Ökumenisches Heiligenlexikon

Maximilian Maria Kolbe

polnischer Name: Maksymilian
Taufname: Rajmund

1 Gedenktag katholisch: 14. August
gebotener Gedenktag
Hochfest im Bistum Bielsko-Żywiec
Fest bei den Franziskaner-Minoriten
Regionalkalender deutsches Sprachgebiet, Diözesankalender von Elbląg / Elbing und Koszalin-Kołobrzeg / Köslin-Kolberg, Ordenskalender der Franziskaner-Observanten und der Kapuziner
gebotener Gedenktag im Erzbistum Gdańsk / Danzig: 12. Januar
gebotener Gedenktag im Bistum Fulda und im Erzbistum Mailand: 17. August

1 Gedenktag evangelisch: 14. August (ELCA)

1 Gedenktag anglikanisch: 14. August

Name bedeutet: Max: der Größte und: aus dem Geschlecht der Ämilier (latein.)
Mar: die Beleibte / die Schöne / die Bittere / die von Gott Geliebte (aramäisch)
R: Rat und Schutz (althochdt.)

Ordensmann, Priester, Märtyrer
* 7. Januar 1894 in Zduńska Wola bei Lódz in Polen
14. August 1941 in Auschwitz, heute Oświęcim in Polen


Kolbe kurz vor seiner Verhaftung
Kolbe kurz vor seiner Verhaftung

Rajmund Kolbe, Sohn eines Webers, wurde von seiner Mutter mit Härte und in unbedingter Frömmigkeit erzogen. Er besuchte ab 1907 zusammen mit seinem älteren Bruder die Schule der Franziskaner in Lemberg - dem heutigen L'viv - und trat im Alter von 17 Jahren unter dem Namen Maximilian Maria dem Orden bei. Er konnte ab 1912 in Rom an der Päpstlichen Universität Gregoriana - damals im Palazzo Gabrielli-Borromeo - studieren und schon 1915 in Philosophie, 1919 in Theologie promovieren. Kolbe war von besonderer Verehrung der Unbefleckten Empfängnis Mariä geprägt; 1920 schrieb er, dass er Werkzeug und Eigentum, absolutes, unbedingtes, unbegrenztes, unwiderrufliches Eigentum der Unbefleckten sein wolle; ich vermag alles in dem, der mich stark macht durch die Unbefleckte. Als er als Student in Rom auf der Straße junge Männer über Maria lästern hörte, stellte er diese wegen Beleidigung seiner Mama zur Rede. Weil er die Wichtigkeit der missionarischen Arbeit erkannte, gründete er 1917 - unter dem Eindruck der antiklerikalenEin Kleriker ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien. Gedenkfeier freidenkender Kreise für den Philosophen Giordano Bruno - zusammen mit sechs Mitbrüdern seines Ordens an der Kirche Santi Dodici Apostoli in Rom die Militia Immaculatae, die Miliz der Unbefleckten Empfängnis, als Gebetsgemeinschaft für die Bekehrung der Sünder und Häretiker, für die Heimholung der Schismatiker und der Juden, besonders aber für die Bekehrung der Freimaurer.

Gedenkstein an den Gründer der „Militia Immaculatae” in der Kirche Ss. Dodici Apostoli in Rom
Gedenkstein an den Gründer der Militia Immaculatae in der Kirche Santi Dodici Apostoli in Rom

1918 wurde Maximilian Maria Kolbe zum Priester geweiht. Für sein Leben als Priester wählte er zwei Leitworte: Soweit wie möglich heilig sein und die ganze Welt der Makellosen unterwerfen. 1919 kehrte er nach Polen zurück als Lehrer für Philosophie und Kirchengeschichte am Priesterseminar der Franziskaner in Krakau; daneben widmete er sich der publizistischen Arbeit und veröffentliche im Rundfunk. 1919 erlitt der seit Kinderzeiten Lungenkranke einen schweren Tuberkulose-Anfall; im Sanatorium in Zakopane wurde er zum Engel der Kranken; nach über einem Jahr konnte er nach Krakau zurückkehren. 1922 gründete er die Zeitschrift Rycerz Niepokalanej, Ritter der Unbefleckten zur Vertiefung des Glaubens und Bekehrung von Nicht-Katholiken; 1938 wurde die Zeitschrift mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren verbreitet, dazu eine Tageszeitung mit einer Auflage von 250.000. Der Amateurfunk als Verständigungsmittel gutwilliger Menschen in aller Welt war Kolbe in seinem missionarischen Dienst hilfreich - auch später im Kloster hatte er seine eigene Funkbude. Kolbe förderte auch die Verbreitung der wundertätigen Medaille, die auf eine Vision von Katharina Labouré zurückgeht.

