Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Ulrich von Augsburg
S. Udalricus, Conf. Ep. (4. Juli al. 13. Mai). Die Hauptquellen für die nachfolgende Darstellung sind: 1) die älteste, von dem Augen- und Ohrenzeugen Propst Gerhard um das J. 982 verfaßte vita (herausgegeben von Welser, den Boll., Mabillon und neuestens Waitz); 2) die Bearbeitung derselben vom Bischofe Gebhard, die nicht vollendet ist, und mit den Wunderheilungen des heiligen Bischofes schließt; 3) die Lebensbeschreibung des Abtes Berno von Reichenau, welche auch den Lectionen des Breviers zu Grunde liegt; 4.) eine Zusammenstellung der am Grabe des Heiligen geschehenen Wunder von Gerhard; 5) die von Papst Johannes XV. ausgestellte Canonisationsbulle. Die Bearbeitungen der Lebensgeschichte des Heiligen sind so zahlreich, daß sie im Einzelnen nicht namhaft gemacht werden können. Sehr merkwürdig ist eine von Albert, wahrscheinlich Benedictiner bei St. Ulrich, um das J. 1200 in Versen gefertigte und von Schmeller im J. 1844 herausgegebene Bearbeitung der Lebensbeschreibung von Berno in deutschen Reimen. Unter den Neueren verdient die Lebensgeschichte von Raffler an erster Stelle genannt zu werden, aber auch die Skizzen von Braun, Beck, Hörmann, Stützle, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Besonders werthvoll sind die Forschungen von Pinius (Boll. Jul. II. 82-135), Mabillon (Saec. V. 419-476) und Waitz (Pertz, mon. scr. IV. 381-428), und zerstreute Nachweise im Archive für das Bisthum Augsburg und in der Beschreibung desselben von Dr. Steichele. Schließlich verdiente auch die neueste Schrift über den Heiligen von Koch (Halle 1875) besondere Erwähnung, wenn der Verfasser über die an seinem Grabe geschehenen Wunder nicht so vornehm hinwegginge. Der hl. Bischof Ulrich (Vodalricus, Othilricus, Ulricus, Hyldericus, Chyldericus - der Name bedeutet so viel als »huldreich«) von Augsburg, stammte aus einem der edelsten und reichsten alemannischen Geschlechter. Das Besitzthum seines Vaters Hupaldus (Hiupaldus, Hucbaldus), Grafen von Dillingen, wo er nach Raiser (Denkw. Lauingen S. 46) seinen Wohnsitz hatte, und Wittislingen war das lang gestreckte, fruchtbare Land zwischen der Donau und den Rieseranhöhen von Neresheim bis Donauwörth. Seine Mutter war Thetpirga (Dietpirch), wahrscheinlich eine Tochter des Markgrafen Burchard von Rhätien, des Sohnes Adalbert des Erlauchten, und Schwester des ersten Herzogs von Schwaben Burchard I. (vom J. 917-926). Der hl. Ulrich war der dritte Sohn dieser reichen Eheleute, deren Glaubensadel den des Blutes noch überstrahlte. Seine zwei ältern 1 Brüder waren Diopoldus und Mangoldus (Mangold I.). Ihm folgten als jüngere Geschwister: Albertus und Luitgarda, die spätere Gräfin von Peiern. Im J. 890 wurde der Heilige geboren. Wo seine Wiege stand, ist nicht sicher. Wittislingen, Dillingen und Augsburg nehmen diese Ehre in Anspruch. Die älteste, in Hinsicht auf spätere Ereignisse durchaus zuverlässige Biographie legt zwar ihm selbst die Worte in den Mund: »Ich bin in der Stadt Augsburg geboren,« und aus diesem Grunde haben sich die meisten Forscher, auch die Boll., für Augsburg entschieden; aber es ist die ganze Erzählung an dieser Stelle mangelhaft, weßhalb man gewiß auch die angeführten Worte nicht im strengsten Sinne nehmen muß. Augsburg erregt schon aus dem Grunde Bedenken, weil uns zwar der Taufpathe des Heiligen, Graf Ulrich von Thurgau, von dem Täufer aber, welcher in diesem Falle nur der Bischof sein konnte, nichts bekannt ist. Die Biographie selbst läßt auch für Wittislingen oder Dillingen noch Platz, indem sie weiter erzählt, daß der Knabe in den ersten Wochen nach seiner Geburt zwar schön und lieblich, aber so schwächlich und abgezehrt aussah, daß die Eltern vor lauter Scham ihn Niemanden zeigen mochten. Da begab es sich, als das Kind etwa zwölf Wochen alt war, daß ein fremder KlerikerEin Kleriker ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien. bei ihnen zusprach, mit der Bitte, ihm für einige Tage freie Unterkunft zu gewähren. Sicherlich wäre das in der Stadt Augsburg, wo für derlei Fälle hinreichend gesorgt war, nicht nöthig gewesen, und es folgt hieraus, daß die Geburt und ersten Jahre des Heiligen auf irgend einen Landsitz also nach Wittislingen oder Dillingen (die Volkssage nennt Wittislingen) verlegt werden müssen. 2 Die gastfreien Eltern gewährten die Bitte und erhielten dafür die erwünschte gänzliche Genesung des Kindes. Der Geistliche hörte nemlich, als er mit ihnen im Atrium des Hauses zu Tische saß, das klägliche Wimmern des Knaben, den man ihm sorgfältig verborgen hatte, und rieth nun den bekümmerten Eltern, welche ihm ihre Noth klagten, das Kind sogleich zu entwöhnen. Dieser Rath mochte ihnen unpassend vorkommen, denn sie nahmen sogar noch am zweiten Tage, an welchem derselbe wiederholt wurde, Anstand, ihn zu befolgen. Erst als ihnen der Kleriker am folgenden Tage mit allem Ernste und mit der Bedrohung, daß der Knabe außerdem schon in der nächsten Nacht sterben würde, denselben Auftrag gab, und beisetzte, es werde dann durch die Gnade Gottes später Großes aus ihm werden, beschlossen sie, ihm zu folgen. Wirklich wurde das Kind jetzt gesund, und wuchs heran zu einem schönen, kräftigen Knaben. Das gab Anlaß zu einem Freudenmahle, bei welchem es sehr heiter zuging. Weil nun den Eltern die Rettung des Knaben so wunderbar erschien, und seine Bestimmung nach der Prophezeiung des Klerikers eine »große« war, bestimmten sie ihn frühzeitig zum geistlichen Stande, und bemerkten mit Freuden, daß er schon jetzt an Sittsamkeit und Gottesfurcht über seine Altersgenossen hervorragte, die Eltern ehrte, alles muthwillige Wesen bei Seite ließ, und selbst in der Bewegung und Haltung des Körpers den Ernst seiner Seele zu erkennen gab:
»Uzen (Außen) zeiget er an den Geberden wol
Wessen sein Herz war innen voll.«
Den ersten Schulunterricht empfing er wahrscheinlich im Hause seiner Eltern 3. Als er für die höhern Studien reif geworden war, beriethen sie sich, wo er neben standesgemäßem Unterkommen den besten Unterricht im geistlichen Leben und in den Wissenschaften finden könne. Für beides bot ihnen das Kloster St. Gallen die meisten Bürgschaften, weßhalb sie ihn dahin überbrachten. Das dortige Kloster stand damals in der schönsten Blüthe; man zählte 42 Priester, 24 Diacone, 15 Subdiacone und 20 einfache Mönche. Gelehrte und Künstler ersten Ranges, wie die beiden Notker (und Notker), von welchen der Eine auch Maler und Arzt war, der Andere die Psalmen in's Deutsche übersetzte, die drei Ekkehard, die Bildhauer, Maler und Baumeister Sintram und Tutilo, der Tonsetzer Waltram, der Grammatiker Waning, die beiden Hartmann u. A. lebten daselbst. Die Lehrer des hl. Ulrich waren Waning und Hartmann der Jüngere, während der Aeltere d. N. dem Kloster als Abt vorstand. Ekkehard erzählt: »In St. Gallen hat er den Weg, auf dem er sich zum Himmel erhob, hinaufsteigen gelernt; hier gab er zu den Tugenden, die er setzt ausübt, das Vorspiel; denn indem er als kleiner Knabe die Mönche des hl. Gallus und Othmar sich zu Vätern erkor, und sich ihnen eng anschloß, erschien er unter den Frommen der Frommste, unter den Auserwählten der Würdigste. Denn als Schüler Hartmanns des Jüngern schlürfte er, vom heil. Geiste erprobt, göttliche Weisheit. Im Speisesaale der Väter, wo schon der geringste Fehler als Verbrechen galt, las er häufig vor, obwohl er Kanoniker war. Es wurde ihm dieß seiner Eltern wegen gestattet.