Hinweise zur "RGG³" Abkürzungen
Augustin, Aurelius
I. Leben und Schriften
II. Theologie
(354-430)
I. Leben und Schriften
- 1. Jugend und Entwicklung bis zur Berufung nach Mailand
- 2. Die Bekehrung und die Jahre bis zum Eintritt ins kirchliche Amt
- 3. A. als Presbyter und Bischof
1. Die Quellen für A.s Leben fließen reichlich (biographisch ergiebige Texte zusammengestellt bei Courcelle, Recherches S. 281 ff.), ein Zeichen, daß bei ihm im Unterschied zu den Denkern des Altertums die Lebensgeschichte in den Vordergrund tritt. Aurelius A. (Quellenstellen zu Name, Familie, Entwicklung und Werken bei G. Krüger S. 403 ff.) wurde am 13. 11. 354 zu Thagaste geboren. Der Vater Patricius, Mitglied des Gemeinderats und in bescheidenen Vermögensverhältnissen, starb als Christin A.s 17. Lebensjahr. A.s Liebe galt der Mutter Monnica, deren eifrige kath. Frömmigkeit ihm unauslöschliche christliche Kindheitseindrücke vermittelte. Nach dem Elementarunterricht in Thagaste wurde A. zur weiteren Ausbildung in Grammatik und Rhetorik nach Madaura gesandt. Das Griechische erlernte er mit Unlust und erreichte darin nur mäßige Kenntnisse. Seine Bildung blieb lateinisch. Nicht Homer, sondern Vergil begeisterte ihn. Die Schule vermittelte A. die Methode der atomistischen Vergilexegese, wo Wort für Wort isoliert ohne Rücksicht auf den Zusammenhang erklärt wird, eine Methode, die noch in seinen Psalmenauslegungen nachwirkt. Das 16. Lebensjahr verbrachte A. in Thagaste, bis die Mittel für das Studium in Karthago verfügbar waren. Dieses Jahr des Müßiggangs und der Pubertätswirren schildert er in den Confessiones übertrieben dunkel. Erst als Student in Karthago verlor er sich in sinnliche Lust. Vor regelloser Ausschweifung bewahrte ihn die Bindung in einem festen Konkubinat, aus dem 372 ein Sohn, Adeodatus († 388), entsproß. Der Mutter seines Kindes hat A. über ein Jahrzehnt Treue gehalten, bis er sie etwa 385 in Mailand auf das Drängen Monnicas entließ, die eine der Laufbahn ihres Sohnes förderliche Verlobung betrieb. Der Lehrgang der Rhetorik führte A. in die Werke Ciceros ein. Man begann offenbar mit den rhetorischen Traktaten und den Reden und endete bei den philosophischen Dialogen. So gelangte er in seinem 19. Lebensjahr an Ciceros Hortensius. Hier war der Platon noch nahestehende Protreptikos des Aristoteles benutzt. So kam A. indirekt jetzt schon mit dem Platonismus in Berührung. Der Hortensius erregt in ihm die große Frage seines Lebens: Wie gelange ich zu wahrer Glückseligkeit? Der Gedanke, daß das Glück nur in der Philosophie und der unsterblichen Weisheit zu finden sei, während die irdischen Hoffnungen auf Ehre und Reichtum eitel sind, läßt ihn nun nicht mehr los. Vom Hortensiuserlebnis aus schreitet A. in zweifacher Richtung weiter. Einmal lenkt der Hortensius seine Gebete zu Gott hin, der Weisheit selbst, und erweckt seine christlichen Jugenderinnerungen. Der Sohn Monnicas vermißt den Namen Christi bei Cicero und beginnt mit der Lektüre der hl. Schrift. Aber ihr Stil schreckt ihn ab, und sachliche Anstöße (Verschiedenheit der Stammbäume Jesu, Anthropomorphismen des AT) machen ihn der manichäischen Propaganda zugänglich. Dem Hang zum Rationalismus kommt das Versprechen der Manichäer entgegen, daß sie nicht Beugung unter eine Autorität fordern wie die Kirche, sondern durch Vernunft überzeugen wollen. Auch die Frage nach dem Ursprung des Bösen, die im Manichäismus gelöst scheint, treibt den Jüngling der Sekte zu (De lib. arb. 1, 4). Neun Jahre lang, etwa Ende 373 bis Ende 382 war A. eifriger Manichäer und gewann auch unter seinen Freunden Proselyten. Freilich begnügte er sich mit der Stufe des "Hörers", ohne die Gelübde der "Erwählten" auf sich zu nehmen. Die manichäische Bibelkritik, der Vorwurf eines anthropomorphen Gottesbegriffs gegen die Katholiken und der manichäische Materialismus (das göttliche Licht und die Seele eine feinstoffliche Substanz) bilden für A. bis zur Berührung mit Ambrosius und dem Neuplatonismus ein Hindernis für die richtige Auffassung der kath. Lehre und ihres Gottesbegriffs. Die Forschung beginnt jetzt aber auch den Manichäismus als eine der Grundlagen des Denkens A.s mehr zu würdigen. Die christozentrische Frömmigkeit der manichäischen Psalmen muß A. auch innerlich gewonnen haben. Seine "mystische" Terminologie zeigt Anklänge an ihre Sprache (de Menasce). Die Hochschätzung des Paulus im afrikanischen Manichäismus vermittelte A. sicher schon damals die Kenntnis der paulinischen Briefe (Frend) und bereitete die wichtige Rolle des Paulus bei A.s Bekehrung vor. Die spätere Konzeption der beiden civitates hat auch eine manichäische Wurzel (A. Adam). Julian von Eklanum macht A. den Vorwurf, daß manichäische Vorstellungen hinter seiner Auffassung der Sünde stünden. - Zum anderen erhält A. durch die Bemerkung Ciceros im Hortensius, daß die Wissenschaften den Geist zum Empfang der Weisheit vorbereiten, wohl den Anstoß zu der in sein 20. Lebensjahr fallenden Beschäftigung mit den freien Künsten - er las wahrscheinlich Varros Werk über die Disziplinen, sowie die Enzyklopädie des Cornelius Celsus - und den Kategorien des Aristoteles. So hat Cicero A. über das bloße Fachmenschentum emporgehoben und ihn über die rhetorische Bildung hinaus für das Ideal wissenschaftlicher und philosophischer Bildung gewonnen. - Nicht allzulange nach der Zuwendung zum Manichäismus beendet A. sein Studium, wirkt etwa 1 Jahr als Lehrer der Grammatik in Thagaste (die Mutter verweigert dort dem Manichäer anfänglich ihr Haus) und läßt sich dann als Lehrer der Rhetorik in Karthago nieder.
