Ökumenisches Heiligenlexikon

Alfred Delp

1 Gedenktag katholisch: 2. Februar

Name bedeutet: von Elfen / Naturgeistern beraten (altenglisch - althochdt.)

Ordensmann, Priester, Journalist, Märtyrer
* 15. September 1907 in Mannheim in Baden-Württemberg
2. Februar 1945 in Berlin


Alfred Delp
Alfred Delp

Alfred Delp, noch unehelicher Sohn einer katholischen Mutter und eines evangelischen Vaters, wurde im Wöchnerinnenasyl in Mannheim geboren und zwei Tage später in der Mannheimer Jesuitenkirche katholisch getauft. Nach der Hochzeit der Eltern wurde er aber - v. a. auch unter dem Einfluss der Großeltern väterlicherseits - evangelisch erzogen, besuchte die evangelische Volksschule in Lampertheim in Hessen und wurde 1921 dort in der evangelischen Lukaskirche konfirmiert.

Nach einer Auseinandersetzung mit dem evangelischen Pfarrer wurde er in der katholischen Kirche St. Andreas in Lampertheim zur Erstkommunion zugelassen und gefirmt. Er wurde dann durch die katholische Jugendbewegung Bund Neudeutschland geprägt und trat gleich nach dem an der Goetheschule in Dieburg abgelegten Abitur 1926 in den Jesuitenorden ein, wo seine intellektuelle Begabung und Belesenheit geschätzt, seine protestantischen Neigungen aber kristisiert wurden. Er studierte Theologie und Philosophie am damaligen Berchmanskolleg der Jesuiten in Pullach und promovierte mit einer Arbeit über Martin Heidegger. Als Erzieher und Lehrer wirkte er dann am 1934 von den Jesuiten eröffneten Kolleg in St. Blasien im Schwarzwald.

Eingang zum Kolleg in  St. Blasien
Eingang zum Kolleg in St. Blasien

Schon früh setzte Alfred Delp sich mit dem Nationalsozialismus auseinander. 1937 wurde er zum Priester geweiht, wirkte als Arbeiterseelsorger und als Journalist bei der der von Jesuiten herausgegebenen Monatszeitschrift Stimmen der Zeit, die 1939 verboten wurde, und war dann als Seelsorger im vornehmen Stadtteil Bogenhausen in München tätig. Seine kritischen Predigten wurden geschätzt; die Unvereinbarkeit von Christentum und Nationalsozialismus war ihm unverkennbar: Wo Konflikt ist, muss gefochten werden, ohne Kompromiss und Feigheit. Delp setzte sich aktiv für verfolgte Juden ein.

Alfred Delp
Alfred Delp

1941 begegnete Delp in Berlin Helmuth James Graf von Moltke, der ihn für seinen Kreisauer Kreis gewann, wo er als Experte für Gesellschaft und Wirtschaft des von diesem Kreis geplanten deutschen Staates nach dem Ende der Nazi-Diktatur fungierte. Der Kreisauer Kreis stand im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, nach Graf von Stauffenbergs Attentat vom 20 Juli 1944 flog der Kreis auf, seine Mitglieder wurden verhaftet; Delp wurde am 28. Juli festgenommen und nach Berlin in die Strafanstalt Tegel gebracht. Dort wurde er schwer misshandelt und gefoltert. Der Herrgott holt uns von allen Postamenten herunter kritzelte er gequält und verzweifelt mit gebundenen Händen auf einen Zettel.

Im Januar 1945 begann vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler der Prozess wegen Hochverrats, Alfred Delp wurde zum Tod verurteilt und im Hinrichtungsraum des Gefängnisses Plötzensee in Berlin erhängt. Seine Asche wurde auf Feldern verstreut, die Veröffentlichung einer Todesanzeige verboten.

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Worte des Heiligen

Sprachgewaltig und ohne damals übliches Pathos verfasste Delp am Epiphaniefest 1945 Gedanken zur wahren menschlichen Freiheit. Mit gefesselten Händen schrieb er:

