Johannes Calvin
Gedenktag evangelisch: 27. Mai
Geburtstag: 10. Juli
Gedenktag anglikanisch: 26. Mai
Name bedeutet: Gott ist gnädig (hebr.)
Johannes wurde unter dem Namen Jean Cauvin als Sohn eines Verwaltungsbeamten des Bischofs von Noyon geboren; seine Mutter Jeanne Le Franc machte ihn mit ihrer durch Exerzitien geprägten Frömmigkeit bekannt. Ab 1523 studierte er in Paris, am berühmten Collège de Montaigu, an dem schon Erasmus von Rotterdam ausgebildet wurde; Calvin wurde wohl auch Ordensmann und 1527 Parochialgeistlicher. Sein Griechisch-Lehrer Melchior Volmar war der Reformation von Martin Luther und den Humanisten zugeneigt und hat ihn stark beeinflusst. Ab 1528 folgte das Studium der Rechtswissenschaften in Orléans und an der damaligen Universität in Bourges.
1530 entstand Calvins erste theologische Arbeit: Psychopannychia
, die Widerlegung der These vom mystischen Schlaf
der Verstorbenen bis zur Auferstehung. Wieder in Paris, erregte 1533 eine von ihm mitverfasste Rede mit Forderungen nach
Reformen in der Kirche und scharfen Angriffen gegen die Scholastik Aufsehen, das Parlament forderte zum Einschreiten auf,
der Redner floh nach Basel, Calvin verbarg sich
erst in Paris, dann an verschiedenen Orten. Im Winter 1533/1534 ereignete sich wohl der Durchbruch, mit dem er zu den
reformatorischen Lehren bekehrt wurde. Er berichtet: Ich lieh jenen Lehren nur ungern mein Ohr, mit leidenschaftlichem
Eifer widerstand ich ihnen
aus Ehrfurcht vor der Kirche
. Aber wie durch einen plötzlichen Lichtstrahl erkannte
ich, in welchem Abgrund von Irrtümern ich mich befunden hatte. So tat ich, o Herr, was
meine Pflicht war, und begab mich, erschreckt und mit Tränen mein früheres Leben verdammend, auf deinen Weg
1.
Den offiziellen Bruch wagte Calvin im Frühjahr 1534, als er in seiner Heimatstadt auf die ihm verliehenen Pfründe
verzichtete; er wurde gefangen gesetzt, konnte aber flüchten. Im Oktober 1534 setzte nach Unruhen in der die Reformation
fordernden Bevölkerung die Verfolgung der Protestanten ein; Calvin floh nach
Straßburg und
Basel - wo er als Deckname Martianus Lucianus
angab, studierte dort die hebräische Sprache und schrieb eine Vorrede zur Bibelübersetzung ins Französische, die sein
Vetter Robert Olivetanus erarbeitet hatte. In dieser Zeit veröffentlichte er sein erstes Lehrbuch: Institutio Christianae
Religionis
, Unterricht in der christlichen Religion
, eine klassische Darstellung reformatorischer Lehren; in
deren Vorwort wandte er sich an den französischen König, um den Vorwurf revolutionärer Gesinnung der Evangelischen zu
widerlegen und um Toleranz und das Ende der blutigen Verfolgung seiner Glaubensgenossen zu werben. Ähnlich der Einteilung
in Luthers Katechismus
behandelt Calvin 1. das Gesetz, 2. den Glauben, 3. das Gebet, 4. und 5. die Sakramente, 6. die christliche Freiheit, die
Macht der Kirche und die Aufgaben der Politik. Erkennbar ist schon hier, dass Calvin nicht nur religiöse, sondern auch
soziale und moralische Fragen wichtig sind.
1536 reiste er zu Renata nach Ferrara, deren Hof eine Versammlung von Gelehrten und Zufluchtstätte verfolgter Protestanten war; im August dieses Jahres wurde er auf der Durchreise in Genf von dem Prediger Guillaume (Wilhelm) Farel geradezu gewaltsam festgehalten und überzeugt, in Genf für die Reformation zu arbeiten; dort war im Mai 1536 die Einführung der Reformation vom Volk feierlich beschlossen worden. Calvin begann mit einer Predigtreihe über den Römerbrief in der Kathedrale St-Pierre. Er organisierte den Aufbau der protestantischen Gemeinde und erarbeitete einen Katechismus als strenge Gemeindeordnung, die eine Vereidigung der Bevölkerung auf das Glaubensbekenntnis, die Teilnahme an einer monatlichen Abendmahlsfeier und die Einrichtung eines Rates von Ältesten zur Durchführung der Kirchenzucht forderte. Besonders letzteres stieß auf heftigen Widerstand, 1538 siegte die Opposition bei der Neuwahl des Rates der Stadt. Nach heftigen Auseinandersetzungen über die Form des Gottesdienstes an Ostern wurden Calvin und Farel vom Rat abgesetzt und aus Genf verwiesen.
