Die Ida-Legende
nach dem Wortlaut der ältesten Fassung von Albrecht von Bonstetten
Widmung
Dem verehrten Herrn Heinrich, Abt des Klosters Fischingen, entbiete ich, Albert von Bonstetten, Dekan des Klosters Einsiedeln, die besten Grüße.
Neulich hast du, ehrwürdiger Vater, mich inständig gebeten, das Leben der heiligen Idda, der berühmten Gräfin von Toggenburg und ehrwürdigen Hausgenossin deines Klosters, aus unserer Muttersprache in lateinischer Fassung wiederzugeben.
Ich habe mich an die Arbeit gemacht, obwohl du unter deinen Mitbrüdern, insbesondere im Konvent des heiligen Gallus, verschiedene gefunden hättest, welche dieses Werk viel besser zustande brächten und in solchen Arbeiten geübter sind. Sie würden aus dem Sprachfluss eines Beda eine notkerische Quelle ableiten und die liebliche und aufs beste ausgeschmückte Legende in vorzüglichem Geiste wiedergeben. Ich aber bin keineswegs ein Poet.
Ich wollte dir aber nicht zuwider sein, sondern deinem Wunsche entsprechen. Auch wollte ich diese, der hebräischen, griechischen und lateinischen Sprache würdige Erzählung nicht lange hinausschieben. Ich habe sie also in die lateinische Sprache gesetzt, so gut es mir möglich war, zur Ehre ihres heiligen Namens und um des Verdienstes willen, den du mir zugedacht hast.
So habe ich mit rascher Feder, nicht so sehr Wort für Wort, als mehr dem Sinne nach übersetzt, damit die Erzählung nicht zu lange werde.
Gebe Gott, dass ich meinem Werk etwas an erhabener Hoheit einhauche und im Leser ein Feuer der Verehrung entfache.
So sende ich dir diese Lebensbeschreibung und widme sie dir in Dankbarkeit in der Hoffnung, dass mein gehorsamer Dienst dir angenehm sei. Nichts anderes erbitte ich, als dass du mit deinen Brüdern am Grabe der heiligen Frau im Gebet meiner gedenkst, damit ich mit dir nach diesem Leben vom Schöpfer aller Dinge den Eintritt zum himmlischen Chore erlange, um mit deinen Mitbrüdern ihm das große Lob zu singen.
Gott bewahre und behüte dich, verehrter Vater, und schenke dir Wohlergehen.
Das wünsche ich dir bestens. Dies schrieb ich in Einsiedeln, am Tag der heiligen
Katharina im Jahr 1481.
Albrecht von Bonstetten
Das Leben der heiligen Idda
Sankt Idda entstammte dem Geschlecht der Grafen von Kirchberg, die bei den Schwaben in großem Ansehen standen.
Sie wurde mit dem Grafen von Toggenburg, namens Heinrich, verehelicht.
Dieser bewohnte eine gut bewehrte Burg auf bergigen Höhen, welche den Fluss, der aus dem Thurtal kommt, in zwei Teile trennt und deren ausgedehnte Wälder das Kloster Fischingen umsäumen. Von Heinrich erhielt sie zur Trauung einen Ring aus arabischem Gold, der ihre eheliche Treue besiegeln sollte.
Nach vielen Jahren legte Frau Idda einmal Kleider und Schmuck an die Sonne und legte Ring und Schmuckstücke auf den Laden des Fensters.
Unter der alten Toggenburg aber ist ein großes Tobel, Rappenstein geheißen. In diesem Tobel nisteten die Raben mit ihren Jungen. Da flog der alte Rabe auf die Burg, setzte sich auf den Fensterladen, wo die Kleinode lagen, und nahm den Ring, der der lieben Frau Sankt Idda angetraut war, und trug ihn in sein Nest, wo er seine Jungen hütete.
Gott ließ es so geschehen, da er ein großes Zeichen durch die liebe Frau Idda wirken wollte.