« Einen ganz besondern Einfluß auf das Gemüth und die Lebensrichtung des heil. Zöglings übte die heil. Clausnerin Wiborada. (S. d.) Bei ihr brachte er seine freien Stunden zu, und es bildete sich ein so zartes Verhältniß, daß er sie seine Mutter nannte, und sie ihn als Sohn betrachtete. So oft er konnte, zog er an dem Glöcklein ihrer Clause, worauf sie jedesmal am Fenssterchen derselben erschien. Einmal gab sie ihm einen Gürtel als Mittel zu einem züchtigen Wandel. In jeder Versuchung, mahnte sie ihn, solle er außerdem zum Gebete seine Zuflucht nehmen, den Ort wechseln oder sich mit Feuer brennen, was ihm den Frieden wieder geben werde. Für die Fastenzeit hatte sie ihm ein rauhes, härenes Gewand gefertiget. Dazu fügte der Heilige jetzt schon frei gewählte Bußwerke: er schlief auf einem Steine, und mied die Spiele seiner Genossen, so daß diese über ihn als einen Frömmler spotteten. Einer derselben stahl ihm eines Tags seinen Griffel, verwundete sich aber bald darauf mit demselben wie zur Strafe in gefährlicher Weise an der Hand. Kein Wunder, daß die Mönche von St. Gallen sehnlichst wünschten, ihn in ihre Brüderschaft aufzunehmen, um ihm später die Leitung der Abtei zu übertragen. Der fromme Jüngling war hiezu geneigt, wenn die heil. Wiborada es ihm riethe. Ohne ihre Gutheißung wollte er am wenigsten diesen wichtigen Schritt unternehmen. Sie versprach ihm, sich mit Gott zu berathen und nach drei Tagen zu antworten. Die Antwort lautete, er sei nicht zum Abte dieses Ortes bestimmt, sondern in einer östlich gelegenen Gegend, wo ein Fluß zwei Landschaften scheide, werde er als Bischof in den Dienst Gottes treten und von Heiden und Christen wie keiner seiner Vorfahrer Trübsale leiden, aber mit Gottes Hilfe Alles glücklich zu Ende führen. Hievon machte der heil. Ulrich den Brüdern vertrauliche Mittheilung, und wußte auf so zarte Weise sich ihrer Zudringlichkeit zu entledigen, daß sie nicht aufhörten, ihn zu lieben und gerne bei sich behielten, bis er bei seinem Weggange ein doppelt gefülltes Netz von Kenntnissen und Tugenden nach Hause nehmen konnte. Nachdem er länger als seine Mitschüler die Klosterschule besucht hatte, schied er von den Mönchen in aller Freundschaft, und suchte zunächst seine freudig überraschten Eltern auf. Die Trennung aus dem geliebten Ordenshause fiel ihm so schwer, daß die Mönche Mühe hatten, ihn zu trösten, indem sie ihn ihrer fortdauernden Liebe versicherten. Der heil. Jüngling kam jetzt an den Hof des Bischofes Adalbero, Grafen von Dillingen (vom J. 887 bis 909), eines weisen und klugen Kirchenfürsten, welcher als Rathgeber des Kaisers Arnulf und als Erzieher Ludwigs IV. (des Kindes) Berühmtheit erlangt hatte. Auch in der Musik besaß er ungewöhnliche Kenntnisse. Er machte den wohlgestalteten, durch Adel und Geistesgaben hervorragenden Jüngling zu seinem Hausmeister (cammerarius). Als solcher stand er an der Spitze aller zeitlichen Geschäfte des Bischofes 4 und erhielt gemäß seiner Würdigkeit noch andere Beneficien. Um diese Zeit kam ihm zum ersten Male der Gedanke, eine Wallfahrt nach Rom, zu den Schwellen der Apostel Petrus und Paulus, zu machen. Vielleicht trug er das Verlangen, für die Seelenruhe seines Vaters daselbst zu beten. Dieser war nämlich nach einer spätern Aufschreibung des Klosters Neresheim, deren Richtigkeit übrigens in Frage steht (Steichele, Bisth. Augsb. III. 32. Anm.), am 16. Juli d. J. 908 zu Frankfurt a. M., wo er dem Reichstage beiwohnte, während er daselbst am Altare einer Kirche betete, erschlagen worden. (Da die älteste Biographie von einem gewaltsamen Tode seines Vaters nichts weiß, und erst nach der Rückkehr des hl. Ulrich von Rom seines Hinscheidens gedenkt, so scheint derselbe gleichfalls während der Abwesenheit des hl. Ulrich, oder bald nach seiner Rückkehr, also im J. 909 oder 910 gestorben zu sein). Zu Rom lernte der hl. Ulrich den nachmaligen Papst 5 Marinus, einen heiligen, mit der Prophetengabe ausgerüsteten Mann, kennen. Er verkündete dem staunenden Jüngling das mittlerweile eingetretene Ableben seines Herrn, des Bischofes Adalbero, und seine dereinstige Erhebung auf den bischöflichen Stuhl von Augsburg als göttliche Anordnung (destinatio Dei): »Erschrick nicht, Bruder,« sprach er zu ihm, »denn jener Bischof, von welchem du mir eben gesagt hast, Adalbero, dein Herr, hat das Zeitliche gesegnet, und du sollst nach Gottes Willen (Deo jubente) in Zukunft 6 dieser Kirche als Hirte vorstehen.« Da er aber hievon nichts wissen wollte (eo quidem renuente), setzte Marinus hinzu: »Warum willst du zurückweisen, was Bestimmung Gottes ist? Diese Kirche ist dermalen unerschüttert und keineswegs trostlos, und befindet sich im Frieden. Du aber wirst sie, nachdem sie vorher erschüttert und ausgeraubt sein wird, in trauriger Zeit übernehmen, und mit großer Mühe leiten und wieder aufrichten.« Der hl. Ulrich, welchen das Ableben seines Herrn tief betrübte, verließ schon am andern Tage, um nicht noch mehr Verdrießliches von Marinus hören zu müssen (ne ab eo plus verbis restringeretur), ohne Abschied zu nehmen, die heilige Stadt. Als er nach Augsburg zurückkam, fand er die Worte des Marinus bestätiget. Bereits hatte Adalbero's Nachfolger Hiltine (vom J. 909-923 oder 924) den bischöflichen Stuhl bestiegen. Da dieser von geringerm Adel war, als sein Vorgänger und er selbst (tantae non fuit celsitudinis), wollte er in das bisherige Dienstverhältniß nicht eintreten. Er konnte sich, ungeachtet seiner Demuth, den Sitten und Gewohnheiten seiner Zeit nicht entziehen, und übernahm dafür, eingedenk des vierten Gebotes, die Sorge für die Angelegenheiten seiner Mutter, da seine ältern Brüder um diese Zeit bereits ein eigenes Hauswesen, Dietpold zu Dillingen und Manegold in Donauwörth begründet hatten. Wie lange Dietpirch ihren Gemahl überlebte, ist unbekannt; im Necrologium von Neresheim steht ihr Todestag zum 17. März verzeichnet. Zu Wittislingen erhielt sie ihre Grabstätte. Ebenda wird ihr hl. Sohn um diese Zeit sich aufgehalten haben, wenn nicht seine geistlichen Pflichten ihn nach Augsburg riefen. Bischof Hiltine scheint ihm die Priesterweihe ertheilt zu haben, da er um das J. 925 das gesetzliche Alter erreichte. Wir besitzen hierüber, sowie über die ganze Zeit seines Aufenthaltes im Hause seiner Mutter keine geschichtlichen Nachrichten. Daß er in dieser Zeit der Zurückgezogenheit von der Welt den Uebungen der Frömmigkeit und Wissenschaft mit allem Eifer sich hingab, beweist sein nachfolgendes Leben. Die Zeiten waren hart und traurig, denn die Ungarn verheerten weit und breit Stadt und Land. Der erste Einfall dieser Barbaren soll im J. 909 stattgefunden haben; obwohl zurückgeworfen, wiederholten sie ihre Verwüstungen öfter in den Jahren 913 bis 922. Schwaben wurde nächst Bayern am grausamsten heimgesucht; sie zerstörten die Burgen, erwürgten die Einwohner und tranken das Blut der Erschlagenen. Im J. 924 legten sie das Kloster und die Kirche der heil. Afra in Asche. In demselben Jahre starb Bischof Hiltine. Auf den Vorschlag und Wunsch des Herzogs Burchard I. und anderer Verwandten des heil. Ulrich ließ er sich jetzt dem Könige Heinrich I. vorstellen und dieser ernannte ihn, nachdem er ihn persönlich kennen gelernt und sich von seiner herrlichen Leibesgestalt (intuens herilitatem staturae illius) und Gelehrsamkeit überzeugt hatte, mit Handschlag zum Bischofe. Nachdem dieses geschehen war, kehrten sie nach Augsburg zurück und übergaben ihm als königliche Bevollmächtigte die bischöflichen Güter und weltlichen Gerechtsame. Bald darauf, am Feste der unschuldigen Kinder, empfing er die Bischofsweihe. Sie scheint zu Mainz, als der Metropole, wo damals (vom J. 913 bis 927) der Erzbischof Heriger den Hirtenstuhl inne halte, geschehen zu sein. Der hl. Ulrich fand sein Bisthum im traurigsten Zustande. Die Kathedrale war so zerfallen, daß selbst die Mauern dem Einsturze drohten. Auch die bischöflichen Gebäude waren noch so verödet, wie die schreckliche Feuersbrunst unter seinem Vorfahrer sie zurückgelassen hatte, ein Anblick, der ihn mit äußerster Bangigkeit erfüllte. Tag und Nacht hatte er keinen andern Gedanken, als wie er die zerstörten Baulichkeiten am besten wieder herzustellen vermöge. Es fehlte nämlich um so mehr an Geld, als auch die Einwohner durch die Raubzüge der Ungarn in die äußerste Noth gekommen waren, und Hilfe von ihrem Bischofe erwarteten. Es gelang ihm, Architekten und Bauleute in genügender Anzahl herbeizuschaffen, und so ging er, auf die Hilfe Gottes vertrauend, muthig an's Werk. Hauptsächlich lag ihm die Kathedrale am Herzen, deren Neubau und Ausschmückung er mit Eifer betrieb, und mit scharfem Auge persönlich beaufsichtigte. Nebstdem war er bemüht, auch der Stadt ein behaglicheres Aussehen zu geben, und setzte sie vor Allem in bessern Vertheidigungszustand. Die Wälle waren zu klein, und noch dazu unrichtig angelegt, die hölzernen Pallisaden waren von der Fäulniß angegriffen. Er sorgte daher, daß eine Stadtmauer erbaut wurde, um feindliche Ueberfälle, vor welchen man nie sicher war, mit größerer Sicherheit abwehren zu können. Es war kaum das Nothwendigste geschehen, als im J. 926 die Ungarn neuerdings vor der Stadt erschienen und sie bestürmten. Diesmal konnte jedoch längerer Widerstand geleistet werden. Aber nur wenn die Gläubigen in heißen Gebeten eine zweite, stärkere Mauer aufrichteten, war es möglich, den Feind zum Abzuge zu bewegen. Die wirklichen Mauern begannen schon zu sinken und eine neue Plünderung und Einäscherung der Stadt schien unvermeidlich, als der heilige Bischof anordnete, daß auch die Frauen und Kinder in den Kampf einzutreten hätten. Während nämlich die Männer mit