Calvin ging nach Basel, dann nach
Straßburg, wo er auf Initiative von Martin Bucer Prediger der
französischsprachigen evangelischen Flüchtlingsgemeinde an der
Nikolaikirche wurde und theologische
Vorlesungen am Gymnasium hielt. 1539
veröffentlichte er seinen Bibelkommentar zum Römerbrief und die Neubearbeitung der Institutio
. In Straßburg kam
Calvin in engen Kontakt mit der deutschen Reformation, u. a. lernte er
Philipp Melanchthon kennen. Von Freunden in
Genf wurde er gebeten, eine Antwort auf den Brief
des Kardinal Sadoleto an die Genfer und dessen freundliche Einladung zur Rückkehr in die um sie trauernde Mutterkirche
zu verfassen; Calvins Antwort, eine Darstellung der Notwendigkeit der Reformation, stieß auch auf den Beifall
Luthers. 1540 heiratete er die Witwe Idelette de Bure, die Tochter eines
in die reformatorische Kirche zurückgekehrten Täufers; die drei Kinder starben jung, die Frau schon 1549.
1541 wurde der anticalvinistische Rat in Genf
gestürzt, Calvin wurde eingeladen, nach Genf zurückzukehren. Es gibt keinen Ort der Welt, vor dem ich mich mehr
fürchtete
, schrieb er, aber da ich nicht mein eigener Herr bin, so bringe ich mein Herz, gleichsam ertötet, dem
Herrn zum Opfer dar
2. Im September 1541 traf er
in Genf ein, im November nahm der Rat der Stadt die von ihm erarbeitete Kirchenordnung an; sie sah vier kirchliche Ämter
vor: Pastoren für Predigt und Seelsorge, Doktoren für den Unterricht, Älteste für die Kirchenzucht und Diakone für die
Armenpflege. Das Konsistorium
, ein Sittengericht aus Pastoren und 12 Ältesten überwachte das Leben der Bürger und
übte die Kirchenzucht aus. 1542 erschien Calvins Psalter
, ein Liturgiebuch über die Formen des Betens und Singens,
die Sakramente und die Trauung, 1545 der überarbeitete Genfer Katechismus
mit 373 Fragen und Antworten.
Besonders der Genfer Adel leistete Widerstand gegen die strenge Kirchenzucht, die Calvin den Ruf eines Fanatikers eintrug, aber dennoch strikt gehandhabt wurde. Der Rektor des Gymnasiums musste wegen Abweichungen von Calvins Lehre von der Prädestination vom Amt zurücktreten; der Arzt und ehemalige Karmelitermönch Bolsec, der besonders Calvins Lehre von der doppelten Prädestination kritisierte, wurde verbannt, der auf der Flucht vor der Inquisition in Genf Schutz suchende Antitrinitarier Servet zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Dennoch errang die calvinistische Partei bei der Wahl zum Rat der Stadt 1555 den endgültigen Sieg, Calvins Arbeit wurde nun allgemein anerkannt, er konnte sich konzentriert dem Ausbau seiner Kirche widmen.
Schon 1548 nahm er Kontakt zu den Anglikanern in England auf. Reformierte Gemeinden bildeten sich in den Niederlanden,
Norddeutschland, Dänemark und Schottland. 1555 wurde in
Paris eine reformierte Kirche eröffnet. Zehn
Jahre lang dauerten Verhandlungen mit der Züricher Reformation unter Heinrich
Bullinger, bis 1549 im Consensus Tigurinus
1549 ein erster Kompromiss in der Frage der Abendmahlslehre gefunden wurde. Eine Einigung mit den Lutheranern - deren
Stimmführer der Hamburger Pfarrer Joachim Westphal war - scheiterte, weil dieser die von Calvin gesuchten Gespräche ablehnte.