Nach einer Ruhepause aufgrund erneuter schwerer Erkrankung an Tuberkulose gründete Maximilian Kolbe 1927 in Teresin das Kloster Niepokalanów, der Unbefleckten (Jungfrau Maria) Stadt auf einem von Fürst Drucki-Lubecki geschenkten Grundstück. Kolbe wurde dessen Vorsteher; zeitweise waren dort bis zu 700 Mitbrüder beheimatet, 90% davon Laienbrüder, meist mit spezialisierten technischen Fertigkeiten. Es gab eine große Druckerei, eine Radiostation, ein Krankenhaus sowie einen eigenen Bahnhof und einen eigenen Flugplatz. Für die Kinder gab es nun auch die Zeitschrift Kleine Ritter der Immaculata, für Geistliche das Periodikum Miles Immaculatae, Ritter der Unbefleckten. Sein älterer Bruder Franz kritisierte damals, dass man sich im Kloster nicht mehr wie üblich grüßte mit Gelobt sei Jesus Christus! sondern mit dem Wort Maria: Es tut mir Leid um den schönen altpolnischen Gruß. … Der neue sieht ein bisschen nach Boykott aus gegenüber dem Herrn Jesus . … Was wird daraus werden?

1930 begab Kolbe sich mit vier seiner Ordensbrüder zur Missionsarbeit über Saigon - die heutige Hồ-Chí-Minh-Stadt - in der damals französischen Kolonie Tonkin, wo er eine Zeitschrift herausgeben konnte, und über Shanghai, wo er am Widerstand der anglikanischen Regierung scheiterte nach Nagasaki in Japan; dort wirkte er als Professor am Priesterseminar. Wieder war aber die Publizistik seine wichtigste Aufgabe. Er gründete zahlreiche neue Missionsstationen, darunter nahe Nagasaki das Kloster Mugenzai no Sono, Garten der Unbefleckten Empfängnis.

Franz Gajowniczek mit seiner Frau und Fotos der beiden Söhne, die 1944 auch ermordet wurden, im Jahr der Heiligsprechung Kolbes, 1982
Franz Gajowniczek mit seiner Frau und Fotos der beiden Söhne, die 1944 auch ermordet wurden, im Jahr der Heiligsprechung Kolbes, 1982

1936 wurde Kolbe zum Provinzialkapitel in seine Heimat zurückgerufen und leitete dann wieder sein Kloster in Teresin. Im selben Jahr wurde mit dem Bau einer Kirche für 6000 Menschen begonnen; kriegsbedingt wurde sie erst 1951 fertiggestellt. Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen im September 1939 wurde er zusammen mit seinen Mitbrüdern, darunter Pius Maria Bartosik, kurze Zeit im Lager in Amtitz - dem heutigen Gębice - gefangen gesetzt, im September 1940 wurde der unangenehm Aufgefallene kurz erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen - im heutigen Stadtteil von Oranienburg - verbracht 1. Im Februar 1941 wurde er wieder verhaftet und im Mai ins Vernichtungslager in Auschwitz - dem heutigen Oświęcim - eingewiesen. Im Juli 1941 wurden bei einem Appell vor dem KZ-Kommandanten Fritsch zehn Männer ausgesondert, die als Strafaktion wegen der Flucht eines Gefangenen in den Hungerbunker eingeschlossen werden sollten. Einer der Ausgesonderten, Franz Gajowniczek, schrie laut auf und erinnerte unter Tränen an seine beiden Söhne; der am Appell teilnehmende Kolbe trat hervor und bot sein Leben für das des Familienvaters, was Fritsch akzeptierte.