den Waffen die Stadt vertheidigten, rief er die Frauen und Kinder, auch die Säuglinge, in die Kirche, und bewirkte durch das Jammern der Mütter, das Wimmern der Kleinen und durch seine eigenen flehentlichen Bitten, daß die Ungarn ohne eine andere sichtbare Ursache als diese Bitten, wie ausdrücklich bezeugt ist (nulla nisi talium praecum existente causa, sagt Ekkehard), von der ungeschädigten Stadt abzogen. Dafür verwüsteten aber die Ungarn das ganze Land rings umher und ermordeten in St. Gallen die hl. Wiborada. Daß jene Befreiungsthat bei Gerhard nicht erzählt wird, darf nicht auffallen, weil seine Erzählung in dem frühern Wirken des heilige Ulrich überhaupt bedeutende Lücken hat, und erst seine letzten Jahre ausführlich und genau beschreibt. Hierauf ordnete der Heilige den Umbau der dunkeln Krypta an, wo sein Vorfahrer Adalbero ruhte, und begab sich zum königl. Dienste an den Hof Heinrichs I., wo er (regiis occupatus obsequiis) lange Zeit in allen Ehren aufgehalten wurde. Von da zurückkommend, fand er den Bau, auf dessen Vollendung er sich gefreut hatte, gänzlich eingestürzt, so daß er auf soliderer Grundlage wieder hergestellt werden mußte. Folgendes Gesicht des Heiligen fällt noch in den Anfang der Regierungszeit Heinrich's I. Er wollte sich eben zur Nachtruhe anschicken, als er die heil. Afra vor sich stehen sah, die ihn auf das Lechfeld führte, wo der heilige Petrus mit einer großen Zahl von Bischöfen und Heiligen eine SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. hielt und den Herzog Arnulf von Bayern, zugenannt der Böse, zur Verantwortung zog. Er zeigte ihm sodann zwei Schwerter, von welchen das eine ohne Griff einen König bezeichnete, welcher seine Krone nicht aus bischöflichen Händen empfangen habe, das andere mit Griff aber einen König, über welcher Gottes Segen gesprochen worden sei. Auch daß die Ungarn wieder kommen und arge Verheerungen anrichten würden, wurde ihm geweissagt. Die Beschlüsse der Könige und die Fürstenversammlungen jener Zeit hatten alle einen politisch-kirchlichen Charakter. Nicht bloß mußten die Bischöfe als Reichsfürsten an denselben Antheil nehmen, sondern Recht und Gesetz wurden auf den Grundlagen des Christenthums gegründet und mit Beihilfe der Kirche ausgeführt. Hierzu konnte man des weisen Beirathes des heiligen Ulrich nicht entbehren. So beschloß man auf der Reichssynode zu Erfurt im J. 932, zu Gunsten der Fest- und Fasttage an denselben alle gerichtlichen Verhandlungenruhen zu lassen, und bekräftigte das Asilrecht der Kirchen 7. Gleichwohl sah sich der heilige Ulrich durch Dienste am königlichen Hofe vielfach in seiner geistlichen Thätigkeit gehindert. So lange aber Heinrich I. lebte, trat hierin keine Aenderung ein. Erst unter dessen Sohne Otto I. erlangte er durch sein Ansehen die besondere Gnade, daß sein Neffe Adalbero ihn bei Hofe vertreten und den Heerbann führen durfte. In die Zeit des Königs Heinrich I. fällt noch das Begräbniß des Bischofes Noting von Constanz im J. 934, welches der hl. Ulrich abhielt, worauf er dem Klerus und Volke ein dreitägiges Fasten auferlegte, um für die neue Bischofswahl den Beistand Gottes zu erflehen. Bei der nachfolgenden Wahl wurde der Vorschlag des hl. Ulrich, welcher den Propst Conrad, gleichfalls einen nachmaligen Heiligen, als Würdigsten bezeichnete, als »göttliches Orakel« angesehen, und Aller Augen waren auf den »von Gott erfüllten Vater« gerichtet. Obgleich sich Conrad sträubte, wurde er unter allgemeiner Freude zum Bischof erhoben. In der Folge bestand zwischen den bischöflichen Nachbarn das innigste Verhältniß, und sie besuchten einander häufig. (Koch, S. 41 u. 42). Bei einem solchen Besuche trug es sich zu, daß die beiden Freunde einmal die Nacht im Gespräche mit einander zubrachten. Am Morgen des andern Tages, eines Freitags, standen noch die Fleischreste der Abendmahlzeit auf dem Tische. Der hl. Ulrich schenkte dieselben einem Boten des bayrischen Herzogs, der sogleich seinem Herrn Nachricht gab, wie die hl. Bischöfe die Abstinenz einhielten. Als er aber den Beweis aus der Tasche zog und vorzeigte, war das Fleisch in einen Fisch verwandelt. Aus den Jahren 936 bis 953 haben wir über den hl. Beschof wenige Einzelnheiten zu berichten. Gerhard sagt nur, er habe dem neuen Könige mit demselben Eifer und derselben Treue gedient, wie Heinrich I. Auf dem Fürstentag zu Erfurt im Jahre 936, dem letzten unter diesem Könige, war er jedenfalls anwesend. Auch finden wir seinen Namen in einer dem neugestifteten Moriz-Kloster zu Magdeburg gemachten Schenkung Otto's I. vom J. 937. Er wird sich also um diese Zeit am Hoflager des Königs befunden haben. Derselbe Fürst verlieh dem heiligen Ulrich das Münzrecht. In dieselbe Zeit, und zwar in's J. 940, wird auch die Wallfahrt des Heiligen nach St. Moriz (Agaunum) in der Schweiz gesetzt. Als der heil. Ulrich hinkam, um die vom Könige Conrad von Burgund ihm versprochenen Reliquien zu holen, hatten die Saracenen das dortige Kloster verbrannt und ausgeraubt; er traf nur einen einzigen Insassen. Seine Ankunft wurde aber bald bekannt, so daß am andern Tage bereits zwölf Kleriker vorhanden waren, um beim Hochamte zu assistiren. Darauf wurde die Krypta geöffnet, und der heil. Ulrich zog mit reicher Beute wieder von dannen. Aber auch seinerseits hatte er die Brüder reichlich beschenkt. Auch zu Reichenau wurde der hl. Bischof vom Abte Alewich mit Reliquien des heil. Mauritius und anderer Martyrer beglückt. In feierlicher Prozession übertrug er die Reliquien in die Domkirche und schloß sie in einen mit Gold und Silber reich verzierten Sarg. In's folgende Jahr fällt sodann nach der Ueberlieferung die Einweihung der Kirche zu Grafrath. Im J. 948 wurde am 7. Juni zu Ingelheim eine Synode eröffnet, welcher er beiwohnte. Der Grund, warum der hl. Bischof von der häufigen Anwesenheit bei Hofe Befreiung gesucht und erhalten hatte, war, »daß er dem Dienste Gottes, der Hut der ihm anvertrauten Heerde, und dem Besten (utilitatibus) seiner Kirche, den Gebeten und Almosen nach dem Verlangen seines Herzens desto beharrlicher obliegen könne.« In der That erscheint seit dieser Zeit der heil. Bischof in seiner ganzen Größe. In seiner Haus- und Tagesordnung hatte jede Minute ihre bestimmte Verwendung. Was müßig sein heißt, schien er nicht zu wissen. Jeden Tag sann er nach, was er Nützliches beginnen und ausführen könne. Ebenso flammte das Feuer der göttlichen Liebe unaufhörlich in seinem Herzen. Obwohl er nicht Mönch war, lebte er wie ein solcher. Durch Gebet, Nachtwachen, Fasten, rauhe Kleidung und andere Strengheiten hielt er die Sinnlichkeit in den gebührenden Schranken. Die Nachtruhe nahm er nicht in einem Bette, sondern auf einem Sacke, über welchen eine härene Decke ausgebreitet war. Um in den vorgenommenen Gebeten nicht zurückzubleiben, erhob er sich schon Nachts, sobald das erste Zeichen zur Mette gegeben wurde, von seinem Lager. Dem Chorgebete wohnte er regelmäßig bei, so daß die Domgeistlichkeit schon durch das Beispiel und die Gewissenhaftigkeit des Bischofes genöthigt war, dasselbe zu thun, und nur ganz wichtige Geschäfte konnten ihn davon zurückhalten. Dazu pflegte er an jedem Tage einen Cursus zu Ehren der Mutter Gottes, einen andern zu Ehren des heil. Kreuzes, einen dritten zu Ehren aller Heiligen und das ganze Psalterium zu beten. Das hl. Opfer verrichtete er zu festlichen Zeiten und bei besondern Anlässen zwei und drei Mal, und zwar mit Gesang. Bei Tische fehlte niemals die geistliche Lesung. Er genoß selten Fleisch, ließ es aber den Gästen reichlich vorsetzen. Auch ihm persönlich unbekannte Personen, die in seinem Hause zusprachen, zog er an seinen Tisch. Wenn neue Gäste kamen, hüpfte er vor Freuden, sein Angesicht wurde glänzend und er ließ ihnen von Allem geben, was er hatte. Klöster, Mönche oder Pilgrime, die ihn besuchten, überhäufte er mit Liebeserweisungen, wusch ihnen die Füße und ließ sie bleiben, so lange sie wollten. Dazu hatte er nicht selten Bedienstete des Kaisers mit Pferden und Dienerschaft aufzunehmen und zu bewirthen, die er beim Weggehen noch mit Geldspenden für die Weiterreise bedachte. Insbesondere gehörte zu seinen täglichen Arbeiten die Sorge für die Unterthanen des Bisthums (sustentatio et subventio familiae). Sein Haus stand auch in dieser Hinsicht Allen und allzeit offen. Hatte er in irgend einer Sache Jemanden sein Wort gegeben, so ließ er mit Bemühungen nicht nach, bis er das Versprochene geleistet hatte. Es kam vor, daß über Bedrückung, ungerechte Besteurung, Ausbeutung oder schimpfliche Behandlung von Seite seiner