Antonius der Große
im Leben der Väter
Im Leben der Väter oder: Lehren und Thaten der vorzüglichsten Heiligen
von Heribert Rosweyde, deutsch bearbeitet
von Michael Sintzel, 2. Band. Karl Kollmann, Auugsburg 1847 finden sich verschiedene Passagen über Antonius:
Leben des heil. Abtes Pachomius
128. Der selige Antonius sagte oft: „Wenn nicht der Müller die Augen bedecken würde, so würde er, indem er seinen Lohn
nimmt, ihn zugleich auch verzehren. So erhalten auch wir durch Gottes Güte eine Decke, damit wir unsere guten Werke nicht
zu schauen vermögen, und damit wir so nicht selber uns selig preisen, nicht selber uns er heben, und auf diese Art unsern
Lohn verlieren. Deßwegen müssen wir Vorsehung thun, daß, wenn wir zuweilen in schmutzigen Gedanken zurückgelassen werden.
wir uns und unsere Gesinnung verdammen, damit nicht das, was an uns schmuzig ist, das geringe gute Werk an uns verdunkle.
Denn der Mensch ist niemals gut, und wenn er auch gut zu seyn verlangt, außer Gott wohnt in ihm, weil Niemand gut ist, als
Gott allein. Wir müssen also in Wahrheit stets ung selber anklagen. Wenn Jemand sich selber anklagt, so verliert er nicht
den Lohn.”
129. Der nämliche selige Antonius erzählte, er habe alle Stricke des Feindes gesehen, wie sie über den Erdboden ausgebreitet seien. Da habe er nun seufzend ausgerufen: „Wer kann diesen Fallstricken entgehen?” Und jezt hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: „Die Demuth allein, Antonius! kann hier entgehen, sie, die die Stolzen auf keine Weise erreichen können.”
130. Auf gleiche Weise hörte einst der selige Antonius, als er in seiner Zelle betete, eine Stimme, die zu ihm sprach: „Antonius! du hast noch nicht die Vollkommenheit des Gerbers zu Alexandria erreicht." Auf dieses hin erhob sich der Greis am frühen Morgen, nahm seinen Stab, und begab sich eilend nach Alexandria. Als er bei dem ihm bezeichneten Gerber angekommen war, staunte dieser, da er den großen Mann sah. Der Greis aber sprach zu ihm: „Erzähle mir deine Werke; denn deßwegen habe ich die Wüste verlassen, und bin hieher zu dir gekommen.” Jener antwortete: „Ich weiß nicht , daß ich je irgend etwas Gutes gethan habe. Deßwegen, wenn ich des Morgens von meinem Lager aufstehe, spreche ich, ehe ich an mein Tagwerk gehe, bei mir selber, wie doch die ganze Stadt vom Kleinsten bis zum Größten in's Reich Gottes eingehen werde wegen der Gerechtigkeit, die sie ausüben; wie aber ich allein um meiner Sünden willen eingehen werde in die ewige Strafe. Das nämliche Wort wiederhole ich auch am Abende, ehe ich mich zur Ruhe lege, aus aufrichtiger Gesinnung meines Herzens.” Als dieses der heilige Antonius gehört hatte, da sprach er: „Wahrlich, mein Sohn! wie ein guter Goldschmied hast du, ruhig in deinem Hause sitzend, des Reiches Gottes dich bemächtigt; ich aber, der ich ohne Unterschied alle meine Zeit in der Wüste zugebracht habe, habe noch nicht die Vollendung deines Wortes erreichen können.”
138. Ein Bruder ließ im Kloster eine Uebertretung sich zu Schulden kommen, und als er von seinen Mitbrüdern deßwegen geschmäht wurde, reiste er hin zum Abte Antonius. Die Brüder folgten ihm nach, um ihn zurückzuführen, und fingen abermal an seine Schuld ihm zu verweisen. Dieser aber widersprach die ganze Schuld. Daselbst trafen sie auch den Abt Paphnutius, der auch Kephalas genannt wurde, und dieser trug in der Versammlung der Brüder die noch nie erhörte Parabel vor: „Ich sah, so sprach er, am Ufer eines Flußes einen Menschen, der bis an die Kniee im Schlamme versunken war. Einige kamen heran, um ihn mit ausgestrecktem Arme herauszuziehen, allein diese stießen ihn hinein bis an den Hals.” Da sprach der selige Antonius von dem seligen Paphnutius: „Seht, dieser ist ein Mensch, der in Wahrheit Seelen erretten kann.” Durch diese Rede wurden die Brüder zerknirscht, thaten Buße, und führten den, der entwichen war, in's Kloster wieder zurück.
176. Der selige Antonius sprach: Wenn es möglich ist, so muß ein Mönch den Altvätern erklären, wie viele Schritte er macht, oder wie viele Becher Wassers er in seiner Zelle trinkt, damit er auch darin nicht auf Abwege gerathe.
Viele Mönche kommen ihres Trostes wegen zum hl. Antonius
Auf eine Zeit kamen sehr viele Altväter zum hl. Antonius, welcher sich in der
Thebais aufhielt, um sich wegen ihrer
Vollkommenheit zu befragen und mit ihm zu unterreden. Indem sich ihr Gespräch vom Abende bis zum Morgen verlängert hatte,
nahm die Frage von der Bedachtsamkeit [Discretio (Unterscheidungsgabe, Vorsicht, Behutsamkeit, Bescheidenheit)] den
größten Theil der Nacht in Anspruch. Es erhob sich nämlich lange unter ihnen die Frage, welche Tugend oder Uebung den Mönch
unversehrt vor den Fallstricken des Teufels bewahren könne, oder zuverlässig auf dem rechten Wege und mit sicherem Schritte
Gott zuführe? Nachdem Jeder nach seiner Fassungskraft seine Meinung vorgebracht hatte, und Einige dieses im Eifer des
Fastens und Wachens feststellten, Andere aber in der Entblößung und Verachtung aller Dinge, wieder Andere ein
abgesondertes Leben und die Verborgenheit in der Wüste nannten; Einige aber vor allem die Beobachtung der Liebe, das heißt,
die Werke der Menschenfreundlichkeit bestimmten, welche in der freundlichen Aufnahme der Brüder und Fremden bestehen, kurz,
als sie auf solche Weise in frommem Wetteifer stritten, und die meiste Zeit der Nacht vergangen war; antwortete endlich der
hl. Antonius Allen und sprach: Alles dasjenige, was ihr gesagt habt, ist zwar denen, die nach dem Herrn dürsten, nothwendig
und nützlich; allein diesen Dingen die hauptsächlichste Gnade zuzuschreiben, gestatten uns nicht unzählige Fälle und
Erfahrungen von vielen Brüdern. Denn oft haben wir Brüder gesehen, welche diese Tugenden beobachteten, allein durch ein
plötzliches Ereigniß gefallen find, weil sie in ihrem guten Unternehmen keineswegs die Bedachtsamkeit besaßen.
