Ökumenisches Heiligenlexikon

Ein socialer Gang durch Breslau


Im Schlesischen Pastoralblatt, herausgegeben von August Meer, erschien 1892 ein vom Herausgeber verfasster Artikel über die von Robert Spiske gegründeten Hedwigschwestern:

Die Hedwigschwestern

Nicht weit vom Hause zum guten Hirten liegt auf der Hirschstraße Nr. 29 das Haus der Hedwigsschwestern. Dieselben hat der schlesische Priester Robert Spiske 2 gestiftet.

Spiske ist am 29. Januar 1821 in Lissa bei Breslau geboren. Sein Vater, ein Schuhmacher, besaß daselbst ein Häuschen. Als der kleine Robert von der Taufe zurückgebracht wurde, übergab ihn die Großmutter der Mutter mit den Worten: Da bringe ich dir einen frommen Priester.

Und das ist Spiske geworden. Am 18. Juni 1847 erhielt er vom Fürstbischof Melchior die Priesterweihe. Seine priesterliche Thätigkeit war durch 41 Jahre in Breslau eine reich gesegnete. Nachdem er Senior des Alumnats geworden, wurde er im Jahre 1848 zum Kaplan zu St. Maria auf dem Sande ernannt. Spiske verband mit einem glühenden Seeleneifer auch eine große Liebe zum darbenden Mitmenschen. Er hatte den Segen barmherziger Liebe während seiner Studienzeit tief empfunden. In seinem dankbaren Herzen regte sich lebhaft der Wunsch, nun Gleiches mit Gleichem vergelten zu können. Darum sammelte er Montags abends als Kaplan Gleichgesinnte aus allen Ständen um sich, denen er im Saale des Königlichen Schullehrer-Seminars religiös belehrende und erbauende Vorträge hielt. In einer Büchse erbat er sich dann Almosen, die er für verwahrloste Kinder anwandte. Er brachte dieselben in braven katholischen Familien unter und ließ sie von verlaßbaren weiblichen Personen überwachen. Dieses zum Besten der verwahrlosten Jugend begonnene Unternehmen stellte er unter den Schutz der heil. Landesfürstin Hedwig. Die Jungfrauen, welche sich diesem social so wichtigen Werke dauernd widmeten, sammelte er in einem Vereine und nannte sie Hedwigsschwestern. Als Spiske im Jahre 1858 zu den Gräbern der Apostelfürsten eie Wallfahrt nach Rom antrat, unterbreitete er den Plan, den Verein der Hedwigsschwestern in eine kirchliche Genossenschaft umzuwandeln, dem heil. Vater Pius IX. Pius IX. Dieser große Freund der Jugend, welcher Spiske zum päpstlichen Ehrenkammerherrn erannt hatte, billigte gern dies Vorhaben und schrieb unter Spiske's Bittgesuch am 7. November 1858 die ermutigenden Worte: Benedicat Deus granum sinapis ita ut crecat in arborem magnam.

Am 14. Juni 1859 senkte dieses Senfkörnlein seine ersten Wurzeln in das schlesische Erdreich, indem vier Jungfrauen in die Genossenschaft der Hedwigsschwestern für Rettung und Erziehung verlassener und verwahrloster Kinder eintraten, Sidonie von Tschischwitz, Pauline Rösler, Augustina von Duallier, Maria Wenzel. Die Schwestern tragen ein schwarzes Kleid und Mantel sowie einen blauen Schleier. Von der Spende der Schwester Sidonie wurde Hirschstraße 29 für 3000 Thl. ein Häuschen gekauft, das sich bald mit Pfleglingen füllte. In kurzer Zeit zählte das Haus schon 26 Kinder, Knaben und Mädchen. Die Schwestern mußten ihr edles Werk mit Nichts anfangen. Sie klopften an die Thüren guter Menschen an. Unermüdlich waren sie im Sammeln von Almosen. Eine große Wohlthäterin wurde dem Hause Maria Eisele. So war es möglich geworden, das kleine Besitzthum derart zu erweitern, daß im Jahre 1879 130 Kinder die Wohlthaten des Hauses genießen konnten. Die Kinder werden hier erzogen und unterrichtet. Die Schwestern theilen sich in Lehr- und Hausschwestern. Die Knaben werden mit 14 Jahren entlassen, von dem Hause zu guten Lehrherrn gebracht und während der Lehrzeit vom Hause überwacht. Die Mädchen verbleiben bis zum 16. Jahre im Hause und werden hier zu Dienstmädchen herangebildet. Das Haus hatte Corporationsrechte erlangt und ist bereits ein Mutterhaus geworden für die Filialen in Wartha, Schweidnitz, Bogutschütz, Stein-Seiffersdorf bei Reichenbach, Alt-Heide bei Glas. Nach zwanzigjähriger schwerer, segensreicher Thätigkeit, fiel das Haus als Opfer des Kulturkampfes. Es mußten 36 Schwestern in die Ferne ziehen. In Nezamislic in Mähren begründeten sie ein neues Heim, das bald zu reicher Blüthe gelangte. Am 31. October 1888 war es ihnen vergönnt, in das Mutterhaus nach Breslau zurückzukehren. Ihr edler Stifter konnte sie nicht mehr begrüßen. Er war am 8. März 1888 als Domherr gestorben. Sein Freund, Dompropst Dr. Kahser wurde der Procurator der Schwestern, die aufs Neue mit hingebender Liebe ihr Werk aufnahmen. Mit 26 Kindern begannen sie dasselbe wieder unter den größten Opfern. Heut erfreuen sich 130 Kinder, 67 Knaben und 63 Mädchen der liebevollen Pflege der Schwestern, die auch, soweit dies nicht ihrer Hauptaufgabe hinderlich ist, Kinder in Pension aufnehmen.

Möge dieser fruchtreiche Baum nunmehr für ferne Zeiten in Schlesien feste Wurzeln geschlagen haben. Mögen in seinen Zweigen die armen Vögel, die verlassenen ud verwahrlosten Kinder, die in unseren Tagen in so erschreckender Weise anwachsen, ein sicheres Obdach finden. Mögen die Schwestern von der heil. Hedwig ein lebendes Denkmal der Barmherzigkeit in einem der wichtigsten Theile der großen socialen Frage zur Ehre ihrer großen Schutzpatronin sein.

1 Dreizehnter Jahrgang. Verlag von G. P. Aderholz' Buchhandlung, Breslau

2 Robert Spiske. Ein Blatt der Erinnerung von A. Meer, Breslau 1888

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Autor: August Meer - zuletzt aktualisiert am 25.07.2017
korrekt zitieren:
Joachim Schäfer: Artikel
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