Ökumenisches Heiligenlexikon

Thomas Müntzer

Gedenktag evangelisch: 27. Mai

Name bedeutet: der Zwilling (hebr.)

Pfarrer
* 1489 in Stolberg, heute Stadt Stolberg im Harz in Sachsen-Anhalt
27. Mai 1525 in Mühlhausen in Thüringen


Haus an der Stelle des 1851 abgebrannten Geburtshauses von Thomas Müntzer in Stadt Stolberg
Haus an der Stelle des 1851 abgebrannten Geburtshauses von Thomas Müntzer in Stadt Stolberg

Thomas Müntzer erhielt eine akademische Bildung und wurde um 1513 zum Priester geweiht. 1515 bis 1517 unterhielt er am ehemaligen Kloster St. Cyriacus in Frose bei Aschersleben einen Knabenkonvikt, das er als Propst leitete. Noch vor Martin Luther ging er auf Distanz zur katholischen Kirche, dann begrüßte er die sich ausbreitende Reformation. Luther empfahl ihn auf die Pfarrstelle an der Katharinenkirche in Zwickau, die er im Herbst 1520 antrat, aber auf Beschluss des Stadtrates wegen seiner radikalen Ansichten schon im April 1521 wieder verlassen musste.

Müntzers Auffassungen begannen zunehmend sich von denen Luthers zu unterscheiden. Er war überzeugt, dass das Vertrauen in das durch Christus geschenkte Heil noch nicht wirklicher Glaube sei; der müsse in einem inneren Leidensprozess zustande kommen, indem der Mensch die Passion Christi nachvollziehe. Der Glaube an die Wirksamkeit der Sakramente in der traditionellen Kirche sei ebenso falsch wie die Betonung der Bibel durch Luther; Müntzer setzte auf das Wirken des Heiligen Geistes. Das Endgericht und die unmittelbar folgende Herrschaft Christi auf Erden stehe unmittelbar bevor.

Johanniskirche in Allstedt
Johanniskirche in Allstedt

Müntzer griff die Pfaffen der alten Kirche und bald ebenso die Doktörchen der Reformationsbewegung an, sie stünden der Reinigung der Christenheit nur im Wege. In seiner Schrift Wider das geistlose sanftlebige Fleisch zu Wittenberg machte er 1524 seine Überzeugung geltend, dass auch die neue Theologie der Reformation nur die Herrschaft der Gottlosen stütze. 1523 wurde Müntzer Pfarrer an der Johanniskirche in Allstedt, heiratete die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen und hielt hier als erster der Reformatoren den Gottesdienst in deutscher Sprache. Er hoffte nun auf Unterstützung des Landesfürsten für die notwendige Reinigung der Kirche, wozu die Anwendung des Schwerts nötig sei. Aber Herzog Johann I. von Sachsen lehnte dies ab.

Müntzer musste Allstedt 1524 verlassen, wich nach Mühlhausen aus und wirkte als Pfarrer an der Marienkirche - sie wurde 1975 säkularisiert und ist seitdem Müntzer-Gedenkstätte.

Müntzers Wohnhaus gegenüber der Marienkirche in Mühlhausen
Müntzers Wohnhaus gegenüber der Marienkirche in Mühlhausen

Müntzer gewann großen Einfluss in der freien Stadt Mühlhausen, die er zum Modell einer Stadt des angebrochenen Gottesreiches machen wollte. Er wurde dann auch auf die aufständischen Bauern aufmerksam, die sich seit Juni 1524 in Süddeutschland erhoben hatten, reiste durch die aufständischen Gebiete und wurde in seiner Auffassung bestärkt, dass Pfarrer wie Fürsten die einfachen Leute nur vom Glauben abhielten, die Bauern aber das Werkzeug zur für ihn notwendigen apokalyptischen Reinigung seien. Ihr Aufstand schaffe die Voraussetzung für eine Welt, in der die rechte Verkündigung stattfinden könne. In Mühlhausen gründete Müntzer deshalb im März 1525 in der Marienkirche den Ewigen Rath, der den tags zuvor abgesetzten Stadtrat ablöste und die politischen und sozialen Forderungen durchsetzen sollte.

Müntzer bestärkte die Bauern, Gottes Gericht zu vollstrecken: Dran, solange das Feuer heiß ist. Lasset euer Schwert nicht kalt werden! Aus Mühlhausen zog er den herannahenden Fürstenheeren mit 300 Anhängern entgegen nach Frankenhausen - heute Bad Frankenhausen - in Thüringen, wo sie zusammen mit den fast 10.000 Kämpfern der Bauernheere aus 370 Städten und Dörfern auf dem Weißenberg - dem heute Schlachtberg genannten Berg - des Kyffhäuser-Gebirges am Nordrand der Stadt die Entscheidungsschlacht führten.