Denn man findet keine andere Ursache ihres Falles auf, als daß sie, von den Altvätern nicht genug unterrichtet, durchaus
die Weise der Bedachtsamkeit nicht erlangen konnten, welche die Mönche lehrt, immer den königlichen Weg zu wandeln, und sie
weder durch zu große Enthaltsamkeit das rechte Maaß überschreiten, noch auf Abwege der Laster gerathen läßt. In Allem also,
was wir unternehmen, ist die Bedachtsamkeit voranzusetzen. Denn es ist eine unläugbare Sache, daß ohne die Gnade der
Bedachtsamkeit keine Tugend bestehen oder vollkommen werden könne. Auf diese Worte des Antonius wurde der Ausspruch Aller
beschlossen, die Bedachtsamkeit sei es, welche den Mönch sicher und mit festem Schritte zu Gott führe, und die vorgenannten
Tugenden unverlegt erhalte; denn die Bedachtsamkeit ist die Mutter, Wächterin und Lenkerin aller Tugenden.
Von zwei Philosophen, welche zum hl. Antonius kamen
Einstmals kamen zwei Philosophen, welche den Ruf des heiligen Antonius gehört hatten, zu ihm, um ihn zu besuchen.
Nach einigen gestellten Fragen und Gesprächen kehrten sie bald wieder zurück, und verachteten den hl. Antonius als einen
unerfahrenen und ungelehrten Mann. Da sie ihm sonst keinen Schaden zufügen konnten, wollten sie ihn wenigstens durch
magische Künste und teuflische List aus seiner Zelle vertreiben, und sendeten ihm daher die nichtswürdigsten Geister zur
Anfechtung, aus Neid und Geifer, weil täglich viele Menschen zu ihm, als einem Diener Gottes, kamen. Da aber diese bösen
Geister dem heiligen Manne, welcher sich bald mit dem Zeichen des Kreuzes auf Stirne und Bruſt bezeichnete, bald demüthig
dem Gebete oblag, sich nicht zu nähern wagten, kehrten sie unverrichteter Dinge zu denen, welche sie abgesendet hatten,
zurück. Hierauf schickten diese Andere, noch Mächtigere; und als auch diese wieder nach unnütz verschwendeten Anstrengungen
zurück kamen, sendeten sie nichts desto weniger noch einmal noch mächtigere und heftigere Teufel gegen den tapfern Streiter
Christi ab, welche aber ebenfalls gegen den männlichen Widerstand des
heiligen Antonius nichts ausrichten konnten. Es vermochten also alle ihre großen und vielen Nachstellungen und ausgesuchten
Zauberskünste nichts, als daß sie augenscheinlich erprobten, welch große Kraft in dem christlichen Glaubensbekenntnisse
liege, durch welches alle so heftigen Schatten dem heiligen Antonius nicht nur nichts schaden, sondern ihn sogar nicht
einmal aus seiner Wohnung zu vertreiben vermochten. Vor Verwunderung staunend kamen daher die Philosophen eilig zum
heiligen Antonius, offenbarten ihm die Größe ihrer Angriffe und die Ursachen ihres Zornes und ihrer Nachstellungen, und
verlangten alsbald Christen zu werden. Als Antonius sie hierauf um den Tag befragt, an welchen sie ihre Angriffe auf ihn
geführt hätten, und sie ihm denselben angaben, bekannte er, daß er damals von den bittersten Stacheln der bösen Gedanken
wäre gepeinigt worden. Von demselben heiligen Antonius ist auch bekannt, daß er bissweilen so im Gebete vertieft war, daß
er in der Verzückung des Geistes betend beim Aufgange der Sonne gerufen habe: „Was hinderst du mich, o Sonne, die du nur
deßhalb aufgehest, um mich von der Klarheit des wahren Lichts abzuziehen!”
Von dem Fortschritte der Väter
1. Es fragte einst Jemand den Abt Antonius: was soll ich beobachten, um Gott zu gefallen? der Altvater antwortete:
Befolge, was ich dir auftrage. Wohin du immer gehst, habe Gott vor Augen, und in Allem, was du thust, nimm dir ein Beispiel
aus der heiligen Schrift, und wo du dich festgesezt hast, da entferne dich nicht voreilig. In der Beobachtung dieser drei
Stücke wirst du selig werden.
2. Abt Pambo fragte den hl. Antonius: was soll ich thun? der Altvater gab ihm
zur Antwort: Vertraue nicht zu sehr auf deine Gerechtigkeit, bereue nicht, was bereits geschehen ist, und halte Zunge und
Bauch im Zaume.
Von der Ruhe
1. Abt Antonius sprach: Wie die Fische absterben, wenn sie am Trocknen liegen bleiben; so werden auch die Mönche
ihre Ruhe verlieren, wenn sie außer ihrer Zelle verweilen und sich mit Weltleuten abgeben. Wie also der Fisch im Wasser,
so müssen wir Mönche in unsrer Zelle bleiben, damit wir nicht durch zu langen Aufenthalt außer derselben vergessen, uns
innerlich zu bewahren.
2. Derselbe sagte ein anderes Mal: Wer in der Einsamkeit bleibt und sich ruhig hält, der entgeht einem dreifachen Kampfe,
nämlich dem des Gehöres, der Sprache und des Gesichtes, und hat nur Einen Feind zu besiegen, nämlich sein eigenes Herz.
