Ökumenisches Heiligenlexikon

Hugo von Saint-Victor

auch: von Blankenburg

1 Gedenktag katholisch: 5. Juli
Niederlegung der Gebeine

1 Gedenktag evangelisch: 11. Februar

Name bedeutet: der Denker (althochdt.)

Lehrer
* um 1097 in Sachsen (?)
11. Februar 1141 in Paris in Frankreich


Kirche des ehemaligen Stiftes Hamersleben
Kirche des ehemaligen Stiftes Hamersleben

Hugo trat nach der Schulzeit im damaligen Stift der Augustiner-Chorherren an der Kirche St. Stephani in Salingenstede / Seligenstadt - dem heutigen Osterwieck in Sachsen-Anhalt - und im 1111/1112 von dort verlegten damaligen Stift St. Pankratius in Hamersleben bei Halberstadt 1113 in die ebenfalls als Augustiner-Chorherrenstift kurz zuvor gegründete Abtei Saint-Victor in Paris ein. Als Mitglied der kirchlichen Reformbewegung seiner Zeit und hochbegabter Erzieher führte er die Schule in den acht Jahren, die er sie leitete, zu hoher Blüte. Seine theologische Arbeit übte nachhaltigen Einfluss auf die Kirche aus, er verband innere Frömmigkeit und klares, positiv ausgerichtetes Denken.

Seine Studienbuch Didascalicon de studio legendi ist eine Wissenschaftslehre und Einführung in das Studium von Theorik, Praktik, Mechanik, Logik und zugleich von handwerklichen Techniken wie Weberei, Schmiedekunst, Landwirtschaft oder Jagd sowie in Grundlagen der Exegese im zweiten Teil. Bibelkundliche Arbeiten stehen im Zentrum von Hugos Werk, weil er richtiges Bibelverständnis als obersten Wert aller Studien ansah. Zahlreiche Kommentare zu alttestamentlichenWir verwenden den Begriff Altes Testament, wissend um seine Problematik, weil er gebräuchlich ist. Die hebräische Bibel, der „Tanach” - Akronym für „Torah” (Gesetz, die fünf Bücher Mose), „Nevi'im” (Propheten) und „Kethuvim” (Schriften) - hat aber natürlich ihre unwiderrufbare Bedeutung und Würde. Schriften und eine umfassende Darstellung der Sakramente des christlichen Glaubens, De sacramentis christianae fidei interpretieren die sichtbare Welt mit ihrer Geschichte als ein Zeichensystem, das auf die jenseitige Welt verweist. Die Weltgeschichte ist für ihn als verborgene Botschaft Gottes theologisch bedeutsam und mit den am Bibelstudium bewährten Methoden deutbar.

Hugos Lehrtätigkeit und seine weit verbreiteten Schriften machten die Schule von St-Victor zu einer der bedeutendsten des 12. Jahrhunderts, er wird auch als der zweite Augustinus bezeichnet. Berühmt ist seine Lehre von den drei Augen des Fleisches, des Verstands und der Selbstvertiefung: Das Auge des Fleisches - die Sinne des Körpers - erschließt die empirische Welt und das Wissen, das praktischen Zwecken dient. Mit dem Auge des Verstands erlebt der Mensch das Innere der Seele und denkt nach über sein Dasein. Erst die Selbstvertiefung gibt ihm aber Einblick in das Eigentliche, nämlich den Willen Gottes und das jenseitige Leben. Petrus Lombardus, Alexander von Hales, Bonaventura oder Albertus Magnus stützten sich auf Lehren Hugos; bis zur Reformation waren seine spirituellen Werke geradezu populär.

Das Stift Hamersleben wurde 1804 säkularisert, die Kirche wurde Pfarrkirche.

