
von Neuem wieder aufgerichtet hast, und entreiße sie den Zähnen des
erschrecklichen Drachen.« Ein anderes Mal betete sie: »Gib, o mein Gott, daß ich
nichts Irdisches mehr werthschätze, oder nimm mich weg aus diesem Leben. Diese
deine arme Magd kann so schwere Mühen nicht ertragen, welche ohne dich über sie
kommen. Wenn ich leben soll, so will ich keine andere Ruhe haben, als die,
welche Du mir gibst. Meine Seele wünscht nur frei zu sein: Essen tödtet sie,
Schlafen quält sie; die Zeit des Lebens vergeht, und nichts als Du kann sie
trösten, so daß sie gegen die Ordnung der Natur zu leben scheint, weil sie nicht
in sich, sondern nur in Dir zu leben wünscht.« Eben deßhalb waren ihr gute, im
geistlichen Leben erfahrene Gewissensräthe unentbehrlich. Sie suchte (l. c, Cap.
24) mit allem Eifer, ob sie nicht einen solchen fände: endlich führte ihr Gott
einen frommen Priester der Gesellschaft Jesu zu, welchem sie eine Lebensbeichte
ablegte. Wer es war, ist nicht angegeben, aber sie gewann an ihm einen tüchtigen
Führer, der sie verstand, und vor allen Ueberschwänglichkeiten, die leicht
gefährliche Täuschungen herbeiführen konnten, durch seine wohlgemeinten und
guten Rathschläge bewahrte. Von ihrer zu großen Anhänglichkeit an den Umgang der
Menschen heilte sie der Herr selbst, indem Er ganz vernehmlich zu ihr sprach:
»Ich will, daß du von jetzt an nicht mehr mit den Menschen verkehrest, sondern
mit den Engeln,« denn in Folge dieser Ansprache suchte sie nur mit
gottesfürchtigen Menschen Gespräche und Verbindungen anzuknüpfen. Das Mißtrauen,
welches sie in sich selbst setzte, wurde von vielen, sogar frommen und gelehrten
Personen getheilt. Man warf ihr vor, daß sie als eine Heilige erscheinen wolle,
welche sich in Sonderheiten gefalle, und erklärte alle ihre Gesichte und
Offenbarungen als leere Selbsttäuschungen. Auch viele fromme Personen waren
dieser Meinung, so daß sie nahe daran war, an sich selbst irre zu werden. Es ist
schon erzählt worden, daß ihr Gott einen neuen Beichtvater aus der Gesellschaft
Jesu gegeben hatte, welcher ihr den Rath ertheilte, alle besondern Uebungen, die
nicht nothwendig und den Schwachen anstößig wären, zu unterlassen, eine neue
Lebensordnung anzufangen und mit Verzicht auf alle nicht vorgeschriebenen äußern
Andachtsübungen sich Abtödtungen und Bußwerke aufzuerlegen, und über die
Geheimnisse des Lebens und Leidens Jesu fleißig zu betrachten. Auch der heilige
Franz Borgias hatte sie bei seinem Aufenthalte
in Avila hierin bestärkt und aufgemuntert. Ohne solche Beruhigung hätte sie
zuletzt vielleicht selbst geglaubt, es seien alle ihre übernatürlichen
Erlebnisse nur Trugbilder des Teufels. Besondern Trost und viele Belehrung im
höhern Geistesleben erhielt sie von dem hl. Petrus
von Alacantara, welcher längere Zeit ihr Beichtvater war. Was sie am meisten
betrüben mußte, war die Beschuldigung der Besessenheit, die so ernstlich erhoben
wurde, daß man schon Vorbereitungen traf, die kirchlichen Exorcismen gegen sie
anzuwenden. Auch der Ketzerei wurde sie angeklagt, und die Strenge der
Inquisition wider sie angerufen. Sie duldete alle diese Anfechtungen, welche
nicht selten durch große innere Trockenheit noch verschärft wurden, mit großer
Geduld. Ueber die Weise, wie Gott zu ihr sprach, schreibt sie (l. c. Cap. 25):
»Seine Worte sind sehr deutlich, aber man hört sie nicht mit den leiblichen
Ohren, wiewohl vernehmbarer, als wenn sie körperlich vernommen würden.« Eine
Täuschung fürchtete sie anfänglich selbst, später nicht mehr; demungeachtet
bildeten und blieben die Vorschriften und Gebote ihrer Beichtväter und
kirchlichen Obern eigentlich die einzige Richtschnur ihrer Handlungen. Wäre der