Von der Enthaltsamkeit
Einige Brüder von Scythi, welche den Abt
Antonius besuchen wollten, bestiegen ein Schiff, um zu ihm zu reisen, und trafen in demselben einen Greis, welcher ebenfalls
zu Antonius wollte. Die Brüder aber kannten ihn nicht. Während der Reise sprachen sie von den Reden der Väter, von der hl.
Schrift und von ihren Handarbeiten. Der Greis aber schwieg zu Allem stille. Als sie in den Hafen einliefen, wurden sie erst
gewahr, daß dieser Greis ebenfalls zu dem Abte Antonius zu gehen beabsichtige. Nachdem sie zu dem hl. Antonius gekommen waren,
sagte dieser zu den Brüdern: Ihr habt an diesem Greise einen guten Reisegefährten gefunden. Zu dem Greise aber sprach er:
Du hast an diesen Brüdern eine gute Gesellschaft gehabt. Der Greis antwortete: Allerdings sind sie gut; doch ihr Haus hat
keine Thüre. Es kann Jeder, der da will, in den Stall hineingehen, und ihren Esel losbinden. Dieß sagte er aber deßhalb,
weil sie alle Gedanken, die in ihren Herzen aufstiegen, mit dem Munde ausplauderten.
Von der Unkeuschheit
1. Abt Antonius sagte: Ich bin der Meinung, der Körper habe eine natürliche Bewegung in sich, welche wider den Willen
des Geistes keine Wirkung hat, sondern nur eine Bewegung ohne Empfindung ist. Es gibt aber noch eine andere Bewegung an ihm,
welche durch Speise und Trank genährt und gehegt wird, und durch die das Blut zur Thätigkeit erhitzt wird. Darum sagt der
Apostel: Berauschet euch nicht im Weine, in welchem Unzucht ist [Ephes. 5, 18]. Und wieder befiehlt der
Herr im Evangelium seinen Jüngern: Hütet euch, daß eure Herzen nicht
belastet werden mit Völlerei und Trunkenheit [Luc 21, 34]. Endlich haben noch eine andere Bewegung diejenigen, welche da
streiten im geistlichen Leben, und die von der Arglist und Mißgunst des Teufels herrührt. Daraus lernen wir eine dreifache
körperliche Bewegung kennen, nämlich eine natürliche, dann eine aus dem Uebermaße der Speisen, und endlich eine vom Teufel
kommende.
Daß ein Mönch kein Eigenthum besigen soll
1. Ein gewisser Bruder, welcher der Welt entsagte, und sein Vermögen den Armen gab, allein etwas Weniges für sich
zurückbehielt, kam zum Abte Antonius. Als der Altvater solches erfuhr, sagte er zu dem Bruder: Wenn du ein Mönch werden
willst, so geh_in's nächste Dorf hin, kaufe dir Fleisch und lege es auf deinen bloßen Leib, dann komm so wieder hieher. Als
der Bruder dieß gethan hatte, zerfleischten die Vögel und Hunde seinen Leib. Der Altvater fragte ihn aber nach seiner
Zurückkunft, ob er gethan, was er ihm befohlen habe. Da zeigte der Bruder seinen zerfleischten Leib; der heilige Antonuis
aber sagte: Sieh', auf gleiche Weise werden auch Diejenigen, welche der Welt entsagen und doch noch Geld besizen wollen,
von den Teufeln angegriffen und zerrissen.
Von der Geduld und Starkmüthigkeit
1. Der heilige Abt Antonius verfiel einst während seines Aufenthaltes in der Wüste in solche Gemüthsverstimmung und
unruhige Gedanken, daß er zum Herrn flehte: Herr! ich möchte gerne selig
werden, und meine Gedanken lassen es nicht zu; was soll ich also in dieser Trübsal zu meinem Heile beginnen? Hierauf sann
er nach und ging in's Freie hinaus. Da sah er eine Gestalt, wie sie selbst sizen und arbeiten, hernach aber aufstehen von
der Arbeit und beten, dann wieder niedersitzen und Palmen flechten, endlich aber wieder beten. Es war aber dieß ein
Engel, der zu seiner Zurechtweisung abgesandt worden, und ihn belehren sollte. Zugleich
hörte Antonius eine Stimme, welche sprach: So mache es, dann wirst du selig werden. Auf diese Einsprache fühlte er große
Freude und Zuversicht, und er that also, und fand das Heil, das er begehrte.
Daß man Nichts aus Ruhmsucht thun foll
1. Einst hörte Abt Antonius von einem jungen Mönche, er hätte folgendes Wunderzeichen am Wege gewirkt. Wenn er nämlich
einige Altväter auf der Reise oder sonst von der Arbeit ermüdet kommen sah, befahl er seinen Eseln, fie sollten hingehen
und sie tragen, bis sie zu ihm gekommen wären. Diese Altväter aber erzählten dieß dem Abte Antonius, welcher hierauf sagte:
Jener Mönch scheint mir einem Schiffe zu gleichen, welches mit allen Gütern beladen ist, aber wohl schwerlich in den Hafen
einlaufen wird. Nach einiger Zeit fing der heilige Antonius an zu weinen, die Haare sich auszuraufen und zu klagen. Als
seine Schüler solches sahen, fragten sie ihn: Warum weinst du, Vater? Der Greis antwortete ihnen: So eben ist eine große
Säule der Kirche gefallen. Er sagte dieses aber von jenem jungen Mönche, und setzte hinzu: Gehet hin zu ihm und sehet,
was geschehen ist. Seine Schüler gingen hin und fanden den Mönch auf seiner Matte sizen, wie er seine begangenen Sünden
beweinte. Da er aber die Schüler des Altvaters erblickte, sprach er zu ihnen: Sagt dem Altvater, er wolle Gott beschwören,
mir wenigst noch eine Frist von zehn Tagen zu bewilligen, ich hoffe dann für meine Sünde Genugthuung zu leisten. Innerhalb
fünf Tagen aber starb er
2. Ein gewisser Bruder wurde von den Mönchen in Gegenwart des Abtes Antonius gelobt; dieser aber ging zu ihm hin,
stellte ihn auf die Probe, ob er eine Beleidigung ertragen könne, und als er sich vom Gegentheile überzeugt hatte, sprach
er: Du gleichst einem Hause, das an der Vorderseite zwar schön verziert ist, rückwärts aber von den Räubern ausgeplündert
wurde.