Der zweite karthagische Aufenthalt (bis Sommer 383) ist für A. eine Zeit der Weiterbildung durch Selbststudium und des regen geistigen Austauschs mit Freunden. Mit 26 oder 27 Jahren verfaßt er seine erste, verlorene, Schrift De pulchro et apto, die ihn im Banne platonisierend-pythagoreisierender manichäischer Anschauungen zeigt (das Gute als Monas, das Böse als Dyas). Jedoch hatten Zweifel am Manichäismus längst begonnen, angeregt durch den Widerspruch zwischen der mythologischen Kosmologie der Manichäer und den Ergebnissen der Astronomie. Auch vom Gottesbegriff her melden sich Bedenken. A.s Freund Nebridius weist darauf hin, daß der Kampf zwischen Licht und Finsternis die Angreifbarkeit des höchsten Gottes, d. h. seine Veränderlichkeit voraussetze. Die langerwartete Begegnung mit dem Manichäerbischof Faustus in A.s 28. Jahr löst diese Fragen nicht, bringt vielmehr eine Ernüchterung, die A.s Abwendung vom Manichäismus vorbereitet, ohne daß zunächst der äußere Bruch erfolgt. An die Stelle der manichäischen Lehre (deren negativer Teil, die Kritik am Katholizismus, jedoch bleibt) tritt der Zweifel. A. ergibt sich der gemäßigteren Skepsis der Akademiker, welche das Sein der Wahrheit nicht bezweifelt, sondern nur seine Erkennbarkeit. Sein Zweifel tastet nie das Letzte, nie die Existenz Gottes an. - Im folgenden Jahr, 383, verlegt A., angewidert durch die Disziplinlosigkeit der karthagischen Studenten, gegen den Willen der Mutter seine Lehrtätigkeit nach Rom und faßt mit Hilfe manichäischer Freunde Fuß. Durch diese bewirbt er sich beim Stadtpräfekten Symmachus um die Stelle eines Lehrers der Rhetorik in Mailand und siedelt wohl Herbst 384 dorthin über. Die Mutter folgt mit einigen Verwandten A.s nach.
2. In Mailand lernt A. den Ambrosius zuerst als gütigen Menschen (obwohl sich nie ein vertrautes Verhältnis einstellte) und glänzenden Redner schätzen. Ambrosius behebt A.s manichäische Anstöße an der Bibel (durch die allegorische Schriftauslegung), am kath. Gottesbegriff (durch den Hinweis, daß Gott nicht materiell-körperlich vorzustellen ist) und führt das Böse, das A. als Problem fortwährend beschäftigte, auf den freien Willen des Menschen zurück - entgegen der manichäischen Lehre von dem im Menschen wirkenden substanziellen Prinzip des Bösen. So zeigen seine Predigten, daß der kath. Glaube nicht unvernünftig ist. Auch die Autorität der kath. Kirche wird A. an der Person des Ambrosius deutlich. Andererseits hindert ihn die Skepsis an voreiliger Zustimmung. Schwer bedrückt ihn, daß er seit der Hortensiuslektüre dem Ziel der Weisheit nicht näher gekommen ist. Sinnliche Begierde, der Wunsch nach Karriere, die Pflichten des Berufs hindern ihn, sich dem philosophischen Leben im Sinne des Hortensius zu ergeben. Seufzend unter dieser Last disputiert er mit den Freunden über das Lebensziel. In dieser Stimmung stößt er Sommer 386 auf Schriften Plotins und des Porphyrius in der lat. Übersetzung des Marius Victorinus, die ihm aus dem Kreise christlicher Neuplatoniker in Mailand (dazu gehören Manlius Theodorus und Simplicianus) zukommen. Courcelle hat versucht, die die Forschung in vielen Abwandlungen beherrschende Antithese, ob A.s Bekehrung 386 eine Bekehrung zum Neuplatonismus oder zum Christentum sei, dadurch zu überwinden, daß er nachwies, daß A. schon bei Ambrosius eine Synthese von Neuplatonismus und Christentum vorfand. Die Predigten des Ambrosius hätten A. schon einem neuplatonisierenden Christentum näher gebracht (bestritten von Theiler, Boyer, O'Meara). - Die Lektüre der "Platoniker" erneuert bei A. das Hortensiuserlebnis in dem glühenden Wunsch, sich über das Irdische emporzuschwingen, bringt darüber hinaus die volle Lösung vom Manichäismus durch die Einsicht, daß das Geistige und Gott immateriell zu denken sind und das Böse nur der Mangel des Guten sei. A. lernt durch Plotin, die Wahrheit jenseits der körperlichen Welt zu suchen und die unsichtbare Vollkommenheit Gottes durch die geschaffenen Dinge hindurch zu erkennen. Er gewinnt die Überzeugung, daß der kath. Glaube, wie er ihn durch Ambrosius kennengelernt hatte, mit der Philosophie übereinstimme. Die Lektüre des Apostels Paulus bestärkt ihn in diesem Eindruck. Er wird überwältigt durch die Entdeckung des Zusammenklangs von Christentum und Platonismus. Doch die intellektuelle Bekehrung muß die moralische nach sich ziehen - Askese und ein Leben im Geiste stehen ja schon dem Manichäer A. als unerreichtes Ideal vor Augen; die Bekehrung akzentuiert schon vorgezeichnete Linien seines Lebens. Wochen inneren Ringens folgen, in denen sich schon die beiden Tendenzen des Augustinismus ankündigen: das Wahrheitsstreben als Form des Verlangens nach der vita beata und das fortdauernde Abgezogenwerden von der reinen Geistigkeit durch die als Sinnlichkeit verstandene Sünde. Versuche, zur plotinischen Ekstase zu gelangen, enden mit dem Gefühl des Scheiterns. Durch Simplicians Erzählung von der Bekehrung des Marius Victorinus (Viktorin) tritt der Schritt des berühmten Rhetors aus der Welt in die Kirche als Leitbild vor A. Den Ausschlag gibt das mönchische Ideal: der Bericht von A.s Landsmann Pontitianus über die Mönchskolonien des Antonius und die Weltentsagung zweier junger Hofbeamter in Trier. In der berühmten Gartenszene hört A. die Kinderstimme "tolle, lege" - sie ist nicht in einen psychischen Vorgang aufzulösen - und findet in Röm 13, 13 f die Weisung zum Bruch mit der Welt. Das ist die Bekehrung A.s zur