Joachim von Fiore
Gedenktag katholisch: 29. Mai
Name bedeutet: Gott wird aufrichten (hebr.)
Joachim, Sohn eines Notars, unternahm eine Wallfahrt nach Konstantinopel - dem
heutigen Ístanbul - sowie nach
Jerusalem. Um 1153 trat er ins
Zisterzienserkloster Santa Maria della Sambucina nahe
Luzzi ein, dann wechselte er ins
Kloster nach Corazzo bei Carlopoli, wo er
seine Gelübde ablegte und 1177 Abt wurde. 1183 ging er ins
Kloster Casamari, wo er bis 1185 seine drei
Hauptwerke verfasste: die Concordia novi ac veteris testamenti
, Übereinstimmungen im Neuen und Alten Testament
,
die Expositio in Apocalypsim
, Einführung in die Offenbarung
sowie Psalterium decem chordarum
, Psalter
mit zehn Saiten
. Seine Konkordie legte er auch Papst Lucius III. vor, der zu jener Zeit im nahen
Veroli weilte und beeindruckt war; deshalb
gewährte er ihm Befreiung von den Regeln der Zisterzienser, wodurch Joachim seine Arbeit intensivieren konnte.
In Folge von Meinungsverschiedenheiten verließ Joachim den Zisterzienserorden
später ganz und zog sich mit Zustimmung von Papst Clemens III. zur Meditation zurück. 1191 ging er zusammen mit einem
Gefährten als Einsiedler nach Fiore - dem heutigen
San Giovanni in Fiore. Dort entstanden die
Floriazenser
mit einer die Regeln der Zisterzienser noch verschärfenden Ordenszucht. Diese Regeln wurden 1196 von
Papst Coelestin III. bestätigt. Joachims Ruf als Seher, Asket und mit dem Geist der Weissagung begabter Prophet war weit
verbreitet. 1201 bekam er vom Ortsherrn von Fiumefreddo
Bruzio das zuvor von Basilianermönchen bewirtschaftete Kloster Fonte
Laurato übergeben. 1202 ging er trotz des Winters und seines hohen Alters nach Canale, um den Bau des neuen
Klosters San Martino an der Stelle einer 1184
durch Erdbeben zerstörten Kirche zu besichtigen; dort starb Joachim. Der Orden nahm weiter raschen Aufschwung, bald gab
es 35 Männer- und Frauenklöster in Süditalien.
Joachim war ein Theologe, dessen Lehren umstritten waren; Stauferkaiser Heinrich VI. lud ihn zu Gesprächen über seine persönliche und die politische Zukunft; Päpste förderten ihn, aber seine Schriften wurden auch teilweise vom 4. Laterankonzil 1215 und der Synode von Arles 1263 verurteilt. Dem englischen König Richard Löwenherz sagte er einen Sieg beim 3. Kreuzzug voraus.
Joachim vertrat die Idee einer sich immer weiter zum Guten entwickelnden Geschichte. Zwischen den im Alten TestamentWir verwenden den Begriff Altes Testament, wissend um seine Problematik, weil er gebräuchlich ist. Die hebräische Bibel, der „Tanach” - Akronym für „Torah” (Gesetz, die fünf Bücher Mose), „Nevi'im” (Propheten) und „Kethuvim” (Schriften) - hat aber natürlich ihre unwiderrufbare Bedeutung und Würde. und den im Neuen Testament geschilderten geschichtlichen Gegebenheiten gebe es derartige Entsprechungen, dass man daraus Linien in die nachapostolische Zeit und bis in die Zukunft hinein ziehen könne. So entsprächen den sieben Verfolgungen, die das Volk Israel erfuhr, sieben der Christenheit: die im Neuen Testament bezeugten beiden durch Juden und Heiden, in nachapostolischer Zeit die durch den Arianismus und die Sarazenen, dazu drei weitere, die in der Zukunft folgen werden. Seine Deutung der Offenbarung des Johannes kam zur Überzeugung, dass zwischen dem Tod des Antichristen und dem Ende der Zeiten ein Sabbat des Friedens und der Vollendung auf Erden ausbrechen werde.