Fall eingetreten, daß eine Offenbarung dem Rathe oder Gebote des Beichtvaters
widersprochen hätte, so würde sie diesem gefolgt haben. Sie hatte den Grundsatz,
bei Gesichten und Offenbarungen sei Täuschung möglich; wenn sie aber ihrem Obern
folge, sei kein Irrthum zu befürchten. Ihr späterer Beichtvater Alvarez sagte
eines Tages: »Sie ist lenksam wie das gelehrigste Kind in Allem, was ich
vorschreiben mag.« So hatte sie es in dem geheimnißvollen Umgange mit dem
Bräutigam ihrer Seele längst gelernt; sie schreibt (Selbstbiographie. Cap. 26):
»Jedesmal wenn mir der Herr im Gebete Etwas thun hieß, und der Beichtvater mir
etwas Anderes bestimmte, befragte ich wieder den Herrn, und jedesmal sagte Er
mir, ich solle dem Beichtvater gehorchen, und das Weitere Ihm überlassen, worauf
regelmäßig der Beichtvater dasselbe anordnete, was der Herr gewollt hatte.«
Dieser Gehorsam konnte an und für sich ihren Beichtvätern ein Beweis für die
Reinheit ihrer Offenbarungen sein, aber sie selbst hatte damals noch keine
Visionen, deren sie erst später gewürdiget wurde, und die entgegenstehenden
Urtheile und Zweifel des Beichtvaters, dem sie die gehörten Worte allemal
offenbarte, vermehrten ihre Aengstlichkeit. Zudem schreckte sie ein strenges
Bücherverbot, das sich über eine große Zahl spanisch geschriebener Bücher
verbreitete, während sie die lateinischen, welche man ihr erlaubte, nicht recht
verstand. Auch darüber tröstete sie der Herr, indem Er sprach: »Sei ohne Furcht,
denn ich werde dir ein lebendiges Buch geben.« Wirklich vermehrten sich von
diesem Tage an die himmlischen Belehrungen, so daß sie schreibt: »Seine Majestät
ist mir das wahre Buch gewesen, in welchem ich die Wahrheit selbst gelesen habe.«
Bald darauf hatte sie eine Vision, welche sie (l. c, Cap. 27) in folgender Weise
erzählt: »Es war an einem dem glorreichen Apostel Petrus
geweihten Tage, als ich mich im Gebete befand, daß ich ganz nahe bei mir sah
oder nur vielmehr fühlte - denn ich sah nichts, weder mit den Augen des Leibes
noch der Seele - daß neben mir, wie mir schien, der Herr Jesus Christus stand,
der mit mir redete. Ich war in solchen Visionen ganz unwissend und hatte eine
solche Furcht, daß ich nichts Anderes that, als weinen, bis Er ein einziges Wort
zu meiner Versicherung sagte, worauf die gewöhnliche Ruhe zurückkehrte, und ich
ohne alle Furcht bei dem Geliebten verweilte. Der Herr Jesus Christus schien
immer an meiner Seite zu gehen, aber da es keine bildartige Vision war, sah ich
von Ihm keine Gestalt. Um so klare fühlte ich, daß Er zu meiner Rechten stand
und Zeuge war von Allem, was ich that« Bald darauf (I. c., Cap. 28) erzählt sie
folgendes bildartige Gesicht: »Eines Tags hörte ich am Feste des hl.
Paulus die Messe. Da stellte sich mir die ganze
heiligste Menschheit Christi in der Gestalt, wie er als
Auferstandener gemalt wird, mit unendlicher Schönheit und Majestät vor Augen.«
Diese Erscheinungsweise war und blieb unter allen die vorherrschende, und man
darf hinzusetzen die einzige. Auch in der heil. Hostie sah sie den Herrn in
dieser Weise, und selbst wenn sie Ihn im Garten, oder mit der Dornenkrone, oder
das Kreuz tragend erblickte, was am öftesten zu ihrer Stärkung an leidensvollen
Tagen geschah, erschien Er ihr jedesmal im Zustande der Verklärung (l. c. 29).
Jedesmal nach solcher Gnadenerweisung spürte sie in sich eine Zunahme der
göttlichen Liebe, eine Erfahrung, welche sie den Zweifeln über die Wahrheit
dieser Erscheinungen mit gutem Grunde entgegenstellen konnte. Diese Liebe
erkannte sie deutlich als ein Sterben ihres eigenen Lebens und als Hineinleben
in Gott, verbunden mit großen innerlichen Süssigkeiten und öfterm Außersichsein.