Den protestantischen Lagerarzt tröstete Maximilian Kolbe:
Jeder Mensch hat im Leben seinen Sinn, denn er hat sein Leben erhalten zum Wohle der anderen Menschen. Deswegen spricht auch hier im Lager die göttliche Vorsehung mit.

Kolbe wurde also in den Hungerbunker gesteckt, tagelang habe man ihn singen und beten gehört. Nachdem die anderen neun Leidensgenossen schon verhungert waren, Kolbe aber noch wenige Lebenszeichen von sich gab, verabreichte der Lagerhenker ihm schließlich eine Giftspritze, was den endgültigen Tod bedeutete.

Maximilian Kolbes Todeszelle im Konzentrationslager in Auschwitz mit der von Papst Johannes Paul II bei seinem Besuch 2004 gestifteten Gedenkkerze
Maximilian Kolbes Todeszelle im Konzentrationslager in Auschwitz mit der von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch 2004 gestifteten Gedenkkerze Foto: Kurt Rumplmayr

Die Wahrheit gebietet den Hinweis, dass auch Kolbe nicht frei war von Judenfeindlichkeit, die damals nicht nur in Nazi-Kreisen zuhause war. In von ihm herausgegebenen katholischen Massenblättern konnte man lesen, dass Polen das biologische Hauptreservoir des Weltjudentums sei, das sich wie ein Krebsgeschwür in den Volkskörper fresse, deshalb gebe es nur eine Lösung: Die Juden müssen emigrieren. Gegen den Willen der Eltern taufte er einen jüdischen Studenten; auch seine Mutter hatte als Hebamme dereinst eigenmächtig ein jüdisches Kind getauft. 1935 forderte er Schutz vor jüdischer Überfremdung, aber keinen Antisemitismus. Auch nach der Befreiung der Konzentrationslager und dem Kriegsende wurde in Polen weder von der kommunistischen Regierung noch von der katholischen Kirche der Holocaust wahrgenommen; für die Regierung war Oświęcim - nur - Ort des Mordens an Polen, für die katholische Kirche Stätte des Martyriums von Katholiken. Noch 1946 wurden in Kielce 42 überlebende Juden von empörten Polen ermordet, die der Mär von jüdischen Kindermördern Glauben schenkten - ein Wiederaufleben von Diffamierungen ähnlich der Ritualmordlegenden des Mittelalters; Antisemitismus wurde in Polen auch nach dem Krieg nicht problematisiert. Die Errichtung eines Kreuzes auf dem KZ-Gelände anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. erregte 1998 nicht nur jüdische Kritiker, weil damit die Geschichtsklitterung dokumentiert und fortgesetzt werde.

Der Osservatore Romano anlässlich der Heiligsprechung:
Das Opfer auf dem Altar von Auschwitz bildet die abschließende Geste einer priesterlichen Darbringung, die sich auf mystische Weise täglich in der Heiligen Messe wiederholt.

Nach der Seligsprechung von 1971 wurde Kolbe durch Beschluss des polnischen Staatsrates 1982 posthum mit dem goldenen Kreuz des Ordens Virtuti Militari, dem höchsten polnischen Militärverdienstorden ausgezeichnet. Der Militia Immaculatae, der Miliz der Unbefleckten Empfängnis, gehörten 1990 etwa drei Millionen Menschen weltweit an. Das Kloster Niepokalanów in Teresin ist bis heute Franziskanerkloster und beherbergt eine Werkstatt für sakrale Gegenstände und Landwirtschaft. Nach dem Vorbild und Namen dieses Klosters entstanden weitere in England, den USA, Italien, Spanien und Brasilien.

