Narren um Christi willen
Das Pauluswort Wir sind Narren um Christi willen
(1. Korintherbrief
4, 10) hat Menschen immer wieder zu einem Leben angeleitet, das sich den gesellschaftlichen Konventionen radikal
verweigerte.
In der griechischen Antike wurde die Weisheit
, die Sophia
, hoch geschätzt, auch das
Alte TestamentWir verwenden den Begriff Altes Testament, wissend um seine Problematik, weil er gebräuchlich ist. Die hebräische Bibel, der „Tanach” - Akronym für „Torah” (Gesetz, die fünf Bücher Mose), „Nevi'im” (Propheten) und „Kethuvim” (Schriften) - hat aber natürlich ihre unwiderrufbare Bedeutung und Würde.
kennt z. B. im Buch der Sprüche
die Weisheit als Ideal. Dieser Weisheitsbegriff wurde im Christentum entthront:
Jesus dankte seinem Vater im Himmel, dass du dies vor Weisen und
Verständigen verborgen und es den Unmündigen geoffenbart hast
(Matthäusevangelium 11, 25).
Paulus spricht im 1. Korintherbrief (1, 18) davon, dass das Wort vom Kreuz
denen, die verlorengehen, eine Torheit, uns aber, die wir gerettet werden, eine Kraft Gottes
ist, und stellt den Geist,
der die Einfältigen beseelt, in Gegensatz zum Geist der Welt. Paulus kehrt die negative Bewertung des Narren als eines
Gottesleugners ins Gegenteil um: Der Christ soll auf Erden wandeln, als trüge er eine Narrenkappe, und sich dabei von den
auf Weltliches ausgerichteten normalen
Menschen verlachen und verspotten lassen. Dennoch ist der Gedanke, dass den
geistlich Armen
das Himmelreich eher offen stehe als den Gebildeten (Matthäusevangelium 5, 3), auch im Christentum
bald schon verdrängt worden.
Begeistert von den Aussagen Jesu und den Forderungen des Apostels
Paulus fanden sich aber doch immer wieder Menschen, die dazu bereit waren, ein
Leben als Narren um Christi willen
zu führen, um so die Wahrheit Christi gegen die Machtansprüche der
geistlich-kirchlichen und der weltlich tonangebenden Führungsschicht zu verkündigen. Diese Narren um Christi willen
lebten in einer Weise, die den normalen
Menschen absonderlich erscheinen musste und übten so die Funktion von
Mahnern aus.
Es gibt dabei zwei Traditionsstränge: einerseits der Salós
, der seine Narrheit in missionarischer und
selbstverleugnender Absicht lediglich spielt, andererseits der Typ des einfältigen Narren mit der heiligen Einfachheit
z. B. eines Franziskus von Assisi oder auch der tatsächlich Kranke,
der gerade durch seine Krankheit zur Erfahrung des Göttlichen prädestiniert ist.
Der Typ des Salós
entstand im byzantinischen Bereich mit dem Auftreten des
Simeon von Emesa. Der byzantinische Narr in Christus
setzte sich
freiwillig der Verachtung der Welt aus - eine Art der Askese, die wesentlich härtere Anforderungen stellt als die Askese
der Einsiedler, die nur den Anfechtungen des eigenen Fleisches ausgesetzt sind. Seine Narrheit
entspringt auch nicht
einer Geisteskrankheit, sie ist gespielt und dient als Maske. Sein ungewöhnliches Verhalten äußert sich in Hüpfen, Tanzen,
Hinken, Torkeln, Hopsen; er redet verworrene Dinge, kleidet sich in Lumpen, wälzt sich in Unrat oder schleift sogar einen
toten Hund mit sich herum, um als Narr
seine Umwelt zu provozieren. In der Nacht lebt der byzantinische Narr in
Christo
dann wie ein Heiliger in Gebet, Meditation und Fasten. Seine Zielgruppen sind die Außenseiter der unteren
Gesellschaftsschichten wie Säufer und Prostituierte, zu denen das Wirken der Kirche sonst nicht vordringt, und die Menschen
der Oberschicht, deren Christsein in bestenfalls Ritualen erstarrt ist.
Im russischen Christentum ist der Heiligentypus des Jurodivyj
nach dem Vorbild des Salós
den dortigen
Bedingungen angepasst. Er erlebte seine Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert mit etwa 35 von der
Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochenen Narren
. Im Bereich
des westlichen Christentums tritt der Typus erstmals in Spielen und Legenden des Barock auf.
Gegenüber dem Salós
-Typus steht die heilige Einfalt des
Franziskus von Assisi der paulinischen Idee des Narren um
Christi willen
näher: Er lebte in der bewussten Nachfolge Jesu,
weniger als sozialer Ankläger wie der Salós
, sondern mehr durch die Nächstenliebe in der heiligen Einfalt der
Kinder Gottes, als Bruder aller Unterdrückten.
