Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Ursula von Köln und 11.000 Gefährtinnen
S. S. Ursula et Soc. M. M. (21. Oct. al. 28. Jan. 4. Juli). Die Quellen der Lebens- und Leidensgeschichte der hl. Ursula und ihrer Gesellschaft sind theils Denkmäler, schriftliche und monumentale, theils mehr oder weniger zweifelhafte Traditionen und Legenden. Eine eigentliche, ursprüngliche Geschichte (Acten) war niemals vorhanden. Unzweifelhafte Thatsache ist, daß eine große Schaar Jungfrauen (11,000 muß als runde Zahl betrachtet, und darf nicht urgirt werden), zu Cöln durch heidnische Barbaren den Martertod erlitten hat. Die Verehrung dieser heil. Jungfrauen bestand daselbst nachweislich schon im 5. Jahrh. Die Ursulakirche und die im Chore derselben noch jetzt eingemauerte sg. Clematianische Inschrift ist das älteste historische Zeugniß nicht bloß der Verehrung, sondern auch des Martyriums der heiligen Jungfrauen. Die Inschrift stammt sicher aus dem 5., nach Ritschls Ansicht (Kessel, S. 152) vielleicht schon aus dem 4. Jahrh. (die Schriftzüge bekunden den reinsten und strengsten antiken Charakter, den kein moderner Fälscher hätte nachmachen können 1, und lautet in der Uebersetzung: »Durch himmlische, flammende Erscheinungen gemahnt, und angezogen durch den großen Tugend- und Martyrerglanz der auserlesenen, himmlischen Jungfrauen, hat sich, um sein Gelübde zu lösen, der sehr berühmte Mann Clematius (hier) eingefunden, und aus seinem eigenen Vermögen diese Basilica, nach dem Gelübde, zu welchem er verpflichtet war, an ihrem ursprünglichen Orte von Grund aus wieder hergestellt. Wenn aber Jemand neben der so großen Majestät dieser Basilica, wo die heiligen Jungfrauen für den Namen Christi ihr Blut vergossen haben, einen andern Leichnam, mit Ausnahme von Jungfrauen, beisetzen würde, so möge er wissen, daß er dafür durch das ewige Feuer der Hölle gestraft werden soll.« Diese Basilica mit ihrem Cömeterium ist also der älteste und zuverlässigste Zeuge für die Geschichte der hl. Ursula und ihrer Gesellschaft. Als der hl. Bischof Cunibertus (vom J. 623-663) eines Tages in derselben Gottesdienst hielt, wurde das Grab einer der heiligen Jungfrauen, vielleicht der hl. Ursula, dadurch entdeckt, daß eine auf seine Schultern fliegende Taube in der Grabnische, wo sie beigesetzt war, sich niederließ. Als fernere, unzweifelhaft ächte Quelle der Ursulageschichte ist die sog. Rede in natali zu betrachten. Sie macht den Eindruck einer an ihrem Verehrungstage zur Auffrischung und Erhöhung der Festfeier gehaltenen HomilieEine Homilie (von griech.„ὁμιλεῖν”, „vertraut miteinander reden”) ist eine Art von Predigt. Während eine Predigt die Großtaten Gottes preist (lat. „praedicare”, „preisen”) und Menschen für den Glauben begeistern will, hat die Homilie lehrhaften Charakter. und stammt (Kessel, S. 14 ff., Friedrich und Ennen stimmen bei, während de Buck den Zeitrahmen bis zum J. 839 erweitert) wahrscheinlich aus dem 8. Jahrh., weil in ihr die Kirchengeschichte Beda's benützt ist, welche im J. 731 vollendet wurde, und weil sie eine Uebertragung von Reliquien nach Batavien voraussetzt, welche nach dem J. 810 wegen der Verwüstungen der Normannen nicht mehr geschehen konnte. Diese »Rede,« welche bei Kessel im Anhange, S. 156 ff. wörtlich abgedruckt und übersetzt ist, gibt viele thatsächliche Aufschlüsse, welche wir im Folgenden übersichtlich mit den hauptsächlichsten Beweisstellen mittheilen. Ihr Verfasser ist unbekannt; der Inhalt ist dieser: Zu Cöln litten unter der Verfolgung des Kaisers Diocletianus (Maximianus) christliche Jungfrauen aus Britannien, in der Zahl von vielen Tausenden, den Martertod. Man kennt nur von Wenigen die Namen, aber ihre Reliquien standen zu Cöln von jeher in hoher Verehrung und man beging daselbst alljährlich ihr Martyrium in festlicher Weise. Im Einzelnen erfahren wir aus dieser Geschichtsquelle, daß »Schaaren« (agmina) heil. Jungfrauen, oder wie es später heißt, eine sehr große Zahl (in tanto eorum numero), auch Wittwen und Ehefrauen zu Cöln gemartert wurden, daß sie um Christi willen ihr Vaterland, ihre Eltern, Geschwisterte und Anverwandte verließen; daß aber, obwohl zu Cöln ihre Festfeier zu jeder Zeit sehr berühmt war (festivitas omni tempore celeberrima), nur das Ende, unter ihren Verdiensten freilich das größte, nicht aber der Anfang und die Mitte ihres Lebens bekannt sei. Es wird nicht ausgeschlossen, daß sich auch männliche Personen zu ihnen gesellt haben, aber mit allem Nachdrucke hervorgehoben, daß Alle, wie ihr Bräutigam Christus, ihren Sieg im Sterben gesucht hätten. Nur durch den Verehrungseifer der Vorfahren, unter welchen der oben erwähnte Clematius besonders erwähnt ist, sei die Kenntniß von diesen zahlreichen Martyrern auf spätere Zeiten überliefert worden. Es sei dabei mehr der beständig fortlaufenden und sich gleich bleibenden mündlichen Erzählung, die in häufigen religiösen Gesprächen erhalten blieb, als den schriftlichen Nachrichten zu glauben, obgleich dieselben