Ökumenisches Heiligenlexikon

aus dem Lateinischen von Richard Benz Hinweise zur Legenda Aurea

Von Sanct Agatha


Agatha kommt von agios, das ist heilig, und theos, das ist Gott, und ist soviel wie: Heilige Gottes. Es sind aber drei Dinge, als Chrysostomos spricht, die einen Heiligen machen, und die waren vollkommenlich in ihr: Reinheit des Herzens, Gegenwart des heiligen Geistes, aller guten Werke Überfluß. Oder Agatha kommt von a, das heißt ohne, und geos, Erde, und theus, Gott: eine Göttin ohne Erde, das ist ohne Liebe zum Irdischen. Oder es kommt von aga, sprechend, und thau, Vollendung: eine, die vollendet und vollkommen spricht; welches wir an den Antworten sehen, die sie gegeben hat. Oder es kommt von agat, das ist Knechtschaft, und thaos, oben: obere Knechtschaft; so heißt sie weil sie sprach "Die höchste Freiheit ist die Knechtschaft Gottes". Odier es kommt von aga, feierlich; und thau, Vollendung: die feierlich Vollendete, das ist: Bestattete; denn die Engel haben sie begraben.


Agatha die Jungfrau war edel von Geschlecht und schön von Angesicht und wohnte in der Stadt Catania; und ehrte Gott in großer Heiligkeit. Aber Quintianus der Landpfleger von Sicilien war unedel von Geburt, wollüstig, habgierig und ein Heide; der wollte die edle Magd in seine Gunst zwingen: ihr Adel sollte seinen geringen Stand erhöhen, ihre Schönheit sollte seiner Wollust dienen, ihre Schätze wollte er rauben um seiner Habgier willen; und da er ein Götzenanbeter war, wollte er sie zu der Götter Opfer zwingen. Er ließ sie vor sich führen, und da er ihren Willen unwandelbar sah, übergab er sie einer Kupplerin, Aphrodisia mit Namen, und ihren neun Töchtern, die alle in Sünde lebten. Die suchten dreißig Tage lang ihren Willen zu verkehren und wollten sie bald mit süßen Worten bald mit Drohungen von ihrem guten Vorsatz bringen; sie aber sprach "Mein Mut ist auf einen starken Fels gegründet und in Christo gefestet: eure Worte sind mir wie ein Wind, eure Versprechungen sind wie ein Regen, euer Drohen wie ein hinfließend Wasser; und wieviel ich angefochten werde, so mag ich doch nicht fallen, denn der Grund meines Hauses steht gar fest". Mit diesen Worten antwortete sie ihnen alle Tage, und weinte und betete, und sehnte sich nach der Märtyrer Palme. Da nun Aphrodisia sah, daß die Magd in ihrem Vorsatz beharrte, sprach sie zu Quintiano "Viel leichter möchtest du Steine erweichen und Eisen so weich wie Blei machen, als diese Jungfrau von Christo brigen". Da ließ Qumtianus sie vor sich führen und sprach zu ihr "Wes Geschlechtes bist du?" Sie antwortete "Ich bin nicht allein frei geboren, sondern von edlem Geschlecht, wie alle meine Verwandtschaft bezeuget". Sprach Quintianus "Wenn du frei und edel bist, warum hältst du dich dann nach Knechtssitten?" Sie antwortete "Weil ich eine Magd Christi bin, darum bin ich von Knechtssitten". Sprach Quintianus "Wie willst du eine Magd sein, so du frei bist?" Sie antwortete "Die höchste Freiheit erzeigt sich in der Knechtschaft Christi". Sprach Quintianus "Wähle zwischen zwei Dingen: opfere den Göttern, oder du mußt mannigerhand Marter leiden". Sprach Sanct Agatha "Möge dein Weib sein wie deine Göttin Venus und du selbst wie dein Gott Jupiter". Da ließ Quintianus ihr Backenstreiche geben und sprach "Du sollst deinen Richter nicht schelten und mit frechem Geschwätz mühen". Agatha antwortete "Ich wundere mich, wie du als ein weiser Mann in solche Torheit magst fallen, daß du die Götter nennest, welcher Leben weder du noch dein Weib möchtest führen; also daß du sprichst, daß ich dich schelte, so ich dich ihnen gleiche. Sind deine Götter gut, so habe ich dir Gutes gewünscht; wenn du aber ihre Gemeinschaft verfluchst, so sind wir eines Sinnes. Sprach Quintianus "Was soll der ungestüme Fluß deiner Rede? Opfre den Göttern oder ich töte dich mit schwerer Pein". Antwortete Agatha "Lässest du wilde Tiere auf mich: so werden sie zahm, wenn sie den Namen Christi hören; drohest du mir Feuer: so werden die Engel mir helfen mit himmlischem Tau; willst du mich schlagen und mir andre Marter tun: des heiligen Geistes Macht läßt mich das alles für nichts achten". Da gebot er, daß man sie ins Gefängnis führe, denn sie machte ihn mit ihren Reden vor dem Volke zum Spott. Aber sie ging fröhlich in den Kerker, als sei sie zu einem Mahle geladen, und empfahl ihren Streit Gott dem Herrn. Des anderen Tages sprach zu ihr der Richter "Schwöre Christum ab und bete die Götter an". Das wollte sie nicht tun; da ließ er sie aufhängen in der Folter und martern. Sprach Agatha "Ich hab in dieser Pein