Calvin stützte seine Theologie auf die Prinzipen der Reformation: allein die
Schrift als Maßstab, allein der Glaube als Grund der Rechtfertigung und nicht
irgendwelche guten Werke
, allein Christus
vermittelt das Heil. Das Heil des Menschen hängt allein von Gottes Gande ab. Wie
Martin Luther stand er in der
Tradition von Paulus und Augustinus
mit der Betonung der Gnadenbedürftigkeit des Menschen; anders als Luther bestritt
er aber nicht die Möglichkeiten menschlicher Vernunft. Auf dem Hintergrund seiner
schweren Erfahrungen als Flüchtling besteht für Calvin Gottes Größe in der
Gewissheit seines fürsorglichen Geleits. Aus dieser Erfahrung geboren ist auch
seine Lehre von der doppelten
Prädestination, wiederum an Augustinus anschließend: in aller Angst dieser
unruhigen Zeit besteht Gewissheit, dass das dem Glauben schon vorausgehende
Heilshandeln Gottes hilft und trägt. Aus dieser Vorsorge Gottes für das Heil des
Menschen folgt dann die ethische Verantwortung der Menschen. Wirtschaftliche und politische
Mängel sind nicht länger Gott anzulasten, sondern vom Menschen zu verantworten.
Nur die von Gott gesandten Katastrophen sind hinzunehmen, menschliche Übel zu
bekämpfen.
Die von ihm 1559 in Genf gegründete Akademie
unter Leitung von Theodor Beza - später Collège Calvin genannt - wurde zur
Hochschule des Calvinismus; Calvins Vorlesungen zogen Studenten von weit her an
- besonders viele aus Frankreich - und übten enormen Einfluss aus; bei seinem Tod hatte die Akademie rund 1500 Schüler und
Studenten und galt als Rom der Reformation
; 1873 wuchs daraus die Genfer
Universität.
Calvin hielt neben seiner Lehr- und Autorentätigkeit im Genfer Auditorium jährlich rund 200 Predigten und ebensoviele Bibelstunden - vor allem in der Kathedrale St-Pierre; 2000 Predigten wurden ab 1549 mitgeschrieben; sein exegetisches Werk besteht aus über 30 Bänden. Der übermäßige Arbeitseinsatz zerstörte seine Gesundheit; schon 1555 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand; nach jahrelanger Krankheit und langem Todeskampf starb Calvin an Lungentuberkulose und Nierenkoliken.
Calvin wurde auf dem Friedhof des Rois
in Genf bestattet, sein
Grab ist erhalten. Die Errichtung eines
Grabsteines hatte er sich verbeten, weil er jeden Kult um seine Person vermeiden wollte.
Die weit verbreitete Auffassung vom eifernden, auch vor Gewalt nicht zurückschreckenden Calvin wurde in jüngerer
Zeit stark geprägt von Stefan Zweigs Buch Castello gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt
aus dem
Jahr 1936, in dem er Calvin zur Chiffre für Adolf Hitler machte. In seiner Selbsteinschätzung reklamierte Calvin
für sich Bescheidenheit, Sanftmut und Milde
und bezeichnete sich als schüchtern, sanft und zaghaft
.
Auch Max Webers These von Calvin als Begründer des Kapitalismus ist sicher nicht haltbar: Besitz und Wohlstand waren für Calvin Gottes Gaben, die zur gegenseitigen Unterstützung zu verwenden sind. Die Sündhaftigkeit des Menschen verderbe Gottes Gaben und verursache Habgier, Materialismus, Ungerechtigkeit, übertriebenen Luxus und Unterdrückung der Armen. Zwar ist Gewinn an sich nichts Unrechtes, aber Calvin fordert niederen Zins für Arme und Verzicht auf Rückzahlung von Darlehen in Notfällen; die Summe, die ein Schuldner aus einem Darlehen erwirtschafte, müsse mindestens so hoch sein wie der Zinsertrag des Gläubigers. Maßstab ist nicht der Gewinn des Einzelnen, sondern das Wohlergehen der Gemeinschaft.
Die
Kathedrale St-Pierre in Genf ist im Sommer zur
Besichtigung geöffnet: montags bis freitags von 9.30 - 18.30 Uhr, samstags nur bis 17.30 Uhr, sonntags erst ab 12 Uhr, bei
freiem Eintritt; im Winter täglich von 10 bis 17.30 Uhr, sonntags erst ab 12 Uhr. (2013)
Die archäologischen Ausgrabungen unter der Kathedrale erschließt die Baugeschichte der Kirche ab dem Jahr 350; sie
ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 8 CHF (ermäßigt 4 CHF). (2013)
Das Internationale Museum der Reformation
neben Kathedrale zeigt die Entwicklung der Reformation, auch mit
ihren kulturellen und sozialen Aspekten, täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 13 CHF (ermäßigt 8 CHF).