Dazwischen kamen aber auf eine ihr unerklärliche Weise mancherlei innere und
äußere Anfechtungen. Besonders klagt sie (l. c. 30) über Trübsinn und eine fast
unwiderstehliche Neigung zum Zorne und zur Unverträglichkeit (ebenda). Das
Nämliche spürten die sie behandelnden Beichtväter, welche nicht selten statt des
Trostes und der Aufmunterung harte Worte gegen sie gebrauchten, dabei aber das
Geständniß ablegten, daß sie gegen ihre Absicht ihr wehe thaten. Es geschah das
am öftesten, wenn sie von ihren Gesichten und Offenbarungen den Beichtvätern
erzählt hatte. Oefter sah sie den bösen Feind, gegen welchen sie das heil.
Kreuzzeichen und geweihtes Wasser jedesmal mit Erfolg anwandte. Dabei machte sie
die Beobachtung, daß die Teufelserscheinungen bei Anwendung des Kreuzzeichens
augenblicklich zwar aufhörten, aber bald wieder zurückkehrten, während die
Besprengung mit dem geweihten Wasser sie gänzlich vertrieb. Die bekannte
Engelserscheinung erzählt sie in folgender Weise: »Ich sah ihn, einen langen,
goldenen Wurfspieß in der Hand, dessen Spitze von Eisen und, wie mir schien,
etwas glühend war; mit demselben stieß er mich einige Male so heftig in das Herz,
daß er bis in die Eingeweide vordrang; beim Herausziehen kam es mir vor, daß er
es mit sich nahm und mich völlig entbrannt von der Liebe Gottes zurückließ. Der
Schmerz war so groß, daß er mir laute Seufzer auspreßte, und doch von so überaus
großer Süßigkeit, daß ich ihn, wie groß er auch war, nicht wegwünschen konnte.«
Aber auch der Böse zeigte sich ihr in sichtbarer Gestalt (l. c., Cap. 31) und
mit abscheulichem Gesicht, und erschreckte sie mit entsetzlichen Reden, wobei
ihr schien, als schlage eine große Flamme, hell und schattenlos, aus seinem
Leibe. Ein anderes Mal peinigte er sie beiläufig fünf Stunden lang innerlich und
äußerlich mit Schmerzen und Unruhe. Sie erkannte, daß es der Teufel war, indem
sie einen äußerst häßlichen Mohren, der wie verzweifelnd mit den Zähnen
fletschte, an ihrer Seite sah. Wieder ein Mal sah sie eine große Menge böser
Geister um sich her, sie selbst aber kam sich vor wie in einem großen
Lichtglanze stehend, der sie von allen Seiten einschloß, so daß sie ihr nicht zu
nahen vermochten, woraus sie den Schutz Gottes erkannte, der verhinderte, daß
sie Ihn auf irgend eine Weise beleidigte. Ueber die Art dieser Gesichte bemerkt
sie, daß sie den Teufel oft ohne bestimmte Gestalt, selten in einer solchen
gesehen habe, doch seien beiderlei Gesichte gleich deutlich gewesen. Als diese
Dinge bekannt wurden, begann für sie in vielen Besuchen von zum Theil vornehmen
Personen ein neues Leiden. Sie meinte, daß sie bei ihrer Nichtswürdigkeit nicht
werth sei, daß man von ihr rede, und würde, wenn ihr Beichtvater es zugelassen
hätte, ein anderes, mehr verschlossenes Kloster ihres Ordens aufgesucht haben.