mönchischen Form des Christentums. Er gibt sein Amt zu Beginn der Weinleseferien 386 unter Berufung auf sein Brustleiden auf und zieht mit seiner Mutter und einigen Freunden und Schülern auf das seinem Freunde Verecundus gehörende Landgut Cassiciacum. Hier genießt A. endlich philosophische Muße in gemeinsamer Vergillektüre, in Meditation und Gesang der Psalmen (bes. Ps 4 wird ihm wichtig) und Gesprächen. Deren überarbeiteter Niederschlag sind die Dialoge C. Academicos, De beata vita, De ordine (Problem der Weltordnung und des Übels) und Soliloquia (Gespräch A.s mit sich selbst, in dem schon Töne der Confessiones anklingen). Um sein Ziel, die Erkenntnis Gottes und der Seele, zu sichern, bekämpft A. den Skeptizismus und überwindet ihn mit Hilfe der neuplatonischen Zweiweltenlehre: die skeptischen Zweifel berühren nicht die intelligiblen, dialektischen und ethischen Wahrheiten - sowie durch Rückgang auf die Tatsache des Selbstbewußtseins, in dem ein unbezweifelbares Wissen gegeben ist (Parallelen bei Cic. Tusc. 1, 53 und Descartes). - Im Frühjahr 387 kehrt A. nach Mailand zurück und wird Ostern von Ambrosius getauft. In dieser Zeit verfaßt er De immortalitate animae und beginnt unter Benutzung Varros ein Werk über die Disziplinen, in dem er vom Körperlichen zum Intelligiblen führen will. - Auf der Rückreise nach Afrika stirbt Monnica (vor Herbst 387) in Ostia, wenige Tage nach dem Gespräch, in dem sie mit ihrem Sohne sich über die Welt zu Gott erhob. In dieser "Vision" mischen sich Einflüsse Plotins mit Reminiszenzen an den 4. Psalm (Gott als id ipsum, Ps 4, 9). Nach etwa einjährigem Verweilen in Rom gelangt A. 388 über Karthago, wo er im Hause seines Gastfreundes, des Advokaten Innocentius, den späteren karthagischen Bischof Aurelius kennenlernt (eine Verbindung, die in der kirchenpolitischen Zusammenarbeit beider Männer fruchtbar werden sollte) nach Thagaste. Dort lebt er im väterlichen Grundstück mit Freunden in philosophisch-asketischer Gemeinschaft. Der Freundschaftsgedanke A.s, der aus der stoischen Sozialphilosophie stammt (Freundschaft als Übereinstimmung in göttlichen und menschlichen Dingen), mündet in sein Mönchtum ein. Bei einem Besuch in Hippo wird A. Anfang 391 im Gottesdienst bemerkt und gegen seinen Wunsch zum Presbyter ordiniert. - Die Schriftstellerei der zweiten römischen und der thagastenser Zeit (De quantitate animae, wichtig für die mittelalterliche Mystik; De moribus eccl. cath. et de moribus Manichaeorum; De libero arbitrio [vollendet in Hippo]; De magistro u. a. bis zu De vera religione) zeigt eine Zunahme des Neuplatonischen. Die antimanichäische Polemik treibt A. in die neuplatonischen Spekulationen über Sein und Nichtsein, nötigt ihn aber auch zur Beschäftigung mit dem biblischen Schöpfungsbericht (De gen. adv. Manichaeos).
3. A. beginnt sein Presbyteramt, nachdem er einen Aufschub erreicht hat, um sich mit der Bibel besser vertraut zu machen, vor Ostern 391 mit der Unterweisung der Taufkandidaten. Bischof Valerius, ein Grieche, dessen Latein nicht ausreichte, überträgt ihm auch die Predigttätigkeit. Schon 395 zum Mitbischof ordiniert, wird A. 396 sein Nachfolger. Fast 35 Jahre hat er in Hippo residiert und von hier maßgebenden Einfluß auf die afrikanische Kirche (Nordafrika: I), ja die Kirche des ganzen Abendlandes, gewonnen. Während der Belagerung Hippos durch die Vandalen stirbt A. am 28. 8. 430.
Die Berufung ins kirchliche Amt führt A. von der neuplatonischen Introspektion zu den Wirklichkeiten des kirchlichen Lebens: Kirche, Wort Gottes, Sakramente. Die Erfahrungen mit seinen Pfarrkindern und die Zerrissenheit der afrikanischen Kirche zerstören seinen Optimismus. Er entdeckt die Demut und wird beim Studium des Paulus zu einem nachdenklichen Betrachter von Sünde und Gnade. Im Anfang seines Episkopats erfolgt durch den Einfluß des Paulus, bei dem er im Gegensatz zu den Neuplatonikern das "zerknirschte und demütige Herz" findet, die Ausbildung der augustinischen Gnadenlehre, die A.s Entwicklung im wesentlichen abschließt und in De div. quaestionibus ad Simplicianum (396/97) vor uns tritt. A. ist der Antipode des Pelagianismus, ehe er ihn kennenlernt. Seine Wirksamkeit als Bischof erstreckt sich außer der Leitung seiner Gemeinde, wo er dem Vorbild des Ambrosius folgt, auf die Durchsetzung der monastischen Bewegung in Nordafrika. Aus dem von ihm in Hippo gestifteten KlerikerEin Kleriker ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien. kloster gehen zahlreiche Freunde und Schüler als Bischöfe aus und verbreiten A.s Grundsätze. Vor allem aber ist sein Episkopat erfüllt von der Bekämpfung der Feinde der Kirche. Die Auseinandersetzung mit dem Manichäismus wird 404/05 im wesentlichen abgeschlossen. Im Ringen mit dem Donatismus, das schon in seiner Presbyterzeit beginnt, führt A. das Übergewicht der kath. Kirche herbei (Religionsgespräch zu Karthago 411). Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, die Schismatiker durch friedliche Überredung zurückzubringen, wird A. durch die Widerspenstigkeit der Donatisten und ihre Gewalttaten (Circumcellionen) seit 404 dazu gebracht, den Arm des Staates zu Hilfe zu rufen. Im Kampf mit den Donatisten arbeitet er seinen Kirchenbegriff heraus. Sein Hauptvorwurf gegen sie ist ihr Mangel an caritas, der die Einheit der Kirche sprengt. Die pelagianische Kontroverse setzt 412 ein und hält A. trotz der von ihm 418 durchgesetzten Verurteilung des Pelagius bis an sein Ende in Atem.