In einer trinitarischen Geschichtsschau unterschied Joachim drei Zustände der Weltzeit, die wie die Personen des dreieinigen Gottes miteinander verknüpft sind: Der erste ist das Gotteswerk der Erschaffung der Welt und dauerte bis zur Menschwerdung Jesu Christi; der zweite begann mit Israels König Ussia um 770 v. Chr. und werde in naher Zukunft beendet; der dritte Zustand begann mit Benedikt von Nursia. Joachim war überzeugt, dass er am Vorabend des Höhepunkts der Geschichte lebt; bald werde eine schreckliche Verfolgung die Kirche heimsuchen, der Antichrist die Kirche durch Häresie vernichten wollen, aber scheitern und selbst gerichtet werden; schon bald - nach Joachims Berechnungen im Jahr 1260 - werde der dritte Zustand, der Zustand des Heiligen Geistes und des Sabbats und Friedens, anbrechen. Den drei Zuständen entsprächen drei Lebensweisen: dem ersten, als Zeit des Gesetzes und der Familien, dem zweiten als Zeit der Gnade und der Priester, dem dritten als Zeit des Geistes und der Mönche; entsprechend werde schon bald die Papstkirche durch die Geistkirche abgelöst.
Auf Joachims Ideen zurück ging die Entstehung des strengen Zweiges der
Franziskaner; ein Teil der franziskanischen Joachimiten wurde bestraft, zahlreiche
wurden auf dem Scheiterhaufen gerichtet. Um 1260 entstand die Gemeinschaft der Apostelbrüder
, die mit Askese das
dritte Zeitalter zu leben versuchte; die Papstkirche identifizierten sie mit der Hure
Babylon aus Offenbarung 17; nach 1300 rief der Papst zum Kreuzzug gegen sie auf,
nach zweijährigem Verteidigungskampf auf einem Berg bei
Vercelli wurden sie vernichtet. Nachhaltigen
Einfluss hatte Joachims Geschichtstheologie auch in der Reformationszeit, z. B. auf
Thomas Müntzer, dann auf Gotthold Ephraim Lessing und die Philosophen
des Deutschen Idealismus, darunter besonders Georg Wilhelm Friedrich Hegel, schließlich auf Karl Marx und im 20. Jahrhundert
auf Ernst Blochs Prinzip Hoffnung
.
Im 16. Jahrhundert schlossen sich die Klöster des Floriazenser-Ordens wieder der Mutter- und anderen Kongregationen an.
Im Kloster San Martino in Canale war bis 1224 Joachims Grab. Das Kloster kam 1570 an die Zisterzienser, die es in einen landwirtschaftlichen Gutshof umwandelten, kam 1765 in Privatbesitz und wurde ab 2014 in öffentlichem Besitz restauriert.
Kanonisation:
1346 scheiterte Joachims Heiligsprechung, die Acta Sanctorum nennen ihn
selig
.
Worte des Seligen
Joachim sieht in der Offenbarung des Johannes die Kirche des Geistes angekündigt, die nicht nur Gesetz und
Buchstaben, sondern auch alles Historisch-Menschliche und Bilder und Gleichnisse hinter sich lässt. Er schreibt:
Wenn der allmächtige Gott das Alte beenden will, um das Neue aufzubauen, lässt er es zu, dass der Kirche
irgendeine Verfolgung geschehe, und indem er das, was er beenden will, verlässt, beschützt er das, was bleiben soll. So,
dass das Neue, … das Gute, das im Dunkeln verborgen war, bei gegebener Gelegenheit zum Licht emporgeführt werde. Die
Kirche der Beschneidung, aus der sich viele Tausende zum Herrn bekehrt hatten, stellte sich wohl der Welt schon durch
das hohe Alter ihrer Abstammung als verehrungswürdig dar und auch weil Christus nach dem Fleische aus ihr geboren war.
So wie aber ein großer Unterschied ist zwischen dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht, so sind auch die, die nach
dem Fleische leben, indem sie das Gesetz des Mose verkündigen, um vieles verschieden von denen, die nach dem Geiste
wandeln und die Gnade Christi dem Gesetz vorziehen. So wollte der allmächtige Gott, dass gerade die Kirche der
Beschneidung beim Gebären bedrängt werde, und dass, nachdem jenes von Händen errichtete Heiligtum und die jüdische
Priesterschaft vernichtet waren, auch in den christlichen Beschnittenen der Eifer des Gesetzes aufhöre, damit in den
Völkern das Geistige befestigt werde, wenn das Irdische abgelegt ist. Wenn Gott durch die Abfolge der Zeiten die Lage der
Kirche verändern will, damit eines nach dem andern erfüllt werde, wie es geschrieben steht, werden einige Jahre vorher
Wetterleuchten, Blitze und Wunder vorausgehen, ermahnende Stimmen, die Donner geistiger Reden, sei es, um die
Verschlafenen und Faulen aus dem Schlafe des Todes aufzurütteln, sei es, damit die einen wie die andern erkennen, dass
der Herr etwas Neues auf der Erde beginnen wird. …
Die Geschichten des alten Bundes aber verkünden uns die buchstäblichen Taten mit lauter Stimme; sicherlich darum,
damit die Wurzel unseres Glaubens in einem starken Fundament stehe.