Dieses Verlangen nahm zu, als öfter Verzückungen eintraten, in welchen sie mit
dem Leibe emporgehoben wurde, so daß sie in freier Luft schwebte, ohne durch
eigene oder fremde Kraftanstrengung es verhindern zu können. Sie wurde darüber
so traurig, daß sie schreibt: »Ich wollte lieber, man würde mich lebendig
begraben.« Aber der Herr beruhigte sie, indem Er zu ihr sprach, daß hier nur
zwei Dinge möglich seien: entweder werde über sie gemurrt, wenn die Leute es
nicht glauben, oder Er werde in ihr gepriesen, wenn sie es glauben; sie aber
werde in jedem Falle Vortheil daraus ziehen. Wie sie im Kloster mit ihren
Mitschwestern lebte, von Allen lernte, und das Benehmen keiner ihr lästig fiel,
erkennt man aus dem, wie sie sagt, ihrem eigenen Leben entnommenen Rathe,
welchen sie später brieflich einer Adspirantin ertheilte: »Befleißigen Sie sich,
zu leben, als wären nur Gott und Sie allein im Kloster. So lange Sie kein Amt
haben, das Ihnen die Verbindlichkeit auferlegt, auf Etwas außer Ihnen zu achten,
dürfen Sie sich um gar nichts annehmen. Streben Sie nach der Tugend, welche Sie
an jeder Nonne sehen, um sie eben deßhalb mehr zu lieben, und daraus Nutzen zu
ziehen, aber beachten Sie nicht die Gebrechen, welche Sie an Anderen bemerken.«
Als schwere Prüfung darf man gewiß auch ihr Gesicht von der Hölle betrachten
(l. c., Cap. 32), welches ungefähr ins J. 1555 gesetzt werden muß. Sie stand im
Gebete, und sah sich, sie wußte nicht wie, an einen Ort der Hölle versetzt. In
ihrer Demuth schreibt ste, der Herr habe zeigen wollen, was sie eigentlich,
ihrer Sünden wegen, verdient hätte: »Eine lange, enge Gasse (ähnlich einem
Ofenloch, tief und dunkel, auf dem Boden stinkendes, verfaultes Wasser mit
vielen bösartigen kleinen Thierchen), an deren Ausgang sich in einer Mauer eine
Nische mit einer Art Schrank befand, führte dahin. Ich hatte eine Empfindung wie
von Feuer in der Seele, kann aber nicht sagen wie es war, und empfand
unaussprechliche Schmerzen, in Vergleich zu welchen alle bisher ausgestandenen
Nichts waren, besonders weil ich zugleich erkannte, daß sie niemals aufhören
würden. Aber auch diese Schmerzen des Leibes waren wieder wie nichts im
Vergleiche zu den Bedrängnissen und den Aengsten, in welche sich die Seele
versetzt sah, die das Herz in eine solche Hoffnungslosigkeit und Trübsal
versenkten, für welche mir jeder Ausdruck fehlt. Wollte ich sagen, daß es war
wie ein beständiger Todeskampf, so ist es zu wenig, denn damit würde sich die
Vorstellung verbinden, daß man aufhören müßte, zu leben, aber es war, als ob die
Seele sich selbst in Stücke auseinander reiße. Kurz, ich finde keine Worte, um
dieses innerliche Feuer, diese Verzweiflung über so große Peinen und Schmerzen
zu beschreiben. Ich sah nicht, wer mir dieselben zufügte, aber ich fühlte mich
verbrennen und in Stücke zertheilen; doch kann ich sagen, daß dieses Feuer und
die innere Verzweiflung, der Aufenthalt an einem so pestartigen Orte, ohne
Hoffnung auf irgend eine Tröstung, das Aergste ist. Man kann nicht sitzen oder
liegen, ich kam mir vielmehr vor wie ein eingemauerter Klotz, da diese Mauern,
welche so erschrecklich anzusehen sind, so zu sagen erdrücken und ersticken. Es
gibt kein Licht, alles ist ins tiefste Dunkel gehüllt, und doch sieht man, ich
weiß nicht, wie dieß beim Abgange alles Lichtes möglich ist, Alles was vorgeht,
um Strafpeinigung zu verursachen.« Dieses Gesicht wird von den meisten
Schriftstellern als nächste Veranlassung ihrer Klosterreform angegeben. Sie
selbst schreibt: »Nachdem mir der Herr dieses und andere große, geheimnißvolle
Dinge gezeigt hatte, besonders von der Herrlichkeit, welche den Guten und von
der Bein, welche den Bösen zu Theil wird, wuchs in mir das Verlangen, durch
Bußübung diesen Uebeln auszuweichen, und ein so hohes Gut zu erlangen. Es war
mir deutlich, daß ich vor Allem dem Rufe folgen müsse, welchen Gott an mich
hatte ergehen lassen, indem ich Klosterfrau wurde, und daß ich meine Regel so