niemals einen Widerspruch von Seite der kirchlichen Obrigkeit erfahren hätten. Solche schriftliche Aufzeichnungen, welche als erweisliche Vermuthungen und Meinungen bezeichnet werden, gab es damals schon sehr viele 2. Seit dem großen Brande, der die Ursulakirche verzehrte, welcher die heiligen Leiber in sich barg, sei bereits Vieles dem Gedächtnisse des Volkes entschwunden und Gefahr vorhanden, daß bei dem Andrange der Barbaren auch das noch Uebrige verloren gehe, so daß zuletzt die Verehrung der heiligen Jungfrauen aufhören müßte. In Cöln war damals der Name der heil. Ursula schon vergessen und hatte sich aus der Clematianischen Inschrift die Meinung gebildet, die heiligen Jungfrauen seien wie Clematius aus dem Orient gekommen und hätten zu der Thebäischen Legion gehört, was aber wie Jedermann sieht, durchaus grundlos und unglaublich ist 3, da sie in diesem Falle sicherlich in das Land, wo der Heiland gelitten hatte. wie zu dieser Zeit von Vielen geschehen, sich begeben hätten. Als Vaterland der heiligen Schaar wird unter Berufung auf das Zeugniß der Geschichtskundigen die Insel Britannien genannt 4, von wo sie nach Osten zogen, und nach einigem Aufenthalte in Batavien zu Cöln die ihnen zubereitete Glorie des Martyriums, nach welcher sie sich gesehnt hatten, wirklich erlangten. In Britannien, fährt die Rede fort, sei nämlich bis auf den Kaiser Diocletian der christliche Glauben in Ruhe und Frieden bekannt und geübt worden; die von diesem Kaiser ausgehende Christenverfolgung habe aber ihre Wellen auch in dieses Land geworfen, und sei unter Maximianus mit größter Heftigkeit ausgebrochen. Unter den zahlreichen Personen, welche Britannien damals verließen, waren auch die heiligen Cölnischen Jungfrauen, von welchen aber sehr wenige, unter ihnen die Königstochter Pinnosa (Vinnosa), dem Namen nach bekannt sind. In ihren kostbaren Leibern, so schließt die Rede, hätten dieselben der Stadt so vielen Schutz zugewendet und so viele Hilfe gewährt, als man, »von so vielen tausend Fürbitterinnen« erwarten könne. Da die oben erwähnte Verfolgung in Britannien in den Jahren 304 und 305 wüthete, so muß das Martyrium der heil. Jungfrauen in diese Zeit gesetzt werden. Daß es »unmenschliche Lictoren« waren, welche ihnen die Marterkrone verschafften, darf wohl als Hinweisung auf eine unter der Römerherrschaft ausgebrochene Verfolgung angesehen werden. Neben dieser Erzählung sind aber im Laufe der Zeiten noch andere zu Ansehen gelangt, welche nur in der Angabe des Vaterlandes und der Martyrstätte der heil. Jungfrauen übereinstimmen, in allen übrigen Angaben aber sowohl von der Rede in natali, als auch unter sich abweichen. Die natürliche Veranlassung zu diesen Abweichungen boten einerseits der Abgang wirklicher Geschichtsquellen, andererseits aber später eingetretene schwere Bedrängnisse und Gräuelscenen, welche die erste an Grausamkeit und Zahl der Erschlagenen wahrscheinlich übertrafen. Ehe wir hierauf näher eingehen, ergänzen wir unsere bisherige Darstellung mit den Angaben der Martyrologien, Kalender und Meßbücher bis in den Anfang des 12. Jahrh. Dieselben beginnen im 9. Jahrh., müssen aber schon früher bestanden haben, da es zu keiner Zeit anging, Namen und Martyrien ohne genügende Sicherheit und die kirchlich überlieferte und gut geheißene Verehrung in die Kirchenbücher einzutragen. Als ältestes Zeugniß dieser Art dient die zweite Antiphon zu den Laudes in den frühesten Tagzeiten der Stadt Cöln, wo zuerst der 11,000 Jungfrauen gedacht wird (Kessel, S. 155). Aus der ersten Hälfte des 9. Jahrh. stammt ein früher der Pantaleonskirche angehöriges Missale Anglicanum, in welchem zum 21. Oct. das »Fest der hl. Jungfrauen in Cöln« notirt ist. Ebenso hat das Würzb. Martyrol. des Beda aus dem 9. Jahrh. Aus dem J. 867 bestätigt eine durch Lothar II. ausgefertigte Urkunde »das Kloster der seligen Jungfrauen.« Ein gleichfalls dem 9. Jahrh. angehöriger Kalender von Essen nennt die Namen: Recia, Gregoria, Martha, Taula (Saula), Britula, Saturnia, Rebacia, Saturia, Palladia. Ein anderes daselbst im 10. Jahrh. geschriebenes Kalendarium nennt zum 21. Oct. das Fest des heil. Hilarion »und der heiligen 11.000 Jungfrauen«. Ein vielleicht auch dem 9. Jahrh. angehöriges Kalendarium von Hornbach schreibt zum 21. Oct.: »In der Stadt Cöln die Geburtsfeier (natalis, d. i. Todestag) der hl. 11,000 Jungfrauen«, und ebenso ein demselben vorangehendes, also wahrscheinlich noch älteres Martyrologium. Dagegen hat das Kalendarium von Lauresham (Lorsch, die Abtei wurde im J. 764 gestiftet), welches gleichfalls im 9. Jahrh. geschrieben sein soll, nichts, und erst ein Zusatz von späterer Hand gibt an: »Fest der heil. Jungfrauen zu Cöln.« Ebenfalls in's 9. Jahrh. gehört das in Hexametern verfaßte Martyrologium des Wandelbert von Prüm, welcher im J. 854 blühte:
Tunc numerosa simul Rheni per littora fulgent
Christo virgineis erecta trophaea maniplis
Agrippinae urbi quarum furor impius olim
Millia mactavit ductricibus inclyta sanctis.