so große Wollust und Freude, als einer, der eine gute Botschaft hört; oder als einer, der einen Freund erschaut, den er lange hat ersehnt; oder als einer, der einen großen Schatz hat gefunden. Denn der Weizen kann nicht in die Scheuer kommen, wenn die Hülse nicht kräftig gewalkt ist und zu Spreu ist worden: also kann meine Seele nicht ins Paradies eingehen mit der Marterpalme, wenn du meinen Leib nicht recht von den Henkern lassest zernichten". Da ward Quintianus zornig und hieß ihr die Brüste peinigen und nach langer Pein abschneiden. Sprach Sanct Agatha "Du greulicher, gottloser Wüterich, schämst du dich nicht, daß du an einem Weibe lassest abschneiden, was du selber an deiner Mutter gesogen hast? Aber wisse, daß ich noch ganze Brüste habe in meiner Seele, daraus ich alle meine Sinne speise, die ich von Jugend auf Gott habe geweiht". Da hieß er sie wieder in den Kerker führen, und gebot, daß kein Arzt zu ihr dürfe eingehen, noch dürfe ihr jemand Wasser reichen oder Brot. Aber siehe, um Mitternacht kam zu ihr ein alter Mann, der war beladen mit mannigerhand Arznei, dem trug ein Kindlein ein Licht vor. Und der Greis sprach zu ihr "Der Richter hat dir schwere Marter angetan, aber du hast ihn noch mehr gepeinigt mit deinen Antworten. Er hat dir die Brüste lassen abschneiden, doch sein Brüsten soll auch in Bitterkeit verkehrt werden. Aber ich war dabei, wie du littest, und sah, daß deine Brüste mögen geheilt werden". Antwortete Sanct Agatha "Ich brauchte nie leiblicher Heilmittel, und es wäre ein Schimpf, zu lassen, was man so lange hat gehalten". Sprach zu ihr der Greis "Tochter, du sollst dich nicht vor mir schämen, denn ich bin ein Christ". Antwortete Agatha "Warum sollte ich mich schämen, da du ein Greis bist und hochbejahrt, und ich so gar zerzerret bin und übel gehandelt an meinem Leib, daß niemand Lust daran möchte gewinnen. Doch danke ich dir, mein Vater, daß du zu mir gekommen bist und deine Sorge zu mir hast gewendet." Sprach der Alte "Warum willst du nicht, daß ich dich gesund mache?" Sie antwortete "Ich habe meinen Herrn Jesum Christum, der alle Kreaturen mit einem Worte gesund machet und mit seiner Rede alles erneuet: will der, so mag er mich zustund gesund machen". Da lächelte der Greis und sprach "Ich bin deines Herrn Apostel, er hat mich selber zu dir gesandt; davon so wisse, daß du in seinem Namen bist gesund worden". Damit war Sanct Peter verschwunden. Da fiel Sanct Agatha nieder und dankte unserm Herrn; und empfand sich gesund allenthalben, und stunden die Brüste wieder an ihrem Leib. Nun waren die Wächter'geflohen, da sie das helle Licht sahen, und hatten die Tür des Kerkers offen gelassen; da kamen etliche und baten sie, daß sie entfliehe. "Das sei ferne" sprach sie, "daß ich fliehe und die Krone meines Leidens verliere, und meine Wächter bringe in Not und Pein". Darnach über vier Tage sprach zu ihr Quintianus, sie solle den Abgöttern opfern, oder sie müßte noch größere Pein leiden. Agatha antwortete "Deine Worte sind eitel und ohne Sinn, sie verpesten die Luft und sind böse. Du armer Mensch an Sinnen und Gedanken, heißest du mich den Herrn des Himmels verleugnen, der mich geheilt hat, und willst, daß ich tote Steine anbete ?" Sprach Quintianus "Wer hat dich geheilet?" Sie antwortete "Christus, Gottes Sohn". Sprach Quintianus "Nennest du mir den, des Namen ich nicht will hören?" Agatha sprach "So lange ich das Leben habe, will ich Christum mit Herzen und mit Lippen preisen". Da sprach der Richter "Nun will ich besehen, ob dich Christus möge gesund machen". Und ließ glühende Kohlen bereiten und darauf spitze Scherben werfen, und hieß die Jungfrau bloßen Leibes darauf wälzen. Als sie das taten, siehe, da geschah ein großes Erdbeben, das erschütterte die Stadt also, daß ein Teil niederfiel und zwei Ratsherren des Quintianus erschlug. Da lief das Volk zu Hauf und schrie vor dem Richter, dies Leiden komme über sie um der unschuldigen Pein willen, die er Sanct Agatha antäte. Da fürchtete Quintianus das Erdbeben und den Aufstand des Volkes und ließ Agatha wieder ins Gefängnis führen. Da kniete sie nieder und betete "HerrJesu Christe, du hast mich erschaffen und mich von Kind auf behütet, du hast meinen Leib in Reinigkeit behalten und hast die Liebe zur Welt von mir genommen, du hast mir Kraft und Geduld gegeben, daß ich alle Marter hab überwunden: so nimm nun meinen Geist auf und laß mich zu deiner Barmherzigkeit eingehen" Nach diesem Gebet gab sie ihren Geist gen Himmel mit lautem Rufen. Das geschah nach der Geburt unsres Herrn um das Jahr 253, da Decius Kaiser war.