Von der Bescheidenheit [Discretio]
1. Abt Antonius sprach: Einige reiben ihren Leib durch Enthaltsamkeit auf; allein weil sie die Bescheidenheit nicht
besitzen, sind sie weit von Gott entfernt.
2. Einst kamen etliche Brüder zu dem Abte Antonius, um ihm die Gebilde ihrer Phantasie, welche sie gesehen hatten, zu
berichten und zu erkennen, ob selbe in der Wahrheit gegründet seien, oder ob sie nur vom Teufel getäuscht würden. Sie
führten auch einen Esel mit sich, der ihnen unterwegs starb. Als sie zu dem Altvater gelangten , kam ihnen dieser zuvor
und fragte sie: Wie ist euer Esel am Wege zu Grunde gegangen? Sie fragten ihn: Woher weißt du dieß, Vater? Er antwortete
ihnen: Die Leufel haben es mir gezeigt. Sie sprachen: Eben deßhalb sind wir zu dir gekommen, dich über die Erscheinungen,
die wir sahen, und die meistens wirklich zutrafen, zu fragen, um nicht darin zu irren. Der Altvater stellte sie durch diese
Antwort zufrieden, indem er ihnen an dem Beispiele des Esels zeigte, solche Dinge kämen vom Teufel.
Es kam auch Jemand in den Wald, um nach wilden Thieren zu jagen, und sah den Abt Antonius, wie er mit seinen Brüdern
sich ergötzte, und dieß mißfiel ihm sehr. Der Altvater aber wollte ihm zeigen, daß man sich bisweilen zu den Brüdern
herablassen müsse, und sprach zu ihm: Lege einen Pfeil auf, und spanne den Bogen. Jener that so. Er sagte: Spanne ihn
nochmal. Auch dieß that er. Als er ihn noch mehr spannen hieß, sprach der Jäger endlich: Wenn ich den Bogen übermäßig spanne,
wird er zerbrechen. Der Altvater antwortete ihm: So ist es auch im Dienste Gottes: wenn wir das Maß zu sehr überschreiten,
werden die Brüder bald entmuthigt; es ist also zweckdienlich, bisweilen von der Strenge nachzulassen. Als der Jäger dieses
hörte, wurde er betroffen und entfernte sich, von den Worten des Altvaters sehr erbaut; aber auch die Brüder kehrten
gestärkt an ihre Arbeit zurück.
3. Ein Bruder sagte zu dem Abte Antonius: Bete für mich. Der Altvater antwortete ihm: Weder ich werde mich deiner
erbarmen, noch auch Gott, wenn du nicht für dich selber sorgest und den Herrn anrufest.
4. Abermals sprach Antonius : Gott läßt in unserem Zeitalter nicht zu, daß sich Kämpfe erheben, weil Er weiß, wie
schwach die Menschen sind, und daß sie selbe nicht ertragen können.
Von der Demuth
1. Als einst Abt Antonius in der Betrachtung der Tiefe der Urtheile Gottes seine eigene Schwäche erkannte, rief er aus:
Herr! wie kömmt es doch, daß Einige nach so kurzer Lebenszeit sterben, während Andere ein so hohes Alter erreichen? Warum
sind Einige so arm, Andere aber mit allen Reichthümern im Uebermaße gesegnet? Warum sind oft die Ungerechten so wohlhabend,
und die Gerechten von der Armuth niedergebeugt? Da erscholl eine Stimme und sprach zu ihm: Antonius, merke du auf dich
selbst; denn dieses sind die Urtheile Gottes, welche zu erforschen dir nicht zuſteht.
2. Abt Antonius sprach zu dem Abte Pastor: Dieses ist das Hauptgeschäft des Menschen, daß ein Jeder seine eigene Schuld
vor Gott auf sich nehme, und bis zum letzten Augenblicke seines Lebens sich gegen die Versuchung bereit halte.
3. Wieder sagte Abt Antonius: Ich habe alle Schlingen und Fallstricke des Teufels auf der Erde ausgespannt, und rief
seufzend aus: Wer kann wohl hier durchkommen? Da hörte ich eine Stimme, welche antwortete: Die Demuth.
4. Einst kamen einige Altväter zu dem Abte Antonius, und mit ihnen auch der Abt Joseph. Antonius , um sie auf die
Probe zu stellen, lenkte das Gespräch auf die heilige Schrift, und fragte einige von den Jüngern um die Bedeutung dieser
oder jener Worte. Jeder antwortete, wie er es vermochte. Er aber sagte zu ihnen: Ihr habt das rechte noch nicht gefunden.
Hierauf fragte er auch den Abt Joseph: Wie erklärst du diese Stelle? Joseph antwortete: Ich weiß es nicht. Da sprach
Antonius: Wahrlich, Abt Joseph allein hat den rechten Weg gefunden, da er bekennt, daß er nichts wisse.
5. Einst saß Abt Antonius in seiner Zelle, und die Teufel standen um ihn her und plagten ihn. Da kamen die Brüder zu
ihm, welche ihm zu dienen pflegten, und hörten, als sie noch außerhalb der Zelle waren, ihn zu Gott rufen und sagen: Herr!
verlaß mich nicht, denn ich habe noch nichts Gutes vor dir gethan! Aber schenk mir, o Herr! vermöge deiner großen Güte die
Gnade, daß ich wenigstens jetzt einmal anfangen kann, gut zu leben!
6. Von eben demselben Altvater wird auch erzählt, daß Niemand schöner und besser gekleidet war, als er, da er noch
am Hofe lebte; so wie er aber sein geistliches Leben angefangen hatte, so bedeckte sich auch Keiner mit einem schlechtern
und ärmern Gewande.
Von der Liebe
1. Abt Antonius sprach: Ich fürchte schon nicht mehr Gott, sondern ich liebe ihn, da die Liebe die Furcht verdrängt hat.
2. Derselbe sagte: Von unserm Nächsten hängt Leben und Tod ab; denn wenn wir unsern Bruder gewinnen, gewinnen wir Gott;
ärgern wir aber unsern Bruder, so sündigen wir gegen Christus.
