Johann Hinrich Wichern
Gedenktag evangelisch: 7. April
Name bedeutet: J: Gott ist gnädig (hebr.)
H: der reiche Schützer (althochdt.)
Johann Hinrich Wicherns Vater hatte sich vom Kontorschreiber zum Notar und Übersetzer empor gearbeitet. Als der starb,
war Johann Hinrich mit 15 Jahren das älteste Kind von sieben Geschwistern; durch Nachhilfestunden musste er nun Geld für
den Unterhalt der Familie verdienen und die Schule verlassen, um zwei Jahre lang als Hilfslehrer und Erzieher in einem
Knabenpensionat zu arbeiten. Freunde aus der Erweckungsbewegung ermöglichten ihm das Studium der Theologie von 1828 bis
1831 in Göttingen und an der
Humboldt-Universität in Berlin. In dieser Zeit
besuchte er in Halle die von August Hermann Francke gegründeten
Francke'schen Anstalten, die großen Eindruck auf
ihn machten. In Berlin kam er in Kontakt mit
Baron von Kottwitz und lernte dessen Freiwillige
Armenbeschäftigungsanstalt
kennen.
Nach seinem Examen im Jahr 1832, als Oberlehrer an der Sonntagsschule der
Kirche St. Georg in einer damals proletarischen
Vorstadt von Hamburg, sammelte Wichern Erfahrungen über die entstehende Großstadtgesellschaft und die sich zuspitzenden
sozialen Verhältnisse. Zu einer Zeit, die weder Krankenkassen und Altersrenten noch eine allgemeine Schulpflicht kannte,
war das soziale Elend in Hamburg groß. Um Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen zu helfen, regte er an,
Rettungshäuser
einzurichten. 1833 gründete er, unterstützt von einem Freundeskreis, unter dem sich angesehene
Hamburger Senatoren befinden, das Rauhe Haus
in Horn bei Hamburg - heute ein Stadtteil von Hamburg -, wo er mit 12 Kindern im Alter von fünf bis 18 Jahren begann.
Im Oktober 1833 zog Wichern zusammen mit seiner Mutter in das strohgedeckte kleine Haus, das der Grundstock zu einem
großen Gebäudekomplex werden sollte. Im Rauhen
Haus
sollten bedürftige Kinder durch Unterricht in Lesen und Schreiben und durch Gottesdienst und Gebet sowohl
materiell als auch spirituell eine Zukunftsperspektive bekommen. Dabei kam es Wichern darauf an, durch eine familiäre
Atmosphäre ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Erziehung beschränkte sich für Wichern nicht nur auf den schulischen
Unterricht, wichtig war auch das religiöse Leben, die Arbeitswelt und die familienähnliche Erziehungsgruppe. In der Schule
sollte neben musischen Neigungen der eigene Lernwille der Schüler geweckt werden. Von der Arbeit in seinen Anstalten
versprach er sich für seine Schützlinge nicht nur Berufserfahrung, sondern auch die Entwicklung sozialer Kompetenz. Gebet
und Arbeit waren die beiden Pole des gemeinsamen Lebens, Abwechslung in den Alltag brachten Spiele, Feste und Feiern. Das
Erziehungsziel Wicherns waren freie, christliche Persönlichkeiten, die Frohsinn und christliche Zucht zu vereinen wissen
und lebendige Glieder in Staat und Kirche sind.
Unter Wicherns Leitung wurde das Rauhe Haus
rasch zu einem Zentrum der Erziehungsarbeit in Norddeutschland, Wicherns Gedanke der Rettungshäuser
wurde bekannt.
1835 heiratete er die Sonntagsschullehrerin Amanda Böhme, acht Kinder gingen aus dieser Ehe hervor. 1842 wurde eine Druckerei
eingerichtet, der 1844 ein eigenes Verlagsgeschäft folgte - die Agentur des Rauhen Hauses
- und die Herausgabe der
sogenannten Fliegenden Blätter
, die das Publikationsorgan für die Belange der Inneren Mission wurden. Diese Bezeichnung
Innere Mission
stammt auch von Wichern, der diese Innere Mission bestimmte als das Bekenntnis des Glaubens durch
die Tat der rettenden Liebe
. Das Jahr 1844 brachte auch die Einrichtung eines Gehilfeninstitutes; hier wurden Brüder
ausgebildet für alle Zweige der Inneren Mission.