Als aber die Christen ihren Leib mit Wohlgerüchen begruben und ihn in die Gruft legten, siehe da kam ein Jüngling in seidenem Gewand mit mehr denn hundert schönen, wohlgezierten Männern in weißen Kleidern, die man noch niemals daselbst hatte gesehen; der ging zu dem Leichnam und setzte eine Marmortafel zu seinen Häupten, und war alsbald verschwunden. Auf der Tafel aber stund geschrieben "Heilig der Geist und willig, Gott die Ehre, Rettung dem Land". Das will sagen: Sie war heilig im Geist, willig bot sie sich zur Marter, Gott gab sie die Ehre, und errettete ihr Land. Von diesem großen Zeichen huben auch die Heiden und die Juden an das Grab zu ehren mit großer Andacht.

Unter diesen Dingen fuhr Quintianus hin, daß er das Gut an sich nehme, das Sanct Agatha hinter sich hatte gelassen. Da geschah es, daß auf der Fahrt seine beiden Rosse wild wurden; das eine biß ihn, das andre schlug ihn mit dem Huf, daß er in den Fluß fiel; und ward sein Leichnam nimmermehr gefunden.

Darnach über ein Jahr, an dem Tag, da Sanct Agatha geboren ist, geschah es, daß ein großer Berg nahe der Stadt mit Feuer ausbrach, und das Feuer kam wie ein Gießbach den Berg herab, schmolz Stein und Erde, und kam mit großem Ungestüm wider die Stadt. Da liefen die Heiden von dem Berg und flohen zu Sanct Agathen Grab, und nahmen den Schleier, damit das Grab bedeckt ist und trugen ihn wider das Feuer. Da stund das Feuer, und ging nicht weiter. Das war an dem Tag von Sanct Agathen Geburt.

Ambrosius spricht von ihr in seiner Praefatio "Selige, hochberühmte Jungfrau, die da zum Lob des Herrn ihr Blut durfte ausgießen, du bist mit doppelter Zier geschmückt, in deinen Leiden geschahen alle Wunder, und der Apostel des Herrn kam und heilte dich. Also wardst du Christo vermählt gen Himmel genommen; deinen irdischen Überresten ward hohe Ehre zuteil, der Engel Chor verkündete die Heiligkeit deiner Seele und deines Landes Befreiung".




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Aus: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz, 13. Aufl. Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 1999 - zuletzt aktualisiert am 09.09.2016
korrekt zitieren:
Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Artikel
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