Die bleibende Bedeutung von A.s bischöflicher Zeit liegt in seiner Schriftstellerei, die hier nur angedeutet werden kann (chronologische und sachliche Übersicht in DThC I/2, 2286 ff.). - 1. Unter den autobiographischen Schriften stehen die um 400 vollendeten Confessiones (im dreifachen Sinn von Sündenbekenntnis, Lobpreis und Glaubensbekenntnis) an erster Stelle. Der biographische Teil (Buch 1-9) bildet mit dem exegetischen (11-13; die memoria-Lehre von 10 als Überleitung) eine Einheit, zusammengehalten nicht nur durch die Stimmung der Confessio, sondern auch durch die leitmotivische Verwendung der Psalmenzitate (Knauer). Der wegen gewisser Unterschiede zu den Dialogen zeitweise bestrittene Wert der Conf. als Geschichtsquelle wird jetzt durchweg anerkannt, freilich stellen die Conf. A.s Entwicklung als Modell seiner Gnadenlehre dar. Die Conf. geben eine Interpretation des Zustandes des Bekehrten, die Dialoge diesen Zustand selbst. Die Retractationes (427), eine chronologische und dem Bischof anstößige Stellen verbessernde Übersicht über A.s Schriften (ohne Briefe und Predigten), ergänzen die Conf. - 2. Polemische Schriften. Gegen die Manichäer: De utilitate credendi (391), C. Faustum M. (400), C. Secundinum (ca. 405). Von den über 20 antidonatistischen Schriften seien erwähnt: C. epistolam Parmeniani (400), De baptismo c. Donatistas (ca. 400) und C. Cresconium grammaticum (ca. 406). Die antipelagianische Polemik setzt mit De peccatorum meritis et remissione und De spiritu et littera (412) ein und schließt mit den Schriften gegen die Semipelagianer (De gratia et libero arbitrio 426/27) und gegen Julian von Eklanum, von denen das Opus imperfectum c. Julianum A.s Lehre in ihrer schroffsten Gestalt enthält. - 3. Exegese. A.s hermeneutische und homiletische Grundsätze enthält die für die Scholastik wichtige Schrift De doctrina christiana (396-427). Unter den Schriftauslegungen ragen hervor die Enarrationes in psalmos (der Titel stammt von Erasmus) und die Tractatus 124 in Joannis ev., beide aus HomilienEine Homilie (von griech.„ὁμιλεῖν”, „vertraut miteinander reden”) ist eine Art von Predigt. Während eine Predigt die Großtaten Gottes preist (lat. „praedicare”, „preisen”) und Menschen für den Glauben begeistern will, hat die Homilie lehrhaften Charakter. entstanden. Wichtig sind die Auslegungen des Schöpfungsberichts (bes. De gen. ad litteram lib. XII). - 4. Dogmatische Schriften sind De trinitate (399-419) und das Enchiridion ad Laurentium seu liber de fide, spe et caritate (421), ein Handbuch des Augustinismus. - 5. Aus den übrigen Kategorien der Werke A.s seien genannt: De catechizandis rudibus (ca. 400), wo A. fordert, die Unterweisung solle in hilaritas geschehen, und 2 Beispiele von Katechesen gibt, und De civitate Dei (413-26), die Krone der altkirchlichen Apologetik (: II), veranlaßt durch die heidnischen Angriffe gegen das Christentum, die der Fall Roms 410 ausgelöst hatte. A. verurteilt hier das antike Römertum als geschichtliches Gebilde wie als Form menschlicher Lebenshaltung und entwirft eine die Weltgeschichte in die Heilsgeschichte einbettende Geschichtstheologie. Die Konzeption der beiden civitates (civ. Dei und civ. diaboli) hat er wohl von Ticonius übernommen; auch an den Manichäismus ist als Quelle gedacht worden. Einen Querschnitt durch Wirken und Denken A.s gibt sein Briefwechsel.
Lit. s. bei Augustin II.