Der Mensch muss frei sein. Als Sklave, in Kette und Fessel, in Kerker und Haft verkümmert er. Über die äußere Freiheit hat sich der Mensch viele Gedanken und Sorgen gemacht. Er hat erst unternommen, seine äußere Freiheit zu sichern, und er hat sie doch immer wieder verloren. Das Schlimme ist, dass der Mensch sich an die Unfreiheit gewöhnt und selbst die ödeste und tödlichste Sklaverei sich als Freiheit aufreden lässt.
In diesen Wochen der Gebundenheit habe ich dies erkannt, dass die Menschen immer dann verloren sind und dem Gesetz ihrer Umwelt, ihrer Verhältnisse, ihrer Vergewaltigungen verfallen, wenn sie nicht einer großen inneren Weite und Freiheit fähig sind. Wer nicht in einer Atmosphäre der Freiheit zu Hause ist, die unantastbar und unberührbar bleibt, allen äußeren Mächten und Zuständen zum Trotz, der ist verloren. Der ist aber auch kein wirklicher Mensch, sondern Objekt, Nummer, Statist, Karteikarte.
Dieser Freiheit wird der Mensch nur teilhaft, wenn er seine eigenen Grenzen überschreitet. …
Die Geburtsstunde der menschlichen Freiheit ist die Stunde der Begegnung mit Gott. Ob Gott nun einen Menschen aus sich herauszwingt durch die Übermacht von Not und Leid, ob er ihn aus sich herauslockt durch die Bilder der Schönheit und Wahrheit, ob er ihn aus sich selbst herausquält durch die unendliche Sehnsucht, durch den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, das ist ja eigentlich gleichgültig. Wenn der Mensch nur gerufen wird und wenn er sich nur rufen lässt! …
Der Mensch muss sich selbst hinter sich gelassen haben, wenn er eine Ahnung von sich selbst bekommen will. Das ist es, was uns so selten gelingt und so schwerfällt. Und was den Menschen heute so unsinnig erscheint, weil sie die unendlichen Gluten und die schimmernde Bläue und die grenzenlose Weite des göttlichen Wesens nicht mehr kennen, denen man sich überantworten muss. Man muss die Segel in den unendlichen Wind stellen, dann erst werden wir spüren, welcher Fahrt wir fähig sind. …
Adoro, ich bete an, und Suscipe, nimm an! sind die beiden Urworte der menschlichen Freiheit. Das gebeugte Knie und die hingehaltenen leeren Hände sind die beiden Urgebärden des freien Menschen. …
Das allgemeine Schicksal, meine persönliche Lage, die Entscheidung der nächsten Tage, die Botschaft des [Epiphanie-] Festes, alles sammelt sich in das Eine: Mensch, lass dich los zu deinem Gott hin, und du wirst dich selbst wieder haben.
Jetzt haben dich andere, sie quälen dich und erschrecken dich und jagen dich von einer Not in die andere. Das ist dann die Freiheit, die singt: Uns kann kein Tod töten. Das ist dann das Leben, das da ausfährt in die grenzenlose Weite. Adoro und Suscipe: ihr Urworte des Lebens, ihr geraden und steilen Wege zu Gott, ihr Tore in die Fülle, ihr Wege des Menschen zu sich.

Alfred Delp: Mit gefesselten Händen. Aufzeichnungen aus dem Gefängnis. Frankfurt a. M. 2007, S. 114 - 117

Zitate von Alfred Delp aus seinen Aufzeichnungen im Gefängnis:

Der Glaubende, der Vertrauende, der Liebende: Das erst ist der Mensch, der die Dimensionen des Menschentums ahnt und die Perspektiven Gottes sieht.
Es steht schlimm um eine Welt, wenn in ihr kein Platz mehr ist für die Wüste und den leeren Raum. Wenn alles erfüllt ist mit Lärm und Verbindungen und Kanälen und Verkehrsadern usw. Bestimmte Bezirke der Welt sollte der Mensch dem einsamen Menschen überlassen, damit jedem immer die Möglichkeit erhalten bleibe, es mit der Abgeschiedenheit wenigstens zu versuchen. Das Gesetz des totalen Nutzens und der totalen Zweckmäßigkeit ist kein Gesetz des Lebens. Wüste und gelungenes, gesegnetes Leben stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander.
Mit der Schuld ist es wie mit einer Fessel: Sie kann nur lösen, wer den Schlüssel hat. Und den hat auch die stärkste Sehnsucht meines Herzens nicht. Mit der Schuld ist es wie mit meiner Zellentür. Da hilft mir selbst der Schlüssel nichts, den ich hätte. Sie hat innen kein Schlüsselloch. Sie kann nur von außen geöffnet werden. Gegen die Schuld steht Gott: als Kläger und Richter, so der Mensch auf ihr beharrt; als Befreier und Retter, so der Mensch sich zu Gott wendet, sich mit ihm gegen sein Unheil verbündet.
Die Verwirklichung vieler großer Dinge, das Geschehen mancher echten Wunder hängt von der Großmut ab, die man Gott zutraut.
Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt war, hat sein Leben einen Sinn gehabt.
Die Kirche muss sich selbst viel mehr als Sakrament, als Weg und Mittel begreifen, nicht als Ziel und Ende.
Es wird kein Mensch an die Botschaft vom Heil und vom Heiland glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonstwie kranken Menschen.

Alfred Delp: Mit gefesselten Händen. Aufzeichnungen aus dem Gefängnis. Frankfurt a. M. 2007, S. 13, 119, 72, 231, 143, 140

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Die Gedenkstätte Plötzensee mit einer Ausstellung im damaligen Hinrichtungsraum des Gefängnisses Plötzensee in Berlin ist täglich von 9 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. (2023)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 24.09.2023

Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• Christian Feldmann: Intellektueller, Seelsorger und Märtyrer. Evang. Gemeindeblatt für Württemberg 39/2007
• https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Delp - abgerufen am 20.07.2023
• Werner Birkenmaier: Andere sollen glücklicher leben, weil wir gestorben sind. Stuttgarter Zeitung, 13. September 2007

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.