Hinweise zu Stadlers »Heiligen-Lexikon« Abkürzungen
Widukind
S. Widukindus. Dux. (17. Jan.) Der heil. Sachsenfürst Widukindus wird auch Witikind, Wittikind, Wittekind geschrieben, und führt den Beinamen der Große. Sein Geburtsort ist wahrscheinlich Enger in Westphalen, obwohl Viele meinen, daß er hier, wo noch die Trümmex des ihm zugehörigen Schlosses zu sehen sind, erst nach empfangener Taufe seinen Wohnsitz aufgeschlagen habe. Sein Vater soll nach Einigen Edhard (Edelhard) geheißen haben. Nach Leo (Gesch. des M.-A. S. 107 und Universal-Gesch. II. 22) gehörte er einem der altsächsischen Priestergeschlechter an; eine Beweisstelle hiefür ist aber nicht angegeben. Er heißt bei den alten Schriftstellern bald ein Häuptling der Westphalen (Einhard: unus e primoribus Westphalorum), bald Herzog der Sachsen (vita, Ludgeri), bald auch König der Engern. Seine Stammgüter lagen bei Minden, wo aus seiner Burg der Bischofssitz geworden sein soll, an der obern Weser, im Hessengau bei Budinfeld in der Gegend von Driburg, hauptsächlich aber zu Wildeshausen (Wigoldinghus) in dem dermaligen Oldenburg. Seine wiederholten Einfälle ins fränkische Gebiet zur Abwehr der Eroberung der sächsischen Länder durch Carl d. Gr., welcher im J. 772 zu diesem Ende den Krieg zu Worms beschlossen hatte, erstreckten sich bis an den Rhein, und waren grausam und blutig. Besonders seit dem J. 776 wird sein Name als Feldher der Sachsen häufig genannt. Wo seine Schaaren hinkamen, verwüsteten sie das Land, brannten Kirchen und Klöster nieder, ermordeten die Priester und Mönche, raubten und entweihten die Heiligthümer. Haß gegen das Christenthum, und Liebe zu seinem Volke, dessen Unabhängigkeit er vertheidigte, waren der Grund seiner stets erneuerten Kriegszüge. Der gewöhnliche Schauplatz dieser schrecklichen Kämpfe war der dermalige Regierungsbezirk Minden, hauptsächlich aber die Rheinlande von Deutz bis Coblenz. Der Rachekrieg war so wüthend, daß Weib und Kind nicht geschont wurde. Im J. 778 erlitten aber die Sachsen eine schwere, sehr empfindliche Niederlage am Flusse Edder. Eine noch größere Niederlage bereitete ihnen Carl d. Gr. im J. 783 im Teutoburger- Walde, unfern vom jetzigen Detmold, dann bei Osnabrück an dem Haseflusse, worauf er, ohne mehr namhaftem Widerstande zu begegnen, bis zur Elbe vordrang, so daß endlich Widukindus die Zwecklosigkeit eines längern Widerstandes einsah, und nach kurzem Aufenthalte in Dänemark auf einen dauernden Friedensschluß bedacht war. Die Angabe, daß zuletzt ein Zweikampf zwischen Carl d. Gr. und Widukindus, in welchem Letzterer unterlag, den Ausschlag gegeben habe (Pertz, Mon. scr. II. 763), steht ganz vereinzelt. Auf einer Unterredung zu Attigny, in der Champagne, zu welcher Carl d. Gr. ihn unter sicherm Geleite und Stellung von Geiseln eingeladen hatte, kam ihm dieser mit den gleichen Gesinnungen entgegen. Widukindus wurde Christ. Im J. 775 wurde in der Pfalz Attigny (palatium Attiniacum) in Gegenwart Carls d. Gr., welcher sein Pathe wurde, die heil. Taufe an ihm vollzogen. Es ist nicht sicher, ob der heil. Bonifatius, oder der heil. Lullus, oder beide den berühmten Kriegshelden in die Kirche Gottes aufnahmen. (Rettberg II. 498 und 499). Den nächsten Anlaß zu seiner