Im späten 19. Jahrhundert entstand unter dem Einfluss der Erkenntnisse von Psychologie und Psychiatrie in der Literatur
eine völlig neue Auffassung des Narren in Christus
. So weist Dostojewskijs Idiot
als ein wirklich
Geisteskranker eine besondere Befähigung zur Erfahrung des Göttlichen auf. Mit seinem einfältigen Wesen verkörpert er in
einer verdorbenen Gesellschaft das Gute. Dabei wird er nicht von einem Sendungsbewusstsein angetrieben, sondern wird durch
sein Charisma zum Anziehungspunkt seiner Umwelt. Diese Gestalt wirkte auch auf die Konzeption von Gerhart Hauptmanns Roman
Der Narr in Christo Emanuel Quint
ein.
Vertreter des Typs Narr um Christi willen
:
- Afanasii (Athanasius) von Navoltsk (Novolotsk), Mönch, Narr um Christi willen (16./17. Jahrhundert) (Gedenktag: 18. Januar)
- Alypia von Golosejewo in Kiew, Nonne, Närrin um Christi willen († 1988) (Gedenktag: 17. Oktober)
- Anastasia Andretevna, Närrin um Christi willen (Gedenktag: 1. März)
- Andreas „Salós”
- Andreas Ogorodnikow von Symbirsk († 1841) (Gedenktag: 21. Mai und 27. November)
- Andreas von Totemsk (Totma), Narr um Christi willen († 1673) (Gedenktag: 10. Oktober)
- Anthymos der Athonit (= vom Athos), Priestermönch, Narr um Christi willen († 1867) (Gedenktag: 9. Dezember)
- Antonius Alexseevich, Narr um Christi willen in Zadonsk (Gedenktag: 29. September)
- Antonius Ivanovich, Narr um Christi willen in Valaam (Gedenktag: 7. Juni)
- Arsenios von Novgorod, Narr um Christi willen († 1570) (Gedenktag: 12. Juli und 8. Mai)
- Asenatha von Goritsky, Närrin um Christi willen (Gedenktag: 19. April)
- Athanasius Andreyevich von Orel, Narr um Christi willen († 1967) (Gedenktag: 22. April)
- Athanasius (Stachy) von Rostow, Narr um Christi willen († vor 1690) (Gedenktag 23. Mai)
- Basil von Moskau, Narr um Christi willen († 1552) (Gedenktag: 2.August)
- Basilius von Kadom, Narr um Christi willen († 1848) (Gedenktag: 2. Mai)
- Basilius, Narr um Christi willen in Solvychegodsk († im 17. Jahrhundert) (Gedenktag: 3. Juli)
- Domna von Tomsk, Närrin um Christi willen († 1872) (Gedenktag: 16. Oktober)
- Eudokia Rodionowa von Leuschino, Älteste, Närrin um Christi willen († 1886) (Gedenktag: 23. Dezember)
- Eulogius Salos
- Euphrosyne
die Unbekannte
von Koljupanowo bei Serpchow, Nonne, Närrin um Christi willen (Todestag, † 1855) (Gedenktag 3. Juli) - Gabriel Urgebadze
- Galacteon, Schüler von Martinian von Byelozersk († 1506) (Gedenktag: 12. Januar)
- Georg von Shenkursk, Narr um Christi willen († im 15. Jahrhundert) (Gedenktag: 23. April und 26. April)
- Gervasius von Caracallou auf dem Athos, Mönch, Narr um Christi willen († 1830) (Gedenktag: 14. Oktober)
- Herodion, Narr um Christi willen in Solvychegodsk († im 17. Jahrhundert) (Gedenktag: 3. Juli)
- Isidor von Tver
- Isidora, die Närrin um Christi willen, Nonne in Tabenna in Ägypten († um 365/6. Jahrhundert) (Gedenktag: 1. Mai und 10. Mai)
- Jakob von Borowitschi
- Jakob von Todi
- Jekaterina vom Konvent Piuchtitsa in Estland, Närrin um Christi willen († 1968) (Gedenktag: 22. April)
- Johannes der Haarige, Narr um Christi willen in Rostov († 1580) (Gedenktag: 12. November, 23. Mai und 3. September)
- Johannes von Edessa († 590) (Gedenktag: 21. Juli)
- Johannes von Moskau, Narr um Christi willen († 1589) (Gedenktag: 12. Juni und 3. Juli)
- Johannes von Ustiug, Narr um Christi willen († 1494) (Gedenktag: 29. Mai)
- Johannes von Verkhoturye, Narr um Christi willen († 1701) (Gedenktag: 16. April)
- Johannes, Narr um Christi willen von Yurievits († 1893) (Gedenktag: 14. März)
- Jona, Narr um Christi willen vom Kloster Peshnosha (Gedenktag: 15. Juni)
- Kiprian von Suzdal', Narr um Christi willen († 1622) (Gedenktag: 22. Juli und 2. Oktober)