Zu Deutsch:
Hernach glänzen zugleich an den Ufern des Rheins die Trophäen,
Christo zahlreich geweiht im Blute jungfräulicher Heerschaar,
Deren Tausende fielen zu Cöln durch heidnische Mordlust
Unter heiliger Führung als herrliches Opfer geschlachtet.
Zwar hat Rettberg (I. 113) hier ein späteres Einschiebsel vermuthet, aber ohne allen Grund (Aschb. K.-L. IV. 1173). Hieran schließt sich das zwischen dem 9. u. 10. Jahrh. verfaßte Cölner Kalendarium (Binterim: Kal. Eccl. Germ. Colon, wozu der Herausg. eine comentatio critica schrieb) zum 21. Oct. »Gedächtniß des hl. Hilarion und der elf Jungfrauen Ursula, Sencia, Gregoria, Pinosa, Martha, Saula, Britula, Saturnina, Rabacia, Saturia, Paladia.« Das Solothurner Kalendarium des 10. Jahrh. hat zum 21. Oct. »Geburtsfeier der 11,000 Jungfrauen in der Stadt Cöln« (Lütolf, Gl.-B. S. 239 Anm. 1). Auffallend ist, daß nur ein einziges altes anglicanisches Kalendar. (Binterim, Denkw. Bd. V. Th. I. S. 480) die Festfeier »der hl. Jungfrauen in Cöln« ohne Zahlenangabe erwähnt. In einer Litanei aus dem 11. Jahrh. in der ehemaligen Cölner Domcapitels-Bibliothek werden die heil. Jungfrauen Martha, Saula, Paula, Brittola und Ursula angerufen, während in einer andern Litanei derselben Bibliothek folgende Namen aufgeführt sind: Brittola, Martha, Saula, Sambatia, Saturnina, Gregoria, Pinnosa, Palladia. Das alte Augsb. Martyrol. das zum Theile wenigstens dem 9. Jahrh. angehört, schreibt zum 21. Oct.: »Zu Cöln die Festfeier der 11,000 Jungfrauen.« Dagegen übergehen die allgem. Martyrologien, selbst das von Fulda, ferner das sog. Hieronym. Martyrol., sowie das von Beda, Ado, Notker, diese Festfeier gänzlich. Eine Urkunde des Erzbischofes Hermann I. vom J. 922 gedenkt der »11,000 Jungfrauen« und ihres Klosters. Ebenso ist derselben, gleichfalls mit Zahlenangabe, in zwei Urkunden des Erzbischofes Wichfrid aus den J. 937 und 942 gedacht. In der ersten dotiert der Oberhirte das Kloster »aus besonderer Ehrfurcht gegen die hl. 11,000 Jungfrauen« (propter reverentiam XI mill. ss. V. V.), in der zweiten schenkt der Presbyter Gerhard sein Gut im Zilpichgau »zur Kirche der 11,000 Jungfrauen.« Diese Zusammenstellung zeigt, daß die Verehrung der jungfräulichen Martyrerschaar in Cöln zu keiner Zeit unterbrochen worden ist, daß aber ebenso bezüglich der Zahl, der Namen und Zeit verschiedene Angaben im Umlaufe waren. Es ist ohne Zweifel erlaubt, die zu Cöln nachweislich geschehenen Ermordungen christlicher Jungfrauen zu combiniren, dann aber erscheint zugleich die Zahl 11,000 durchaus nicht mehr unglaublich 5. Halten wir znnächst die historische Thatsache fest, daß im J. 305 oder 306 die erste Blutthat stattfand, so steht nichts im Wege, eine zweite, vielleicht sogar eine dritte mit derselben zu vereinigen. Künsteleien, wie z. B. Leibnitz sie versucht hat, indem er vermuthete, es sei Ursula et Ximillia zu lesen, oder wie Rettberg meinte: XI millia virg. sei eine verfehlte Abschreibung von XI. M. V., was auch Friedrich (K-G, S. 165) für die wahrscheinlichste Meinung hält, sind bei dieser Zusammenstellung sofort überflüssig. Es ist aber durch geschichtliche, eingehende Untersuchungen dargethan, daß auch im J. 451 oder 452 zu Cöln von den Hunnen eine große Anzahl christlicher Jungfrauen grausam ermordet wurde. Die Rede in natali gedenkt zwar der Hunnen nicht, aber gewiß nicht, wie Kessel vermuthet, weil die Verheerungen der Hunnen zu der Zeit, in welcher sie verfaßt oder gehalten wurde, bereits vergessen waren, was geradezu unmöglich ist, sondern aus andern, uns unbekannten Gründen, vielleicht weil sie älter ist, als der Kriegszug Attila's. Der sog. »Hunnenrücken« zu Cöln bewahrt in seinem Namen bis heute das Andenken der hunnischen Gräuel. Auch sie konnten Britinnen gewesen sein, da gerade um diese Zeit die Furcht vor den heranstürmenden Angelsachsen zahlreiche Auswanderungen aus Britannien verursachte. Der Beweis, daß der größte Theil der Hunnen nach der Schlacht bei Chalons den Rückzug über Cöln antrat, ist von Kessel in überzeugender Weise geführt. Die große Mehrzahl der auf dem »Ursulaacker« im 12. Jahrh. ausgegrabenen Martyrerleichen dürfte dieser Zeit angehören. Die Spuren grausamster Verstümmelung, welche viele derselben aufweisen, machen die Annahme, daß die Hunnen hier gewüthet haben müssen, noch wahrscheinlicher. Endlich ist noch die in den Grundzügen gleichfalls geschichtliche, aber willkürlich ausgesponnene Angabe des Galfredus Monumentensis (Monmouth, um das J. 1152-1175 Bischof von Asaph) in Kürze