Bekehrung bildete ein Hostienwunder bei der Communion des Kaisers zu Wolmirstädt oder Berdowik bei Rulla, oder Belem im Münster'schen. Hier nämlich, so wird erzählt, wohnte er noch als Heide unter einer Verkleidung, die ihn unkenntlich machte, zu Ostern dem Gottesdienste bei. Als nun der Kaiser und seine Hofbeamten zum Tische des Herrn gingen, gewahrte er, daß Jeder aus des Priesters Händen einen schönen Knaben bekam, welcher Einigen zulächelte, Andern aber nur mit Widerstreben sich darreichen ließ. Als er an einem krummen Finger erkannt, und vor den Kaiser geführt wurde, erzählte er dieses. Da rief Carl d. Gr. aus: »Wie glücklich bist du! Du hast gesehen, was weder ich noch unsere Priester zu sehen gewürdiget wurden.« Von seiner Taufe angefangen war und blieb er ein eifriger und frommer Christ. Es war ihm nicht genug, selbst ein Kind der hl. Kirche geworden zu seyn, sondern er bemühte sich auch seine noch heidnischen Landsleute zu bekehren. Zu diesem Behufe nahm er den hl. Bischof Herumbertus (s. d.), welcher zu Minden am linken Weserufer, wo Carl d. Gr. schon im J. 780 ein Bisthum gestiftet hatte, vom J. 803-813 seinen Sitz aufschlug, in sein Land auf, und errichtete zahlreiche Kirchen, und zwar größtentheils an Stellen, die noch heidnischem Dienste bestimmt waren. Der dermalige Dom zu Minden steht auf dem Grunde der ersten von dem hl. Widukindus erbauten Kirche. Dadurch bewies er die Aufrichtigkeit seiner Bekehrung. Es ist nicht zu zweifeln, daß er von den nichtbekehrten Sachsen, welche im J. 794 sich von Neuem erhoben, wegen seiner Bekehrung viel Beschimpfung und Ungemach ertragen mußte. Namentlich wird ihm der Vorwurf des Landesverraths oft genug gemacht worden sein. Aber hatte er nicht für seine frühern vermeintlichen Götter bis zur äußersten Erschöpfung gestritten, und durfte er der Gnadenstimme, die ihn so wunderbar rief, länger widerstehen? So kam es, daß er seiner Familie und seinen Landsleuten jetzt ein Vorbild des christlichen Lebens und der Nachfolge Jesu wurde. Seine Gemahlin Gheva, eine Tochter oder Schwester des Dänenkönigs Siegfrid, empfing mit ihrem Gemahl den christlichen Unterricht und die hl. Taufe. Ihre Pathin war Festrada, des Kaisers Gemahlin. Die Nachkommenschaft des hl. Widukindus trat in die Fußtapfen des Vaters. Sein Sohn Wigbert erbaute zu Wildeshausen ein Kloster, welches sein Enkel Walbert (Waltbraht) vollendete und im J. 851 mit Reliquien, die er zu Rom erhalten hatte, bereicherte. Auch die hl. Kaiserin Mathilde war seinem Geschlechte entsprossen, und wohnte gerne zu Enger beim Grabe ihres seligen Urahns, wo sie ein Chorherrenstift errichtete. Sein Tod erfolgte im J. 807 oder 810 in einer Schlacht mit dem Suevenkönige Gerold, wahrscheinlich am 7. Januar, in Thüringen. Er wurde alsbald vom Volke als Martyrer und Apostel des Sachsenlandes verehrt. Der hl. Leib des rüstigen Kämpfers wurde anfänglich in der von dem Heiligen erbauten St. Dionysiuskirche zu Enger bestattet, nachmals aber in das Johannesstift nach Herford gebracht, aber von dort am 15. Oct. 1822 wieder zurückgeführt. Die dermalige Kirche zu Enger, dem gewöhnlichen Wohnorte des Heiligen, wurde im J. 903 erbaut. 1
1 ▲ Quelle: Strunck, Westph. S. in der Ausgabe von Giefers I. 20-27.