R. Lorenz
II. Theologie
- 1. Allgemeines
- 2. Die Lehre von Gott
- 3. Die Gnadenlehre
- 4. Die Kirche und die Gnadenmittel, Civitas Dei
- 5. Nachleben A.s
1. Das philosophische und theologische Denken A.s (Philosophie und Theologie sind bei ihm nicht streng zu scheiden, doch sei ausdrücklich auf F. Cayrés Unternehmen einer gesonderten Darstellung der augustinischen Philosophie verwiesen) geht von den Lebensproblemen aus, die ihn bewegen, und wird durch Fragen und kirchliche Notwendigkeiten, die an ihn herantreten, weitergetrieben. Daher hat dieses Denken nicht die Form eines geschlossenen Systems. Dabei führen Neuplatonismus und Christentum vielfach Denkansätze der vorchristlichen Zeit A.s weiter. Das gilt für das Zentralproblem des Augustinismus, die Frage nach der vita beata. Den Telosformeln der Popularphilosophie (Cicero, Varro) entnimmt A., daß das Glück im Erreichen des höchsten Gutes besteht (frui summo bono, Cic. fin. 2, 88; Tusc. 3, 40) und stellt, da Gott dieses Gut ist, frui Deo als Zielformel auf. Dieses frui Deo (der Terminus fruitio Dei kommt bei A. kaum vor, er kann als Arbeitsbegriff für die Gesamtheit der in "frui Deo" zusammenfließenden Phänomene gebraucht werden), das Haben, Schauen und Erkennen Gottes, erfüllt sich mit der Stimmung der plotinischen opsis makaria, der visio beatifica. Doch erlischt in der Gottesschau das Denken nicht, wie bei Plotin. Sie ist visio intellectualis, Einsichtigwerden und Evidenz des Ewigen. Mit diesem intellektualistisch-kontemplativen Element verbindet sich ein voluntaristisch-affektives. Frui Deo vollzieht sich im willentlichen Lieben Gottes, einer Liebe, die verwandt ist mit dem platonischen Eros, aber auch bestimmende Züge der christlichen caritas, Demut und Gehorsam, enthält. In der caritas, einem hervorstechenden Merkmal des Augustinismus, entfaltet sich die "soziologische" Seite der fruitio Dei. Die Liebe zu Gott, die Lust am Herrn (delectari in Domino Ps 36, 4), verbindet die Liebenden zu einer Gemeinschaft. Hier verknüpft sich die fruitio Dei mit dem christlichen Doppelgebot der Liebe und mit der Konzeption der civitas Dei, die ja als "geordnetste und einträchtigste Gemeinschaft des Gottgenießens und des wechselseitigen Genießens in Gott" (De civ. 19, 13) definiert wird. A.s Bewegung zu Gott ist nicht die plotinische Flucht des Einsamen zum Einsamen. Das Seligkeitsziel der fruitio Dei wird näherhin als Friede bestimmt. Der Friede ist die tranquillitas ordinis, die Harmonie und Konstanz der Seele, wo der Geist nicht mehr Gott widersteht und der Körper nicht mehr dem Geiste - ein Nachhall der stoischen homologia und apatheia, in den aber der christliche Gedanke vom Frieden zwischen Gott und Mensch einfließt. - A. versucht, sich dem Ziele des Erkennens und Schauens Gottes auf dem Wege des neuplatonischen Aufstiegs zu nähern, der von der Schönheit und Ordnung der geschaffenen Dinge über die Einkehr in die eigene Seele und die in ihr vorfindlichen Wahrheiten zur intelligiblen Schönheit und Wahrheit Gottes führt - ein Stufenweg, der zugleich die Etappen des augustinischen Gottesbeweises beschreibt. Während der junge A. die Verwirklichung der beata vita noch in diesem Leben für möglich hält, verlegt A. Ende der 90er Jahre das Hauptgewicht vom Diesseits auf das Jenseits. Friede und fruitio Dei werden eschatologisiert. In diesem Leben gibt es nur ein frui im Glauben, im Spiegel und Rätsel. Die Spannung zwischen dem Vorgeschmack der beatitudo in Augenblicken der Kontemplation und dem Entgleiten des Geschauten ist Stachel zur Erhebung auf die jenseitige vita beata zu. Das Glück auf Erden ist allein das Glück der Hoffnung. Von dieser Eschatologisierung aus wird fraglich, ob die Frömmigkeit A.s mystisch genannt werden darf. Die Entscheidung hängt vom Begriff der Mystik ab, den man verwendet. Eine Mystik im Sinne der Verschmelzung von Gott und Seele hat A. nicht gelehrt; die weitere Fassung von Mystik etwa als Wahrnehmung der Gegenwart Gottes in der Seele bringt die Gefahr, daß der Begriff Mystik unbrauchbar wird. - Der Ausgang des augustinischen Denkens von den Problemen der antiken Ethik erweist sich auch darin, daß frui Deo im Zentrum der Ethik A.s steht. Das der philosophischen Güterlehre (Varro) entstammende Begriffspaar frui-uti regelt das Verhalten des Menschen zu Gott und Welt. Gott allein darf genossen werden, die übrigen Dinge müssen gebraucht werden, um das Genießen Gottes vorzubereiten und zu fördern, und behalten darin ihren relativen Wert. - Diese grundsätzliche Orientierung des Augustinismus auf das Seligkeitsziel der vita beata hin muß im Auge behalten werden, wenn man die wichtigsten Lehrstücke A.s, die Lehren von Gott, der Gnade und der Kirche, betrachtet.
2. A. faßt Gott als das höchste Sein, dessen wichtigste Eigenschaften Einheit und Unwandelbarkeit sind (Gott: V). Damit muß er die christlichen Lehren von der Trinität, der Schöpfung und der Inkarnation, welche die Einheit und Unwandelbarkeit in Frage zu stellen scheinen, vereinbaren. Die Trinitätslehre A.s geht von der Einheit Gottes aus und sichert die Dreipersönlichkeit mit logischen Mitteln durch die Kategorie der Relation (Vater und Sohn sind nicht zwei Substanzen, sondern der Vater ist Vater nur in seiner Bezogenheit auf den Sohn und umgekehrt) und die plotinische Lehre von den intelligiblen Kategorien (z. B.: in der intelligiblen Welt ist der Teil gleich dem Ganzen, also der Sohn allein nicht geringer als Vater und Sohn zusammen). Die Parallelen zur Dreieinigkeit, die A. im menschlichen Seelenleben findet (die Ternare memoria, intelligentia, voluntas; mens, notitia, amor u. a.), machen seine Trinitätslehre nicht zu einer psychologischen, ihr Ausgangspunkt ist das metaphysische Gesetz der Selbstentfaltung Gottes. - Gott ist Schöpfer, ohne wandelbar zu sein. Wandelbarkeit gibt es nur in der Zeit, die auf die Seite des Geschaffenen gehört (zum Zeitproblem s. bes. Conf. 11, 14-31; die Zeit als distentio animi). Die Dinge sind nach den im Geist Gottes enthaltenen Ideen geschaffen, die die intelligible Welt (die auch mit Christus als Inbegriff der Formideen Gottes gleichgesetzt wird) bilden. Dabei gibt A. der Möglichkeit einer Entwicklung Raum, indem er den Lebewesen die samenartigen Vernunftkräfte (rationes seminales) eingeschaffen sein läßt, die Keim und Gesetz des Wachstums bilden. - Auch hinsichtlich der Inkarnation bewahrt A. die Unwandelbarkeit Gottes, indem er mit Hilfe der Zweinaturenlehre (Christologie: II) Christus als Gott die dem göttlichen Sein zugehörigen Bestimmungen zuerkennt, ihn als Mensch Gott unterordnet. Dabei hält er streng an der Einheit der Person Christi fest. (Vgl. auch Antike und Christentum, 1 g.)