zu erwähnen. Er erzählt in seiner »Geschichte der Britonen« (V. 14 sqq.), Kaiser Maximian (eigentlich Maximus) habe bei seinem Zuge nach Gallien und Britannien die Landschaft Bretagne durch 100,000 Briten bevölkert und eine Besatzung von 30,000 Soldaten daselbst zurückgelassen, und nachdem er sein Reich befestiget hatte, habe er für die neuen Ansiedler Frauen aus deren Heimatlande bestimmt Zu diesem Ende sei von ihm eine Gesandschaft zu Dionotus, dem Könige von Cornubia, geschickt worden, damit er diese Angelegenheit besorge. Für sich habe er die Tochter des Königs, Ursula, zur Gemahlin gewünscht. Der König habe die Bitte bewilliget, und auf diese Weise seien 11,000 vornehme und 60,000 unedle Jungfrauen in London zusammen gekommen. Nachdem sie abgefahren waren, habe ein heftiger Sturm die Schiffe nach verschiedenen Seiten auseinander gejagt, ein Theil sei zu Grunde gegangen, andere seien an barbarischen Inseln ans Land getrieben und von den Einwohnern ermordet worden, während andere zu Cöln durch die Hunnen das nämliche Schicksal erreicht habe. Es soll sich dies im J. 382 zugetragen haben. Diese Erzählung liegt dem Proprium mehrerer Diöcesen, z. B. denen von Augsburg, Constanz, Chur, wo der hl. Asimo mit der jungfräulichen Schaar in Verbindung gebracht wird, zu Grunde, während andere (die sämmtl. rheinischen und das Mainzer Proprium) eine Verquickung der Rede in natali mit der spätern Leidensgeschichte, die von ihren Anfangsworten Regnante Domino heißt, aber (nach de Buck Oct. IX. 81.) viel Unglaubliches enthält, aufweisen. Diese weitläufigere »Leidensgeschichte« (Passio), welche zwischen den Jahren 900 und 1050 geschrieben ist, zählen wir nicht mehr zu den historischen Denkmälern, obwohl wir sie, wie alle später entstandenen Legenden gegen die Beschuldigung einer absichtlichen Erfindung oder eines sog. frommen Betrugs - ein wirklicher Betrug kann niemals fromm genannt werden - in Schutz nehmen müssen. »In dieser Leidensgeschichte,« sagt Kessel S. 20, »liegen die verschiedensten Elemente in bunter Mischung untereinander: urkundlich fortgepflanzte Tradition einer bestimmten Kirche und Stadt neben regellosen Erzeugnissen einer frommen Begeisterung, Notizen aus ältern Schriften allgemeinen Inhalts nebst speciellen Angaben, localen und höchst glaubwürdigen Urprungs.« Im Auszuge ist dieselbe in der revidirten Ausgabe des Chronicon von Sigebert von Gemblours (Gemblacensis) zum J. 453 6 mit folgenden Worten erzählt: »Unter allen Kriegen hat derjenige am meisten Aufsehen gemacht, welchen die glänzende Heerschaar der hl. 11,000 Jungfrauen unter Führung der hl. Ursula geführt hat. Diese war die einzige Tochter des Nothus, eines sehr vornehmen und reichen Fürsten in Britannien. Sie war noch nicht heiratsfähig, als sie von dem Sohne eines sehr wilden Tyrannen zur Ehe begehrt wurde. Da sie sah, daß ihr Vater deßhalb in großen Kummer fiel, weil er Gott fürchtete, und seine Tochter, die ihre Jungfrauschaft Gott verlobt hatte, nicht zur Heirath zwingen, aber zugleich dem Tyrannen durch Abweisung seiner Brautwerbung nicht vor den Kopf stoßen wollte, rieth sie dem unschlüssigen Vater auf göttliche Eingebung, das Gesuch des Tyrannen zu bewilligen, jedoch unter der Bedingung, daß der Vater und der Tyrann ihr zehn durch Gestalt und Jugend auserlesene Jungfrauen übergeben, und ihr sowohl als jeder Jungfrau weitere 1000 Jungfrauen unterstellen sollten. Außerdem sollten sie eine der Zahl der Jungfrauen entsprechende Zahl Dreiruder ausrüsten, und ihr zur Uebung ihrer Jungfrauschaft drei Jahre Aufschub zugestehen. Sie bediente sich dieses neuen Rathes, um entweder das Gemüth des Brautwerbers durch die Schwierigkeit der Ausführung von sich abzuwenden, oder günstigen Falls alle ihre Altersgenossen zu überreden, sich mit ihr Gott zu weihen. Nachdem diese Zusage erfolgt, die Dreiruder mit vielen Kosten ausgerüstet und den Jungfrauen übergeben waren, führten diese während der dreijährigen Frist unter aller Verwunderung ihre Kriegsspiele aus. Dann aber wurden sie durch einen günstigen Wind in einen Hafen Galliens, Tiele genannt, und von da nach Cöln getrieben. Hier faßten sie, auf Ermahnung eines Engels, den Entschluß einer Wallfahrt nach Rom und reisten auf Schiffen nach Basel; nach Rom aber gingen sie zu Fuß, und ebenso wieder zurück nach Cöln, welches durch die Hunnen von allen Seiten eingeschlossen war. Sie wurden von diesen insgesammt gemartert, feierten einen neuen und wunderbaren Triumph, und erhöhten durch ihr Blut und ihr Begräbniß die Berühmtheit der Stadt.