3. Abt Ammon von Nitrion kam zum Abte Antonius und sagte zu ihm: Ich sehe,
daß ich weit mehr mich plage und erdulde, als du; wie kömmt es also, daß dein Name bei den Menschen weit größer ist, als
der meinige? Abt Antonius antwortete ihm: Weil ich auch Gott mehr liebe, als du.
4. Einst kam Abt Hilarion von Palästina zum Abte Antonius auf
den Berg, da sagte ihm dieser: Sei mir willkommen
Lucifer [Hier in der Bedeutung Morgenstern oder Träger des Lichtes], der du im Morgen aufgehst! Abt Hilarion antwortete
ihm: Der Friede sei mit dir, du Säule des Lichtes, die du den Erdkreis hältst!
Lehren, welche Abt Moyses dem Abte Pömen zusandte
11. Einst sagten etliche Brüder zu dem Abte Antonius: Wir wollen von dir ein Wort hören, das uns zum Heile dient. Der
Altvater antwortete ihnen: Ihr habt die heiligen Schriften lesen gehört, das ist euch genug. Sie sprachen: Wir wollen auch
von dir etwas hören, mein Vater! Er erwiederte ihnen: Ihr habt gehört, daß der Herr
spricht: Wenn dich Jemand auf die rechte Wange schlägt, so reiche ihm auch die linke dar [Matth. 5, 39, Luc. 6, 29]. Sie
antworteten: Das können wir nicht erfüllen. Er aber sagte zu ihnen: Wenn ihr also die andere Wange nicht hinreichen könnet,
so ertraget wenigstens den Schlag auf die eine Wange geduldig. Sie erwiederten: Auch das können wir nicht. Hierauf fuhr
der Altvater fort: Wenn ihr auch das nicht thun könnet, so wollet doch lieber geschlagen werden, als selbſt zuschlagen.
Als sie wieder entgegneten: Auch das ist uns unmöglich, sprach der Altvater zu seinem Schüler: Bereite diesen Brüdern eine
kräftige Brühe, denn sie sind überaus schwach. Dann aber sagte er: Wenn ihr nicht einmal das vermöget, was soll ich mit
euch anfangen? Euch thut nur das Gebet allein noth.
16. Ein Weltweiser fragte den heiligen Antonius: Wie kannst du zufrieden seyn, da dir der Trost der Bücher fehlt?
Jener antwortete: Mein Buch, o Weltweiser! ist die Schöpfung, welche mir jederzeit aufgeschlagen vor Augen liegt, so oft
ich Gottes Wort lesen will.
Von der vollkommenen Geduld
3. Dem Abte Ammon weissagte der selige Antonius: Du hast viel in der Furcht
Gottes zuzunehmen. Dann führte er ihn aus der Zelle heraus, zeigte ihm einen Stein und sprach: Geh hin, beschimpfe diesen
Stein, und höre nicht auf, ihn zu schlagen. Als jener so gethan hatte, fragte ihn Antonius, ob ihm der Stein geantwortet
habe. Ammon verneinte es. Hierauf sprach Antonius: Soweit mußt auch du es bringen, daß du keine Unbild, die dir zugefügt
wird, achtest.
Daß es heilsam sei, wenn wir bisweilen in unreine Gedanken fallen, damit wir uns nicht übernehmen
1. Der heilige Antonius pflegte oft zu sagen: Wenn der Bäcker dem Thiere in der Tretmühle nicht die Augen verhüllte,
würde es bald seinen Gewinn aufgezehrt haben. Ebenso läßt es Gott auch zu, daß wir eine Decke bekommen, auf daß wir das
Gute, das wir thun, nicht erkennen; damit wir uns nicht selber selig preisen und durch unsern Uebermuth unsern Lohn verlieren.
Denn deßhalb ist es nothwendig, wenn wir in unreinen Gedanken befangen sind, daß wir nur darauf sehen, uns und unseren Willen
zu verdammen, und daß das, was in uns unrein ist, unsere wenigen guten Werke verdunkle. Denn niemals ist der Mensch gut,
selbst bei dem besten Willen nicht, wenn Gott nicht in ihm wohnt, da Niemand gut ist, als Gott allein [Luc. 18, 19]. Daher
müssen wir uns immer in Wahrheit anklagen. Denn wer sich nicht selber tadelt, der verliert seinen Lohn.
