Ökumenisches Heiligenlexikon

Roger Schutz

Gedenktag evangelisch: 29. August

Name bedeutet: der mit dem Speer Ruhmreiche (engl./franz. - althochdt.)

Ordensgründer, Prior in Taizé
* 12. Mai 1915 in Provence im Kanton Waadt in der Schweiz
16. August 2005 in Taizé in Frankreich


Frère Roger Schutz
Frère Roger Schutz

Roger Louis Schutz-Marsauche, Sohn eines Pfarrers der Reformierten Kirche, studierte von 1935 bis 1939 Theologie in Lausanne und Straßburg. 1940 gab er seine sichere Karriere als Pfarrer auf und fuhr mit dem Fahrrad in ein kleines Bergdorf nach Frankreich, das direkt an der Demarkationslinie zwischen dem deutsch besetzten Frankreich und den französischen Truppen des freien Südens lag: das Dorf Taizé. Er wollte dort eine Gemeinschaft gründen, die das christliche Ideal der Versöhnung lebte. Er versteckte viele Flüchtlinge, darunter vor allem Juden. Nach Kriegsende kümmerte er sich um deutsche Kriegsgefangene. Freunde und Gleichgesinnte, darunter auch Katholiken, schlossen sich Roger Schutz an und er entdeckte, dass auch sein Christsein sich erst im Zusammenfluss mit der katholischen Theologie richtig entwickelte.

1949 legten die ersten sieben Brüder ein gemeinsames Gelübde zum überkonfessionellen klösterlichen Leben ab und gründeten damit die Communauté, die Gemeinschaft von Taizé. Die Ordensmitglieder leben nach den evangelischen Räten - Maßstäben, die der Bergpredigt entnommen sind - in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Die Entwicklung des inneren Lebens einerseits, die Solidarität mit den Menschen andererseits sind Grundpfeiler der Gemeinschaft. Frère Roger, wie er sich nun nannte, stand der Gemeinschaft bis zu seinem Tod als Prior vor.

Seit den 50er-Jahren versammelten sich Zehntausende vor allem junger Christen aus Europa und der ganzen Welt in Taizé zu Gesprächen und zum Gebet. 1950 richtete er mehrere Eingaben an Papst Pius XII., um das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Maria in den Himmel zu verhindern; nachdem er kein Gehör fand, gab es jahrelang keine Kontakte mehr zwischen Roger Schutz und dem Vatikan. Nach der Wahl von Papst Johannes XXIII., der Taizé den kleinen Frühling der Kirche nannte, begann ein intensiver Gedanken- und Meinungsaustausch mit dem Vatikan, 1962 wurde Roger Schutz zum 2. Vatikanischen Konzil eingeladen. Dort lernte er auch Karol Woityła, den späteren Papst Johannes Paul II., kennen, der später zweimal Taizé besuchte und Schutz 1973 nach Polen einlud.

Roger Schutz und sein kleiner Orden fanden wachsenden Zuspruch unter jungen Menschen aus allen Teilen Europas; das Konzil der Jugend, das 1974 in Taizé stattfand, wurde von mehr als 40.000 Jugendlichen besucht. Seither treffen sich jährlich Zehntausende junger Menschen aus allen Teilen der Welt im Rahmen des Europäischen Pilgerweges des Vertrauens auf der Erde in wechselnden europäischen Städten. Bis zu 60.000 Jugendliche aus allen Erdteilen sprechen in den Wochentreffen über Glaubens- und Sinnfragen, beten und feiern gemeinsam Gottesdienst. Inzwischen gehören der ökumenischen Gemeinschaft 100 Brüder aus evangelischen und katholischen Kirchen und aus 25 Nationen an. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt selbst und verzichten auf Spenden und Gaben. Einige Brüder leben mit den Ärmsten in Asien, Afrika und Südamerika.

Bilder aus Taizé und Originalton des Liedes Nada de turbe, Nichts störe dich

In der zunächst protestantisch, dann überkonfessionell orientierten Gemeinschaft stand der ökumenische Gedanke immer vornean. Es komme nicht auf die theologischen Differenzen an: Suchen wir nicht, wer recht oder unrecht hat, sondern versöhnen wir uns, sagte er mit einem Satz, den er von Papst Johannes XXIII. übernahm. Nachdem 1949 sieben Protestanten die Gelübde abgelegt hatten, kam 1969 der erste Katholik zur Gemeinschaft hinzu; heute sind rund ⅓ der Brüder römisch-katholisch. Schutz stellte sich eine Art dritter Konfession vor und schlug dafür in den 1970er-Jahren eine Doppelmitgliedschaft in beiden Kirchen vor, um so zu einer Kirche der Gemeinschaft zu werden, die insgesamt den Papst als sichtbaren Garanten der Einheit anerkenne.

Frère Roger beschrieb seine Grundgedanken in den Büchern In allem ein innerer Friede und Kampf und Kontemplation; aber er wirkte bis zuletzt v. a. durch sein Vorbild, seine persönliche Ausstrahlung und seine Glaubwürdigkeit: das Vertrauen des Herzens sei aller Dinge Anfang. Nicht mit Moralpredigten, sondern durch erfahrbare Güte des Herzens gewann er vor allem junge Leute. 1974 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1988 den UNESCO-Preis für Friedenserziehung, 1989 in Aachen den Internationalen Karlspreis. In Italien wird er der heilige Franziskus des 20. Jahrhunderts genannt.