Worte des Heiligen

Mit einem anschaulichen Vergleich beschreibt Hugo die Reinigung des Herzens:
Bei der inneren Schau gibt es oft eine Art Kampf zwischen Wissen und Nichtwissen. Das Licht der Wahrheit ist manchmal noch durch den Nebel des Irrtums verdunkelt, so wie ein Feuer, das Mühe hat, am grünen Holz sich zu entzünden, aber wenn ein mächtiger Windstoß ihm zu Hilfe kommt, dann flammt es auf und beginnt inmitten der aufwirbelnden schwarzen Rauchschwaden weithin zu leuchten. Dann breitet sich der Feuerherd aus, denn die Feuchtigkeit des Holzes wird aufgesaugt, und so verschwinden auch die dunklen Rauchwirbel, die Flamme wird immer heller, verbreitet sich siegreich und strahlend über das ganze Holz. … Aber wenn erst alles Brennbare selbst zu Feuer geworden ist, dann hört auch alles Knacken und Funkensprühen auf, und was zuerst fressende Flamme war, wird zu einer stillen Glut, weil es nichts mehr finden kann, das von ihm verschieden oder ihm fremd wäre, nichts, was ihm noch widersteht. Darum sieht man zuerst Flammen und Rauch, dann Flamme ohne Rauch und zuletzt Glut ohne Flamme und ohne Rauch.
So ist auch unser Herz. Als Fleisch verhält es sich wie das grüne Holz voller Feuchtigkeit, d. h. voller Begierden. Wenn es von irgendwelchen Funken der Gottesfurcht oder Gottesliebe getroffen wird, dann erhebt sich zuerst Rauch der verwundeten bösen Lust und die verwundeten Leidenschaften bäumen sich auf. Dann aber stärkt sich die Seele, die Flamme der Gottesliebe brennt immer heißer und leuchtet immer stärker, der Rauch der Leidenschaften verflüchtigt sich und so kann sich der gereinigte Geist endlich hoch hinauf bis zur Betrachtung der Wahrheit erheben. Zuletzt wenn das Herz ganz von der Wahrheit durch diese fortgesetzte Schau durchglüht worden ist und mit all seiner inneren Willenskraft die Quelle selbst der höchsten Wahrheiten erreicht hat, dann verwandelt es sich in Glut, in das Feuer der echten Gottesliebe, und kann überhaupt nicht mehr durch Leidenschaften verwirrt, nicht mehr durch Begierden beunruhigt, nicht durch Schmerzen mehr bewegt werden. Jetzt endlich hat das Herz Ruhe und Frieden gefunden.

Quelle: Walther Tritsch (Hrsg.): Einführung in die Mystik - In Quellen und Zeugnissen. Weltbild Verlag, Augsburg 1990, S. 90 - 92

Zitate von Hugo von St-Victor:

Das Wort wurde Fleisch, ohne etwas von Seiner Göttlichkeit zu verlieren, und konnte erst dadurch von den Menschen gesehen werden. Aber nur so wie ein Buch, das zugleich innerlich und äußerlich beschrieben ist, das heißt, mit sichtbarer, und zugleich auch mit unsichtbarer Tinte: Die äußerlich sichtbare Schrift ist das menschliche Leben Christi, die innere, die erst sichtbar gemacht werden soll, ist Sein göttliches Leben. Die menschliche Schrift wird von uns durch unsere Bemühungen um unsere eigene Nachfolge Christi gelesen, die Schrift entziffern wir nur durch frommes Versenken in die Anschauung Gottes. Und wir lesen die menschliche Schrift, um uns zu heilen, die göttliche aber, damit wir zur Vollkommenheit geführt werden.

Wir lesen in der Heiligen Schrift, aber wir kleben dabei nicht am Buchstaben. Wir begnügen uns nicht mit dem Wortsinn; denn was wir suchen und was wir lehren, das ist der innere, der verborgene, der allegorische [sinnbildliche] Sinn: die Bedeutung des Ganzen. … Natürlich müssen auch wir es zuerst buchstäblich lesen und zunächst jedes einzelne Wort verstehen, aber wir begnügen uns eben nicht mit dem grammatischen Sinn jedes einzelnen Wortes.

Unter Meditation versteht man ein ausdauerndes Nachsinnen, bei welchem man der Art, dem Grund und dem Wesen eines bestimmten Sachverhaltes sorgfältig nachgeht. Um über die Art nachzusinnen, fragt man: Was ist es?, wenn man dem Grund nachgeht: Warum ist es?, wenn man über das Wesen nachdenkt: Wie ist es? Es gibt drei Weisen der Meditation: Die eine richtet sich auf die Schöpfung, die andere auf die Heilige Schrift und die letzte auf das praktische Tun. Die erste entsteht aus dem Staunen, die zweite aus dem Lesen und die dritte aus dem umsichtigen Erwägen des Handelns.

Quelle: Walther Tritsch (Hrsg.): Einführung in die Mystik - In Quellen und Zeugnissen. Weltbild Verlag, Augsburg 1990, S. 90 - 92
Gisbert Greshake und Josef Weismayer (Hrsg.): Quellen des geistlichen Lebens, Bd. 2. Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2008, S.46f.

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Stadlers Vollständiges Heiligenlexikon

Catholic Encyclopedia

Das Hugo-von-Sankt-Viktor-Institut der philosophisch-theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt bietet eine umfangreiche Internetseite zu Hugo und seinem Werk.

Den Text des Studienbuch Didascalicon de studio legendi gibt es als pdf-Dokument in deutscher Übersetzung von der Universität Freiburg.

Schriften von Hugo und seine Lebensgeschichte gibt es online zu lesen in den Documenta Catholica Omnia.

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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 08.10.2024

Quellen:

• Charlotte Bretscher-Gisinger, Thomas Meier (Hg.): Lexikon des Mittelalters. CD-ROM-Ausgabe J.B. Metzler, Stuttgart / Weimar 2000

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.