Rudolf Wyrsch: Der heilige Arnold von Arnoldsweiler
Rudolf A. H. Wyrsch hat eine umfangreiche Monografie über Arnold verfasst: Der heilige Arnold von Arnoldsweiler. Legende und Geschichte der Verehrung eines rheinischen Heiligen. = Forum Jülicher Geschichte, Heft 9, Jülich 1994. Die Seiten 4 - 6 hat er uns zur Verfügung gestellt; wir veröffentlichen sie ohne die ausführlichen Anmerkungen mit Quellennachweisen.
Im frühesten Abdruck der Vita des hl. Arnold von Arnoldsweiler
(veröffentlicht 1618) wird dessen Todesjahr genau in das Jahr 800 verlegt,
wohingegen die Bollandisten in ihrem Abdruck der Arnoldivita im Jahr 1725 als
Lebenszeit des hl. Arnold ungefähr das 9. Jahrhundert angeben. Auch das in
Köln und Frankfurt/M. 1719 verlegte ausführliche Heiligenlexikon und das von H.
A. Pierer 1840 herausgegebene Universal-Lexikon nennen 800 als Todesdatum. Ein
Heiligen-Lexikon von 1858
und ein Martyrologium von 1860 legen sich für die Zeit um das Jahr 800 bzw. im
Beginn des 9. Jahrhunderts
fest. Peter Fischbach geht 1832 und 1843 in seinen
Gedichten über den hl. Arnold davon aus, daß dieser den Tod seines Kaisers (814)
überlebt habe.
Da der hl. Arnold von Arnoldsweiler nicht in zeitgenössischen Quellen belegt
ist, darf die Frage erlaubt sein, ob denn dieser Lokal- und Regionalheilige
überhaupt gelebt hat. Der Bonner Historiker Eugen Ewig geht davon aus, daß
Arnold, der angebliche Sänger und Harfespieler am Hofe Karls
des Großen, mit Arnulf, dem
Bischof von Metz († etwa 640), identisch ist. Der Benediktiner Arnoldus
Seits aus Brügge-Assebrock/Belgien
dagegen hält den hl. Arnold von Arnoldsweiler
zwar für echt
, muß aber feststellen, daß dieser Arnold nicht nur mit Arnulf
(Arnold) von Metz, sondern auch mit Arnold
(Arnulf) von Tiegen/Flandern oder von Oudenberg = Aldenburg (* vor 1060
Tiegem/Flandern, † 10.8.1087 Oudenburg
b. Brügge) verwechselt wird. Arnold von Tiegem, der auch Arnulf von Soissons
heißt (wegen seiner dortigen Ämter als
Abt und Bischof), wird wiederum mit Arnulf (Arnold) von Metz vertauscht. Der
ehemalige Religionslehrer und Pfarrvikar von La Louvière/Belgien und spätere
Doktor der Theologie und Domkapitular in Köln, Arnold Steffens (* 30.3.1851
Niederzier bei Düren, † 19.9.1923 Köln), ist vor über hundert Jahren in seiner
historisch-kritischen Darstellung davon ausgegangen, daß der hl. Arnold von
Arnoldsweiler tatsächlich gelebt hat, obwohl Einhard,
der Biograph Karls des Großen, den hl. Arnold van Arnoldsweiler mit keinem
einzigen Wort erwähnt. Das ist deshalb auffällig, weil Einhard seine Vita Caroli
u. a. mit der Bemerkung beginnt, daß er sich die Mühe gemacht hat, nichts
wegzulassen, was er hat in Erfahrung bringen können. Vielleicht hat Arnold im
Jahr 794, in dem Einhard nach Aachen kommt, nicht mehr am Hofe Karls des Großen
gewirkt oder Einhard hat ihn nicht für erwähnenswert gehalten. Für Steffens ist
der hl. Arnold von Arnoldsweiler jedenfalls eine historisch gesicherte
Persönlichkeit, obschon auch der Mönch von St. Gallen nichts über ihn schreibt,
was er vielleicht getan hätte, wenn er sein Werk hätte vollenden können.
Weil für Steffens die in der Lebensgeschichte des hl. Arnold von
Arnoldsweiler
geschilderten Begebenheiten mit Ausnahme der Ringlegende
historische Tatsachen sind, ist für ihn das Jahr 843, in dem im Westen des
Karolingerreiches eine große Hungersnot geherrscht hat, das Jahr, in dem der hl.
Arnold gestorben ist. Diese These wurde seitdem immer wieder ungeprüft
übernommen. Eine frühere Hungersnot in den Jahren 792/93 kann Steffens freilich
nicht berücksichtigen; denn das würde nicht in sein Schema passen, weil das
Jakobusgrab in Santiago
de Compostela in Spanien noch nicht entdeckt war und die in der Arnoldvita
erwähnte Pilgerfahrt des hl. Arnold nach Spanien für Steffens eine
geschichtliche Tatsache darstellt. Dabei übersieht er, daß der früheste Besuch
eines ausländischen Pilgers in Compostela erst für ca. 950 belegt ist. Es ist
sicher, daß der hl. Arnold von Arnoldsweiler - historisch gesehen - ebensowenig
Jakobspilger gewesen ist wie Karl
der Große, von dem die Legende dasselbe behauptet. Vielmehr hat Arnold an der
mythischen Überhöhung seines Herrn im 12. Jahrhundert teilgenommen; denn 1165
wird Karl der Große heiliggesprochen und 1168 wird Arnoldsweiler zum ersten Mal
Wilre sancti Arnoldi
genannt. Das geschah also in dem Jahrhundert, in dem auch
die Lebensbeschreibung des hl. Arnold entstanden sein soll.
Nicht nur die Spanienwallfahrt und die Begebenheit mit dem in die Garonne
geworfenen und im Bauch eines Fisches wiedergefundenen Ring sind sicherlich
Legenden, sondern darüber hinaus ist die ganze Vita sancti Arnoldi - wie der
Sagenzyklus um Karl den Großen
und seinen Gegner Reinold von Montalban - bis auf einen historischen Kern
legendenhaft; denn es gibt nicht nur für die Umrittlegende, sondern auch für die
Ringlegende viele vergleichbare Versionen im europäischen Erzählgut. So finden
wir Umritt- bzw. Grenzlegenden z. B. bei König Zwentibold
und bei Heiligen wie Remigius,
Carileffus, Leonhard,
Florentius,
Rigobert und Lüfthildis,
und von Heiligen wie Genoveva, Arnulf,
Kentigern (Mungo), Egwin
und König Oswald werden Ring- und
Fischlegenden erzählt, die sehr an den Ring des Polykrates
oder an die
Geschichten mit einem wiedergefundenen Ring in den Erzählungen von Tausend und
eine Nacht
erinnern.
Auch für das Auftreten des hl. Arnold als Sänger und Harfenspieler lassen sich andere Beispiele anführen.
Quelle: Pfarrer Rudolf A. H. Wyrsch, E-Mail vom 10. Mai 2006
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