Vom Krankendienste und der Krankheit
3. Einst kamen die Brüder, welche verschiedene Anliegen hatten, zu dem heiligen Abte Antonius, und unter ihnen ein
gewisser Eulogius, ein alexandrinischer Mönch,
der an der Elephantiasis [Eine Art Aussatz] litt, was sie ausdrücklich erwähnten. Dieser Eulogius war aber ein Gelehrter
und in den weltlichen Wissenschaften wohl erfahren. Er hatte aus Verlangen nach der Unsterblichkeit der Welt entsagt,
und alle seine Güter verschenkt und vertheilt, sich jedoch etwas wenig Geld zurückbehalten, um es für sich zu verwenden,
da er unfähig war, zu arbeiten. Als ihn daher eine gewisse Muthlosigkeit beunruhigte, so daß er weder bei vielen Leuten
im Kloster wohnen, noch auch das einsiedlerische Leben ertragen konnte, fand er einen Menschen auf offener Straffe liegen
und von seiner eigenen bereits erwähnten Krankheit befallen, so daß er weder Hände noch Füße zu haben schien, und nur seine
Zunge allein war von diesen Qualen frei, damit er um so besser die Vorübergehenden um Hilfe anrufen konnte. Als Eulogius
auf ihn zutrat und ihn sah, betete er zu Gott und machte gleichsam folgendes Gelübde: Mein
Herr und Gott, in deinem Namen nehme ich diesen Mann, der an einer so
grenzenlosen Krankheit leidet, auf, damit auch ich um desselben willen möge gesund werden. Stehe mir also bei, o Jesus
Chriſtus, und verleihe mir zu diesem Dienste Geduld. Hierauf redete er den Unglücklichen, der vor ihm lag, also an: Wenn
du willst, mein Bruder, so nehme ich dich in mein Haus auf, und will dir nach allen Kräften beistehen. Und als jener sagte,
er nehme dieses Anerbieten mit Dank und Freude an, ging er hin, einen Esel zu bringen, um den Kranken heimzuführen. Hierauf
lud Eulogius ihn auf und brachte ihn ungessäumt in sein Haus. Fünfzehn Jahre lang diente er ihm hier mit größter Sorgfalt,
und ebensolange nahm auch jener, dem diese Pflege galt, Alles mit Danksagung an, und wurde durch die Behandlung, Arzneien,
Speisen und Bäder des Eulogius geheilt. Nach fünfzehn Jahren aber fing der Kranke, auf teuflische Eingebung und uneingedenk
der vielen Bemühungen und Verdienste des Eulogius an, von ihm wegzuverlangen und ihn mit vielen Beschimpfungen und
Schmähworten zu beleidigen, indem er sagte: Du Landläufer, der du dein eigenes Haus verpraßt und fremdes Gut gestohlen hast,
meinst du durch mich das ewige Heil zu erlangen? Eulogius bat ihn mit größter Nachgiebigkeit: Mein Herr! rede nicht also;
sondern sag vielmehr, was dir nicht recht ist, und ich will es anders machen. Der Aussätzige aber rief ganz wüthend: Geh,
ich will deine schmeichlerischen Worte nicht, wirf mich lieber wieder auf die Straße hinaus, denn ich bedarf deiner Dienste
nicht. Eulogius hingegen sprach: Ich beschwöre dich, laß dich besänftigen, oder sage mir lieber, mein ehrwürdiger Greis,
was dich betrübt hat! Der Aussätzige schrie aber noch wüthender: Ich mag deinen heuchlerischen Hohn nicht länger mehr ertragen,
deine Schmeicheleien und Spöttereien sind mir unausstehlich. Auch behagt mir dieß trockene und sparsame Leben nicht, ich will
Fleisch essen. Als ihm der überaus geduldige Eulogius Fleisch vorsetzte, fing jener neuerdings zu schreien an: Du kannst
meinem Willen nicht Genüge leisten, ich mag nicht länger mit dir wie ein Einsiedler leben; ich will unter die Leute gehen
und Menschen sehen. Eulogius entgegnete: Ich will dir eine Menge von Brüdern hieher führen. Wüthend und fast lästernd sagte
der Kranke: Es ist mir zuwider, dein Gesicht anzuschauen, und du willst mir noch mehrere deines Gleichen, die zu nichts taugen,
als das Brod zu fressen, herbeibringen! Dann schlug er sich selbst mit Fäusten und brüllte voll Unruhe: Ich mag nicht mehr
hier bleiben, auf die Straße hinaus will ich! Gewaltthat! Wirf mich lieber hinaus, wo du mich aufgehoben hast! So groß war
der Wahnsinn des Kranken, und so sehr hatte der Teufel seine Sinne und sein Herz verkehrt, daß er sich wohl gar erdrosselt
hätte, wenn er es im Stande gewesen wäre. Eulogius aber ging zu den benachbarten Mönchen, und sagte: Was fange ich an?
dieser Aussätzige wird mich noch zur Verzweiflung bringen. Als ihn jene um die Ursache fragten, versetzte er: Er behandelt
mich so hart, und ich weiß nicht, was ich thun muß; soll ich ihn etwa verstoßen? Ich habe aber Gott anders versprochen, darum
scheue ich mich, dieß zu thun. Verstoße ich ihn aber nicht, so vermag ich so viele Tage und Nächte seine üble Behandlung
nicht mehr zu ertragen; daher weiß ich nicht, wie dieß enden soll. Hierauf sprachen die Mönche zu ihm: Da jener große Mann
(so nannte man den heiligen Antonius) noch lebt, so geh zu ihm, lade deinen Kranken auf ein Schiff und bringe ihn in das
Kloster, wo du warten kannst, bis jener aus seiner Höhle herauskömmt. Wenn du ihn aber siehst, so klage ihm deine Noth, und
bitte ihn um Rath; und was er dir sagen wird, das thue, denn wenn du seine Ermahnungen befolgst, so darfst du überzeugt seyn,
du befolgest Gottes Befehl. Nach dieser Anweisung der Brüder überredete Eulogius seinen Kranken, und brachte ihn in ein
Schiff am Gestade, und führte ihn nächtlicher Weile zur Wohnung der Schüler des heiligen Antonius. Da geschah es, daß am
andern Tage in den Abendstunden der heilige Antonius (wie mir Cronius erzählte) mit einem Pelzmantel angethan , hieher kam.