Kanonisation: Maximilian Kolbe wurde am 17. Oktober 1971 durch Papst Paul VI. seliggesprochen - nicht als Märtyrer, sondern als Bekenner und für sein strahlend reines und apostolisches Leben. Bei der Heiligsprechung am 10. Oktober 1982 durch den polnischen Papst Johannes Paul II. wurde der Märtyrertod anerkannt; bei der Feier auf dem Petersplatz in Rom war der gerettete Franz Gajowniczek zugegen.
Patron der Journalisten und Elektriker; der Familien; der Blutspender; der Bistümer Bielsko-Żywiec, Elbląg / Elbing und Koszalin-Kołobrzeg / Köslin-Kolberg

1 L. Galinski aus Berlin wies uns darauf hin, dass ausweislich der von den Franziskaner-Minoriten in Würzburg 1981 herausgegebenen Sammlung der Briefe Kolbes von 1915 - 1941, erschienen bei Kaffke in München, Kolbe am 10. September, am 4., 21. und 29. Oktober sowie am 1. und 3. Dezember 1940 Briefe aus dem Kloster Niepokalanow in Teresin an seine Mitbrüder, an seine Mutter, an seine Mitbrüder in Nagasaki und an seinen Mitbruder Alfons schrieb. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass in dieser Zeit sein Aufenthaltsort nicht das Lager Konzentrationslager Sachsenhausen gewesen sein kann.

Worte des Heiligen

Das Leben ist kurz:
Wie kurz ist doch das Leben, ihr wisst es alle; und wie schnell läuft die Zeit weg. Verkaufen wir es so teuer wie möglich! Je mehr Leiden, desto besser, denn dann werden wir nach dem Tode nicht leiden müssen. Die Zeit ist kurz, um Beweise unserer Liebe zu geben, und wir leben nur einmal.

Pflichterfüllung:
Deine Heiligkeit besteht nicht in irgendwelchen außergewöhnlichen Taten, sondern in der getreuen Erfüllung deiner Pflichten Gott, dir selbst und anderen gegenüber. Kein Stand, auch der erhabenste nicht, kann dir die Heiligung deiner Seele in Aussicht stellen, wenn du selbst deine Standespflichten vernachlässigst.

Gebet:
Napoleon wurde einmal gefragt, was dazu gehöre, um eine Schlacht zu gewinnen. Er antwortete: Geld, Geld und nochmals Geld! Wenn es um die Heiligung der Seelen geht, müsste man sagen: Man braucht das Gebet, das Gebet und nochmals das Gebet! Ohne das Gebet wird die Seele schwach. Je mehr man aber aus diesem Gnadenschatz schöpft, desto mehr wird man Gnaden besitzen.

Sich von Maria führen lassen:
Lassen wir uns doch von Maria führen, damit wir durch sie Jesus ähnlicher werden. Das ist der sicherste und vollkommenste Weg. Weihe dich ganz unserer himmlischen Mutter und siegreich wirst du alle Schwierigkeiten im Leben überwinden und du selbst wirst heilig, ein großer Heiliger werden, was ich dir aus vollem Herzen wünsche. Alle Heiligen - das kann man wirklich sagen - sind ein Werk der heiligen Jungfrau Maria, und die besondere Andacht zu ihr ist das gemeinsame Merkmal der Heiligen.

Durch Leiden zur Herrlichkeit:
Vergessen wir nicht, immer wieder mit Jesus auf dem Ölberg zu sprechen: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. (Lukasevangelium 22, 42) Wenn Gott es für richtig und gut findet, dass es so sei wie auf dem Ölberg, dass unsere Bitte keinen Erfolg haben soll und wir den Kelch bis zur Neige trinken müssen, auch dann wollen wir nicht vergessen, dass Jesus nicht nur gelitten hat, sondern danach in Herrlichkeit auferstanden ist. So müssen auch wir durch Leiden zur Auferstehung kommen.

Christus König:
Jesus sagte nicht nein, als ihn Pilatus fragte, ob er ein König sei. Er sagte nur, sein Königtum sei nicht von dieser Welt. Wir wissen, dass Königtum in dieser Welt auf Macht beruht. Ein weltliches Königtum, das auf Liebe gegründet ist, wird man schwerlich finden. Das Königtum Christi ist um vieles tiefer, ist auf der Liebe gegründet und reicht bis in die Seele, bis in den Willen hinein.