vollkommen als möglich befolgen müsse.« Da dieses in dem Kloster von der
Menschwerdung nicht so geschehen konnte, wie es ihrem Geiste vorschwebte, kam
ihr der Gedanke, ein neues Kloster dieser Art zu errichten, und eine fromme
Wittwe, mit welcher sie darüber redete, versprach ihre Beihilfe. In heißen
Gebeten empfahl sie dem Herrn diese Angelegenheit. Nach einiger Zeit hatte sie
nach Empfang der heil. Communion ein Gesicht, in welchem ihr befohlen wurde,
keine Anstrengung zu scheuen, um diesen Gedanken auszuführen, und das neue
Kloster dem heil. Joseph zu weihen. Auch dieses Gesicht offenbarte sie ihrem
Beichtvater, und bat ihn, der Sache nicht in den Weg zu treten. Hiedurch hatte
sie die Höhe ihres Berufslebens erreicht. Ungefähr um diese Zeit, beiläufig im
J. 1560, wird sie das Gelübde gemacht haben, allzeit in ihrem Thun und Lassen
dasjenige zu vollbringen, was sie nach reiflicher Ueberlegung als das
Vollkommenere erkannt haben würde. Alle Führungen und Gnadenerweisungen Gottes
mit ihr hatten den zweifachen Zweck: sie selbst zum Musterbilde eines
abgetödteten und heiligen Lebens für Zeitgenossen und spätere Geschlechter
darzustellen, und in den von ihr errichteten und verbesserten Klöstern der
Kirche eine Schaar frommer Beter und Beterinnen zuzuführen, welche die Priester
und Missionäre in ihren Kämpfen und Leiden für das Evangelium unterstützen
sollten. Ebendamals spritzten nämlich die in Deutschland und der Schweiz
entstandenen Ketzereien das Gift der Irrlehren nach allen Seiten aus. Außerdem
beabsichtigte sie bei ihrer Ordensreform, den Klosterfrauen durch strenge
Beobachtung der Clausur und der heil. Gelübde ihren Beruf zu erleichtern. Am
24. Aug. des J. 1562 hatte sie die Freude, zu Avila nach Ueberwindung der
größten, unüberwindlich scheinenden Hindernisse (l. c. Cap. 32-36) das erste
Kloster der Reform, eingeweiht und von den ersten vier Novizinnen bezogen zu
sehen. Sie selbst durfte mit vier andern Klosterfrauen ein halbes Jahr später in
die neue Ansiedlung hinüberziehen, und deren Leitung übernehmen. Die päpstliche
Bestätigung der Reform erfolgte durch Pius IV. am 17. Juli d. J. 1560. Während
dieser ganzen Zeit hatte sie ihrer Stiftung wegen Vieles zu leiden, erfuhr aber
auch vielen innern und äußern Trost. Sie stand mit dem Bräutigam ihrer Seele in
beständigem Verkehre, sah Ihn an ihrer Seite und in ihrem Herzen, redete und
unterhielt sich mit Ihm, wie mit einem Freunde (l. c., Cap. 37). Sie erzählt:
»Einmal befand ich mich Abends so unwohl, daß ich mich vom (innerlichen) Gebete
dispensiren wollte, und nahm deßhalb, um mündlich zu beten, einen Rosenkranz in
die Hand; jedoch stand ich äußerlich gesammelt in einem Oratorium. Derlei
Veranstaltungen helfen aber wenig, wenn es dem Herrn gefällt (seine Gnade zu
erzeigen). In kurzer Zeit überfiel mich eine Verzückung des Geistes so heftig,
daß ich nicht zu widerstehen vermochte. Es kam mir vor, als wäre ich im Himmel;
die ersten Personen, welche ich sah, waren mein Vater und meine Mutter; dann
aber sah ich in kurzer Zeit, die kaum ein Ave Maria dauerte, so große Dinge, daß
ich außer mir war« (l. c., Cap. 38). Ein anderes Mal sah sie den Herrn selbst
etwas länger als eine Stunde; nachdem Er ihr viele wunderbare Dinge gezeigt
hatte, sprach Er zu ihr: »Siehe, meine Tochter, wie Vieles diejenigen verlieren,
welche wider mich sind, und höre nicht auf, es ihnen zu sagen.« Sie erwiederte:
»O mein Herr, wie wenig helfen meine Worte bei solchen, die durch ihre eigene
Schuld nicht sehen, wenn nicht deine Majestät sie erleuchtet!« Uebrigens übte
sie mit dem größten Vertrauen das Gebet der Fürbitte für Alle, von denen sie
hörte, daß sie am Leibe oder an der Seele Noth litten, und spendete Almosen, so
viel sie konnte. Ihre außerordentliche geistige Begabung und ihre stete
Vereinigung mit Gott befähigte sie nicht bloß zu Klostergründungen und zur
Leitung solcher Anstalten, sondern auch zur Rathertheilung an Bischöfe,
Priester und Weltleute, auch wenn diese sich in sehr hohen Stellungen befanden.