Er pflegte aber, wenn er das Kloster der Brüder besuchte, den
Macarius zu rufen und zu fragen: Sind keine Brüder
angekommen? und jener nannte ihm die Angekommenen. Dann fragte jener weiter: Sind sie von Aegypten, oder von
Jerusalem? Dieß hatte er aber als ein Zeichen
verabredet; denn waren die Ankömmlinge nicht würdig, daß er mit ihnen redete, so sagte Macarius, sie seien Aegyptier;
schienen sie aber heilige und geistliche Männer zu seyn, so berichtete er ihm, sie kämen von Jerusalem. Als er daher nach
seiner Gewohnheit fragte, ob jene Brüder von Jerusalem, oder von Aegypten seien, antwortete Macarius, es schienen ihm Leute
von diesen beiden Orten zu seyn. Wenn nun Antonius zu ihm sagte: Unterhalte sie gut und gib ihnen zu essen, mußten die
Fremden nach verrichtetem Gebete wieder fortgehen; hörte er aber, sie kämen aus Jerusalem, so blieb er die ganze Nacht bei
ihnen und redete mit ihnen von dem, was zu ihrem Heile förderlich war. In jener Nacht nun sezte sich Antonius hin und rief
Einen nach dem Andern mit Namen zu sich. Und obwohl ihm noch Niemand gesagt hatte, daß Einer Eulogius hieße, und ungeachtet
der dichten Finsterniß rief er doch denselben dreimal bei seinem Namen. Und als der Gelehrte nicht antwortete, da er meinte,
es nenne sich noch ein Anderer Eulogius, wie er; sprach der Altvater abermals: Ich rufe dich, Eulogius, der du von
Alexandria gekommen bist. Dieser fragte nun, was
er wolle? und Antonius sprach: Warum bist du hieher gekommen? Eulogius antwortete: Dessen Gnade dir meinen Namen geoffenbart
hat, der wird dir ohne Zweifel auch die Ursache meines Hierseyns entdeckt haben. Jener versezte : Allerdings weiß ich, warum
du hier bist; allein erzähle es vor allen Brüdern, damit auch sie es hören. Auf den Befehl des großen heiligen Antonius
erzählte der Diener Gottes Eulogius in Gegenwart Aller: Ich habe jenen Aussätzigen, um den sich Niemand kümmerte, auf der
Straße gefunden, und Gott versprochen, ihm in seiner Krankheit nach meinen Kräften zu dienen, damit ich durch ihn, und er
durch mich sein Heil fände. Nun sind es aber schon fünfzehn Jahre, daß wir beisammen wohnen, wie meiner Meinung nach deiner
Heiligkeit offenbar ist. Und ungeachtet ich ihm die ganze Zeit kein Leid gethan hatte, peinigt er mich doch auf alle Weise,
so daß ich schon den Gedanken faßte, ihn zu verstoßen; doch bin ich deßhalb zu dir gekommen, mein heiliger Vater! daß du
mich deines Rathes würdigen wollest, was ich mit ihm anfangen soll, und daß du mir den Beistand deines Gebetes angedeihen
lassest; denn ich werde von den bösesten Gedanken geplagt und gekreuzigt. Hierauf antwortete Antonius mit ernster und
entrüsteter Stimme: Du willst ihn von dir verstoßen, Eulogius? und doch hat ihn derjenige nicht verworfen der ihn als
sein Geschöpf erkennt? Willst du ihn verwerfen? Wohlan, so wird er einen Besseren finden, als dich; Gott wird Einen
auserwählen, der den Verstoßenen aufnimmt. Als Eulogius erschrocken über diese Rede stille schwieg, wendete Antonius sich
von ihm zu dem Kranken, und fing auch diesen strenge zurechtzuweisen an, indem er mit lauter Stimme zu ihm sprach: Du
Aussätziger voll Unflath und Abscheu, weder der Erde noch des Himmels werth, willst du nicht einmal aufhören, Gott zu
schmähen und zu lästern? Weißt du nicht, daß es Christus ist, der dir dient? Wie wagst du es also, gegen Christus solche
Reden zu führen? Denn um Christi willen hat jener sich diesem Dienste unterzogen. Mit diesen harten Worten ließ er auch
jenen ganz zerknirscht zurück. Hierauf wendete er sich an die anderen Brüder, sprach zu jedem derselben, was nach dessen
Bedürfnissen nöthig war, und kehrte endlich wieder zu Eulogius und dem Kranken zurück; und sagte zu ihnen: Meine Kinder!
keiner von euch verlasse den Andern, sondern kehret Beide in jene Zelle, wo ihr schon so viele Jahre beisammen gelebt habt,
im Frieden zurück, und leget alle Traurigkeit ab. Denn bald wird Gott der Herr nach euch senden; denn diese Versuchung
begegnete euch deßhalb, weil ihr Beide dem Ende eures Lebens nahe seid; doch werdet ihr Beide gekrönt werden. Unternehmet
daher nichts gegen euch, damit nicht etwa der Engel des Herrn, wenn er zu euch kömmt,
euch dort, wo ich sagte, vergeblich suche, und ihr eure Kronen verlieret. Als daher der Friede zwischen ihnen neuerdings
hergestellt war, und sie eiligst in ihre Zelle zurückkehrten, starb in Zeit von vierzig Tagen zuerst Eulogius, und etliche
Tage darnach auch der Kranke mit reiner Seele. Als aber Cronius, der lange Zeit in der
Thebais gelebt hatte, in die alexandrinischen
Klöster hinabkam, geschah es, daß er eben an jenem Tage eintraf, da nach der Aussage der Brüder für den verstorbenen
Eulogius der vierzigste und für den Andern der dritte Tag gehalten wurde. Cronius erstaunte über diese Kunde, und nachdem
er das heilige Evangelium genommen, sich in die Mitte der Brüder gestellt und ihnen Alles der Ordnung nach auseinandergesezt
hatte, sprach er: Ich habe alle diese Reden, die ich anführte, erklärt, da der heilige Antonius der griechischen Sprache
unkundig war; ich aber verstand beide Sprachen, und redete mít jenen griechisch, mit dem heiligen Antonius aber ägyptisch.
4. Derselbe Cronius erzählte uns auch noch, daß ihm der heilige Antonius in der nämlichen Nacht, als er den seligen
Eulogius entließ, gesagt habe: er habe ein ganzes Jahr lang Gott gebeten, es möchten ihm mittels einer Offenbarung die
Stätten der Sünder und der Gerechten gezeigt werden. Da habe er einen alten Riesen gesehen, der bis an die Wolken reichte
und häßlich war, und dessen Hände den Himmel berührten, während zu seinen Füßen sich ein großer See nach Art des Meeres
ausbreitete. Hier sah Antonius die unruhigen Seelen wie Vögel umherflattern; diejenigen aber, welche über seinen Kopf und
die Hände hinaufflogen, wurden erhalten; die sich hingegen unter seinen Händen befanden, versanken in dem See. Zugleich
hörte er eine Stimme, welche sprach: Alle diese Seelen, welche du hier auffliegen siehst, sind Seelen der Gerechten, welche
im Paradiese ruhig wohnen; die andern Seelen aber werden in die Hölle gestürzt, was jenen geschieht, die ihrer fleischlichen
Lust folgen, und den Zorn in sich behaltend, Böses mit Bösem zu vergelten suchen.
Wie der Mensch in sich selbſt die Laster abtödten könne
4. Der selige Antonius ermahnte seinen Schüler mit folgenden Worten: Verabscheue deine Eßlust, die zeitlichen Bedürfnisse,
die böse Begierlichkeit und die Ehre, gleich als seiest du nicht in dieser Welt; so wirst du die Ruhe haben.