« Wie man sieht, hat die fortlaufende Tradition die Lücken, welche in dem Anfang und in der Mitte des Lebens der heil. Jungfrauen lagen, ergänzt. Man suchte zuerst nach einem Erklärungsgrunde für die Reise nach Cöln, fand sie in den Vorbereitungen zu der angebotenen Heirath, und gruppirte sodann die übrigen Jungfrauen um die königliche Prinzessin, wobei sich die entsprechende Anzahl Schiffe, die Ueberfahrt nach Batavien und die Ankunft in Cöln von selbst verstand. Ferner erfuhr die Angabe des Wandelbert, daß »die Ufer des Rheinstroms« durch dieses Martyrium verherrlicht worden seien, durch die Beifügung des Zuges von Cöln nach Basel die gehörige Erweiterung. Die Wallfahrt nach Rom hat ihren historischen Hintergrund sicherlich darin, daß dergleichen Pilgerzüge zu jener Zeit wirklich von den umherziehenden barbarischen Horden, wenn sie auf dieselben stießen, angefallen und niedergemetzelt wurden. Daß aber irgend einmal ein solcher Zug sich auf Tausende belief, und das um die Zeit als die Hunnen Deutschland und Gallien, andere Barbaren aber das nördliche Italien und sämmtliche Küstenländer beunruhigten, ist unglaublich, und kann schon deßhalb nicht vertheidigt werden, weil kein Geschichtschreiber davon etwas berichtet. Auch Kessel, der diese Wallfahrt vertheidigt, läßt die Schifffahrt nach Basel und die Einzelnheiten der Weiter- und Heimreise als unmöglich fallen. Die Rede in natali enthält keine Andeutung einer Romfahrt. Noch weniger gibt sie in irgend einer Weise zu erkennen, daß die heil. Jungfrauen eine solche schon bei ihrer Abreise beabsichtigt hatten. Sie zogen allerdings »ostwärts«, aber dieser Ausdruck kann unmöglich auf Rom gedeutet werden, wie Kessel a.a.O. zu beweisen sucht, wobei Lütolf, Gl.-B. S. 238, ihm beistimmt, sei nun Britannien oder Cöln als Ausgangspunkt angenommen. Vielmehr ist für Britannien zu allen Zeiten Deutschland das »Ostland« gewesen. Das Martyrium von Tausenden heiliger Jungfrauen zu Cöln ist also nicht bloß keine leere Sage, keine Erdichtung, kein durch frommen Betrug entstandenes Wahngebilde, sondern eine Thatsache, welche wie durch die beständige und ununterbrochene Festfeier, so auch durch historische Denkmäler: die Ursulakirche und die Clematianische Inschrift, die Rede in natali 7, den »Hunnenrücken,« durch die geschehenen Ausgrabungen, und schon früher in zahlreichen Martyrologien, Kalendarien und Urkunden bestätiget ist. Von den sogenannten »Offenbarungen« und »Gesichten« der heiligen Elisabeth von Schönau und des heiligen Joseph Hermann von Steinfeld (Richard von Arnsberg?) gilt das Wort: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« In Dingen, welche nicht zur göttlichen Heilsordnung gehören, dürfen »Offenbarungen«, obwohl sie ohne Zuthun der Menschen manchmal erfolgt sind, was namentlich bei Auffindung heiliger Leiber durch die Geschichte vielfach bestätiget wird, nicht erwartet und verlangt werden. Die offenbaren Selbsttäuschungen, welche die bis zur Beunruhigung Befragten erlitten, und den vermessentlich Fragenden als »Offenbarungen« übergaben, sind eine Art strafender Zulassung Gottes, ein großartiges Denkmal der Verirrungen 8, welchen sogar Heilige unterliegen können, wenn man sie zwingt, Aufschlüsse über Dinge zu geben, welche von Gott dem menschlichen Forscherfleiße überlassen sind, und die Heilsordnung nicht berühren. Streng genommen gehören also diese Visionen nicht in die Ursulageschichte, sondern sie sind ein ganz zufälliger Anhang zu derselben und hätten stets als solcher behandelt werden sollen 9. In keinem Falle läßt sich, wie man oft genug versucht hat, die Ursulageschichte dadurch herstellen, daß man das Unglaublichste und handgreiflich Falsche, z. B. den Papst Cyriacus, den König von Griechenland, die Königin Gerasina von Sicilien mit ihren Töchtern, die verschiedenen Stammbäume u. dgl. aus den Schönauer- und Steinfelder-Offenbarungen wegnimmt, das in sich Wahrscheinliche aber beläßt. Noch weniger darf man, wie Rettberg, sein Nachfolger Friedrich u.v.A. gethan haben, die viele Jahrhunderte später entstandene Legende statt der historischen Denkmäler zum Ausgangspunkte der Untersuchung nehmen. Wer die »Leidensgeschichte« und ihre spätern Erweiterungen richtig beurtheilen will, muß sie in die Zeit setzen, in welcher sie entstanden sind und darf die Zierrathen und Lichtlein, welche die Schönauer- etc. Offenbarungen in das althistorische Monument der heil. Jungfrauen einsetzten, nicht für das Monument selbst ansehen. Der Vollständigkeit