Läuterungen:
Manchmal will es uns scheinen, als regiere Gott diese Welt nicht energisch genug. Er könnte doch mit einer Geste seines allmächtigen Willens alle in Grund und Boden hinein zerstören - die Gottlosen in der Sowjetunion, die Kirchenbrandstifter, alle diejenigen, welche die Jugend verderben usw. Wie kurzsichtig ist doch unser begrenzter Verstand. Die ewige Weisheit urteilt ganz anders. Verfolgungen läutern die Seelen wie Feuer das Gold. Die Hände der Henker schaffen ganze Scharen von Märtyrern, und den Verfolgern wird oft am Ende selbst die Gnade der Bekehrung zuteil. Unerforschlich, aber immer am weisesten sind die Wege Gottes. Das darf indes nicht heißen, dass wir unsere Hände in den Schoß legen und den Feinden der menschlichen Seelen alle Freiheit lassen sollen. Gewiss nicht. Nur sollen wir nicht versuchen, die unendliche Weisheit zu korrigieren und den Heiligen Geist zu dirigieren. Wir müssen uns vielmehr seiner Führung ganz überlassen.

Quelle: Maximilian Kolbe: Jedem ist der Weg gewiesen - Texte eines Märtyrers. Ostfildern 1977, S. 111, 83, 92f, 60, 37, 30f

zusammengestellt von Abt em. Dr. Emmeram Kränkl OSB,
Benediktinerabtei Schäftlarn,
für die Katholische SonntagsZeitung

Literatur zu Auschwitz

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Die Gedenkstätte Konzentrationslager Sachsenhausen im heutigen Stadtteil von Oranienburg ist täglich von 8.30 Uhr bis 18 Uhr - im Winter nur bis 16.30 Uhr - zur Besichtigung geöffnet; montags sind dort die Museen aber geschlossen; der Eintritt ist frei. (2023)



Web 3.0 - Leserkommentare:

Bei einer Onlinerecherche zu Maximilian Kolbe bin ich auf den Beitrag in ihrem Lexikon gestoßen. Leider musste ich dabei feststellen, dass ihre Ausführungen zu dem polnisch-jüdischen Verhältnis nach dem Zweiten Weltkrieg stark verkürzt oder sogar inhaltlich falsch sind. Im Folgenden setze ich mich mit den betreffenden Stellen im Text auseinander.

Die Wahrheit gebietet den Hinweis, dass auch Kolbe nicht frei war von Judenfeindlichkeit, die damals nicht nur in Nazi-Kreisen zuhause war.
Es gibt keinen besseren und schlechteren Antisemitismus oder Antijudaismus (es ist nicht dasselbe) – beides verdient eine kategorische Ablehnung. Eine Zusammenstellung jedoch auf der gleichen Ebene des NS-deutschen rassistisch motivierten Antisemitismus, der eine planmäßige Vernichtung von Juden vorsah, und des Antijudaismus von Maximilian Kolbe, der auf deren Konversion oder Ausreise abzielte (natürlich aus der heutigen Perspektive inakzeptabel, aber im Katholizismus der Zwischenkriegszeit keine unübliche Haltung), ist aus dem historischen Gesichtspunkt eine unzulässige Verkürzung.

Auch nach der Befreiung der Konzentrationslager und dem Kriegsende wurde in Polen weder von der kommunistischen Regierung noch von der katholischen Kirche der Holocaust wahrgenommen; für die Regierung war Oświęcim - nur - Ort des Mordens an Polen, für die katholische Kirche Stätte des Martyriums von Katholiken.
Was soll hier heißen, der Holocaust sei nicht wahrgenommen worden? Es stimmt, dass das offizielle kommunistische Geschichtsnarrativ die Shoah verschwieg; in der Kirche dominierte zwar das Gedenken an die polnischen katholischen Opfer (was mit den äußerst brutalen Maßnahmen des NS-Terrors gegenüber der katholischen Kirche in Polen zusammenhängt), jedoch ist die Erinnerung an die Vernichtung der Juden gerade aus der katholischen Kirche nie vollkommen verschwunden. Außerdem suggeriert die Formulierung auch nach der Befreiung der Konzentrationslager und dem Kriegsende, dass die Judenvernichtung schon davor – also während des Krieges – von Polen nicht wahrgenommen wurde. Wenn es so gewesen wäre, hätte es solche Organisationen wie den von der Exilregierung in London koordinierten Rat zur Rettung von Juden Żegota sowie Tausende von Polen, die Hilfe an Juden leisteten (und dafür nicht selten mit eigenem Leben bezahlten) nicht gegeben. Diese Fakten scheinen allerdings den Autoren des Beitrags vollkommen unbekannt.