Beamten geklagt wurde. Derlei Beschwerden untersuchte er mit Genauigkeit und Strenge, und wenn er sie begründet fand, verhalf er den Betroffenen alsbald und mit Festigkeit zu ihrem Rechte, verfügte ihre Schadloshaltung und überwachte die Ausführung seines Beschlusses. Die bischöflichen Einkünfte bezog er wie seine Vorfahrer, ohne jedoch, wie die Lebensbeschreibung hinzusetzt, auf deren Mehrung bedacht zu sein. Wenn er reiste, fuhr er nach der Sitte jener Zeit in einem mit Ochsen bespannten Wagen, welche von bischöflichen Unterthanen geführt wurden. Vor und hinter dem Wagen gingen, zur Verhütung von Unfällen, eben solche Begleiter. Er saß auf einer Art Thron, der an den Wagenschultern mit einer eisernen Feder befestiget war, oder an einer so befestigten Stange hing. Bei ihm war sein Caplan, welcher mit ihm den ganzen Tag Psalmen singen mußte. Außerdem waren immer so viele Kleriker in der Reisegesellschaft, als zur täglichen feierlichen Darbringung des heil. Opfer nöthig waren. Merkwürdiger als dieses ist, daß er auch auf Reisen seine Lieblinge, Lahme und Presthafte, gleichsam als seinen Hofstaat mit sich führte, um in den »Armen Christi« den göttlichen Heiland zu ehren. Er aß und trank nicht, weder zu Hause, noch auf Reisen, bevor diese die gewohnte Spende erhalten hatten. So viel er konnte stieg er in die Tiefen des menschlichen Elendes hinab, um es von Grund aus zu heilen. Sein Eifer in der Verkündung des Evangeliums, das Beispiel der Enthaltsamkeit, des Mitleids und der Abtödtung, welches er allerorts gab, seine strenge Ueberwachung der Geistlichkeit mußte die Ursachen der Armuth, so weit sie selbst verschuldet war, zerstören. Sein Bemühen, die ausgebrannten und ausgeraubten Ortschaften wieder zu erbauen, die zerstreuten Bewohner zu sammeln und ihnen auf diese Weise wieder Unterkommen, Arbeit und Zehrung zu verschaffen, ist unübertroffen. Die beständigen feindlichen Ueberfälle selbst zu verhindern, war ihm unmöglich. Er hatte einen eigenen Kleriker aufgestellt, der jedesmal beim Mittagtische den ersten Gang an Brod und Speisen an die Armen auszutheilen hatte; Altersschwache und Presthafte, die nicht gehen konnten, wurden auf Tragbahren herbeigeschafft, und bekamen in seiner Gegenwart von den besten Speisen und Getränken. Bei hl. Kreuz stiftete er ein Spital, das er mit Gärten, Aeckern und Zehnten dotirte und oft besuchte. Zu festlichen Zeiten gab er besondere Kleider- und Fleischspenden, in der Fastenzeit aber gehörte die tägliche Fußwaschung an einer Anzahl von Armen zu seinen bestimmten Beschäftigungen. Wo er Sittenverderbniß antraf, die jederzeit Verarmung im Gefolge hat, schritt er strenge ein und verordnete die tauglichsten Gegenmittel. Selbst wenn er bis in die späte Nacht, oft unter Fackelbeleuchtung, gepredigt, Streitigkeiten geschlichtet, Gottesdienst gehalten, gefirmt, Kirchen und Gemeinden visitirt hatte, und von dieser Anstrengung ganz ermüdet in die Herberge zurückkam, nahm er sein Nachtmahl erst dann, wenn für die Armen gesorgt, und für die ganz Gebrechlichen wie zu Hause ein eigener Tisch im Speisesaale hergerichtet war. Augenkranke, welche von dem Oele, das er geweiht hatte, Gebrauch machten, und Kranke, welche seinen Segen empfingen, wurden öfters geheilt; die Bitte um den selben mußte aber in allgemeinen Ausdrücken geschehen, sonst gab er zur Antwort: »Da kann ich nicht helfen, dazu bin ich zu unwürdig.« Dieselbe Liebe zu den Armen verlangte er auch von seiner Geistlichkeit. Er verfehlte nicht, Rechenschaft darüber zu fordern, ob sie Opfer und Zehnten für dieselben verwendeten und sich die Armenpflege angelegen sein ließen. In seinen Predigten bildeten die Werke der Nächstenliebe um Jesu willen eine oft wiederkehrende Ermahnung: »Hungernde und Durstende«, sprach er, »sollet ihr erquicken, Nackte kleiden, Kranke und Nothleidende besuchen, für Obdachlose und Reisende Unterkunft suchen, und was sie nöthig haben um der Liebe Christi willen darreichen, Unmündige und Waisen sollet ihr nach Kräften unterstützen.« Da die Zuhörer wußten, daß ihr Oberhirte nicht bloß Andern zusprach, sondern selbst in Allem diesem es Allen zuvorthat, so kann man sich denken, welchen Eindruck diese Predigten machten, und wie viel der heil. Ulrich während seiner Amtsführung für die Verbesserung der Lage der Armen gethan haben wird, da er in dieser Weise zu wirken fortfuhr bis zu seinem Tode. Ebenso genau vollzog er seine geistlichen Amtsgeschäfte. Das Bisthum, welches mit Ausnahme des zum Bisthum Constanz gehörigen Theiles des Algäu ungefähr denselben Umfang hatte wie dermalen, stand unter vier Erzdiaconen (Augsburg, Schwaben, Bayern, Ries) und einer nicht bestimmbaren Zahl von Erzpriestern, die damals schon den Namen Decane führten. Diese mußten als »die Augen und Ohren des Bischofes« die einzelnen Pfarrer und diese wieder die ihnen untergebenen Geistlichen beaufsichtigen, und jeden Monat eine mit Gottesdienst verbundene Conferenz, wie wir heute sagen würden, abhalten. Bei Gelegenheit der Kirchenvisitationen hielt er auch hierüber genaue Nachfrage. Unter seinem Episcopate wurden viele neue Kirchen erbaut. Bevor er aber die Einweihung vornahm, versicherte er sich jedesmal, daß die neue Kirche ohne Beeinträchtigung der Nachbarkirche gehörig fundirt sei, und ließ sich hierüber eine genaue von glaubwürdigen Bürgen und Zeugen unterschriebene Urkunde vorlegen. Nach der Einweihung wurde das Schutzrecht über die Kirche den damit Betrauten unter Auflegung eines Fähnleins übertragen. Aehnlich verfuhr er bei Errichtung neuer Pfarreien; Grenzen und Einkünfte mußten im voraus bestimmt sein, und niemals durfte durch eine Neuerrichtung das Einkommen der früher bestandenen Pfarreien geschädigt werden. Knaben, welche Neigung zum geistlichen Stand verriethen, ließ er in drei Abtheilungen, je nach ihrer Abkunft, auf seine Kosten unterrichten und ausbilden, und wies denjenigen, welche gute Fortschritte machten, frühzeitig für sie geeignete Dienste und ein besseres Einkommen zu. Andere wurden für den Chordienst ausgewählt und besonders unterrichtet. Neben der Schule zu Augsburg blühten auch die Klosterschulen zu Feuchtwangen, Wessobrunn und Ellwangen. Seine bischöflichen Amtsreisen erstreckten sich, wenn er nicht am kaiserlichen Hofe zu verweilen hatte, oder auf Synoden, Bischofsweihungen etc. abwesend war, mit einziger Ausnahme der Fasten- und Osterzeit über das ganze Jahr und hatten einen dreifachen Zweck: die geistliche Visitation, mit welcher jedesmal die Spendung der hl. Firmung verbunden war, die weltliche Visitation, in welcher er etwaige Klagen gegen bischöfliche Beamte und Vögte entgegennahm, und andere Streitsachen, welche an ihn gebracht wurden, schlichtete, und die Abhaltung von Capiteln mit den Geistlichen. Der Empfang in den einzelnen Ortschaften, denen seine Ankunft jedesmal angesagt wurde, geschah unter dem Geläute der Glocken, unter Vorantragung von Kreuz und Fahnen mit dem Evangelienbuche und Weihwasser. Jedesmal begann er mit der Feier des heiligen Opfers, worauf eidliche Vernehmung der bravsten und rechtschaffensten Männer der Gemeinde darüber folgte, was in der Pfarrei der Verbesserung oder Abstellung bedürftig wäre; er brachte mit Hilfe seiner Räthe wo möglich sogleich Alles an Ort und Stelle in Ordnung, und beobachtete dann zur Schlichtung der weltlichen Angelegenheiten das gleiche Verfahren. Die Capitelsversammlungen müssen sehr strenge gewesen sein, wie aus den Fragen, welche er sich beantworten ließ, zu ersehen ist. Die hauptsächlichsten derselben waren: wie die Kleriker den Gottesdienst, das Predigt- und Lehramt versähen; ob sie mit Sorgfalt und Theilnahme die Kinder tauften, die Kranken besuchten, die Todten bestatteten; ob sie Wittwen und Waisen zu Hilfe kämen und den Dienst Christi an Pilgern und Fremden übten; ob sie verbotenen Umgang mit Frauen hätten, der Jagd oblägen, Wirthshäuser besuchten, rohe Scherze trieben, dem Fressen und Saufen ergeben wären, Streit und Zwietracht liebten; ob sie nach alter Sitte jeden Monat die vorgeschriebenen Zusammenkünfte mit den üblichen Gebeten abhielten, ihren Obern Gehorsam leisteten und ihres Amtes zur Zufriedenheit walteten. Er wollte also nicht bloß einen pflichteifrigen, sondern auch einen frommen und sittenreinen Klerus. Daneben förderte er in jeder Weise sein Ansehen und gewährte ihm jede mögliche Unterstützung. Er stellte es den Capitelsgeistlichkeiten frei, an dem ihnen gelegensten Orte ihre monatlichen Versammlungen abzuhalten, half den ihm angezeigten oder durch ihn selbst zu Tage gekommenen Uebelständen ab, und