Von der Beharrlichkeit
1. Abt Antonius sagte: Ein Mönch, welcher wenige Tage arbeitet und dann nachläßt, und wiederum arbeitet und bald wieder
müssig geht, der thut Nichts, und hat keine Beharrlichkeit in der Geduld.
Vom Stillschweigen
1. Der selige Antonius pflegte zu seinem Schüler zu sagen: Wenn du schon das Stillschweigen liebest, so glaube ja nicht,
daß du eine Tugend übest, sondern bekenne nur, daß du nicht würdig seiest, zu reden.
Was die Einsiedler zu beobachten haben
2. Der selige Antonius pflegte zu sagen: Die Altväter der Vorzeit begaben sich in die Wüste, und machten nicht nur sich
selbst gesund, sondern wurden auch die Aerzte Anderer; wenn aber von uns Einer etwa in die Wüste geht, wollen wir Andere
früher heilen, als uns selber; daher kehrt unser altes Uebelbefinden zurück, und die letzten Dinge sind ärger, als die ersten;
daher heißt es bei uns: „Arzt, heile dich selbst [Luc. 4, 23]!”
Was die Trübsal und Armuth wegen Gott bewirke
1. Ein Bruder fragte den heil. Antonius: Was soll ich für meine Sünden thun? Er antwortete: Wer von seinen Sünden frei
werden will, vermag dieses durch Weinen und Klagen; und wer in den Tugenden erbaut werden will, kann es nur durch Thränen.
Selbst die Lobgesänge der Psalmen sind Klagen. Gedenke an das Beispiel des Judenkönigs Ezechias [Hiskia], wovon bei dem
Propheten Isaias [Js 38, 1. ff.] geschrieben steht, er habe nicht bloß durch
Weinen seine Gesundheit wieder erhalten, sondern auch sein Leben um fünfzehn Jahre verlängert, und einen Ueberfall des
feindlichen Kriegsheeres von 185.000 Mann durch Ströme von Thränen mit Gottes Kraft zurückgeschlagen. Der heilige
Petrus machte durch Thränen gut, was er durch seine Verläugnung an
Christus gesündigt hatte. Weil
Maria von Betanien die Füße Jesu mit Thränen begoß, wurde sie der
Verheißung gewürdigt, sie habe den besten Theil erwählt. Die Furcht Gottes ist heilig , und währt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Vom Ursprunge der Laster
Ein Bruder fragte den heil. Antonius: Wie kommt es, daß Gott der Seele in der heiligen Schrift so viele Güter verspricht,
und die Seele doch nicht im Guten verharren will, sondern sich an das Vergängliche, Hinfällige und Unreine hängt? Dieser
entgegnete: Hieher gehören die Worte des Psalmisten: „Hätte ich Unrecht gesehen in meinem Herzen, so hätte mich nicht erhört
der Herr [Ps. 65, 18].” Weißt du denn nicht, daß, wenn der Bauch mit Speisen überfüllt ist, sogleich jene großen Laster
aufsteigen, welche der Heiland im Evangelium also bezeichnet: „Nicht was
zum Munde eingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was vom Munde ausgeht, das verunreinigt den Menschen [Matth. 15, 11].
Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Todtschläge, Ehebrüche, Hurereien, Diebstähle, falsche Zeugnisse, Gottesläſterungen
[Ibid. 19]. Wer noch nicht die Süßigkeiten der himmlischen Dinge gekostet hat, so daß er Gott vom ganzen Herzen sucht, der
wendet sich den unreinen Dingen zu. Wer kann mit Recht sagen: Wie ein Lastthier bin ich geworden, doch war ich immer bei dir
[Ph. 72, 22].”
Vom heiligen Ammon und dessen Gattin
… Als er zu Antonius kam, sagte dieser zu ihm: Nachdem mir Gott Vieles von dir geoffenbart und deinen Hintritt
ans gezeigt hat, mußte ich dich nothwendig zu mir rufen lassen, damit wir im gegenseitigen Umgange für einander beten können.
Hierauf führte er ihn an einen sehr abgelegenen Ort hin und ermahnte ihn, dort bis an sein Ende zu verbleiben. Und als
derselbe den Geist aufgab, sah Antonius, wie die Engel dessen Seele in den Himmel trugen. So lebte und starb dieser Amon.
Den erwähnten Fluß, Lycus habe aber ich selbst einmal zu Schiffe übersetzt, wiewohl nicht ohne Furcht; denn es ist dieses
Wasser ein Kanal oder Arm des großen Nilstromes.
Von einem Gesichte des Abtes Antonius
Cronius führt weiters an, der große Antonius habe ihnen in jener Nacht auch folgendes erzählt: „Ich” (sprach er) „habe
ein ganzes Jahr lang gebetet, daß mir der Aufenthaltsort der Gerechten und der Sünder offenbar werde. Da sah ich einen
überaus hohen schwaren Riesen, welcher bis an die Wolken reichte und seine Hände bis zum Himmel ausstreckte, unten aber war
ein See, der an Größe dem Meere gleich. Auch sah ich oben die Seelen gleich den Vögeln umherfliegen, und diejenigen, welche
über seinen Händen und dem Kopfe flogen, wurden von den Engeln erhalten, welche er aber
mit seinen Händen schlug, die fielen in den See. Zugleich kam mir eine Stimme zu und sagte: Die Seelen, welche du über dem
Haupte und den Händen des Riesen fliegen siehst, sind die Seelen der Gerechten, die von den Engeln in's Paradies gebracht
werden; die aber von den Händen des Mohren getroffen werden, stürzen in den Abgrund der Hölle, und sind die, welche sich der
Fleischeslust ergaben, von ihrem Hasse sich hinreißen ließen und der Begierde der Rache unterlagen.”
Die Lehrsprüche der ägyptischen Väter
53. Ein Bruder fragte den Abt Antonius: Was heißt das: Der Mensch soll sich selbst für nichts halten? Der Altvater gab
ihm zur Antwort: Das heißt, sich zu den unvernünftigen Lastthieren vergleichen, welche über Nichts urtheilen, nach dem
Ausspruche der heil. Schrift: „Wie ein Lastthier bin ich vor dir geworden; doch war ich immer bei Dir.” (Psalm 72, 23)
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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 25.08.2023
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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