wegen müssen wir allerdings den in Rede stehenden »Anhang« um somehr in's Auge fassen, als er benutzt wurde, um die St. Ursulageschichte so zu verwirren, daß sie Gefahr lief, für immer in die geschichtliche Rumpelkammer geworfen zu werden. Der Name des Vaters der heil. Ursula war ursprünglich unbekannt, weßhalb man ihn als Deonotus (Gott weiß ihn) bezeichnete 10; hieraus entstanden die Varianten Dionolus und Rolus. Daß er Maurus geheißen habe, wurde erst seit den Offenbarungen der hl. Elisabeth von Schönau mehrfach angenommen. Aus der gleichen Quelle stammt der Name ihrer Mutter, Daria. Ebenso wenig wissen die alten Urkunden den Namen des Bräutigams der hl. Ursula, seine Bekehrung und sein Martyrium anzugeben. Erst die im 12. Jahrh. aufgefundene Grabschrift, von welcher sich bei Kessel (S. 11) eine Abschrift findet, nannte ihn Aetherius (Etherius, Eleutherius) und gab zu verstehen, daß er als Christ und Martyrer starb. Als Heide führt er in den Schönauer-Offenbarungen passend den Namen Holofernes. Die Einzelnheiten der Ueberfahrt und die ihr vorausgehenden »jungfräulichen Uebungen«, welche historische Glaubenswürdigkeit wohl nie beansprucht haben, werden geschildert, wie ein frommes und heiteres Gemüth sie sich allerdings vorstellen konnte. Sie landen zu Tiele, stimmen daselbst ihr Brautlied an, machen die nöthigen Einkäufe - den eben stattfindenden Jahrmarkt benutzend, - segeln bei günstigem Winde der Rheinmündung zu und gelangen auf diesem Wege nach Cöln. Hier empfängt sie feierlich der Erzbischof Aquilinus 11 und die Bürgerschaft gewährt ihnen bereitwillige Herberge. Die hl. Ursula wohnte in der Sterngasse, wo sich die Ueberlieferung der St. Ursulakammer in einem alten vornehmen Hause auf spätere Zeiten erhalten hat. Ein Mann mit englischer Klarheit mahnt sie daselbst zur Romreise, welche schon am dritten Tage angetreten wird. Der Erzbischof und viele Bürger begleiteten die Jungfrauen; in vier Tagen waren sie zu Basel. Hier wurden die Schiffe angebunden, und der Bischof Pantulus von Basel führte die Gesellschaft, welche von jetzt an zu Fuße reiste, bis nach Rom. Noch ehe sie hier ankamen, schlossen der Bischof Cäsarius von Meaux mit seiner Begleitung und Pilgerschaaren aus Thracien und Syrien sich derselben an. Der Papst Cyriacus, welchen die Legende, um die Wahrscheinlichkeit und den Reiz der Erzählung zu erhöhen, zu einem gebornen Briten macht, empfing sie mit aller Freude, ließ ihnen alle heiligen Orte zeigen, legte dann seine Würde nieder, und gesellte sich mit vielen andern Bischöfen, als welche der Cardinalpriester Vincentius, Pontius, Ignatius, Jacobus, Patriarch von Antiochia, Fiolanus, Bischof von Lucca, Simplicius (Sulpitius), Bischof von Ravenna, Mauritius und Cäsarius namentlich aufgeführt werden, Geistlichen und Mönchen der frommen Pilgerschaar zu, um mit diesen Jungfrauen die ihnen versprochene Marterkrone zu erlangen. Die Reise ging über den Splügen, das Rheinthal hinab bis in die Gegend von Bregenz und von da den Ufern des Bodensees und des Rheinflusses entlang bis sie wieder nach Basel kamen. Drei Jungfrauen, welche sich ihnen auf dem Wege anschlossen: Cunigundis, Mechtundis und Willibrandis mußten aus Ermüdung bei Rheinfelden stille halten, und starben zu Rapperswyl als Clausnerinnen eines gottseligen Todes. Eine andere Jungfrau, Namens Christiana, starb auf freiem Felde zwischen Wyl und Kreuzach. Zu Basel, welche Stadt sie ungefähr am 10. Oct. erreichten, bekamen sie die Nachricht, daß Julius Maximinus zu Cöln die Christen verfolge, und fuhren deßhalb sogleich den Rhein hinunter, um der Martyrerkrone theilhaftig zu werden. Zu Straßburg mußte Aurelia, welche ein heftiges Fieber bekommen hatte, mit drei andern zu ihrer Verpflegung bestimmten Jungfrauen an's Land gesetzt werden und starb am 15. Oct. Zu Mainz erwartete der Bräutigam der hl. Ursula die Reisegesellschaft, und Papst Cyriacus ertheilte ihm die hl. Taufe. Ehe sie weiter fuhren, stärkten sie sich durch die heil. Communion auf den ihnen bevorstehenden letzten Kampf. Als sie zu Cöln ankamen (hier macht die Erzählung einen weiten Sprung), fanden sie die Stadt durch die Hunnen und Gothen belagert. Der Papst Cyriacus ermahnte also die Männer, die hl. Ursula aber den weiblichen Theil der Gesellschaft zur Standhaftigkeit im Bekenntnisse Jesu Christi, und fanden bald hernach den Tod. Der heil. Aetherius wurde im Angesichte der heil. Ursula mit dem Schwerte getödtet, sie selbst aber noch geschont, weil der Hunnenfürst, von dem Zauber ihrer