An diese große Schlacht erinnert auf dem Schlachtberg heute ein Gedenkstein und das 1976 bis 1987 errichtete Panoramamuseum mit dem von Werner Tübke gefertigten Bildnis mit einer Fläche von 1722 m², einem der größten Panoramen der Welt. Ein Regenbogen - von Müntzer schon zuvor als Symbol gewählt - beleuchtete tatsächlich am 15. Mai die Szene; Gott will mit eurer Hilfe die Welt reinigen, kämpft mutig! ermunterte er die Aufständischen.

Will Lammert: Denkmal, 1957, vor der Stadtmauer am Frauentor in Mühlhausen
Will Lammert: Denkmal, 1957, vor der Stadtmauer am Frauentor in Mühlhausen

Die Bauernheere hatten gegen die Landskechte der Fürsten und deren Feuerwaffen keine Chance, Panik brach aus, die Bauern versuchten sich in kopfloser Flucht zu retten; 6000 von ihnen ließen ihr Leben, 600 weitere konnten fliehen und wurden dann in der Stadt getötet, nur wenige entkamen. Müntzer wurde gefangen genommen. Er deutete die Niederlage als Strafe Gottes, weil die Bauern für ihren eigenen Vorteil und nicht für das Reich Gottes gekämpft hätten. Auch unter Folter widerrief er seine Lehren nicht und wurde daraufhin hingerichtet. Sein Körper wurde auf einen Pfahl gespießt und zur Abschreckung vor den Toren von Mühlhausen aufgestellt.

Theologisch war Müntzers Apokalyptik nicht wirklich ernst zu nehmen. Aber Müntzer blieb im Gedächtnis wegen seiner Unterstützung der Bauern in ihrem von christlichen Hoffnungen getragenen Aufstand gegen ihre Unterdrückung, bei dem Martin Luther so eklatant versagt hatte, als er sich auf die Seite der Fürsten stellte. Der Name Müntzer erinnerte immer wieder an das soziale Gewissen von Kirche und Gesellschaft. Dass die Staatsführung der ehemaligen DDR ihn als Vorläufer des Kommunismus vereinnahmte, war nur eines der vielen Missverständnisse, das er posthum zu ertragen hatte; die DDR gab seinem Wirkungs- und Todesort Mühlhausen 1975 den offiziellen Namenszusatz Thomas-Müntzer-Stadt und bildete ihn auf der 5-Mark-Banknote ab, 1991 strich die Stadtverordnetenversammlung diesen Beinamen wieder.

Das katholische Gotteslob enthält Müntzers Lied Gott, heil'ger Schöpfer aller Stern (GL neu 230).

Thomas Müntzer: Hymnus

Die Thomas-Müntzer-Gesellschaft e. V. stellt Leben und Erinnerungsstätten auf ihrer Website dar.

Lüko Willms stellt auf seiner Internet-Site Stimmen der proletarischen Revolution Texte von Müntzer zur Verfügung.

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Die Stiftskirche St. Cyriakus in Frose bietet donnerstags und sonntags jeweils um 14 Uhr Kirchenführungen an. (2024)
Die Müntzer-Gedenkstätte in der Marienkirche in Mühlhausen ist täglich außer montags von 10 Uhr bis 17 Uhr - von November bis Febraur nur bis 16 Uhr - geöffnet, der Eintritt beträgt 5 €. (2023)
Auch das Bauernkriegsmuseum in der ehemaligen Franziskanerkirche in Mühlhausen ist täglich außer montags von 10 Uhr bis 17 Uhr - von November bis Febraur nur bis 6 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 5 €. (2023)
Das Panoramamuseum bei Bad Frankenhausen ist täglich außer montags von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 9,50 €. (2024)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 13.09.2024

Quellen:
• Stefan Schenk: Prediger der Apokalypse. Evang. Gemeindeblatt für Württemberg 21/2000
• Prof. Dr. Hans-Jürgen Goertz, Vorsitzender der Thomas-Müntzer-Gesellschaft aus Hamburg
• https://www.nd-aktuell.de/artikel/1054489.auf-den-spuren-thomas-muentzers.html - abgerufen am 27.10.2023
• https://de.wikipedia.org/wiki/Ewiger_Rat - abgerufen am 27.10.2023
• Infotafel an der Stiftskirche St. Cyriakus in Frose

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.