Ökumenisches Heiligenlexikon

Die Regiswindis-Legende


Zwei Stunden von Heilbronn neckaraufwärts liegt die Stadt Lauffen, mit einem vormals berühmten Kloster. Der Name soll dem raschen Laufe des vorbeiströmenden Neckars entnommen sein. Im Jahr 814 empfing ein tapferer Ritter aus dem Nordgau des Namens Ernst den Grund und Boden zum Geschenk und gewann von seiner Gemahlin Frideburg ein Töchterlein, welchem man den Namen Regiswindis gab. Das Kind erhielt eine Amme, welche die Schwester eines der Dienstmannen des Ritters Ernst war, und das Unglück wollte, dass dieser Knecht einst wegen übler Aufführung von seinem Herrn sehr hart behandelt wurde. Da er nun seiner Schwester sein Leid klagte, wurde diese so von Zorn bewegt, dass sie an dem unschuldigen Kinde, ihrem Säugling, Rache zu nehmen beschloss, und die Gelegenheit wahrnehmend, dass ihre Herrschaft einen Ausflug machte, drehte sie dem Kinde das Hälschen um und warf es in den Neckar. Der Strom trug aber die kleine Regiswindis nicht von dannen, sondern setzte sie auf einem nahen Werder ab, und so wurde die Untat schnell offenbar; Ritter Ernst ließ die Amme in einen Turm am Neckar einmauern und darin verhungern, und der Papst sprach das ermordete Kind heilig. Der kleinsten aller Heiligen zu Ehren wurde nun eine Kirche erbaut, zu der so viele Wallfahrten geschahen, dass man sie Heiligreich oder Kirchreich nannte. Darin war der silberne Sarg der Regiswindis hinter dem Altar in einem schönen Kenotaph aufgestellt und der Jahrtag der kleinen Heiligen am 15. Juli begangen, und es kam die Sitte auf, zur Erinnerung an jenes treulose Gesinde, an diesem Tage das Gesinde zu wechseln.

Quelle: Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853


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zuletzt aktualisiert am 11.09.2016
korrekt zitieren:
Ludwig Bechstein: Artikel
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