Ihre große und bewunderungswürdige Demuth hinderte sie nicht, wo es nothwendig
schien, auch zu tadeln und strenge Verweise zu geben. Ebenso würde man sehr
irren, wenn man etwa glauben wollte, ihr Gebetsleben habe sie kopfhängerisch und
mürrisch gemacht. Eine ihrer Vorschriften lautete vielmehr, man solle nie von
dem gewöhnlichen Wege abgehen und sich vor jeder Uebertreibung hüten. Auch geht
aus ihren Briefen deutlich hervor, daß sie an unschuldigen Unterhaltungen Freude
hatte und solche gerne auch Andern bereitete. Sie hatte nichts Finsteres an sich,
und konnte es auch an Andern nicht leiden. Man sehe z. B. folgende Stelle eines
Briefes an eine Priorin, ihre Nichte, die vor lauter Mediciniren nicht gesund
werden konnte: »Hören Sie doch um Gottes Willen einmal auf, Arzneien zu
gebrauchen. Befleißigen Sie sich vielmehr, nach Appetit zu essen, nicht allein
zu bleiben, und immer nachzusinnen. Unterhalten und erheitern Sie sich, wie und
wann Sie können. Wäre ich nur bei Ihnen, ich hätte Stoff genug, mit Ihnen zu
reden und Sie zu unterhalten!« An schwer geprüfte Klosterfrauen schreibt sie
nach Anführung geistlicher Trostgründe: »Seid also fröhlich und bedenket, daß
Alles, was man thut und leidet zur Ehre unseres guten Gottes, der für uns so
Vieles gelitten hat, immer nur sehr wenig ist.« An einen frühern Beichtvater
schreibt sie unter Anderm: »Ich scheine nur zu leben, um harmlos zu essen
(freilich genoß sie nur Brod und gekochte Kräuter, bisweilen ein Ei oder etwas
an Fischspeisen) und zu schlafen.« Dergleichen Dinge sollten diejenigen, welche
Lebensbeschreibungen der Heiligen verfassen, nicht übergehen; sie können
schwächeren, noch wenig in der Vollkommenheit fortgeschrittenen, aber
heilsbegierigen Seelen sehr zur Aufmunterung dienen. Denn sie fühlte
demungeachtet, daß das Verlangen nach der Liebe Gottes, die sie sehnlichst auch
allen Andern einzuflößen wünschte, in ihr immer zunahm. Früher hatte sie gebetet:
»Herr, leiden oder sterben!« In ihren spätern Jahren konnte sie bei aller
Anstrengung nicht mehr so beten. Sie schreibt: »Die Unterwerfung des eigenen
Willens unter den göttlichen Willen ist so kräftig, daß die Seele weder den Tod
noch das Leben verlangt, ausgenommen auf ganz kurze Augenblicke, in welchen die
Sehnsucht nach der Anschauung Gottes die Oberhand gewinnt.« Aus einem im J. 1579
geschriebenen Briefe der Heiligen entnehmen wir, daß damals ihre körperlichen
Leiden sehr nachgelassen hatten, und nur das Kopfweh noch fortdauerte. Ihre
Klosterstiftungen sind (W. W. K.-L. X. 901) folgende: Im J. 1562 zu Avila, 1567
zu Medina del Campo, 1568 zu Malagon und Valladolid, 1569 zu Toledo und Pastrana,
1570 zu Salamanca, 1571 zu Alba, 1574 zu Segovia, 1570 zu Veas und Sevilla, 1576
zu Caravaca, 1580 zu Villano und Palentia, 1581 zu Soria, 1582 zu Granada und
Burgos. Beinahe überall hatte die Heilige fast unübersteigliche Hindernisse zu
überwinden, aber Widerspruch und Verfolgung hatten bei ihr die gegentheilige
Wirkung, und das Vertrauen auf Gott erfüllte ihre Seele in den bittersten Tagen
des Leidens mit dem süßesten Troste und der innigsten Freude. Auch die
Mannsklöster ihres Ordens wurden durch sie nicht nur innerlich und äußerlich
gehoben, sondern sie stiftete folgende neue, in welchen die strengere Regel
beobachtet wurde (W. W. K.-L. l. c. 902): Im J. 1568 zu Dirvelo, 1569 zu
Pastrana, 1570 zu Mancera und Complut, 1571 zu Altomira, 1572 das Kloster de
Subsidio, 1573 zu Granada und Rupecula, 1574 zu Sevilla, 1575 zu Almodovar, 1076
zu Veas, 1579 zu Baëza, 1581 zu Valladolid und Salamanca, 1582 zu Lissabon.