ermahnte auch das Volk in seinen Predigten und zahlreichen Ansprachen zum Gehorsame und zur Ehrfurcht gegen die Priester. Daß er gegen die Schuldigen unter ihnen strenge verfuhr, ist anerkannt, aber es ist eine willkührliche Annahme, daß er bis zu körperlicher Züchtigung vorging 8. Jedesmal wurde an den drei ersten Tagen der Charwoche Diözesansynode gehalten. Besonders feierlich hielt er die heilige Zeit der Fasten. Außer den zu andern Zeiten des Jahres stattfindenden Verrichtungen finden wir nämlich in der Lebensbeschreibung Folgendes angemerkt: Täglich wurde mit dem Officium des Tages die Litanei und das Officium für die Abgestorbenen verbunden. Nach der Prim wurden Umzüge mit dem Kreuze gehalten, während der heil. Bischof in der Kirche blieb und betete. Es folgten viele heilige Messen, wobei er selbst auch celebrirte. Nach Beendigung der Terz gingen die Kleriker in's Capitel, der hl. Bischof aber blieb in der Kirche. Es folgte die Sext und Non und Vesper, nach welcher er um die Altäre ging und unter Absingung der Miserere und des Profundis in aller Demuth die Buße des Bodenküssens vollzog. Nun ging er in seine Wohnung, wusch sich sein Angesicht und sprach die Vorbereitungsgebete zu der feierlichen Messe. Jetzt besuchte er das Spital der Armen, wo er zwölf Armen die Füße wusch, und jedem derselben einen Denar als Almosen reichte. Das Mittagessen geschah in der schon beschriebenen Weise. Nach dem Completorium wurde strenges Stillschweigen beobachtet. Am Palmsonntage versammelte sich der Klerus in aller Frühe bei St. Afra, um der vom hl. Bischofe gehaltenen Messe de Trinitate und der darauf folgenden Palmensegnung beizuwohnen. Die Prozession wurde mit Kreuz und Fahnen gehalten; alles Volk trug wie der Klerus Palmzweige in den Händen. In der Mitte des Zugs sah man das Bildniß des auf dem Eselsfüllen reitenden Heilandes, und es ertönten die für diesen Tag componirten Gesänge. Zuletzt folgte der hl. Bischof in glänzendem Ornate (cum magno decore pergebat). Am Perlachplatze stand der Zug stille; von der Domkirche her kamen die Kanoniker, gleichfalls im Festornate (cum pulchritudine magna), mit vielen Bürgern und zahlreichem Volke aus den benachbarten Ortschaften dem Zuge entgegen. Jetzt hielt der heilige Bischof eine Predigt über das Leiden des Herrn, wobei er so gerührt wurde, daß er heftig weinte und auch die Zuhörer zum Weinen bewegte. Unter feierlichen Gesängen zog man hierauf in die Domkirche, wo das zweite feierliche Amt gehalten wurde. In derselben erhebenden Weise beging er den grünen Donnerstag. Nach beendeter Terz erschien der gesammte Klerus im Festornate in der Kirche. Ebenso der heilige Ulrich, der mit außerordentlicher Andacht die heilige Handlung vollzog. Nach dem Evangelium hielt er die Predigt und ertheilte die Generalabsolution. Darauf wurde das Amt fortgesetzt, wobei die vorgeschriebenen Gesänge mit größter Genauigkeit und Reinheit (formosissime) zum Vortrage kamen. Nach der Weihung der heiligen Oele folgte die allgemeine Communion und die Vesper. Auch die Austheilung der heiligen Oele vollzog der hl. Bischof in eigener Person unter Assistenz der Kleriker in der Sacristei. Nach Beendigung dieser Funktionen besuchte er wieder das Spital der Armen, welche er, wie schon erzählt, mit großer Demuth bediente. Von da ging er in die Kirche zurück, wo er an der Sacristeithüre stehen blieb. Der Kämmerer brachte aus derselben neue Kleider, mit welchen er zwölf Arme beschenkte. Alle andern Armen, so groß auch ihre Zahl sein mochte, erhielten ein Geldgeschenk. An dem darauffolgenden Mittagstische ließ er Alle, welche mitessen wollten, theilnehmen, und dann fing er an, nach dem Beispiele Jesu den Seinigen die Füße zu waschen, wobei die vorgeschriebenen Verse, Antiphonen und Lectionen mit größter Würde (decentissime) gelesen und gesungen wurden. Darauf folgte eine Spende von den besten Weinen, die sich in den bischöflichen Kellern vorfanden. Aus der Charfreitagsfeier heben wir hervor, daß auch an diesem Tage die heil. Communion gespendet wurde. Seine Nahrung bestand an demselben nur in Brod und Bier; der Tisch wurde nicht gedeckt und auch seine gewöhnlichen Tischgenossen, Kleriker und Arme, erhielten nur Brod und Bier. Die Charsamstagfeier war im Wesentlichen dieselbe wie jetzt; nach der Weihe des Taufwassers wurden sogleich drei Knaben von ihm getauft; während des Amtes war wieder allgemeine Communion. Nach der Vesper gab es ein reichliches Mittagsessen. Am Ostersonntage wurde der Leib des Herrn aus der St. Ambrosiuskirche, wo er am Charfreitage war beigesetzt worden, nach einer zu Ehren der heil. Dreifaltigkeit gehaltenen Messe feierlich erhoben. Die Chorknaben begrüßten den wieder erstandenen Heiland mit entsprechenden Versen und Antiphonen. Nach gehaltener Terz zog man in den Dom. Während des Amtes ging alles Volk zum Tische des Herrn. Zu Mittag speiste man an drei Tischen: der erste war für ihn selbst und die von ihm zu diesem Tische Geladenen, der andere für die Domgeistlichkeit, der dritte für die Geistlichkeit der St. Afrakirche. Wie ein sorglicher Hausvater vertheilte er zuerst die von ihm während des Amtes geweihten Speisen und ließ darauf die übrige Mahlzeit beginnen. Drei Musikchöre spielten abwechselnd im Bischofshofe fröhliche Weisen. Ebenso entsprach den drei Tischen ein dreifacher Liebestrunk (charitas), der jedesmal mit einem gesungenen Responsorium zu Ehren der Auferstehung des Herrn eingeleitet wurde. Nach dem dritten Zutrunk wurde ein Hymnus gesungen, worauf sich Alle zur Vesper in die Kirche begaben. Nach derselben war Freudenmahl für die Gäste und Leibwachen des heil. Bischofes. Am Ostermontage war bischöflicher Gottesdienst mit darauf folgender Firmung für die Firmlinge der Stadt in der St. Afrakirche. In diesen heiligen Beschäftigungen wurde der hl. Bischof mit dem J. 953 leider für längere Zeit gestört. Der König hielt in diesem Jahre zu Fritzlar einen Reichstag, auf welchem seine Söhne Conrad und Liudolf sich wegen der Verschwörung, die sie gegen ihren eigenen Vater angezettelt hatten, Rede stehen, und die Rädelsführer ausliefern sollten. Sie erschienen nicht, sondern griffen zu offener Empörung. Schwaben stand mit ihnen gegen den König - es entbrannte ein fürchterlicher, unnatürlicher Krieg - auch die Bayern fielen den Empörern zu, nur der hl. Ulrich war und blieb nebst seinem Bruder Dietpald und dem Grafen Adalbert von Marchthal des Königs einzige zuverlässige Stütze, und stieß mit seinen Vasallen zu dessen Heere. Um die Gefahr zu vergrößern, fielen bald nach Beginn des J. 954 die Ungarn neuerdings in Bayern ein. Arnulf von Bayern nahm Augsburg, plünderte es und belagerte den hl. Bischof in seiner Burg zu Schwabmünchen. Da aber wurde der Pfalzgraf von Dietpald und Adalbert im Rücken angegriffen und erlitt eine so vollständige Niederlage, daß der hl. Ulrich wieder nach Augsburg zurückkehren konnte. Die Leiche des Grafen Adalbert, der im Kampfe gefallen war, bestattete er ehrenvoll im Dome. Aber auch die Ehre des Friedensschlusses sollte dem Heiligen zufallen. Der König hatte bei Illertissen ein Lager bezogen, jenseits des Flusses stand die Heeresmacht Liudolfs. Er begab sich mit dem Bischofe Hartbert von Chur, welchen er beigezogen hatte, in die feindlichen Lager und hörte nicht auf, zum Frieden zu mahnen, bis er das gewünschte Ziel erreicht hatte. Es war höchste Zeit, denn in bisher nie gesehener Zahl wälzten die Ungarn ihre verheerenden Kriegsschaaren gegen Bayern. Mordend und plündernd durchzogen sie das Land, überschritten den Lech, brannten die St. Afrakirche nieder und standen plötzlich vor Augsburgs Thoren. Der hl. Bischof beschloß, auf Entsetzung, noch mehr aber auf die göttliche Hilfe hoffend, die Stadt zu vertheidigen, und wagte sogar einen Ausfall, von welchem er mit den Seinigen als Sieger zurückkehrte. Er selbst war ohne Schild, Helm und Panzer, blieb aber, obgleich die Pfeile und Steine hageldicht flogen, unverletzt. Tag und Nacht ließ er an der Verstärkung der Mauern arbeiten und neue Wälle aufschütten. Oeffentliche Gebete und die Spendung der hl. Communion thaten das Uebrige. Ein erneuerter Sturm der Ungarn wurde glücklich zurückgewiesen. Da überraschte sie plötzlich die Botschaft, daß König Otto mit großer Heeresmacht gegen sie heranziehe, weßhalb sie die Belagerung aufhoben, um nicht im Rücken überfallen zu werden. Der hl. Ulrich ließ in der folgenden Nacht seine Krieger unter Führung seines Bruders Dietpald zur Verstärkung des königlichen Heeres abziehen. Der Angriff der Ungarn wurde auf den 10. August