- Kosmas von Verkhoturye, Narr um Christi willen († 8. Dezember 1680) (Gedenktag 10. Juni)
- Laurentius von Kaluzhsk (Kaluga), Narr um Christi willen († 1515) (Gedenktag: 9. August und 10. August)
- Leontius von Ustiug, Narr um Christi willen (Gedenktag: 18. Juli)
- Liubow von Ryazan, Närrin um Christi willen († 1921) (Gedenktag: 8. Februar)
- Maria von Diveyevo, Närrin um Christi willen († 1931) (Gedenktag 26. August)
- Matrona Balyakova von Anemnjasevo, Bekennerin, Närrin um Christi willen († 1936) (Gedenktag: 16. Juli)
- Maximus von der Kavsokalyvia-Skete auf dem Athos, Narr um Christi willen († 1320 oder 1364/1365) (Gedenktag 13. Januar)
- Maximus von Totma (Vologda), Narr um Christi willen († 1650) (Gedenktag: 16. Januar)
- Maximus, Narr um Christi willen in Moskau († 1434) (Gedenktag: 13. August und 11. November)
- Michael (Misha), Narr um Christi willen, Märtyrer († 1931) (Gedenktag: 1. April)
- Michael vom Kloster Klops, Narr um Christi willen († 1452) (Gedenktag: 11. Januar und 23. Juni)
- Michael, Narr um Christi willen in Solvychegodsk († im 17. Jahrhundert) (Gedenktag: 3. Juli)
- Mischa-Samuel (Mikhail Wassiljewitsch Lazarev), Narr um Christi willen in Pereslawl († 23.Februar/8. März 1907) (Gedenktag 23. Februar)
- Nikolaus Kochanov von Novgorod, Narr um Christi willen († 1392) (Gedenktag: 27. Juli)
- Nikolaus Salos von Pskovsk, Narr um Christi willen († 1576) (Gedenktag: 28. Februar)
- Paisius, Narr um Christi willen von den Höhlen bei Kiew († 1893) (Gedenktag: 17. April)
- Parasceva (Pasha) von Sarov, Närrin um Christi willen im Konvent von Diveyevo († 1915) (Gedenktag: 22. September)
- Pascha von Birsk, Narr um Christi willen († 1891) (Gedenktag: 21. November)
- Paulus von Korinth, Narr um Christi willen
- Pelagia von Diviyevo, Närrin um Christi willen († 1884) (Gedenktag: 30. Januar)
- Peter, Priester, Narr um Christi willen in Uglich († 1866) (Todestag) (Gedenktag: 3. September)
- Pimen Salos, Mönch, Narr um Christi willen, Glaubensbote bei den Lesgiern
- Porphyrios, Mönch, Narr in Christus (Gedenktag: 11. Februar)
- Prokop von Ustjug
- Prokopii von Vyatka, Narr in Christus († 1627) (Gedenktag: 21. Dezember)
- Prokopius von Usya (Vologda), Narr um Christi willen († im 17. Jahrhundert) (Gedenktag: 8. Juli)
- Sabbas vom Kloster Vatopedi auf dem Athos, Narr um Christi willen († 1349/1350) (Gedenktag: 14. Juni und 5. Oktober)
- Salaūn (Salomon) „der Verrückte” (von der Bretagne)
- Simeon
Salos
, der „Narr in Christus” - Salusius, Kleriker
- Simon von Yurievits, Narr um Christi willen († 1584) (Gedenktag: 10. Mai und 4. November)
- Theodor von Novgorod, Narr um Christi willen († 1392) (Gedenktag: 19. Januar)
- Theodor „Salós”
- Theodoulos von Zypern, Mönch, Narr um Christi willen († 755) (Gedenktag: 3. Dezember)
- Theoktista Michailovna, Närrin um Christi willen, Märtyrerin in Voronezh († 1936) (Gedenktag: 22. Februar)
- Theophilus, Narr um Christi willen in den Höhlen bei Kiew († 1852) (Gedenktag: 28. Oktober und 14. Juli)
- Thomas von Emesa
- Thomas, Narr um Christi willen in Solvychegodsk († im 17. Jahrhundert) (Gedenktag: 3. Juli)
- Timotheus von Swjatogorsk bei Pskow, Narr um Christi willen († 1583) (Gedenktag: 17. Juli)
- Xenia von St. Petersburg, Närrin in Christus<
Nach: Jacqueline Leonhardt-Aumüller: Narren um Christi willen. Eine Studie und Typologie des Narren in
Christo und dessen Ausprägung bei Gerhart Hauptmann, tuduv Verlagsgesellschaft, München 1993 - vergriffen.
Zusammenstellung der Liste: C. S., Brief vom 20. März 2013
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 30.11.2024
Quellen:
•
• https://fr.wikipedia.org/wiki/Fol-en-Christ - abgerufen am 18.02.2022
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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