3. Die Gnadenlehre A.s, die immer mehr zum Zentrum seiner Theologie wurde (der A., der von der Frage nach der Seligkeit ausgeht, betont die alleinige Ehre Gottes), ist eine Frucht des Paulusstudiums. Während er anfangs der menschlichen Entscheidungsfreiheit die Annahme oder Ablehnung der Gnade Gottes zuschrieb, kommt er 396 zu der Überzeugung, daß auch der Glaube ein Geschenk Gottes ist (Gnade Gottes: IV). Vorbereitet ist die Lehre von der Alleinwirksamkeit der Gnade durch den Neuplatonismus A.s. Die Illumination, das Zustandekommen der Erkenntnis durch göttliche Erleuchtung, ist zugleich belebendes Tun Gottes. Gott ist das Leben der Seele. Von da laufen Verbindungsfäden zur Einhauchung des Glaubens und der Liebe. A. versteht die Gnade als Liebe im Sinne der edleren Lust am Ewigen, welche die Lust an den sinnlichen Dingen verdrängt. Adam hat freilich, wie die gefallenen Engel vor ihm, die Selbstliebe der Gottesliebe vorgezogen. Seine Sünde ist, wie Sünde überhaupt, Wille, Abkehr von Gott. Sie wirkt das Böse, das im Mangel des Guten besteht. Die Folgen des Falles sind für alle Menschen Hochmut und Konkupiszenz (d. h. sinnliche Lust und Zuwendung zum Niederen), Sünde als Strafe der Sünde. Die Menschheit ist zu einer Masse der Verdammnis geworden. Aus dieser Masse führt Gott die einen zum Heil durch sein Erbarmen, um die Zahl der gefallenen Engel wieder aufzufüllen, die anderen überläßt er dem Verderben auf Grund seiner unerforschlichen Gerechtigkeit. Die Prädestination (: III), die ab 417/18 (ohne etwas radikal Neues gegenüber A.s bisheriger Lehre zu sein) immer größeren Raum in A.s Schriften gewinnt, da A. in dieser Lehre das stärkste Bollwerk für die Verteidigung der Gnade gegen den Pelagianismus sieht, ist das göttliche Vorauswissen (A. verteidigt die praescientia Dei gegen Cicero, De civ. 5, 9) und die Vorbereitung der Gnaden für die, welche zur Rettung erwählt werden. Diese Gnade kommt zu uns als Gnade Christi, der als Christus humilis (der demütige Christus ist wichtig für A.s Frömmigkeit) das Erlösungswerk vollbrachte. Christus ist die Quelle der Gnade und Modell der Prädestination. Wie er prädestiniert wurde, unser Haupt zu sein, wurden wir zu seinen Gliedern prädestiniert (De praed. sanct. 15, 31). Der Erwählung geht die Rechtfertigung (: II) des Sünders voraus, d. h. die Gerechtmachung und In-Ordnung-Bringung durch Herstellung des Übergewichts des Geistigen über das Sinnliche in der Einhauchung der caritas. Trotz der Prädestinationslehre hat A. am liberum arbitrium des Menschen zeitlebens festgehalten. Die libertas, das Vermögen, das Gute zu wählen und auszuführen, ist zwar durch den Fall verlorengegangen. Aber das bedeutet nicht den Verlust des liberum arbitrium, mit dem die Spontaneität und Selbstbestimmung gemeint ist, die dem Willen als solchem stets innewohnt (C. d. ep. Pel. 1, 5). Gott gibt Glaube und gute Werke, die unser sind durch die Spontaneität des Willens. In unseren guten Werken ist nichts unser, das nicht von Gott käme, und nichts, das von Gott gegeben wird, ist nicht unser. Die Freiheit des Willens (Willensfreiheit), zu der die Prädestinierten geführt werden, besteht in der durch die erwählende Gnade bewirkten Befreiung des Willens zum Guten.
4. A. hat sich der Ekklesiologie (Kirche: III)
vom Gedanken der Autorität her genähert. Ich würde dem Evangelium nicht glauben,
wenn mich nicht die Autorität der kath. Kirche dazu bewegte
(C. ep. fund. 5, 6).
Die Autorität ist in das Erkenntnissystem A.s von vornherein eingebaut. Die
Annahme nicht selbst zugänglicher, sondern von anderen bezeugter Wahrheiten ist
Erkenntnis aus Autorität. Insofern ist die Unterwerfung unter die Kirche, deren
Zeugenwert ebenso wie der der hl. Schrift durch apostolischen Ursprung,
Fortpflanzung durch Bischofssukzession, Anerkennung durch viele Völker,
feststeht, kein widervernünftiger Akt. Der Glaubensbegriff A.s enthält ein
rationales Moment: Glaube ist Zustimmung, die auf angemessenem Zeugnis beruht
(Glaube: IV). Die Kirche ist
Lehrautorität und (hier knüpft A. an Cyprian
an) die Gnade vermittelndes Institut. Die seit H. Reuter in der Forschung
verbreitete Ansicht von dem doppelten Kirchenbegriff A.s (Kirche einerseits die
"empirische kath. Kirche", andererseits die "Gemeinde der Heiligen", die "Zahl
der Prädestinierten") wird von Kamlah bestritten. Kirche im eigentlichen Sinn
ist für A. nur die Gemeinde der Erwählten. Die irdische kath. Kirche, die ja
viele Böse in sich schließt, ist Kirche nur im eschatologischen Sinn, indem sie
auf die ecclesia praedestinata hin existiert. Die Merkmale der Kirche, die A.
gegen die Donatisten, z. T. im Anschluß an Optatus
von Mileve herausarbeitet, sind die Einheit, die Liebe (welche die Einheit
bewahrt) und die Verbreitung über den Erdkreis. Die Kirche verwaltet die
Gnadenmittel der Sakramente. Die Sakramentslehre A.s ist am Begriff des Zeichens,
der letztlich aus seiner Sprachphilosophie stammt, orientiert. Das sakramentale
Zeichen ist ebenso wie das Wort Anreiz für das auf die Sache selbst, auf Gott,
zielende Erkenntnisstreben. Bei den unbezweifelbaren realistischen Äußerungen
A.s über die Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl
(: II, 1 c) muß beachtet werden, daß auch "Leib Christi" für ihn etwas in
Richtung auf das Intelligible hin zu Transzendierendes ist. - Die auf Erden
pilgernde Kirche ist als Zahl der Erwählten ein Teil der civitas Dei, der
Bürgerschaft Gottes, d. h. der durch die Liebe zu Gott vereinten Engel und
Menschen. Ihr steht die Gemeinschaft der durch Liebe zum Irdischen Geeinten
gegenüber, die civitas terrena oder civitas diaboli. Diese ist nicht völlig
identisch mit dem Staat, dem ja auch Prädestinierte angehören. Der Kampf
zwischen civitas Dei und civitas diaboli, zwischen Gottesliebe und
Selbstvergötzung, ist das Thema der Menschheitsgeschichte.