angesetzt. Am Tage vorher wurde gebetet und gefastet. Der König selbst war überzeugt, daß hier nur durch Gottes Hilfe der Sieg möglich sei. Er wurde nach heißem Kampfe glücklich und vollständig errungen; der Siegeskranz gebührt, was die Gebetshilfe anlangt, dem heil. Bischofe. Daß er an der Schlacht selbst Theil genommen hat, ist aus seiner Lebensbeschreibung nicht zu erweisen. Aber sein tapferer Bruder Dietpald und sein Neffe Reginbald waren auf der Wahlstatt gefallen. Am Morgen des folgenden Tags begab sich der heil. Ulrich auf das Schlachtfeld, um deren Leichname aufzusuchen. Er bestattete beide in einem Grabe unter dem Altare der heil. Walburga in der Domkirche. Nach der Schlacht auf dem Lechfelde konnte der heil. Ulrich seine friedliche Mission ungehindert fortsetzen. Zunächst war es seine Sorge, die verwüsteten und verbrannten Kirchen und Ortschaften seines Bisthumes wieder herzustellen. Einen Theil des gänzlich verarmten Klerus unterhielt er auf eigene Kosten, und gab mit Freuden Alles her, was er noch halte. Anderes wurde durch die Beihilfe der Gläubigen aus verschonten Gegenden gespendet. So fuhr er fort, bis die bei den Kirchenpfründen befindlichen Grundstücke nach öfterm Anbau der Geistlichkeit den nöthigen Unterhalt wieder gewährten (dum loca eorum ex iterata laboratione sustentationis subsidium attulerunt). Auch seine eigenen Güter und Schlösser ließ er durch seine Unterthanen wieder in Stand setzen, so daß in verhältnißmäßig kurzer Zeit die ärgste Noth überwunden war. Das Kloster Benedictbeuern, welches nach der Zerstörung im J. 955 längere Zeit vollständig darniederlag, erhielt durch ihn den Abt Wolfold, welcher dasselbe so zu sagen von Neuem gestiftet hatte. Die Kirche daselbst wurde von ihm geweiht. Die St. Afrakirche mit dem Grabe des hl. Simpert wurde wieder hergestellt, und mit glänzender Malerei ausgestattet. Ebendaselbst erwählte sich der hl. Ulrich seine Grabstätte, und besuchte dieselbe von jetzt an jeden Freitag. In Todesbetrachtungen versunken, opferte er hier dem Herrn auch den Rest seines Lebens. Bald besserten sich die Zustände: »Gottes Gnade beglückte diese Gegenden wieder mit friedlicher Eintracht, und nicht mehr hielten Verfolgung und Verwirrung die frommen Gemüther vom Dienste des Herrn zurück.« Im J. 961 bestätigte der Kaiser auf sein Bitten dem Kloster Ellwangen neuerdings die freie Abtswahl. Unter den Stiftungen des Heiligen nach der Ungarnschlacht auf dem Lechfelde muß besonders die des Frauenstiftes von St. Stephan (monasterium puellarum) genannt werden, welche von den Geschichtschreibern gewöhnlich in's J. 969 gesetzt wird, wahrscheinlich aber kurze Zeit früher geschah. Als erste Vorsteherin ernannte er Emoza, sonst auch Hizila und Lucila genannt, welche bei dieser Kirche als Reclusin gelebt und den hl. Bischof um Erbauung eines Klosters gebeten hatte. 9 Ebenso fällt in diese Zeit die Gründung der St. Johanniskirche, welche bis zur Zeit der Säcularisation als Dompfarrkirche gedient hat. Sie war kreuzförmig gebaut und hatte fünf Altäre. Jede Woche einmal mußten die Domherren sich prozessionsweise daselbst einfinden; er selbst hielt oft die heil. Messe in dieser Kirche. Was der hl. Ulrich lehrte, erkennt man am besten aus seinem Leben. In allem suchte und beförderte er die Erkenntniß und Liebe Jesu Christi. Als den Mittelpunkt der kirchlichen Einheit, als Quelle des reinen und unverfälschten Glaubens ehrte er den römischen Stuhl, die Nachfolger des heil. Petrus, ob sie nun persönlich würdig oder fehlerhaft waren. Die Verehrung der heil. Mutter Gottes und der Heiligen, ihrer Kirchen und Reliquien, übte er nicht nur selbst, sondern förderte sie auch überall, wohin sein bischöflicher Beruf ihn führte. Das Ziel, worauf alle seine Predigten und Ermahnungen hinsteuerten, war die Pflanzung und Beförderung des christlichen Lebens, das sich in der Liebe zu Gott und den Mitmenschen, selbst den Feinden, bethätigen müsse. Er drang auf fleißigen und vertrauensvollen Kirchenbesuch, als das sicherste Mittel, in allen Nöthen bei Gott Hilfe zu finden, ermahnte zum Gehorsam gegen die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, denen man auch die schuldigen Abgaben entrichten müsse, und zur Entrichtung der Zehenten an die Kirchen, zu deren Unterhalte dieselben bestimmt seien, zur Beobachtung der altherkömmlichen und neu angeordneten Fast- und Festtage, ganz besonders aber zum fleißigen Empfange der hl. Communion nach vorgängiger Gewissensreinigung und zur Ausübung der leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit. Die strenge Glaubenstreue des hl. Ulrich unterliegt keinem Zweifel. Er wäre ohne dieselbe kein Heiliger geworden. Namentlich haßte er von ganzer Seele die Simonie und jeden Aberglauben. Der angebliche Brief des hl. Bischofes gegen den Cölibat ist das Fabrikat eines Nichtswürdigen (nebulo), das niemals Glauben gefunden hätte, wenn die Verunglimpfung der Mutterkirche für viele protestantische Seelen nicht ein Hochgenuß wäre. 10 Im Gegentheile wurde auf der Synode zu Augsburg über heiratslustige Geistliche strenge Strafe ausgesprochen. Der hl. Ulrich hat die Beschlüsse dieser Synode an erster Stelle nach den Erzbischöfen unterzeichnet. Ungeachtet der Aergernisse, welche in der Zeit seiner Jugend die ewige Stadt erfüllten, bewahrte er den Nachfolgern des hl. Petrus allzeit unverbrüchliche Treue und Ehrfurcht. Wie oft er nach Rom kam, ist ungewiß; daß er öfter als dreimal dort war (crebro), unterliegt aber keinem Zweifel. Zu den Orten, wo der hl. Ulrich oft verweilte und betete, gehört die Kirche und das Kloster des hl. Magnus zu Füssen, von dessen Reliquien er einige mit sich nach Augsburg nahm. Ebenso weilte er gerne in der Abtei zu Kempten. In seinen letzten Jahren war er daselbst längere Zeit bedenklich krank, so daß er ohne Beihilfe nicht außer Bett sein konnte. Er ließ also in seiner Zelle einen Altar herrichten, um der hl. Messe beiwohnen zu können. Es scheint sogar, daß er sich die heilige Oelung reichen ließ. Wenigstens fand eine Salbung mit von Augsburg gebrachtem, geweihtem Oele statt, deren Wirkung so kräftig war, daß er am Abende desselben Tages der Vesper vollständig anwohnen konnte. Ein anderer, schon vom heil. Simpert gern besuchter Lieblingsort des Heiligen war Staffelsee; hier erhielt er im J. 973 die Nachricht von dem Ableben des Kaisers Otto I. Nicht weit hiervon lag in stiller Ruhe das alte Chorherrenstift Habach, das er gleichfalls nicht selten besuchte. Wie diese Orte im Süden, so wählte er im äußersten Norden gerne das schon genannte Kloster Feuchtwang zur Ruhe und Geistessammlung. Auch das Kloster Wiesensteig, eine im Bisthume Constanz gelegene Enclave, gehörte zu diesen Klöstern, welche der hl. Bischof, um ungestört zu sein und Niemanden zu belästigen, niemals an Weltliche vergab. Auch zu Ellwangen weilte er öfter und erwirkte dem Kloster, wie oben schon bemerkt, die freie Abtswahl. Für das Kloster Ottobeuren war ihm die Vorstandschaft übertragen worden; er befahl den Mönchen einen im Dienste Gottes zuverlässigen, und zur äußern Verwaltung tauglichen Abt zu wählen, und empfahl ihnen auf ihr Verlangen ihren Mitbruder Rudungus, welchen sie auch wählten. Außerhalb der Diöcese verweilte der heil. Ulrich um das J. 952 auf dem Schlosse zu Ebersberg, wo er dem Grafen Adalbero und seiner Gemahlin Luitgardis die Liebe erwies, ihr Kind Ulrich zu taufen oder wenigstens Pathenstelle an demselben zu vertreten. Dann erwirkte er im J. 957 dem Kloster Pfäffers die Unmittelbarkeit und die Bestätigung des Abtes Enzelin. Sein theures Kloster St. Gallen behielt er in beständig dankbarer Erinnerung. Häufig erfreute er die Mönche durch einen Besuch und gab ihnen dreimal im Jahre ein fröhliches Mahl. Bei diesem Anlasse besuchte er jedesmal die Grabstätte seiner geistlichen Mutter Wiborada und gab Veranlassung zu der Lebensbeschreibung der Martyrin. In das J. 958 fällt die Gründung der Dotirung der heil. Kreuzkirche in Kempten, seine Fürbitte für den Abt Cralo von St. Gallen, welchen er wieder in das Kloster zurückführte, und wo er durch seine außerordentliche Demuth für kurze Zeit eine Versöhnung der Mönche mit dem Abte zu Stande brachte, endlich ein wiederholter Besuch bei seinem frommen Verwandten - Eberhard von Einsiedeln. - Ende des J. 961 reiste er zu der Reichssynode von Regensburg, wo der Heilige bei der Ueberfahrt über die Donau in Lebensgefahr gerieth, indem das Schiff zu sinken drohte. Ein Kleriker Namens Mesi, trug ihn auf seinen Schultern an's Land. Im J. 962 ist der hl. Bischof wahrscheinlich wieder in