Roger Schutz erlag wenige Stunden nach dem Attentat den Verletztungen, die ihm eine psychisch gestörte Besucherin während des Abendgebets in Taizé vor 2500 Jugendlichen mit drei Messerstichen zufügte. Schon vor acht Jahren hatte er Frère Alois Löser bestimmt, ihm nach seinem Tod als Verantwortlicher für die Communauté nachzufolgen.

Worte von Roger Schutz

Aus der Kleinen Quelle von Taizé, der Regel der Gemeinschaft, an der Frère Roger von 1941 bis 2001 gearbeitet hat:
Du willst um Christi und des Evangeliums willen dein Leben hingeben (vgl. Markusevangelium 10, 29; Matthäusevangelium, 16, 25) – denk daran, dass du sogar in deiner eigenen Nacht mit ihm auf das Licht zugehst.
Verzichte also darauf, zurückzuschauen (vgl. Lukasevangelium 9, 62), und laufe in den Spuren Jesu Christi. Er führt dich auf einen Weg des Lichts: Ich bin, aber auch: Ihr seid das Licht der Welt (Johannesevangelium 8,2; Matthäusevangelium 5, 14).
Du möchtest vielen anderen die Wege des Herrn Jesus Christus bereiten (vgl. Markusevangelium 1, 3), selbst noch in den Nächten der Menschheit ein Feuer entzünden (vgl. Lukasevangelium 12, 49). Du weißt, Jesus Christus ist für alle (vgl. Titusbrief 2, 11), nicht nur für einige gekommen; er hat sich ausnahmslos an jeden Menschen gebunden. Eine solche Katholizität des Herzens hat Gott in dich gelegt.
Stiftest du mit fast nichts Versöhnung im Geheimnis der Gemeinschaft, das die Kirche ist?
Der gemeinsame Einsatz spornt dich an – freu dich, du bist nicht mehr allein, in allem gehst du den Weg mit deinen Brüdern. Mit ihnen bist du berufen, ein Gleichnis der Gemeinschaft zu verwirklichen.
Auch wenn du keinen fühlbaren Widerhall spüren solltest, die geheimnisvolle Gegenwart Christi weicht nie von dir. Es mag dir vorkommen, als regten sich Zweifel – in dir ist jedoch vor allem das Wunder seiner steten Gegenwart.
Manchmal überraschst du dich dabei, ihn zu fragen: Was erwartest du von mir? Und du sagst zum Auferstandenen: Höre, höre mein Kindergebet, gib, dass ich in jedem Augenblick dir alles anvertraue.
Gott könnte ohne unser Gebet auskommen. Es ist ein Geheimnis, dass er so großen Wert darauf legt.
Er versteht alle Sprachen der Menschen. Dich still in seiner Nähe halten heißt schon beten: Deine Lippen bleiben geschlossen, aber dein Herz spricht zu ihm. Durch den Heiligen Geist betet Christus in dir, mehr als du denkst (vgl. Römerbrief 8, 26).
Im gemeinsamen Gebet lässt der Geist des Lobpreises den einen oder anderen Widerschein des Unsichtbaren erkennen. Dort empfängst du unvermittelt einen Sinn. Und es erfüllt dich das Staunen einer Liebe. Die einfache Anwesenheit belegt bereits deine Erwartung des lebendigen Gottes; sie ist Vorspiel der Kontemplation.

Quelle: Quellen des geistlichen Lebens, Bd. 4, hrsg. von Gisbert Greshake und Josef Weismayer. Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2008, S. 267 - 269

Zitate von Roger Schutz:

Gott will, dass wir glücklich sind: Wo aber liegt die Quelle dieser Hoffnung? Sie liegt in einer Gemeinschaft mit Gott, der im Grund der Seele jedes Menschen lebt.
In jedem Menschen findet sich ein Teil der Einsamkeit, die keine menschliche Vertraulichkeit ausfüllen kann. Dort ist es, wo Gott uns begegnet.
Gebet ist das Bewusstsein einer tiefen Freundschaft mit Gott.
Christus lieben und die Kirche lieben, das ist eins.
Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist, aber lebe es!
Maria hat ihren Sohn nicht für sich behalten, sondern der Welt hingegeben. In gleicher Weise sind auch wir berufen, die Menschen, die Gott uns anvertraut, nicht für uns zu behalten, sondern hinzugeben, was Gott uns gibt.

Quelle: www.evangeliums.net/zitate/roger_schutz_frere.htm - abgerufen am 29.04.2020

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Die internationale ökumenische Communauté de Taizé hat auf ihrer Website in 27 Sprachen Informationen über das Leben in der Gemeinschaft, über Frère Roger Schutz und über Möglichkeiten des Besuches in Taizé.

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 05.07.2024

Quellen:
• Chronik-Kalender 2005 Kalenderblatt vom 12. Mai. Harenberg, Dortmund 2004
• Paul Kreiner: Sein Vertrauen war grenzenlos. Stuttgarter Zeitung, 18. August 2004
• Martin Schuck: Nähe zum Papst. zeitzeichen 9/2005

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.