5. A. hat das gesamte abendländische Christentum nach ihm entscheidend beeinflußt. Die philosophische und theologische Arbeit der Scholastik ist durch ihn methodisch und inhaltlich bis ins 13. Jh. bestimmt. Nach der Rezeption des gesamten Aristoteles sucht der sog. Augustinismus der Franziskanerschule (Bonaventura) vor allem in Erkenntnistheorie und Psychologie an A.s Lehrgut festzuhalten. Die Mystik des Mittelalters ist ohne A. nicht zu denken. Augustinische Gedanken haben die Staatstheorie des Mittelalters beeinflußt und die theoretische Lösung des Investiturstreits etwa bei Ivo von Chartres herbeizuführen geholfen. Obwohl die Verurteilung des Pelagianismus A.s wichtigste Einwirkung auf die Dogmengeschichte ist, hat die kath. Kirche seine antipelagianischen Gedanken nicht in vollem Umfang übernommen. So geriet der strenge Augustinismus immer wieder in Konflikt mit der Kirche, von dem Mönch Gottschalk bis zum Jansenismus. Die Frage, ob der junge Luther durch den von Gregor von Rimini beeinflußten Augustinismus seines Ordens mitgeformt ist, ist noch nicht entschieden (für das Verhältnis Luthers zu A. vgl. das Buch von Hamel). Wie im Bereich der Reformation ein selbständiges Studium A.s schließlich doch von Luther wieder abführt, läßt das Beispiel Karlstadts erkennen. Dasselbe gilt vom Augustinismus der Abendmahlslehre Calvins.
Die folgende Bibliographie ist eine knappe Auswahl.
Werke: Maurinerausg., 11 Bde, 1679-1700; MPL 32-47; CSEL 1887 ff.; Oeuvres de S. A., hg. v. F. CAYRÉ, (1936 ff.) 1949 ff.2 (lat.-franz.); CChr 1954 ff.; G. MORIN, S. Augustini Sermones post Maurinos reperti, 1930.
Deutsche Übers.: BKV2 12 Bde, 1911-35; Aur. A., Werke in dt. Sprache, Paderborn 1940 ff.; Werke, Zürich 1950 ff.; St. A. der Seelsorger. Deutsche GA seiner moraltheol. Schriften, hg. v. A. KUNZELMANN - A. ZUMKELLER, 1949 ff.; St. A. der Lehrer der Gnade. Dt. GA seiner antipelagianischen Schr., hg. v. A. KUNZELMANN - A. ZUMKELLER, 1955 ff.; Vom seligen Leben, übers. v. J. HESSEN, 1923; Christl. Ethos, des Aur. A. Buch "Von den Sitten der kath. Kirche" übertr. u. erl. v. P. KESELING, 1948; Der christl. Kampf, übertr. v. C. J. PERL, 1948; Der Gottesstaat, in dt. Sprache v. C. J. PERL, 1951/52; Alleingespräche, in dt. Sprache v. C. J. PERL, 1955. Textauswahl: E. PRZYWARA, A., die Gestalt als Gefüge, 1934.
Konkordanzen: Divi Aur. A. Milleloquium Veritatis a F. BARTHOL. DE URBINO digestum, Lugduni 1555 - D. LENFANT, Concordantiae Augustinianae, 2 Bde, 1656-65 - DERS., Biblia augustiniana, 1661.
Bibliographien: G. KRÜGER (HAW 8, 4, 2, 1920, 398-472) - ALTANER 369 (dort weitere Bibliogr.). Vgl. die DGen (bes. LOOFS). Außerdem: F. VAN STEENBERGHEN, La philos. de S. A. d'après les travaux du Centenaire (Rev. Néoscol. de Philos. 34, 1932, 366-387; 35, 1933, 106-126. 230-281) - M. F. SCIACCA, A.us, Bern 1948 - L'Année théologique augustinienne 1, 1940 ff. (seit 1955: Revue des Etudes augustiniennes) - Augustiniana, Heverlee-Leuven 1, 1951 ff.
WB-Art.: RE II, 257 ff. - DThC I/2, 2268 ff. - RGG1 I, 793 ff. - DHGE V, 440 ff. - RGG2 I, 656 ff. - LThK I, 827 ff. - DSp I, 1101 ff. - RAC I, 981 ff.
Forschungsübersichten: G. BEYERHAUS, Neuere A.probleme (HZ 131, 1923, 189-209) - H. DÖRRIES, 15 Jahre A.forschung (ThR NF 1, 1929, 217-245) - W. THEILER, Gn 11, 1935, 36-41 - H. V. CAMPENHAUSEN, Neuere A.literatur I (ThR 17, 1948, 51-72) - K. BAUS, Neuere A.forschungen (TThZ 61, 1952, 107-112. 165-169) - P. KESELING, Augustiniana (ThRv 49, 1953, 81-98).
Festschriften: Aur. A., die Festschr. d. Görresgesellschaft, Köln 1930 - Miscellanea Agostiniana, Rom 1930/31 - Miscellanea Augustiniana, Rotterdam 1930 - A Monument to S. A., London 1930 - Mélanges Augustiniens, Paris 1931 - A.us Magister, 3 Bde, Paris 1954 - Augustiniana, Löwen 1954 - A.us, Averbode, Brabantse Circarie der Norbertijnen, 1954 - S. A.parmi nous, Le Puy-Paris 1954.