Rom gewesen, wo er das Haupt des heil. Abundus erhielt. Das J. 963 sah ihn schon wieder auf der Synode zu Mainz. Zu Einsiedeln finden wir den hl. Bischof auch im J. 964. Er lernte hier den hl. Wolfgang kennen und weihte ihn ungeachtet seines demüthigen Widerstandes zum Priester. Das J. 966 führte ihn nach Eichstädt zur Beerdigung seines bischöflichen Freundes, des sel. Starchandus, welcher am 11. Febr. d. J. daselbst gestorben war. Zu Mainz befand er sich im April d. J. 968, wo Erzbischof Hatto II. unter seiner Assistenz consecrirt wurde. Vorher, im Februar, hatte er an der Consecration des Bischofes Haldeward von Halberstadt Theil genommen. Deßgleichen weihte er im folgenden Jahre mit seinem Freunde, dem hl. Conrad von Constanz, den neuen Bischof Hildebold von Chur. Nochmal rief ihn die Consecration des Erzbischofes Rupert von Mainz im Febr. 970 und die des Bischofs Balderich von Speyer nach Mainz. Im folgenden Jahre machte der Heilige unter großen Beschwerden seine letzte Romfahrt. Auf der Rückreise bat er den Kaiser zu Ravenna, er möge ihm seinen Neffen Adalbero zum Nachfolger geben. Mit schwerem Herzen bewilligte Otto I. diese Bitte; die Gebrechlichkeit und Schwäche des Heiligen erregten sein tiefstes Mitleid; er versah ihn mit allen Reisebedürfnissen und sorgte für passende Quartiere. Als sie zurückkamen, leisteten die bischöflichen Unterthanen und Soldaten dem Adalbero den Eid. Der hl. Ulrich, welcher bisher schon wie ein Mönch gelebt hatte, zog jetzt auch den Habit der Benedictiner an, und zog sich immer mehr zurück, duldete aber, daß sein Neffe aus bloßer Eitelkeit auch den Bischofsstab trug, wozu er nicht berechtiget war. Auf der zu Ingelheim im J. 972 sollten beide hierüber zur Rechenschaft gezogen werden. Da der 82jährige Bischof mit seiner altersschwachen Stimme nicht laut genug sprechen konnte, nahm für ihn Propst Gerhard das Wort und äußerte im Wesentlichen: Was sein Herr, der Bischof, von der Synode erbitte, gebe schon sein Aeußeres, das Kleid der Benedictiner zu erkennen. Er wolle nämlich die Zeit, welche Gott ihm schenken würde, nicht mehr in den Verrichtungen des bischöflichen Amtes, sondern in heiliger Zurückgezogenheit, im Umgange mit Gott verleben, und auf diese Weise sich auf sein nahes Ende vorbereiten. Nachdem er dieses vorgebracht hatte, fiel er vor dem Kaiser und den versammelten Bischöfen auf die Kniee und bat um Genehmigung dieser Bitte seines Herrn. Die Versammlung legte hierauf dem Adalbero den Eid auf, daß er lediglich aus Unwissenheit sich der Häresie schuldig gemacht habe, indem er bei Lebzeiten des rechtmäßig geweihten Bischofes dessen Stab zu führen sich angemaßt habe, dem hl. Ulrich aber gaben die Bischöfe nicht durch Synodalbeschluß, sondern auf dem Wege der Privatbesprechung zu bedenken, daß es seiner tadellosen Vergangenheit und der kirchlichen Ordnung nicht entsprechend sei, sich schon bei Lebzeiten einen Nachfolger zu geben, und daß dieser Schritt nicht gut geheißen werden könne, weil hiemit der Anfang zu einer bösen Gewohnheit gemacht würde, da die Neffen und Kleriker anderer Bischöfe sich auf diesen Vorgang berufen und ähnliche Ansprüche erheben könnten. Er möge daher dem Dienste Gottes in seinem anfänglich übernommenen Amte zu obliegen fortfahren, statt auf seinem Willen zu beharren, was Vielen zum Aergernisse sein würde. Dagegen versprachen sie ihm, daß nach seinem Ableben kein Anderer als Adalbero den bischöflichen Stuhl besteigen und demselben jetzt schon die Führung der äußern Angelegenheiten des Bisthums verbleiben solle. Dieses Uebereinkommen wurde sodann von der ganzen Synode, den hl. Ulrich eingeschlossen, angenommen. Nach Ostern desselben Jahres ging er nach Dillingen, wohin sein Neffe Richwin und dessen Gemahlin Hildegard ihn eingeladen halten. Hier fügte es Gott, daß Adalbero, welcher nach genommenem Aderlasse scheinbar gesund an dem Abendessen Theil genommen hatte, in der darauffolgenden Nacht unvermuthet starb. Der heil. Ulrich war durch eine Offenbarung hievon schon unterrichtet, als der Diener es meldete, traf sogleich die nöthigen Anordnungen zur Ueberbringung der Leiche nach Augsburg, und bestattete dieselbe in der St. Afrakirche. Dieselbe Gruft, die er für sich bestimmt hatte, sollte nach seinem Willen auch diesen seinen Liebling, welcher sein Nachfolger hätte werden sollen, aufnehmen. Er berechtigte, wie Gerhardus an dieser Stelle versichert, zu den schönsten Hoffnungen. Nachdem der Heilige diese Liebespflicht vollzogen hatte, begab er sich nach seinem lieben Staffelsee, wo er einige Zeit verweilte. Als er zurückkam, baten ihn seine Neffen Richwin und Manegold, er möge ihnen zu der von ihm früher schon empfohlenen Erweiterung der Kirche von Wittislingen, in welche fortan auch das Erbbegräbniß seiner Ahnen eingeschlossen werden sollte, Rath und Hilfe ertheilen. Ungeachtet seiner eigenen großen Körperschwäche that er auch dieses, und kehrte sodann nach einem Aufenthalte von etlichen Tagen nach Augsburg zurück. Von jetzt an bereitete er sich auf den Tod. So viel er konnte, hielt er die gewohnte Tagesordnung ein, und ließ sich die Gebete, welche er nicht selbst mehr sprechen konnte, vorlesen. Er saß dabei auf seinem Lehnstuhle, indem er das Haupt bald nach der rechten, bald nach der linken Seite auf das dort befindliche Kissen legte. Besondere Erbauung suchte und fand der heil. Bischof in den Dialogen des heil. Papstes Gregor, wo die Gesichte und das Hinscheiden frommer Personen erzählt werden. Schon konnte er nichts mehr genießen, als etwas in Wasser aufgeweichtes Brod. Oft sogar war ein Trunk Wasser seine einzige Nahrung. Dennoch sah man den hl. Bischof alle Tage, auf zwei Priester gestützt, in die Kirche wanken, um dem hl. Opfer beizuwohnen und die heil. Communion zu empfangen. Am 18. Juni ließ er nach Beendigung des Gottesdienste den Boden mit einem Teppiche bedecken und legte sich vor dem Kreuze auf demselben nieder. Nach beiläufig einer halben Stunde stand er auf, und ließ sich durch seinen Kammerherrn alle seine Habseligkeiten vorlegen. Es schien ihm sehr viel zu sein, obwohl er nur einige Hemden, sieben oder acht Tischtücher und zwei Mäntel hatte. »Wozu soll das Alles für mich?« sprach er, und befahl Alles sogleich an die Armen zu vertheilen. Darunter waren auch zehn Silberschillinge. Einmal fragte ihn Gerhard, von welchem Bischofe er begraben zu sein wünsche. Die Antwort war: »Machet es zu jener Zeit, wie ihr am besten könnet; der Herr wird für einen Bestatter meines Leibes sorgen.« Einmal schien er zu schlafen, beim Erwachen aber rief er traurig aus: »Ach, daß ich meinem Neffen Adalbero zu Willen gewesen! daß ich ihn lieber nie gesehen hätte! Sie wollen mich dafür nicht ungestraft in ihre Gemeinschaft aufnehmen!« Dann schwieg er. Ein anderes Mal hatte er in der Nacht vor dem Feste des hl. Johannes des Täufers eine Vision. Es erschienen ihm zwei schöne junge Männer, von welchen der Eine ihn aufforderte, das Hochamt zu halten. Als er erwachte, ließ er sich sogleich ankleiden, und konnte zur Verwunderung Aller zuerst die Domkirche, hernach die St. Johanneskirche besuchen, wo er ohne alle Hilfe zwei heil. Messen vollendete. Es ist dieß sein letzter öffentlicher Gottesdienst gewesen. Am 28. Juni, dem Vorabende des Festes der hl. Apostelfürsten, glaubte er zu sterben. Er ließ sich waschen, das Meßkleid anthun und erwartete auf dem Boden liegend den Tod. Als die Vesperzeit vorüberging und die Auflösung nicht erfolgte, sprach er traurig: »O heiliger Petrus, du hast nicht gethan wie ich meinte!