Herrnhuter Brüdergemeine
1722 fanden einige verbliebene Anhänger der böhmischen
Brüderkirche auf dem Landsitz des Religionsreformers Nikolaus
Graf von Zinzendorf in Herrnhut
eine Zuflucht. Caritative Hilfsbereitschaft und geistliche Eigenständigkeit waren bei den Bewohnern von Herrnhut wichtig.
So hielt der Töpfer Martin Dober als unstudierter Laie den Morgen- und Abendsegen, indem er jeweils den Bibeltext fließend
nach dem griechischen Neuen Testament und dem hebräischen Alten TestamentWir verwenden den Begriff Altes Testament, wissend um seine Problematik, weil er gebräuchlich ist. Die hebräische Bibel, der „Tanach” - Akronym für „Torah” (Gesetz, die fünf Bücher Mose), „Nevi'im” (Propheten) und „Kethuvim” (Schriften) - hat aber natürlich ihre unwiderrufbare Bedeutung und Würde.
übersetzte und dann darüber sprach. Die Herrnhuter waren bestrebt, die Bibel rigoros zu leben. Kritisch standen sie der
Amtskirche mit ihrer - wie sie meinten - lauen Kirchlichkeit und den obrigkeitlichen Strukturen gegenüber; sie wollten sich
nicht in die örtliche Gemeinde einfügen und bestanden auf ihrer alten Kirchenverfassung, nach der die Leitung der Gemeinde
nicht von einem Pfarrer, sondern von Ältesten
wahrgenommen wird.
Fünf Jahre nach der Gründung des Ortes Herrnhut
war die Siedlung auf 220 Personen angewachsen, 87 von ihnen waren Kinder. Dabei stellten die Glaubensflüchtlinge aus
Böhmen und
Mähren zwar noch die Mehrheit, aber
inzwischen waren Männer und Frauen aus anderen Gegenden und Glaubensrichtungen nach Herrnhut gezogen. Es fehlte eine
Persönlichkeit, die die Gemeinde zusammenhalten konnte. Zinzendorf
wohnte fernab in Dresden. Streitpunkt war unter
anderem die Frage nach der rechten Taufpraxis; eine starke Gruppe unter Führung von Christian David stellte die Kindertaufe
in Frage. Auch andere, unterschiedliche theologische Standpunkte, geprägt durch reformierte und lutherische Auffassungen,
spielten eine Rolle. Im Frühjahr 1727 hatte sich der Streit so zugespitzt, dass Zinzendorf sich entschloss, selbst nach
Herrnhut zu kommen; der Konflikt konnte schließlich beigelegt werden konnte. Das Amt der Laien wurde stärker betont, und
Christian David wurde zu einem der zwölf Ältesten der Gemeinde Herrnhut gewählt. In einer gottedienstlichen Versammlung
fiel die Entscheidung, dass die Gemeinde in der lutherischen Landeskirche blieb - worauf Zinzendorf großen Wert legte, gab
sich aber eine eigene Selbstverwaltung mit eigenen Ämtern. Im August 1727 fand die denkwürdige Abendmahlsfeier statt, die
sich aufgrund der monatelangen Vorgeschichte und des stark emotionalen Erlebens unauslöschlich in das Gedächtnis der
Teilnehmenden eingeprägt hat; im Tagebuch der Herrnhuter Gemeinde wurde festgehalten: Wir lernten einander lieben
.
Die geistlichen Grundlagen für die Zukunft der Herrnhuter Brüdergemeine waren gelegt.
Im selben Jahr entstand in Herrnhut neben
dem Schulheim ein Waisenhaus für die Herrnhuter Kinder, wobei August
Hermann Franckes Anstalten das Vorbild waren, weitere diakonische Anstalten folgten. Herrhut wurde zu einem Zentrum
des Pietismus: waren es 1727 noch 300 Einwohner, lebten 1736 schon 700 Menschen
dort. Im Jahr 1728 gab es erstmals die Losungen
: aus einer Sammlung von Bibelziaten jeweils ausgeloste Verse, die
als Tagesparolen dienten. Ab 1731 wurden die Losungen jeweils für ein Jahr im Voraus gezogen und gedruckt - bis heute
finden sie weltweite Verbreitung - auch im Ökumenischen Heiligenlexikon stehen Ihnen die
Losungen für jeden Tag zur Verfügung.
Mit der Zeit stellte man sich zur Aufgabe, eine Diasporaarbeit
aufzubauen: sie sollte ein belebender Hilfsdienst in
den großen Kirchen sein; man wollte den Gemeinden helfen, nicht für die Brüdergemeine werben, an eine eigene Brüderkirche
war nicht gedacht. Zinzendorf unternahm Erweckungsreisen in
Deutschland, Holland, in die baltischen Länder und nach Russland, nach Amerika und auf die westindischen Inseln; schließlich
nach London, wo er großen Einfluss ausübte auf den
Begründer der methodistischen Freikirche John Wesley. 1735 wurde David Nitschmann
zum ersten Bischof der Brüder gewählt, 1737 wurde Zinzendorf selbst Bischof, damit war nun doch der Weg und die Struktur zur
Bildung einer Freikirche gegeben.
Heute ist die Herrnhuter Brüdergemeine eine kleine Freikirche mit weltweiter Ausstrahlung, in 30 Ländern auf allen
Kontinenten vertreten mit 762.000 Mitgliedern, davon in Folge der Missionsarbeit 480.000 in Afrika und 30.000 Mitglieder
in Europa; bis heute gehören viele Mitglieder zugleich auch der evangelischen Kirche an. Die deutsche Brüder-Unität ist der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angegliedert; sie hat kein besonderes, eigenes Bekenntnis, aber sie legt großen
Wert auf das Gemeindeleben. Ihre Zentrale ist in Bad
Boll und seit der Wende in der DDR auch wieder in
Herrnhut. Die Herrnhuter
unterhalten Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Altenheime, denn diakonische Arbeit ist weiterhin ebenso wie die
weltweite Missionsarbeit ein Markenzeichen
.
Die Homepage der Evangelischen Brüder-Unität informiert über die Arbeit und die Strukturen der Freikirche. Umfangreiche Informationen hält eine der ältesten Gemeinden, die Evangelische Brüdergemeine Neudietendorf, auf ihrer lesenswerten Homepage bereit.
Der Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine in Herrnhut ist montags bis freitags von 10 Uhr bis 16 Uhr, samstags von 14 Uhr bis 16 Uhr und sonntags von 9 Uhr bis 16 Uhr geöffnet. (2023)
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 22.09.2023
Quellen:
•
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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