Untersuchungen: H. REUTER, Augustin. Studien, 1887 - A. V. HARNACK, A.s Confessiones, 1888 - W. THIMME, A.s geistige Entwicklung in den ersten Jahren nach seiner "Bekehrung" 386-391, 1908 - K. ADAM, Die Eucharistielehre des hl. A., 1908 - J. MAUSBACH, Die Ethik des hl. A., (1909) 19292 - E. TROELTSCH, A., die christl. Antike u. d. MA, 1915 - P. ALFARIC, L'évolution intellectuelle de S. A., Bd. 1, 1918 - B. KÄLIN, Die Erkenntnislehre des hl. A. (Diss. Freiburg/Schweiz), 1920 - CH. BOYER, L'idée de vérité dans la philos. de S. A., (1921) 19412 - DERS., Christianisme et néoplatonisme dans la formation de S. A., (1920) 19532 - K. HOLL, A.s innere Entwicklung (AAB 1922 Nr. 4 - HOLL III, 54-116) - J. NÖRREGAARD, A.s Bekehrung, 1923 - H. FUCHS, A. u. d. antike Friedensgedanke, 1926 - M. SCHMAUS, Die psychol. Trinitätslehre des hl. A., 1927 (Lit.). - F. CAYRÉ, La contemplation augustinienne, 1927 - DERS., Initiation à la philos. de S. A., 1947 - DERS., Dieu présent à la vie de l'esprit, 1951 - E. GILSON, Introduction à l'étude de S. A., (1929) 19493 (Lit.) - J. HESSEN, A.s Metaphysik der Erkenntnis, 1931 - E. BENZ, Marius Viktorinus, 1932 - F. HOFMANN, Der Kirchenbegriff des hl. A., 1933 - W. THEILER, Porphyrios u. A., 1933 - K. KUYPERS, Der Zeichen- u. Wortbegriff im Denken A.s, 1934 - E. DINKLER, Die Anthropologie A.s, 1934 - A. HAMEL, Der junge Luther u. A., 2 Bde, 1934/35 - P. HENRY, Plotin et l'occident, 1934 - DERS., La vision d'Ostie, 1938 - R. GUARDINI, Die Bekehrung des Aur. A., der innere Vorgang in seinen Bekenntnissen, (1935) 19502 - E. HENDRIKX, A.s Verhältnis zur Mystik, 1936 (Lit.) - R. JOLIVET, Le problème du mal d'après S. A., 1936 - J. BURNABY, Amor Dei, (1938) 19472 - H. I. MARROU, S. A. et la fin de la culture antique, (1938) 19493 (mit Retractatio) - DERS., L'ambivalence du temps de l'histoire chez S. A., 1950 - K. H. SCHELKLE, Virgil in d. Deutung A.s, 1939 - G. BARDY, S. A., l'homme et l'oeuvre, (1940) 19487 - DERS., Les Révisions, Oeuvres de S. A. 1re série vol. 12, Introduction, 1950, 11 ff. - M. PONTET. L'exégèse de S. A. prédicateur, o. J. (1944) - A. DAHL, A. u. Plotin, Unters. zum Trinitätsproblem u. zur Nuslehre, 1945 - F. VAN DER MEER, A. der Seelsorger, (holl. 1947) 19532 - E. FRANK, S. A. and the Greek Thought, 1949 - M. F. SCIACCA, S. Agostino, I, 1949; II, 1954 - A. ZUMKELLER, Das Mönchtum des hl. A., 1950 - P. COURCELLE, Recherches sur les confessions de S. A., 1950 (Lit.); dazu W. THEILER, Gn 25, 1953, 113-122 - DERS., L'enfant et les sorts bibliques (VigChr 7, 1953, 194-220) - R. LORENZ, Fruitio Dei bei A. (ZKG 63, 1950, 75-132) - DERS., Die Herkunft des aug. Frui Deo (ZKG 64, 1952/53, 34-60) - DERS., Die Wissenschaftslehre A.s (ZKG 67, 1956, 29-60. 213-251) - W. KAMLAH, Christentum u. Geschichtlichkeit (1940: Christentum u. Selbstbehauptung), 19512 - G. AMARI, Il concetto di storia in S. A., 1951 - A. NIEBERGALL, A.s Anschauung von der Gnade. Ihre Entstehung u. Entwicklung vor dem pelagian. Streit, 1951 - E. GILSON, Les métamorphoses de la Cité de Dieu, 1952 - B. ALTANER, A. u. die griech. Patristik (RBén 62, 1952, 201-215) - A. ADAM, Der manichäische Ursprung der Lehre von den 2 Reichen bei A. (ThLZ 77, 1952, 385-390) - W. H. C. FREND, The Gnostic-Manichaean Tradition in Roman North-Africa (JEH 4, 1953, 13-26) - H. RONDET, M. LE LANDAIS, A. LauraEine Laura (von griech.„Λαύρα, enge Gasse”) ist eine Art Einsiedlergemeinschaft, bei der die Mönche während der Wochentage jeweils für sich alleine in Höhlen lebten und nur am Wochenende zur Feier der „Göttlichen Liturgie”, zum Gebet, zum gemeinsamen Mahl und zum brüderlichen Beisammensein zusammenkommen.S, C. COUTURIER, Etudes augustiniennes, 1953 - H. KUSCH, Studien über A. (Festschr. f. Dornseiff, 1953, 124-200) - T. J. VAN BAVEL, Recherches sur la christologie de S. A., 1954 - J. RATZINGER, Volk u. Haus Gottes in A.s Lehre von der Kirche, 1954 - E. BENZ, A.s Lehre von der Kirche (AAMz 1954) - J. O'MEARA, The young A., 1954 - G. N. KNAUER, Psalmenzitate in A.s Konfessionen, 1955 (Lit.) - M. LÖHRER, Der Glaubensbegriff des hl. A. in s. ersten Schriften bis zu d. Conf., 1955 - F. G. MAIER, A. u. das antike Rom, 1955 (Lit.) - H. I. MARROU, S. A. et l'augustinisme, 1955 - J. CHAIX-RUY, S. A. Temps et histoire, 1956 - G. NYGREN, Das Prädestinationsproblem in der Theol. A.s, 1956 - P. J. DE MENASCE, A. Manichéen (Freundesgabe für E. R. Curtius, 1956, 79-93) - M. HENSCHEL, Das malum in A.s De civitate Dei (Diss. Jena), 1957.
R. Lorenz
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