« Doch sehnte er sich, seinen Neffen Richwin nochmal zu sehen, und dieser Wunsch ging in Erfüllung. Es war Donnerstag geworden; als der Morgen des Freitags anbrach, ließ der hl. Bischof den Boden in Kreuzesform mit Asche bestreuen, mit Weihwasser besprengen und sich auf den Boden legen. Nach Sonnenaufgang kam Richwin und brachte Botschaft vom Kaiser. Gleich darauf fing der Klerus die Litanei zu singen an, und der hl. Bischof ging, wie in einem süßen Schlaf entschlummernd, zur ewigen Ruhe ein. Er starb im 83. Jahre seines Alters, im 50 seines Episcopates. Als man die Leiche wusch, gab sie einen lieblichen Geruch von sich, der so lange dauerte, bis sie im Dome feierlich ausgestellt war. Der hl. Wolfgang von Regensburg, welcher den kranken Freund besuchen wollte, erhielt zu Nördlingen die Nachricht von seinem bereits eingetretenen Hinscheiden. Da der zur Beerdigung eingeladene Erzbischof Friedrich von Salzburg um diese Zeit selbst krank lag (er starb am 1. Mai d. J. 991), und die Bestattung des Heiligen nicht vornehmen konnte, baten ihn die Abgesandten des Domcapitels, diesen letzten Liebesdienst an dem Verstorbenen zu verrichten. Noch in derselben Nacht machte sich der hl. Wolfgang auf den Weg. Einstweilen wollte man den heil. Leichnam in der St. Afrakirche beisetzen. Der feierliche Zug, den eine unabsehbare Volksmasse begleitete, war bis zum Perlachberge gekommen, als die Botschaft eintraf, der hl. Wolfgang werde die Beerdigung vornehmen. Man setzte also die Leiche in der St. Afrakirche bei und hielt den ersten Gottesdienst. Das Begräbniß wurde auf den folgenden Tag verschoben. Zur Umhüllung des heil. Leichnams und der Gewänder, damit sie der Verwesung länger widerstehen möchten, wurde ein mit Wachs eingelassenes Hemd herbeigeschafft, denn der Heilige hatte in seiner Demuth befohlen, daß sein Leichnam auf kein Brett, sondern auf die bloße Erde gelegt, und ganz einfach mit einem darüber gelegten hölzernen Deckel umschlossen werden solle. Die Feierlichkeiten begannen mit der Darbringung des heiligen Opfers; darauf ermahnte der hl. Wolfgang, der Tags zuvor sehr ermüdet bei der St. Afrakirche angekommen und dort sogleich abgestiegen war, in kurzer eindringlicher Rede die Anwesenden, daß sie seine nach menschlichem Urtheile heilige Seele mit innigster Herzensandacht dem lieben Gott empfehlen möchten, und segnete unter vielen Thränen seine Leiche ein. Ueber den Leichendeckel stellte man einen hölzernen Sarg, den man mit Mauersteinen gruftförmig einschloß. Hierauf begab sich der hl. Wolfgang in die Stadt, um noch in der Domkirche seine Andacht zu verrichten. Der Augsburger Klerus verehrte ihm ein Meßgewand des Heiligen. Die Grabkapelle wurde mit Tapeten behängt, und eine immer brennende Oellampe in ihr angezündet. Eine Wachskerze, welche auf eine Tapete gefallen war, und daselbst fortbrannte, verursachte nicht den geringsten Schaden. Von jetzt waren die Wunder fortdauernd (assidua). Die nämlichen Zeugen, welche seine Lebensgeschichte verbürgen, bezeugen auch seiner Wunder. Für die Erscheinung, daß diese angeweiselt und geleugnet werden, während dieselben Zeugen für alles Uebrige unbedenklich angenommen werden, gibt es keinen andern Erklärungsgrund, als daß man die Beweiskraft dieser Wunder fürchtet. Die im J. 993 durch den Papst Johannes XV. vollzogene Heiligsprechung wurde mit Freuden aufgenommen. Der hl. Leichnam wurde sogleich erhoben und über demselben eine Kapelle erbaut. Die Kirche der hl. Afra erhielt nun auch seinen Namen. Als dieselbe im J. 1183 niederbrannte, wurde nach geschehener Wiederauffindung der Reliquien im J. 1187 eine großartige Erhebungsfeier veranstaltet; ihr wohnte Kaiser Friedrich I. bei und trug selbst mit seinem Sohne, drei Bischöfen und andern Fürsten den kupfernen Sarkophag. Zahlreiche Pilger aus den höchsten Ständen, Kaiser und Könige, verehrten seitdem seine Grabstätte und empfahlen sich seiner Fürbitte. Seine Verehrung verbreitete sich durch alle Länder. Die zu seiner Verehrung erbauten Kirchen, Kapellen und Altäre sind durch ganz Deutschland bis nach Polen, Ungarn, Belgien und Italien verbreitet. Eine zweite Erhebung der Reliquien erfolgte im J. 1762 unter dem frommen Bischof Joseph. Das Andenken an diese Uebertragung wird alljährlich am 13. Mai begangen. Bei der im J. 1873 gehaltenen Jubelfeier wurden dieselben mit großer Theilnahme in Prozession durch die festlich geschmückten Straßen der Stadt getragen. (Vgl. hierüber: Hörmann, Ulrichsbüchlein und Jubiläumstagbuch, Augsburg 1873). Als Personen, welche ihm besonders nahestanden, werden in seiner Lebensbeschreibung genannt: Rambertus, »ein Bruder«, welcher mit ihm die Psalmen sang, wenn er auf Reisen ging; derselbe wird als frommer, mit Gesichten begnadigter Mann geschildert. Zweimal erschien ihm Bischof Adalbero: das erste Mal sagte er ihm den Einsturz der neu erbauten Krypta vorher, sowie daß er und Fortunatus am nächsten Gründonnerstage mit ihm das heil. Chrisma segnen würden; das andere Mal, in Währingen, war es ihm, als feiere Adalbero die Messe und er habe den Auftrag, ihm dabei zu dienen. Wir werden kaum irren, wenn wir diesen Rambertus als bischöflichen Ceremoniar bezeichnen. Nach diesem wird uns der Sänger vorgeführt, Namens Heilricus, welcher einmal am Ostersonntage eine Hand sah, welche mit dem hl. Ulrich die hl. Opfergaben segnete. Da er dieses bekannt machte, tadelte ihn der Heilige, was ihm so zu Herzen ging, daß er vor lauter Weinen darüber erblindete. Wir lernen ferner einen gelehrten und frommen Mönch, Namens Benedict kennen, dem er seinen Neffen Adalbero zum Unterrichte in den Wissenschaften übergab; er wird gewöhnlich nach Wessobrunn gesetzt. Neben diesem nennen wir sogleich seinen Generalvicar (vicedominus) Attilinus, seine Haushofmeister Luitpaldus und Hiltinus, und den Kleriker Gerhardus, seinen nachmaligen Biographen, welcher in der Synode zu Ingelheim die Vertheidigung des heiligen Ulrich so kräftig geführt hatte, daß ihn dieser dafür zum Propste ernannte. Auch den frommen Clausner Antonius in Ottobeuern, den armen, des Gebrauches seiner Glieder beraubten, auf dem Gottesacker zu Kempten lebenden Ruozo (s.d.) und den als Einsiedler zu Wangen im Bisthum Constanz gestorbenen Ratperonius aus Thüringen dürfen wir an dieser Stelle einreihen. Mit den hl. Bischöfen Wolfgang von Regensburg, Conrad von Constanz, dem seligen Starchand von Eichstädt, den Aebten Werinharus von Fulda, der die Achtung des heil. Bischofes in so hohem Grade genoß, daß er ihn als Nachfolger wünschte und in seinem Auftrage die Klöster seines Bisthums visitirte und den Heiligen in seiner letzten Krankheit besuchte, Ruodungus von Ottobeuern, Alericus von Reichenau und vielen andern einflußreichen und frommen Männern seiner Zeit stand er in freundschaftlichen Beziehungen. Der hl. Bischof wird gewöhnlich mit einem Buche in der Hand, worauf ein Fisch liegt (s.o.), manchmal auch mit Ratten zu seinen Füßen 11 abgebildet. Er war und ist der fortwährende Beschützer und Fürsprecher der Stadt und des Bisthums Augsburg.
1 ▲ So das »Stemma« bei Welser. Nach Andern (Waitz) war der heilige Ulrich der Zweitgeborene.
2 ▲ In dieser Ansicht bestärkt uns hier die allgemeine Erfahrung, daß in fremden, weit entlegenen Orten gemeinhin größere Städte als Ortsbestimmungen angeführt werden, und die Bemerkung Raisers, daß civitas auch im Mittelalter nicht bloß Stadt, sondern auch Gau, Volksstamm bedeutet, und hiernach die Stelle: de civitate Augusta oriundus sum übersetzt werden muß: ich stamme aus dem Gebiete der Stadt Augsburg.
3 ▲ Zu Wittislingen wird täglich Morgens 2 Uhr geläutet, weil der heil. Ulrich zu dieser Stunde jedes Mal nach Dillingen in die Schule gegangen sei.
4 ▲ Nach Raiser (Denkw. 1824, S. 79) hatten die Bischöfe von Augsburg 5 Hofbeamte: Kämmerer, Marschälle, Truchsässe, Schenken und Küchenmeister, dann 4 Unterämter: ein Förgenamt (zur Schiffahrt und Fischerei), ein Unterschenkenamt, ein Triebelamt (womit die Aufsicht auf Mühlwerke und Getriebe verbunden war) und ein Speisamt (für Pilgrime und Arme).
5 ▲ Daß die Vita ihn Papst nennt, ist mit Unrecht beanstandet worden. Da sie erst geschrieben wurde, als Marinus den päpstlichen Stuhl bereits bestiegen hatte, konnte ihm Gerhardus, ohne von seinen Zeitgenossen mißverstanden zu werden, diesen Titel geben.
6 ▲ Gerhard gibt in seinem dermaligem Texte keine Zeitbestimmung, während es bei Gebhardus heißt: succedente tempore. Der sofortigen Uebernahme des Bisthums wäre schon das jugendliche Alter des Heiligen, der damals noch nicht Priester war, im Wege gestanden.
7 ▲ An der SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. zu Altheim im J. 931 (Naffler, S. 28) hat der heilige Ulrich nicht Theil genommen, weil eine solche in diesem Jahre überhaupt nicht stattgefunden hat. (Hefele, C.-G. IV. 560.)
8 ▲ Weder correptio noch correctio hat diese Bedeutung. Vgl. aber Koch, S. 37.
9 ▲ Sie wird öfter auch Elinsinda genannt, und soll die Wittwe eines in der Schlacht auf dem Lechfelde gefallenen Kriegers, nach Raiser wahrscheinlich eines bischöflichen Schirmvogtes gewesen sein.
10 ▲ Das Urtheil Welsers lautet: Scio, impuram nescio cujus nebulonis epistolam Udalrici aliquando nomine venditatam etc. (pag. 9 u. 10).
11 ▲ In der alten Nürnb. Chronik von Meysterlin (gest. um das J. 1490) heißt es: »Zwischen den zweien wassern (Lech und Wertach) ist kein ratz durch St. Ulrichs verdienen.« Diese Wohltthat hat also erst seid der sog. Reformation aufgehört. Noch jetzt wird die seinem Grabe entnommene Erde von den Gläubigen als Mittel gegen die Ratten in den Häusern aufbewahrt.