Dreimal brach sie den linken Arm, der gleich vom ersten Male für immer gelähmt
blieb. Diese Lähmung erstreckte sich mehr und mehr über den ganzen Leib und
später kam dazu noch häufiges Erbrechen. Demungeachtet war und blieb sie in
voller Thätigkeit. Als einfache Nonne vollzog sie im pünktlichsten Gehorsam alle
ihr aufgetragenen Arbeiten, und zwar desto lieber, je niedriger sie waren. Dazu
kam später ihr großartiger Briefwechsel und die Abfassung zahlreicher
geistlicher Schriften. Es sind folgende: 1) Die Geschichte ihres Lebens; 2) das
Buch der Klosterstiftungen; 3) Weg der Vollkommenheit; 4) Ermahnungen an die
Klosterfrauen; 5) Sieben Betrachtungen über das heil. Vater unser; 6)
Ergießungen des Herzens; 7) Die Seelenburg; 8) Gedanken über die Liebe Gottes;
9) Art und Weise, die Klöster zu visitiren; 10) Briefe. Wer sie andächtig und
heilsbegierig liest, wird in ihnen ein wahres Seelenbrod finden. Die meisten
dieser Schriften sind in alle europäischen Sprachen übersetzt. So z. B. erschien
die von uns verglichene gute italienische Uebersetzung ihres Lebens mit
vorgedruckter Abbildung der Heiligen zu Rom schon im J. 1601, zu Cöln eine
lateinische Uebersetzung ihrer Werke im J. 1620 und eine deutsche im J. 1640.
(Ueber die neueren deutschen Uebersetzungen und Bearbeitungen ist Eingangs schon
geredet.) Der äußere Verlauf ihres Hinscheidens war ziemlich rasch. Ein
Blutsturz, welcher sie gegen Ende Septembers befiel, war der erste Todesbote. Da
sie seine Sprache sogleich verstand, ließ sie ihren Beichtvater kommen, und
begehrte die heil. Wegzehrung. Es erfolgte eine heil. Liebesglut, der ihre
Leibeskräfte nicht mehr gewachsen waren. Am nämlichen Abende empfing sie die
letzte Oelung und gab den Schwestern ihre letzten Ermahnungen. Sie sollten sich
ja hüten, ihrem Leben nachzufolgen, ihr verzeihen, und getreu die Ordensregeln
erfüllen. Ihr letztes Gebet war der Bußpsalm Miserere, aus welchem sie die Worte:
»Ein zerknirschtes und gedemüthigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten,« so
lange wiederholte, bis sie die Sprache verlor. Sie betete jetzt noch mit den
Augen, die sie unverwandt auf das Cruzifix, das sie in der Hand hielt,
hinheftete. So verschied sie, »ein Schlachtopfer der göttlichen Liebe«, wie es
im Vesperhymnus heißt, am 14. (4.) October d. J. 1582 in einem Alter von 68
Jahren, von welchen sie 27 in dem Kloster der Menschwerdung und 20 andere in den
verschiedenen Ordenshäusern ihrer Reform zugebracht hat, in dem Kloster zu Alba,
wo sie in dem untern Chore ihre Ruhestätte fand. Nach ihrem Tode kehrte sie
gewissermassen in die Jugendjahre zurück: ihr Angesicht verlor jede Runzel und
eine leichte Röthe überflog ihre Wangen; ihre Glieder zeigten nach vier Jahren
noch keine Spur von Verwesung. Ihre Heiligsprechung geschah am 12. März d. J.
1622 durch Papst Gregor XV. nach genauester Prüfung ihres Lebens und der auf
ihre Fürbitte geschehenen Wunder. Da genaue Abbildungen von ihr vorhanden sind,
würden die Künstler am besten thun, sich an diese zu halten. Sie ist mittelgroß
und breitschulterig, das Gesicht und die Wangen etwas dick, die Augen groß und
scharf blickend, der Mund klein, die Nase lang und niedrig, die Hände sind zum
Gebete gefaltet; sie trägt das Ordenskleid der Carmelitinnen, und kniet vor dem
leidenden Heilande oder empfängt durch einen Engel den feurigen Stich, der ihr
Herz durchbohrt, oder es schwebt über ihr der heil. Geist; vor ihr liegt ein
offenes Buch mit Schreibzeug. Ein Spruchband enthält die Worte: Misericordias
Domini in aeternum cantabo - zu deutsch: Ewig will ich die Gnadenerweisungen
Gottes besingen. Hie und da trägt sie, um ihre Liebe zum Leiden Jesu zu zeigen,
die Leidenswerkzeuge, oder sie erscheint (in einer Abbildung bei den Boll.) mit
den Insignien eines graduirten Doctors (Birett, Kette und Buch). Die Abbildungen,
welche sie mit einem brennenden Herzen in der Hand, oder mit zwei aus der Brust
hervorwachsenden Baumästen darstellen, sind unhistorisch. Wo so viele
geschichtliche Motive gegeben sind, soll der Künstler nicht nach Symbolen suchen.