Nun fügte es sich, dass der Graf seine Jäger aussandte, um Wild zu jagen. Da hörte einer der jungen Jäger das Gekreisch der Raben auf einer Tanne. Er stieg ihnen nach und fand den Ring im Nest. Da war er gar glücklich, steckte den Ring an seinen Finger und trug ihn lange Zeit.
Da sah ein anderer Knecht, dass dieser einen Ring trug. Da blickten die Knechte einander an, denn einer von ihnen erkannte den Ring, dass er der Ring war, den der Graf seiner Frau zugeeignet hatte.
Er ging zu seinem Herrn und sagte: Herr, ich weiß, was da geschehen ist, dass der Jäger mit eurer Frau geschlafen hat.
Da antwortete der Graf: Da sei Gott davor!
Da sprach der Knecht: Ich will euch das Zeichen sehen lassen.
Er brachte den jungen Jäger zum Herrn, zog ihm den Ring vom Finger und sagte: Sehet zu, Herr, ob das nicht der Ring
ist, den ihr eurer Frau zugeeignet habt.
Da besah er sich den Ring, erkannte, dass es der Ring war, den er seiner Frau Idda zugeeignet hatte, ließ seinen Jäger fassen und einem wilden Pferd an den Schwanz binden.
Dann ließ er das Pferd den Berg hinunter treiben. So starb der Jäger.
Dann lief der Graf in grimmigem Zorn, bis er seine Frau Idda fand, nahm sie in seinem Zorn und warf sie über den Söller in das Tobel, das über 100 Klafter tief ist und ein ganzer Fels (über 200 m).
Da rief Idda im Sturz in ihrem Herzen zu Gott und bat ihn, dass er ihr Leben behüte, sie wolle sich keinem Manne mehr ergeben und bis zu ihrem Lebensende ihm dienen.
Und Gott erhörte sie. Sie fiel unversehrt zu Boden. Da ging sie weit durch das Tobel, lebte lange Zeit in der Einsamkeit, nährte sich von Krautern und Wurzeln und lobte Gott, den Allmächtigen.
Eines Tages fügte es sich, dass der Graf einen ändern Jäger hieß, mit seinem Jagdhund das Wild aufzustöbern. Da zog der Jäger in das Tobel Rappenstein. Und als die liebe Frau Idda Krauter und Wurzeln suchte, kam der Jagdhund auf ihre Fährte. Er suchte ihrer Spur nach, so dass der Jäger meinte, er wittere einem Wild nach, und sprach ihm kräftig zu.
So kam er zu einem Gehölz, in das er eindrang und zur Höhle gelangte, in der Sankt Idda sich aufhielt. So fand der Jäger die liebe Frau Sankt Idda. Sie saß mit niedergeschlagenen Augen ganz in sich versenkt.
Da zog sich der Jäger aus dem Walde zurück, kam zu seinem Herrn und sagte: Gott sei gelobt, dass euere
Frau Idda noch am Leben ist.
Da antwortete der Graf und sprach: Das glaube ich nicht, denn sie ist in tausend Stücke zerschlagen.
Der Jäger antwortete und sagte: Hab ich nicht wahr gesprochen, so schlage mir das Haupt ab, denn ich habe sie gesehen
und habe mit ihr gesprochen und sie hat mir gesagt, dass ihr von euch unrecht geschehen sei.
Da ging der Graf mit dem Jäger ins Tobel Rappenstein. Sie nahmen den Hund mit; der Jäger setzte ihn auf die Fährte und sprach ihm zu. So suchte der Hund und kam zur Höhle, da die selige Frau Idda lebte.
Sie trat demütig heraus aus der Höhle. Der Graf fiel ihr zu Füßen und bekannte, dass er ihr unrecht getan habe, und bat sie, ihm das Unrecht zu verzeihen.
Da sprach sie bescheiden: Steh auf, Gott mög dir deine Sünden verzeihen.
Er aber stand auf und bat sie, wieder mit ihm heimzukommen. Er wolle das Böse, das er ihr angetan habe, wieder gutmachen und den Knecht, der ihm die Lüge zugetragen hatte, töten.