Noch 1946 wurden in Kielce 42 überlebende Juden von empörten Polen ermordet, die der Mär von jüdischen Kindermördern Glauben schenkten - ein Wiederaufleben von Diffamierungen ähnlich der Ritualmordlegenden des Mittelalters.
Der Pogrom in Kielce hatte einen weit komplexeren politisch-gesellschaftlichen Hintergrund, als eine Wiederbelebung der mittelalterlichen Legende von jüdischen Ritualmorden. Hierzu existiert ausreichende Forschungsliteratur.

Antisemitismus wurde in Polen auch nach dem Krieg nicht problematisiert.
Dieser Satz ist vollkommen falsch. Vor 1989 gab es zwar keine öffentliche Debatte über den Antisemitismus, das Verhältnis der Polen zu den Juden als auch die Shoah wurden aber in Kreisen katholischer Intellektueller diskutiert. Nach 1989 hat sich der jüdisch-christlich-polnische Dialog breit entfaltet; zahlreiche Forschungen und öffentliche Debatten gelten bis heute dem Antisemitismus der Zwischenkriegszeit, der Beihilfe der Polen zum Judenmord während des Krieges und den antisemitischen Ausschreitungen nach dessen Ende.

Die Errichtung eines Kreuzes auf dem KZ-Gelände anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. erregte 1998 nicht nur jüdische Kritiker, weil damit die Geschichtsklitterung dokumentiert und fortgesetzt werde.
Es handelte sich nicht um die Errichtung eines Kreuzes anlässlich des Besuches von Papst Johannes-Paul-II., sondern um die Platzierung auf dem KZ-Gelände desjenigen Kreuzes, bei dem der Papst eine Messe während seines Besuchs in Auschwitz 1979 zelebrierte. Diese Aktion war von Anfang an auch innerhalb der polnischen Kirche höchst umstritten. Infolge der Debatten wurde das Kreuz aus dem Gelände entfernt. Im Mittelpunkt des Konflikts um das Kreuz stand jedoch nicht so sehr die Geschichtsklitterung, sondern ein Zusammenstoß der jüdischen und der polnisch-christlichen Erinnerung an die tragische Erfahrung von Auschwitz. Dass daher mit dem Kreuz die Geschichtsklitterung dokumentiert und fortgesetzt werde ist eine Unterstellung, die an den Fakten vollkommen vorbeigeht und zudem diejenigen beleidigt, die an der Schlichtung des Konflikt beteiligt waren.

Derartige Verkürzungen, wie in Ihrem Lexikonartikel, lassen nicht nur ein falsches Geschichtsbild entstehen, sondern sind auch für die Aufarbeitung der schmerzhaften Vergangenheit im jüdisch-deutsch-polnischen Verhältnis schädlich.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Urszula Pękala, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Abteilung für Abendländische Religionsgeschichte, Alte Universitätsstraße 19, 55116 Mainz über E-Mail, 1. April 2018

Sie schreiben:
Die Wahrheit gebietet den Hinweis, dass auch Kolbe nicht frei war vom Antisemitismus, der damals nicht nur in Nazi-Kreisen zuhause war. In von ihm herausgegebenen katholischen Massenblättern konnte man lesen, dass Polen das biologische Hauptreservoir des Weltjudentums sei, das sich wie ein Krebsgeschwür in den Volkskörper fresse, deshalb gebe es nur eine Lösung: Die Juden müssen emigrieren. Auch nach der Befreiung des KZs und dem Kriegsende wurde in Polen weder von der kommunistischen Regierung noch von der katholischen Kirche der Holocoust wahrgenommen.
Dazu zwei Anmerkungen:

1. In von ihm herausgegebenen katholischen Massenblättern konnte man lesen …
Es ist generell problematisch, von der Herausgeberschaft einer Schrift auf die Affirmation von Aussagen in Texten dieser Schrift zu schließen. Nicht der Herausgeber ist verantwortlich für die Aussagen in den Texten, sondern die Autoren der Texte.
Es ist zudem problematisch, den Antisemitismus der Autoren mit zwei Zitaten zu belegen, die damals zum Standardrepertoire von Abhandlungen gehörten. So wie sie keine Doktorarbeit aus der DDR finden, auf der nicht in der Einleitung der große Beitrag Lenins zu eben dem behandelten Thema hervorgehoben wird, so finden sie kaum einen Text aus der Nazi-Zeit, der nicht bemerkt, dass ohne Juden alles besser wäre.
Da es sich um katholische Massenblätter handelt, ist allenfalls zu schließen, dass es auch im Katholizismus eine antisemitische Strömung gab – und das wird kein Historiker bestreiten. Aber Kolbe einen persönlichen Strick daraus zu drehen, ist sehr abwegig.
Ganz abgesehen davon: Antisemitismus gehörte über Jahrhunderte in der europäischen Kultur zum guten Ton. Es gibt wohl keinen Denker und Dichter der letzten 500 Jahre, von dem man nicht zwei, drei Hetzsprüche gegen Juden finden könnte. Ich sage nicht, dass wir darauf stolz sein sollten, ich meine nur, dass man in diesem Kontext nicht einen Menschen mit zwei Aussagen belasten sollte, die nicht mal von ihm selbst stammen.

2. Auch nach der Befreiung des KZs und dem Kriegsende wurde in Polen …
Die kausale Brücke von Gesinnung eines Bewohners von Land X zu Situation im Land X nach dem Tod des Bewohners zu ist ebenfalls sehr schwankend, wenn der Bewohner nicht maßgeblich die Politik des Landes mitbestimmt hat. P. Maximilian Kolbe war jedoch kein Staatsmann, der die Weichen für Polens Zukunft gestellt hätte. Die dem zitierten Abschnitt folgende Darstellung handelt aber von eben jener Zukunft Polens, auf die P. Maximilian Kolbe keinen Einfluss hatte. Was hat das also in einer biographischen Abhandlung zu suchen? Man liest etwa: Noch 1946 - P. Maximilian Kolbe war schon seit fünf Jahren tot - wurden in Kielce 42 überlebende Juden von empörten Polen ermordet. Das ist tragisch und traurig zugleich, nur: Was hat das mit P. Maximilian Kolbe zu tun?
In einem Artikel über die Neuere Geschichte Polens oder Antisemitismus in Polen hätte diese Bemerkung eine Berechtigung. Warum sie in einen Artikel über P. Maximilian Kolbe hineingehört, erschließt sich mir nicht.