Schönheit ergriffen, sie zu ehelichen wünschte. Als die hl. Jungfrau ihn beharrlich abwies, befahl er, sie mit einem Pfeilschusse zu tödten. Mit gebogenen Knieen und zum Himmel gewendeten Augen erwartete sie muthig ihr Ende. Der erste Schuß traf den rechten Arm, der zweite ging ihr durch das Herz, worauf sie niedersank und den Geist aufgab. Ihre Seele wurde durch den heil. Erzengel Michael und den hl. Johannes Ev. glorreich in den Himmel eingeführt. Die heil. Cordula, welche sich im untersten Schiffsraume verborgen hatte und verschont geblieben war, stellte sich den Mördern am nächsten Tage und wurde so der übrigen jungfräulichen Martyrerschaar beigesellt. Gleich nach dem Blutbade erschienen den Mördern himmlische Heerschaaren, vor denen sie bestürzt die Flucht ergriffen, so daß die Cölner die Beerdigung der Erschlagenen vornehmen konnten. Der Patriarch Jacobus kam erst am dritten Tage nach Cöln und half die hl. Leichname bestatten, wurde aber nach Vollendung dieses Liebesdienstes von den umherstreifenden Barbaren gleichfalls getödtet. Der Priester Quirillus, der bei der Niedermetzelung der andern Martyrer zwar schwere Wunden davon getragen hatte, aber mit dem Leben davon gekommen war, bestattete seine Leiche und starb erst sechs Tage später. Auch die hl. Cunera, welche zu Reenen im vormaligem Stifte Utrecht durch eine gottlose Frau aus Eifersucht ermordet wurde, wird zu der Gesellschaft der hl. Ursula gerechnet. Um das J. 700 hat der hl. Willibrodus ihren Leib feierlich erhoben. Zu Cöln wurde im 12. Jahrh. der Ursula-Acker durchsucht. Wir können also jetzt den historischen Boden wieder betreten, und die Ausgrabungen der heil. Leiber in Kürze berücksichtigen. Arbeiter, welche um das J. 1105 an den zerfallenen Mauern der Stadt arbeiteten, wollten eine Erscheinung zweier hl. Jungfrauen gesehen haben, welche sich über die geringe Verehrung, welche ihrer Begräbnißstätte gezollt würde, beklagten. Dieß gab Anlaß zu den ersten Ausgrabungen und Erhebungen der gefundenen Reliquien. Von den bei dieser Gelegenheit gefundenen Leibern, an welchen die Marterzeichen noch deutlich zu sehen waren, kamen drei nach dem Kloster Vason, zwei nach Sponheim und zwei nach Zwiefalten. Im J. 1113 wurde der Leib der hl. Palmatia entdeckt und nebst einem Zahne der hl. Saula nach Weißenburg übertragen. Im J. 1120 fand der heil. Norbert Ursulanische Reliquien und im J. 1142 wurden vier Leiber dieser Martyrergesellschaft nach Breitenau im Erzbisthume Mainz abgegeben. Mit großem Fleiße wurden die Ausgrabungen unter dem Erzbischofe Arnold II. (vom J. 1151-1156) auf dessen Befehl durch den Abt Gerlach zu Deutz neun Jahre lang fortgesetzt. Bei vielen Körpern wurden auch Grabsteine und bleierne Tafeln mit Inschriften gefunden, deren Aechtheit jedoch schon damals bezweifelt wurde. Man fand z. B. die Namen Cyriacus, Pantulus, Jacobus, Vincentius, Marculus, Foilanus. Aetherius, Quirillus, Pinnosa, Babyla, Juliana, Florina, Verena u. a. Im J. 1278 entdeckte und erhob der selige Albertus den Leib der hl. Cordula. Zehn Jahre später fand Erzbischof Siegfried (vom J. 1270 bis 1297) die Leiber der hhl. Christina, Basilia, Imna und Odilia aus der Gesellschaft der hl. Ursula. Letztere wurde nach Huy übertragen, wo sie große Verehrung erlangte. Unter Heinrich II., Grafen von Virneburg (vom J. 1304-1332) fand man in einem Weingarten bei dem Gotteshause St. Johann und Cordula die Reliquien der hl. »Königin« Constantia mit hundert andern Körpern aus der Gesellschaft der hl. Ursula. Im J. 1320 fand man den Leib der hl. Victoria, welcher nach Burgos in Spanien übersendet wurde. Im J. 1348 wurden im Frauenkloster St. Maximin neuerdings 130 heilige Körper gefunden. Vergeblich legte der heil. Stuhl gegen diese Reliquienvertheilung im Jahre 1381 ein Verbot ein. Zu Straßburg erhob man im J. 1460 den Leib der heil. Aurelia, und zu Basel oder vielmehr zu Eichsel im J. 1504 die Reliquien der hhl. Christiana (Chrischona), Cunigundis, Mechtundis und Wibrandis, von welchen wir oben gemeldet haben (vgl. H.