Die Taten des neuen Bundes freilich waren noch zukünftig, als Christus in die Welt kam, und weil sie auf historische
Weise noch nicht beschrieben werden konnten, wurden sie in der Apokalypse in prophetischen Worten zusammengefasst, damit
das jugendliche Zeitalter lerne, im Fliegen wie die Schwalbe geistige Speise zu empfangen und schnell die Worte der
(rein) historischen Weisheit wie Fleisch und Aas zu fliehen.
In der Tat werden in Zukunft nicht nur die historischen Darstellungen und (die,) welche nach Erde schmecken,
dahinschwinden, sondern es werden auch die mystischen Reden aufhören, die den Verständigen durch Bilder und Gleichnisse
eingegeben werden. Nicht mehr durch irgendwelche Bilder, sondern im Geiste werden wir das Angesicht unseres Gottes, des
Urhebers, schauen, ihm ähnlich geworden nach dem (Wort) des Apostels: Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass
wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist
(1. Johannesbrief 3, 2). In der Tat sagen wir dies
darum, um den Inhalt des Buches der Offenbarung wiedergeben zu können und zu erklären, was die Absicht (dieses) Buches ist.
Aber auch wir, die wir die Letzten sind, wurden durch die Gnade zu den Ersten gemacht. So wie wir der Gnade nachgefolgt
sind, müssen wir dem Geiste mehr gehorchen als dem Buchstaben, indem wir von Klarheit zu Klarheit gehen, geradeso wie wir
vom ersten Himmel in den zweiten, vom zweiten in den dritten, aus dem Ort der Finsternis zum Mondlicht und dann von der
Helligkeit des Mondes zum noch größeren Licht gelangen können.
Quelle: Joachim von Fiore: Das Zeitalter des Heiligen Geistes, hrsg. v. Alfons Rosenberg. Bietigheim 1977, S. 117 - 119
Zitat von Joachim von Fiore:
Auch das Bild von der Jakobsleiter versteht Joachim im Sinne einer geistgeleiteten Kirche:
Und ihr werdet den Himmel offen und die Engel Gottes auf- undniedersteigen sehen
(Johannesevangelium
1, 51). Was bedeutet es, den Himmel offen zu sehen, wenn nicht das den irdischen Menschen verschlossene Alte und Neue
Testament von innen zu schauen, nachdem die Schranken des Buchstabens gefallen sind? Was bedeutet es, die Engel Gottes
auf- und niedersteigen zu sehen über dem Menschensohn, wenn nicht das Empfangen und die Erkenntnis jener geistigen Gaben,
die man die sieben Geister des Herrn nennt, die auf die ganze Erde geschickt wurden? Sie wurden darum durch die
Herablassung des Herrn zu den erwählten Menschen gesandt, um sie zu lehren, das Irdische zu verachten und das Himmlische
zu lieben, das Sichtbare zu verschmähen und das zu erstreben, was man mit leiblichen Augen nicht sehen kann. … Sie steigen
hernieder über den Menschensohn, das heißt über jene geistigen Männer, die die Einfachheit liebengelernt hatten, und machen
sie, die in Furcht, Demut und Geduld befestigt sind, ausdauernd in guten Werken, und sie steigen hinauf und bewirken, dass
die durch Glaube, Hoffnung und Liebe Erhobenen dem beständigen Gebet anhängen und dem Singen von Psalmen.
Quelle: Joachim von Fiore: Das Zeitalter des Heiligen Geistes, hrsg. v. Alfons Rosenberg. Bietigheim 1977, S. 122f
zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung
Eine schön gemachte italienische Website, auch auf Englisch zu lesen des Internationalen Zentrums der Studien zu Joachim stellt einige Informationen, v. a. bibliografische Angaben, zur Verfügung.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 29.03.2024
Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• http://www.calabriaintour.it/corazzo.html nicht mehr erreichbar
• entwurf 2/1997
• https://www.comunedicelico.it/gioacchino_da_fiore.htm - abgerufen am 20.07.2023
• https://it.wikipedia.org/wiki/Chiesa_di_San_Martino_di_Giove_in_Canale - abgerufen am 20.07.2023
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der
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https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.