1845 beherbergte das Rauhe Haus
93 Kinder, 117 waren schon wieder in geordnete Verhältnisse entlassen. Zwei Oberhelfer, vier Schwestern und 32 Brüder taten
in der Anstalt ihren Dienst, 25 Brüder standen auf Außenposten. Die Anstalt erfreute sich eines regen Besuches aus dem In-
und Ausland, im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens zählte man über 10.000 Besucher. Überall im Lande bildeten sich
Freundeskreise, die das Rauhe Haus durch Spenden unterstützten oder selbst zu eigenen Gründungen schritten.
Ab 1844 reiste Wichern regelmäßig nach Berlin, wo er Zugang zu Kreisen am Hof von König Friedrich Wilhelm IV. bekam. Im Februar 1848 fuhr er auf Geheiß der Regierung mit acht Brüdern in das Hunger- und Typhusgebiet Oberschlesiens und richtete auch dort für die Opfer der Katastrophe Rettungsstationen ein.
Wichern erlebte im März 1848 die Revolution in
Berlin. Im September nahm er am Wittenberger
Kirchentag teil, der in der Schlosskirche
versammelt war und in dem es in erster Linie um eine kirchliche Einigung Deutschlands ging. Wichern aber drängte auf die
Behandlung praktischer Fragen der Inneren Mission. Schließlich konnte er seine berühmte ¼-Stunden-Stegreifrede halten, die
zur Einigung in der praktischen Liebe aufrief und in dem Satz gipfelte: Die Liebe gehört mir wie der Glaube. Wie der
ganze Christus im lebendigen Gottesworte sich offenbart, so muss er auch in den Gottestaten
sich bezeugen.
Christliche Verkündigung und soziales Engagement stellten für Wichern eine Einheit dar. Man beschloss die
Bildung eines ständigen Centralausschusses
, für den Wichern eine Programmschrift ausarbeiten sollte, die das Manifest
der Inneren Mission wurde. Werbend und helfend zog Wichern als Herold der Inneren Mission
durch die deutschen
Provinzen, aber nicht überall fand er Verständnis für die freie Vereinsarbeit der Inneren Mission. Besonders die streng
konfessionellen Lutheraner standen seiner Arbeit kritisch gegenüber.
Aus seiner Arbeit wurde Wichern herausgerufen durch die Bitte der preußischen Regierung, eine Reform des Gefängniswesens
vorzunehmen. Er begann mit der Umorganisierung des
Gefängnisses an der Lehrter Straße - heute
Geschichtspark
- in Berlin-Moabit. 1857 wurde er als vortragender Rat ins preußische Ministerium des Innern berufen
und gleichzeitig zum Oberkonsistorialrat im Evangelischen Oberkirchenrat, der damaligen zentralen Kirchenbehörde Preußens.
Seine Reformen wurden nur teilweise verwirklicht, er scheiterte an der Bürokratie und den alten Gefängnisbeamten. In den
preußischen Kriegen von 1864, 1866 und 1870 organisierte er die diakonische Arbeit unter den kämpfenden Soldaten.
Schwer erkrankt, musste Wichern 1874 seine Ämter niederlegen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im
Rauhen Haus
, wo er nach langem Siechtum
starb.
Johann Hinrich Wichern kann also als Begründer der Inneren Mission
der Evangelischen Kirche in Deutschland gelten.
Als Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.
wirkt die Innere Mission heute auf vielfältigen
Arbeitsgebieten weiter, umfasst in über hundert Fachverbänden ca. 31.000 Einrichtungen mit nahezu einer Million Plätzen bzw.
Betten und 400.000 hauptamtlichen und fast ebenso vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern.
Johann Hinrich Wichern wurde auf dem Alten Hammer Friedhof in Hamburg bestattet, dort ist sein Grab nahe des für Amalie Sieveking errichteten Mausoleums.
Das Rauhe Haus stellt auf seiner Internetseite die Geschichte und die heutigen Einrichtungen dar.
Acht Liedtexte von Wichern hat Pfarrer Christian Hählke auf seiner Homepage, dazu von ihm dazu komponierte Melodien.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
Die
Kirche St. Georg ist samstags von 10 Uhr bis
12 Uhr geöffnet. (2024)
Die Schlosskirche in Wittenberg ist zugänglich
durch den Eingang zum Schloss, in dem heute das
Predigerseminar der Evangelischen Kirche in Anahlt untergebracht ist. Sie ist täglich von 10 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet, der
Eintritt beträgt 3 €. (2023)
Heiligenlexikon als USB-Stick oder als DVD
Unterstützung für das Ökumenische Heiligenlexikon
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 15.10.2024
Quellen:
• http://www.elk-wue.de/cms/kirchefuersie/gedenktage/johannhinrwichern nicht mehr erreichbar
• Günter Brakelmann: Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts, Luther-Verlag, Bielefeld 1975
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.