-L. I. 698). Im J. 1545 schenkte man mit päpstlicher Erlaubniß dem Spanier Franz de Prado, welcher Secretär des. apostol. Legaten für Deutschland war, die Häupter der hhl. Prudentia und Beatrix. Auch der ehrw. Petrus Faber erhielt um dieselbe Zeit sechs Häupter der hl. Jungfrauen die er nach Portugal überbrachte. Der selige »>Petrus Canisius brachte einen Schädel der hl. Jungfrauen nach Messina in Sicilien, und Anton Gomez im J. 1548 bis nach Goa. Im J. 1551 erhielten die Jesuiten zu Cöln die Vollmacht, Reliquien der heil. Jungfrauen auszugraben, wovon sie Gebrauch machten, so daß bald in sehr vielen Collegien des Ordens sich solche vorfanden. Eine besonders feierliche Uebertragung dieser Art, welche de Buck ausführlich beschreibt, hat im J. 1588 zu Lissabon stattgefunden. Zahlreiche Gebeine wurden wieder im Jahre 1640 zu Tage gefördert und das Gleiche geschah noch im J. 1866 bei Gelegenheit einer Straßenanlage. Manche der zu Cöln ausgegrabenen Martyrerleichen dürften aber (de Buck, l. c. fol. 233) nicht zur Schaar der hl. Ursula gehört haben. Welche ausgebreitete Verehrung den hl. Jungfrauen zu Cöln zu Theil geworden ist, ist aus obiger Darstellung ersichtlich. Schon Baronius konnte einen Ursulanischen Kalender anfertigen, welcher von de Buck erweitert und durch Kessel vervollständigt worden ist, sicherlich aber noch lange nicht alle Tage, Orte und Namen der heil. Martyrergesellschaft enthält. Die Kirchen und Altäre, welche ihr zur Ehre erbaut wurden, sind nicht zu zählen. Noch sei erwähnt, daß die hl. Ursula, welche so viele starkmüthige Seelen dem Himmel zugeführt hat, als Vorbild und Patronin für Erzieher aufgestellt ist. Die Ursulinerinnen tragen aus dieser Ursache ihren Namen. Auf Bildnissen findet sich neben dem Pfeile, welchen sie in der Hand trägt, als besonderes Attribut naturgemäß das Schiff. Die Heilige befindet sich auf demselben und breitet ihren Mantel schützend über die in ihrer Begleitung befindlichen Jungfrauen aus. Davon heißt es in einem Liede des 16. Jahrh.:
»Sanct Ursula, ach steh' uns bei,
Du unser Schutz und Schirmfrau sei;
Breit' aus, breit' aus den Mantel dein,
All' wollen wir darunter sein;
Elf tausend zwar darunter steh'n,
Viel tausend mehr darunter geh'n.
Dein Mantel uns ein Panzer ist,
Für alle Feind' und ihre List.«
(IX. 73-303.)
1 ▲ Ritschl sagt insbesondere, daß die orthographischen Eigenheiten: MAIIESTAS, HVIIVS, ALIOVIIVS nach dem Jahre 500 nicht mehr vorkommen, und die Aechtheit der Inschrift unzweifelhaft machen.
2 ▲ Die Belegstelle setzen wir, um den Context nicht zu lange zu unterbrechen, hieher: Non autem praetereundum, nec silentio premendum esse videtur, quod in ore nostratum servatum religiosis frequenter colloquiis voltur, credibile etiam auvi verum aut verisimilimum non negatur. Denique plurima per opinionis conjecturam probantur esse conscripta, quibus tamen nulla unquam auctoritas refragata est.
3 ▲ So muß die Stelle: nulla ergo ratione credibile videtur unzweifelhaft übersetzt werden.
4 ▲ Die Stelle lautet: Plures autem rationis rum ducatu perspecta, vigilantius rerum orhujus Deo notae multitudinis genitricem, in qua sententia concordant procut dubio et hi, qui sanctum agmen misisse dicuntur et qui se suscepisse magnopere gratulantur. Der nachfolgende Satz beweist das Nämliche durch die an sehr vielen Orten Bataviens bestätigte Durchreise der heiligen Jungfrauen. Wie sollen wir es erklären, daß Friedrich, K.-G. D. hieraus den Schluß zieht, es sei gleich ungewiß, ob die Jungfrauen aus Britannien oder aus dem Orient kamen?
5 ▲ Daß der letzte Kurfürst von Cöln, Max Franz von Oesterreich, den Geistlichen der Erzdiöcese in Brevieren und Meßbüchern die 11,000 zu streichen gebot, bezeichnet sogar der Rationalist Schade (Ursulasage, S. 25) als »ärmliche und unhaltbare Polemik.«
6 ▲ Diese Jahrzahl müssen wir als eine Berichtigung der »Leidensgeschichte,« welcher am Schlusse das J. 238 beigesetzt ist, auffassen, da in so trüber Zeit die Hunnen in der Geschichte noch nicht genannt werden.
7 ▲ Bei Rettberg ist dieselbe gar nicht erwähnt; auch Floß im K.-L. von Aschbach gedenkt dieser Hauptquelle mit keinem Worte. Erst Friedrich hat sie, durch die Arbeit Kessel's aufmerksam gemacht, einer Würdigung unterzogen.
8 ▲ Papebroche sagt von den sogen. Offenbarungen des Joseph Herrmann: »Ich will lieber alles Erdenkliche leiden, als solche Dinge für himmlische Offenbarungen ansehen.« Und de Buck: »So viele Worte, so viel Unsinn.«
9 ▲ Diese Visionen sind im Tom. IX. Oct. der Boll. ausführlich zu lesen. In der Geschichte der hl. Elisabeth von Schönau wollte sie Papebroche nicht aufführen, wünschte aber, daß sie in der Beschreibung der hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen vorgetragen werden möchten, obwohl sie fabelhaft seien.
10 ▲ Nach Lütolf, Gl.-B. S. 236 ist aber Deonotus eine schlechte Uebersetzung des keltischen Mannesnamens Dinoot.
11 ▲ Ein Bischof d. N. wird in's 3. Jahrh. gesetzt; er soll der Cölner Kirche 48 Jahre vorgestanden sein.