Da erwiderte sie: Da sei Gott davor, dass du jemanden meinetwegen tötest. Auch kann ich nicht wieder zurückkommen;
denn ich bin nicht mehr deine Frau.
Da gab er ihr zur Antwort: Sprich nicht so, da ich alles wieder gutmachen will. Darum sollst du mich nicht als deinen
Mann verschmähen.
Sie entgegnete: Du hast mich von dir geworfen. Deshalb gehöre ich nicht mehr dir an. Habe ich doch einen Gemahl, von
dem ich mich niemals trenne. Es ist unser Herr Jesus. Er hat mich behütet,
dass mir kein Leid widerfuhr an meinem Leib; er will mich auch behalten, damit auch meiner Seele kein Leid geschehe. Darum
bitte ich dich, errichte mir eine Wohnung, in der ich Gott dienen will, um nicht mehr in die Welt zurückzukommen, aus der
ich geworfen bin.
Da fragte er sie, was sie begehre. Sie bat ihn, er möge ihr eine Klause in der Au errichten bei der Kirche, die am Hörnli liegt, allwo die Muttergottes sich gnädig erweist. Das geschah.
So bewohnte Idda lange Jahre diese Klause. Sie pilgerte jeden Morgen nach Fischingen ins Münster zur Mette, und jeden Morgen ging ein Hirsch vor ihr her; er trug 12 Lichter auf seinem Geweih und leuchtete ihr auf dem Weg zum Kloster und nach der Feier der heiligen Mette wieder heim in die Klause.
So lebte sie noch manche Jahre und ihr heiliges Leben wurde vielen bekannt.
Nun bestand aber in Fischingen neben dem Männerkloster auch ein Frauenkloster benediktinischer Observanz. Als die Klosterfrauen von ihrem heiligmäßigen Leben vernahmen, baten sie Idda inständig in ihrem Gotteshaus Wohnung zu nehmen.
Idda entsprach ihrer Bitte unter der Bedingung, dass sie ihre eigene Lebensweise führen könne, da sie nicht bei ihnen wohnen wolle. So errichtete man ihr eine Zelle, worin sie eingeschlossen war, so dass niemand bei ihr einzutreten noch sie hinauszugehen vermochte. Nur ein Redfenster besaß sie, damit sie mit den Frauen sprechen konnte.
Da versuchte der Teufel, ihr viel Leid zu bereiten und sie zu schrecken. Er lauerte ihr an der Herdstelle auf, verschüttete ihr Speise und Trank und erstickte ihr das Feuer.
Einmal, als ihr der Teufel das Feuer auslöschte, ging sie zum Redfenster und sprach zu einem toten Leichnam, der von
einem Herren von Toggenburg stammte: Steh auf und entzünde mir das Feuer!
Da gehorchte ihr der tote Leichnam, stand auf vom Grab, entzündete ihr ein Licht und sprach: Idda, nimm hin das Licht
von meiner Hand! Von Toggenburg bin ich genannt.
Also empfing sie das Licht von ihm, und der Teufel vermochte weiterhin ihr keinen Schaden mehr zuzufügen bis an ihr Ende.
So erwarb sie bei Gott große Gnaden, auf dass alle, die sie ehren und anrufen, von den Nachstellungen des Bösen keinen Schaden erleiden.
Ja, in allen Krankheiten des Leibes, vor allem bei Schmerzen des Kopfes und in den Nöten der Mutterschaft ist sie wirksame Fürbitterin bei Gott.
Also ist Idda gestorben und nach Gottes Willen aus dieser Welt geschieden am Tag nach Allerseelen, an dem man jährlich ihrer gedenkt.
Sie wurde in der Kirche zu Fischingen begraben vor dem Altar des heiligen Nikolaus.
Aus: Ida Lüthold-Minder: Heilige Idda von Toggenburg. Christiana, Stein am Rhein 2001
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