Josef Bordat über E-Mail, 21. Dezember 2011

Sie schreiben: Die Wahrheit gebietet den Hinweis, dass auch Kolbe nicht frei war vom Antisemitismus, der damals nicht nur in Nazi-Kreisen zuhause war. In von ihm herausgegebenen katholischen Massenblättern konnte man lesen, dass Polen das biologische Hauptreservoir des Weltjudentums sei, das sich wie ein Krebsgeschwür in den Volkskörper fresse, deshalb gebe es nur eine Lösung: Die Juden müssen emigrieren.
Ich fände es mehr als angemessen, in diesem Zusammenhang aber auch zu erwähnen, dass Pater Kolbe in seinem Kloster Niepokalanów in der Kriegszeit hunderte Juden und andere Flüchtlinge aufgenommen hat. Dazu ein Zitat aus dem Buch: Walter Nigg: Maximilian Kolbe: Der Märtyrer von Auschwitz. Herder, 2. Aufl., 1980; Seiten 44 bis 46:
(Zeitpunkt: nach Pater Kolbes Verhaftung und Verschleppung in das Lager Amtitz, dann Freilassung): Die Brüder kehrten zurück und fanden Niepokalanów in einem traurigen Zustand: Das Kloster war in der Zwischenzeit ausgeraubt worden. Pater Maximilian begann sofort mit der Wiederherstellung, und bald wurde Niepokalanów ein Zufluchtsort für ausgesiedelte Menschen, wie der euphemistische Ausdruck lautete. Zunächst beherbergte das Kloster über zweitausend Polen, und hernach kamen noch fünfzehnhundert Juden hinzu.
Das oben genannte Buch konstatiert zwar: Wie die meisten Polen, war auch Pater Kolbe nicht frei von Antisemitismus. Aber man sollte auch Folgendes beachten:
Was bei einer Begegnung zwischen den russischen Starzen und den jüdischen Chassidim geschehen wäre, könnte nur ein Dichter schildern, weil sie in Wirklichkeit nie stattgefunden hat. Die Konfessionen lebten damals völlig getrennt voneinander, was sicher Christi Liebesgebot widersprach. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich in der katholischen Kirche eine gewisse Änderung angebahnt. Bei Pater Kolbe geschah dies früher. Als die jüdischen Flüchtlinge nach Niepokalanów kamen, nahm er sie mit der gleichen Herzlichkeit auf wie seine polnischen Volksgenossen. Inmitten des bedrückenden Kriegsgeschehens überwand er jeglichen Antisemitismus, der wie ein häßliches Krebsgeschwür am Leibe der Christenheit wuchert. Das polnische Verhalten war wohl echt: in der Theorie widerlicher Antisemitismus und in der Notlage brüderliches Zusammenstehen. Das gemeinsame Kriegslos verwischte die konfessionellen Unterschiede (Mlodozeniec). Aller Antisemitismus war angesichts der bedrohlichen Situation wie ein böser Spuk verflogen. Die Juden erwähnten mit rühmenden Worten die wohltätige Gesinnung Kolbes. Die Begegnung mit dem jüdischen Menschen gehört zu den schönsten, aber auch kaum beachteten Erlebnissen im Leben Pater Kolbes. (Hervorhebungen von mir, J.B.)
Auch in anderen Büchern über Pater Kolbe habe ich gelesen, dass er vielen Juden während des Zweiten Weltkrieges in Niepokalanów Zuflucht gab. Wenn ich die Stellen finde, schreibe ich Ihnen sie gern. Im Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon steht ebenfalls: In der Okkupationszeit bildete Niepokalanów einen Zufluchtsort für zahlreiche Flüchtlinge, auch jüdische Mitbürger, die auf Geheiß K.s dort Aufnahme fanden.

Mit freundlichen Grüßen

J. B. aus G. über E-Mail, 10. Januar 2010





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 08.12.2023

Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• P. Ezechiel Britschgi: Name verpflichtet. Christiana, Stein am Rhein, 1985
• Erhard Gorys: Lexikon der Heiligen. dtv, München 1997
• https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Kolbe - abgerufen am 20.07.2023
• Gabriele Lesser: Geschichtslügen. Tageszeitung, 15. August 1998
• https://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/677531 - abgerufen am 20.07.2023
• http://www.ostblog.de/2006/05/feiwillig_fuer_947_tage_in_die.php - abgerufen am 20.07.2023

• Lexikon für Theologie und Kirche, begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper, 3., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 7., Herder, Freiburg im Breisgau 1998
• http://www.maximilian-kolbe-werk.de/44778.html nicht mehr erreichbar
• Walter Schöpsdau: Maximilian Maria Kolbe. In: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 6/1982
• http://www.ubonse.de/ubonse.de/rtf/2.05.01.pdf - abgerufen am 20.07.2023
• http://www.berufe-der-kirche-freiburg.de/media/pdfs/PMK05_BG.pdf nicht mehr erreichbar
• https://kath.net/news/77289 - abgerufen am 12.11.2023

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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