(2013)
1 ▲ in: Responsio ad Sadoleti Epistolam
,
Antwort auf den Brief von Jakob Sadoleto
, 1539
2 ▲ Brief an Pierre Viret vom 19. Mai 1540 und Brief an Guillaume Farel vom 9. Juni 1541
Auszüge aus Johannes Calvins wichtigstem Werk Institutio
, Unterricht in der christlichen Religion
,
gibt es bei uns zu lesen:
aus
Buch I, Kapitel 16: Gott erhält und schützt die von ihm erschaffene Welt und regiert sie bis ins einzelne mit
seiner Vorsehung
aus
Buch I, Kapitel 17: In welcher Richtung und unter welchem Gesichtspunkt diese Lehre anzuwenden sei, damit man
ihres Segens gewiß werde
aus
Buch III, Kapitel 21: Von der ewigen Erwählung, kraft deren Gott die einen zum Heil, die anderen zum Verderben
vorbestimmt hat
aus
Buch III, Kapitel 22: Bekräftigung dieser Lehre (von der ewigen Erwählung) aus Zeugnissen der Heiligen Schrift
Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet bietet in seinem Artikel über Calvin fundierte Informationen.
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
Web 3.0 - Leserkommentare:
Danke für den Artikel! Ich finde ihn in allem informativ und ausgewogen.
Johann Stilling über E-Mail, 25. April 2015
Was Sie über Johannes Calvin schreiben, ist absoluter Schwachsinn!
Traurig, dass derlei Unsinn immer noch verbreitet wird und einer vom anderen Dinge abschreibt, die einfach
nicht stimmen.
Calvin schreibt in seiner Antwort an Kardinal Sadolet zur Rechtfertigung aus Glauben: … wenn ihre
Erkenntnis verschwindet, ist Christi Herrschaft erloschen, die Religion abgeschafft,
die Kirche zerstört und die Hoffnung auf unser Heil völlig gescheitert.
Und weiter: Auf diese Weise also,
lehren wir, wird in Christus der Mensch mit Gott, dem Vater versöhnt: nicht durch irgendein Verdienst, nicht durch
die Würdigkeit seiner Werke, sondern allein durch unverdiente Gnade.
(So nachzulesen in: Calvin-Studienausgabe,
Band 1.2 , S. 375 und 377)
Wenn Calvins Ausführungen nicht die ganz normale
klassische Rechtfertigungslehrte sind, weiß ich´s nicht.
Luther hat übrigens Calvins Schrift gekannt und sie sehr gelobt. (Wenn
Sie das beruhigen sollte.)
In diesen Zusammenhang einen irgendwie unverstandenen Max Weber mit seiner Kapitalismusthese einzuflechten, ist
zudem hanebüchen - abgesehen davon, dass Weber sich auf die Erwählungslehre bezieht und mit äußerst fragwürdigen
psychologischen Unterstellungen arbeitet, die vielleicht Webers idealistischen Denkansatz, aber nicht mehr heutiger
seriöser Forschung entsprechen.
Also, den Abschnitt sollten Sie dringend ändern.
Oder, wenn Sie sich nicht die Mühe machen wollen, Calvin angemessen darzustellen: streichen Sie die entsprechenden
Zeilen.
Was jetzt zu lesen ist, ist haarsträubend.
Mit freundlichen Grüßen
K. Bröhenhorst über E-Mail, 2. Dezember 2014
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- zuletzt aktualisiert am 13.07.2024
Quellen:
• Joachim Januschek - http://www.glaubenszeugen.de/kalender/c/kalc003.htm - abgerufen am 30.06.2024
• Friedrich Wilhelm Bautz: Johannes Calvin. In: Friedrich-Wilhelm Bautz †(Hg.): Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon, Bd. I, Hamm 1990
• Andrea König: Die goldene Regel der Gegenseitigkeit. In: Die Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte 7-8/2009
• Klaas Huizing: Calvin der Milde. zeitzeichen 1/2009
• https://fr.wikipedia.org/wiki/Universit%C3%A9_de_Bourges - abgerufen am 30.06.2024
• https://www.ch-bourges.fr/le-ch-jacques-coeur/en-ce-moment/nos-actualites/aux-origines-de-jacques-coeur-lhotel-dieu - abgerufen am 30.06.2024
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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