Viele fromme Ordensfrauen sahen den Glanz ihrer Herrlichkeit: die Eine erblickte
über dem Kirchendache, im Chore und über ihrem Schlafgemach eine Menge
himmlischer Lichter; eine Andere sah den Heiland, von einer großen Schaar von
Engeln umgeben, an ihrem Sterbebette; Eine sah im Augenblicke ihres Hinscheidens
eine glänzend weiße Taube aus ihrem Munde zum Himmel emporfliegen; 3Vgl. die schönen Strophen ihres Officiums
zu dem Hymnus zur Matutin:
Felix dies, qua candidae
Instar col um bae coelitum
Ad sacra templa spiritus
Se transtulit Theresiae,
Sponsique voces audiit:
Veni soror de vertice
Carmeli ad agni nuptias,
Veni ad coronam gloriae!
Zu Deutsch:
Beglückter Tag, an dem der Geist
Theresens dieser Welt entschwebt,
Und in der Taube Lichtgestalt
Zu Gottes Tempel sich erhebt;
»Komm, Schwester, von des Carmels Höh'n,«
Hört rufen sie den Bräutigam,
»Empfange jetzt den Ehrenkranz
Zur Hochzeit mit dem Gotteslamm!«
ein seit langer Zeit ausgedorrter Baum fing gegen alle Zeit und Natur zur Stunde
ihres Hinganges zu blühen an. Mit Recht nennen sie viele Schriftsteller die
seraphische Jungfrau. Ihre Reliquien sind (Guerin, l. c 378) an verschiedene
Kirchen vertheilt worden. Zu Rom befindet sich zu St. Maria de la Scala ein Fuß,
und der Zeigefinger der rechten Hand im Kloster Regina Coeli daselbst, zu
Lissabon ihre linke Hand; das unverwesene Herz, welches einen himmlischen Geruch
von sich gibt, und der linke Arm ruhen zu Avila; der Mittelfinger der rechten
Hand kam nach Paris, wohin auch ihr Mantel gebracht wurde; ein kleiner Finger
wurde den Carmelitinnen in Brüssel, ein anderer Finger denen zu Sevilla
geschenkt. Auch in ihrem in eine Kirche umgewandelten väterlichen Hause zu
Avila befinden sich mehrere ihrer Reliquien; das früher dabei bestandene
Carmelitenkloster ist aufgehoben. Am 27. Aug. darf nach päpstlichem Indult von
den unbeschuhten Carmeliten das Fest ihrer Herzensdurchbohrung (transverberatio
cordis) gefeiert werden. Sie ist durch Papst Urban VIII. als besondere
Schutzheilige Spaniens erklärt worden.
1 ▲ Ob sie später doch davongingen,
ist zweifelhaft, so bestimmt die Legenden es auch versichern. Die Heilige selbst
würde darüber nicht geschwiegen haben, wenn es geschehen wäre. Demungeachtet ist
das Kirchenlied (Schlosser I. 333) wahr:
»Kaum siebenjährig
Beutst du dein Blut dar,
Den Wütrich suchst du,
Den Tod nicht scheust du!«
An dem Orte, wo die Geschwisterte umgekehrt sein sollen, wurde später ein kleines Denkmal errichtet.
2 ▲ Der Franciscaner Ossuna, so genannt von seiner Geburtsstadt, gest. um d. J. 1540, hatte mehrere solche »Alphabete« verfaßt. Das bekannteste ist: Abecedario Espiritual de las Circonstancias de la Passion de Christo nuostro Sennor y otros mysterios.
3 ▲ Vgl. die schönen Strophen ihres Officiums
zu dem Hymnus zur Matutin:
Felix dies, qua candidae
Instar col um bae coelitum
Ad sacra templa spiritus
Se transtulit Theresiae,
Sponsique voces audiit:
Veni soror de vertice
Carmeli ad agni nuptias,
Veni ad coronam gloriae!
Zu Deutsch:
Beglückter Tag, an dem der Geist
Theresens dieser Welt entschwebt,
Und in der Taube Lichtgestalt
Zu Gottes Tempel sich erhebt;
»Komm, Schwester, von des Carmels Höh'n,«
Hört rufen sie den Bräutigam,
»Empfange jetzt den Ehrenkranz
Zur Hochzeit mit dem Gotteslamm!«